Fall 4: Der Scheck ist weg
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- Johann Böhme
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1 Prof. Dr. Dagmar Kaiser Examenskurs Bereicherungsrecht (Herbst 2012) 1 Fall 4: Der Scheck ist weg Probleme: Leistungskondiktion Anweisungsfälle (Dreieck): Leistung Nichtbestehen/nachträglicher Wegfall der Anweisung Leistung in Kenntnis der Nichtschuld, 814 BGB Durchgriffskondiktion Doppelmangel: Kondiktion der Kondiktion oder Wertersatzanspruch Literatur: Giesen, Grundsätze der Konfliktlösung im Besonderen Schuldrecht: Die ungerechtfertigte Bereicherung, Teil 1: Leistungskondiktion, Jura 1995, 169, 173 ff; Medicus, BürgR 23 [2011] Rn. 674 ff; Larenz/Canaris SR II 2 13 [1994] II 2 70 IV S. 223 ff; Gursky, 20 Probleme aus dem Bereicherungsrecht 6 [2008], 3. Problem, S. 17 ff. Grundfall A. Ansprüche B G auf Rückzahlung von I. Aus 985 BGB Die früher teilweise vertretene Theorie der Geldwertvindikation erlaubte einen Herausgabeanspruch auf Geld aus 985 BGB auch dann, wenn die konkreten Scheine und Münzen ununterscheidbar mit anderem Geld des Besitzers vermischt worden waren. Diese Auffassung widerspricht 948, 947 BGB mit 951 BGB oder mit 1008 ff, 741 ff BGB. Zudem würde damit die Behandlung von Bar- und Buchgeld verwischen (zum Meinungsstreit MünchKomm/Baldus 5 [2009] 985 Rn.26); auf Buchgeld kann 985 BGB in keinem Fall angewandt werden. II. Aus 812 I 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) G hat mit Auszahlung der Besitz und Eigentum am Geld erlangt. 2. Durch Leistung der B Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Die Zweckbestimmung legt bei Drei- und Mehrpersonenverhältnissen fest, wer Bereicherungsgläubiger und wer Bereicherungsschuldner ist. Der Leistende legt mit der Tilgungsbestimmung den Leistungszweck fest, sie muss aus der Sicht des Leistungsempfängers ausgelegt werden (BGH , VII ZR 285/61, BGHZ 40, 272; dazu bereits Fall 3). Bei einer wirksamen Anweisung bestehen zwei bereicherungsrechtliche Leistungsbeziehungen entlang den Vertragsverhältnissen: Im Deckungsverhältnis (Scheckvertrag ggf. als Geschäftsbesorgungsvertrag B S, 675 BGB dazu noch unter B.I.1.) erbringt die Bank B in Ausführung des im Scheck liegenden Auszahlungsauftrages eine Leistung an den anweisenden Kontoinhaber S. Der Kontoinhaber S leistet seinerseits
2 Prof. Dr. Dagmar Kaiser Examenskurs Bereicherungsrecht (Herbst 2012) 2 den ausgezahlten Betrag im Valutaverhältnis (Kaufvertrag S G, 433 BGB) an den Überweisungsempfänger G. Im Zuwendungsverhältnis B G leistet die B hingegen nicht rechtlich, sondern lediglich faktisch: B zahlt nicht in Erfüllung einer eigenen Verbindlichkeit an G, sondern nur aufgrund ihrer Verpflichtung gegenüber dem Anweisenden S als dessen Zahlstelle. Schuldner im Valutaverhältnis = Anweisender Gläubiger im Valutaverhältnis = Anweisungsempfänger S is ltn ä im g rh n e t u s v g is n e L u c k e D B Leistung im Valutaverhältnis G Angewiesener = Schuldner im Deckungsverhältnis Indem die Bank auf Vorlage eines Schecks Geld zahlt, leistet sie keinesfalls an G als Empfänger: Weder wollte die Bank subjektiv an G leisten, sondern allenfalls ihre Pflicht gegenüber ihrem Kunden S aus dem Scheckvertrag erfüllen, noch leistete die Bank aus Sicht des G; aus seiner Sicht war sie lediglich Zahlstelle. Kein Herausgabeanspruch B G aus Leistungskondiktion III. Aus 812 I 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion) G hat mit Auszahlung der Besitz und Eigentum am Geld erlangt. 2. In sonstiger Weise G dürfte das Eigentum und den Besitz an den nicht durch eine Leistung (auch eines anderen) erhalten haben: Die Nichtleistungskondiktion ist gegenüber der Leistungskondiktion subsidiär: Der Bereicherungsschuldner ist zur Herausgabe dessen, was er durch Leistung erlangt hat, allenfalls im Wege der Leistungskondiktion, nicht aber über die Kondiktion nach 812 I 1 Var. 2 BGB verpflichtet (Fall 3). Hier könnte G die durch vorrangige Leistung des S erhalten haben: S hat mit der Übergabe des Schecks an G eine Tilgungsbestimmung des Inhalts abgegeben, dass er mit dem Scheck erfüllungshalber ( 364 BGB) seine Pflicht zur Kaufpreiszahlung aus dem Kaufvertrag S G erfüllen wolle (Fall 3). Eine Leistung
3 Prof. Dr. Dagmar Kaiser Examenskurs Bereicherungsrecht (Herbst 2012) 3 des S an G liegt eigentlich vor. Problematisch ist jedoch, dass S den Scheck widerrufen hat und damit die Anweisung gemäß Art. 29 I, 32 I ScheckG unwirksam ist (anders als in Fall 3 geht es nicht um ein fehlerhaftes Deckungs- oder Valutaverhältnis, sondern um die Mangelhaftigkeit der Anweisung an sich). Rechtsprechung und Literatur kommen bei einem gutgläubigen Scheckempfänger zum identischen Ergebnis (anders bei Bösgläubigkeit; dazu sogleich in der Variante): a. Nach BGH hat S durch Sperren des Schecks die Anweisung zur Auszahlung der Kaufpreissumme an G wirksam widerrufen und damit seine Tilgungsbestimmung zerstört. Die Auslegung der Tilgungsbestimmung aus objektiver Empfängersicht stoße mangels Auslegungsobjekts an ihre Grenzen. Fehlt es an einer Tilgungsbestimmung (Unterschied zu den Fällen der Zuvielüberweisung BGH , XI ZR 371/07, BGHZ 176, 234) kann sich die vermeintlich angewiesene Bank zumindest dann das Geld nicht vom Leistungsempfänger zurückholen, wenn dieser vom Widerruf nichts wusste. So lange dürfe der Empfänger auf dessen Sicht es ankomme davon ausgehen, dass die Bank in Erfüllung des Deckungsverhältnisses eine Leistung gegenüber ihrem Kunden (S) erbringe (BGH , VII ZR 8/73, BGHZ 61, 289, 293 ff = NJW 1974, 39 ff; BGH , VII ZR 370/82, BGHZ 87, 393, 397 = NJW 1983, 2499). Unterstützend verweist der BGH in späteren Entscheidungen (BGH , XI ZR 125/03, BGHZ 158, 1 = NJW 2004, 1315 m.nw.) auf die Argumentation unter b, wonach S durch die Scheckübergabe an G diesem gegenüber in zurechenbarer Weise einen Rechtsschein hervorgerufen habe, die Leistung der Bank sei seine Leistung. Die Bank müsse sich an ihren Vertragspartner, also an S, halten. b. In Anschluss an Canaris (WM 1980, 355 f. und Larenz/ Canaris Schuldrecht II/ 2, 70 IV 3 S. 229 ff.) sieht ein Teil der Lit. in der Rechtsprechung eine unzulässige Verabsolutierung der Lehre vom Empfängerhorizont. Maßgeblich sei vielmehr analog 170 ff. BGB, ob ein vom Anweisenden zurechenbar veranlasster Rechtsschein einer Weisung vorliegt oder nicht: Es muss (1.) objektiv ein solcher Rechtsschein bestehen, (2.) muss der Rechtsschein dem Anweisenden zurechenbar sein und (3.) muss der Empfänger auf den Rechtsschein vertraut haben (Gutgläubigkeit). Ein zurechenbarer Rechtsscheintatbestand kann etwa dadurch gesetzt werden, dass der Anweisende wie hier ein Scheck dem Empfänger ausgehändigt und nur gegenüber der Bank gesperrt hat. c. Nach Canaris (WM 1980, 354, 366 und Larenz/ Canaris SR II 2 13 [1994], 70 IV 3b S. 229 ff.; sich
4 Prof. Dr. Dagmar Kaiser Examenskurs Bereicherungsrecht (Herbst 2012) 4 anschließend: Thielmann AcP 187, 23, 43 Fn 78; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, 11 IV 4 c; MünchKomm/Schwab 5 [2009] 812 Rn. 118) fehlt es hingegen schon an einem wirksamen Widerruf der Tilgungsbestimmung: Die Bestimmung, dass mit der Verwertung des Schecks die Kaufpreisschuld S G getilgt werden soll, haben S und G bei der Hingabe des Schecks als Leistung erfüllungshalber i.s. des 364 II BGB durch Verwertungsabrede, also durch Vertrag getroffen. Von einem Vertrag kann sich der Schuldner S nur durch Anfechtung seiner Willenserklärung, durch Rücktritt oder durch Aufhebungsvertrag befreien. Besteht kein Grund für eine einseitige Aufhebung des Vertrages, kann er nur einverständlich aufgehoben werden. Solange dies nicht geschehen ist, besteht nicht nur ein vom Schuldner zurechenbar hervorgerufener Rechtsschein eines wirksamen Leistungsversprechens, sondern besteht ein wirksames Leistungsversprechen: S hat über die Bank wirksam auf den Scheck gezahlt. d. Nach allen Auffassungen hat im Rechtssinne S an G geleistet: o o o G war gutgläubig. d.h. wusste nicht, dass der Scheck widerrufen worden war. Aus der nach BGH maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten in der Position des G hat S an G geleistet. Durch die Begebung des Schecks an G hat S zurechenbar den Rechtsschein einer wirksamen Anweisung gesetzt. Dieser Rechtsschein ist durch die Sperrung des Schecks lediglich gegenüber der Bank B, aber nicht gegenüber G zerstört worden. G hat auf den durch den Scheck in seinen Händen gesetzten Rechtsschein vertraut und durfte bei Einreichung des Schecks davon ausgehen, dass mit der Zuwendung der die B als bloße Zahlstelle für S handeln wollte und damit dessen Pflicht zur Kaufpreiszahlung erfüllte (siehe weitergehend noch Variante unter I 2 b). Auch nach Canaris (gerade B.II.3.) hat S die trotz Sperrung des Schecks an G geleistet und die Kaufpreisschuld erfüllt, da S seine Tilgungsbestimmung nicht wirksam widerrufen hat. Da S an G geleistet hat, besteht in keinem Fall ein Herausgabeanspruch B G aus Nichtleistungskondiktion.
5 Prof. Dr. Dagmar Kaiser Examenskurs Bereicherungsrecht (Herbst 2012) 5 B. Ansprüche B S I. Auf Aufwendungsersatz gem. 675 I, 670 BGB 1. Scheckvertrag als Sonderform des Geschäftsbesorgungsvertrags Zwischen Banken und Bankkunden besteht häufig ein Bankvertrag (früher: Girovertrages) als Rahmenvertrag; alternativ werden einzelne Verträge für jeden Leistungsbereich abgeschlossen. Liegt ein Rahmenvertrag vor, ist dieser entweder ein Zahlungsdienstvertrag i.s. der 675 c ff. BGB, zum Beispiel Girovertrag, oder ein allgemeiner Geschäftsversorgungsvertrag i.s. des 675 BGB. Ist der Leistungsbereich Scheck ausdrücklich in einem Rahmenvertrag geregelt, gelten für ihn unabhängig davon, ob der Rahmenvertrag als Zahlungsdiensterahmenvertrag oder Geschäftsbesorgungsrahmenvertrag ausgestaltet ist, die allgemeinen Regelungen des Geschäftsbesorgungsvertrags nach 675 BGB und nicht die besonderen Regelungen für Zahlungsdienstleistungen nach 675 c ff. BGB, denn Zahlungsvorgänge im Zusammenhang mit der Ausführung von Schecks sind nach 1 X 6a ZAG keine Zahlungsdienstleistungen i.s. der 675 c ff. BGB (Palandt/Sprau 71 [2012] 675 Rn. 14 und 675c Rn. 5; MünchKomm/Casper 6 [2012] 675c Rn. 16; Zahlungsdienstleistungen sind dagegen etwa Überweisungen und der Lastschriftverkehr). Ist der Scheckvertrag nicht ausdrücklich geregelt, kommt er in der Regel als gesonderter Geschäftsbesorgungsvertrag stillschweigend durch Aushändigung der Scheckvordrucke im Rahmen des bestehenden Rahmenvertrages zustande (Palandt/Sprau 71 [2012] 675 Rn. 14; vgl. auch BeckOK/Fischer 23 [2012] 675 Rn. 57) 2. Aufwendungen B müsste Aufwendungen i.s. des 670 BGB gemacht haben. Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer. B hat mit der Einlösung des von G eingereichten Schecks und der Auszahlung der freiwillig ein Vermögensopfer erbracht. 3. Zur Ausführung des Auftrags Voraussetzung für einen Ersatzanspruch aus 670 BGB ist, dass B die zur Ausführung eines durch S erteilten Auftrags aufgewandt hat. Durch die Ausstellung des Schecks und seine Aushändigung an G hat S die B angewiesen, gegen Vorlage des Schecks an den Scheckinhaber G zu zahlen oder bei dessen Bank gutzuschreiben (Auszahlungsauftrag). S hat den Scheck jedoch vor Auszahlung des Geldes an G sperren lassen und damit den Auszahlungsauftrag gegenüber B widerrufen, 671 I, 790 BGB: Die Bank kann nach einem Widerruf das Konto des Anweisenden nicht
6 Prof. Dr. Dagmar Kaiser Examenskurs Bereicherungsrecht (Herbst 2012) 6 mehr belasten und muss eine bereits erfolgte Belastung wieder zurückbuchen. Wegen des Widerrufs hat B den Betrag nicht zur Ausführung eines Auftrags S B ausgezahlt. Kein Anspruch; etwaige Aufwendungen wären idr ohnehin durch den Girovertrag abgegolten. II. Wertersatzanspruch aus 812 I 1 Alt. 1, 818 II BGB (Leistungskondiktion) a. S könnte durch die Einlösung des Schecks von seiner Kaufpreisschuld gegenüber G aus 433 II BGB i.h.v befreit worden sein. S schuldete G nach 433 II BGB mangels abweichender Abreden Kaufpreiszahlung in bar. Denkbar ist aufgrund der Üblichkeit von Überweisungen im Geschäftsverkehr allenfalls die konkludente Abrede, dass die Kaufpreisschuld durch Überweisung von Buchgeld auf ein Konto des G getilgt werden konnte. Die Hingabe des Schecks ist nicht die geschuldete Leistung i.s. des 362 I BGB; mithin hat nicht schon die Hingabe des Schecks den S von seiner Kaufpreisschuld befreit. Vielmehr liegt in der Hingabe des Schecks eine Leistung erfüllungshalber i.s. des 364 II BGB. Die Leistung erfüllungshalber tritt neben den ursprünglichen Anspruch des Gläubigers (hier auf Barzahlung aus 433 II BGB) und ist für den Gläubiger deswegen günstig. Wie die Leistung an Erfüllungs Statt setzt die Leistung erfüllungshalber einen Vertrag voraus; ohne diese Verwertungsabrede tritt trotz Verwertung der Leistung erfüllungshalber keine Erfüllung ein. Eine Verwertungsabrede haben S und G getroffen. Erst die Verwertung des Schecks tilgt die Schuld i.s. des 362 I BGB, siehe 788 BGB: Wird ein Barscheck ausgezahlt, liegt normale Erfüllung durch Barzahlung vor; wird der Betrag dem Gläubiger aufgrund eines Verrechnungsschecks auf dessen Konto gutgeschrieben, ist Buchgeld geleistet. Erst mit der Auszahlung der gem. 433 II BGB geschuldeten an G ist die Kaufpreisschuld des S nach 362 I BGB erloschen. b. Allerdings ist das Erlangte nach normativen Gesichtspunkten zu bestimmen (Fall 3). Erlangt ist dasjenige, was der Zuwendende (B) im Verhältnis zu seinem Vertragspartner (S) leisten soll und will: Im Verhältnis B S geht es um die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Scheckvertrag und nicht um eine etwaige Schuldbefreiung gegenüber G. B wollte durch die Scheckeinlösung ihren Verpflichtungen gegenüber S zur Ausführung der erteilten Kontoaufträge nachkommen und ihm (oder in seinem Auftrag jedem beliebigen Dritten) das verlangte Geld auszahlen.
7 Prof. Dr. Dagmar Kaiser Examenskurs Bereicherungsrecht (Herbst 2012) 7 Problematisch ist allein, dass zum Zeitpunkt der Zahlung S den Scheck bereits widerrufen hatte und aus Sicht des Leistungsempfängers S durch die Zahlung auf den Scheck die Bank nicht an ihn im Rahmen des Scheckvertrages leistete. Das ändert aber nichts daran, dass S normativ den Geldwert von erlangt hat (Fall 3 Variante 2). 2. Durch Leistung S müsste den Wert von durch Leistung, d.h. durch bewusste und zweckgerichtete Vermögensmehrung der B erlangt haben. B hat den Scheck bewusst eingelöst, um die vermeintliche Zahlungsanweisung des S zu erfüllen. Sie hat damit zweckgerichtet in Erfüllung dieses Auftrags geleistet. 3. Ohne Rechtsgrund Rechtsgrund für die Leistung der B ist die einzelne Anweisung im Rahmen des Scheckvertrags mit S. Da S den Scheck gesperrt und damit den Auftrag zur Zahlung der an G gegenüber B widerrufen hatte, bestand im Verhältnis B S kein Rechtsgrund für die Leistung der B an S. 4. Ausschluss, 814 BGB 814 BGB gibt dem Bereicherungsschuldner (S) eine Einwendung, wenn der Bereicherungsgläubiger (B) in Kenntnis der Nichtschuld geleitstet hat (venire contra factum propium). Kenntnis von der Nichtschuld meint positive Kenntnis im Zeitpunkt der Leistung, grobe Fahrlässigkeit schadet nicht. Mit guten Gründen könnte die Kenntnis des den Widerruf entgegen nehmenden Bankangestellten der Bank analog 166 I BGB zugerechnet werden; somit eine positive Kenntnis der B von der Nichtschuld unterstellt werden (dazu Erman/ Buck-Heeb 13 [2011] 814 Rn 8; MünchKomm/Schwab 5 [2009] 814 Rn 14). Der BGH erwägt hingegen nicht einmal, 814 BGB anzuwenden. Nach BGH Wertersatzanspruch B S in Höhe von aus 812 I 1 Alt. 1, 818 II BGB, der entfiele, wenn mit guten Gründen 814 BGB bejaht würde. Variante Ansprüche B - G auf Rückzahlung von I. Aus 812 I 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) G hat mit Auszahlung der Besitz und Eigentum am Geld erlangt. 2. Durch Leistung der B
8 Prof. Dr. Dagmar Kaiser Examenskurs Bereicherungsrecht (Herbst 2012) 8 Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Zweckgerichtet bedeutet zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Empfänger (solvendi causa). Maßgeblich ist nach h.m. die Sicht des Leistungsempfängers und damit des potentiellen Bereicherungsschuldners. G wusste, dass die Bank nicht auf eine eigene Schuld gegenüber G an ihn leisten wollte. Kein Anspruch B G auf Herausgabe der aus 812 I 1 Alt. 1 BGB II. Aus 812 I 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion) Besitz und Eigentum am Geld. 2. In sonstiger Weise G dürfte die nicht durch vorrangige Leistung, insbesondere nicht durch Leistung des S erlangt haben. a. Anders als im Grundfall hatte G Kenntnis vom Widerruf der Anweisung durch S: G wusste, dass B die Anweisung nicht mehr befolgen durfte. Nach der Rechtsprechung (OLG Köln , 7 U 8/82, NJW 1983, 1500; BGH , VII ZR 370/82, BGHZ 87, 393, 397 = NJW 1983, 2499, 2500) kann sich G bei Kenntnis des Widerrufs nicht auf eine angebliche Tilgungsbestimmung des S berufen (mangels Gutgläubigkeit bezüglich des gesetzten Rechtsscheins), so dass eine Leistung der S an Gaus Sicht des G ausscheidet. Auch die Bank leistete nicht an G (bereits I.2.). Aus Sicht des G hat ihm folglich niemand das Geld zweckgerichtet zugewandt, hat also niemand geleistet. b. Nach Canaris (WM 1980, 354, 366 und Larenz/ Canaris SR II 2 13 [1994], 70 IV 3b S. 229 ff.; sich anschließend: Thielmann AcP 187, 23, 43 Fn 78; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 11 IV 4 c; MünchKomm/Schwab 5 [2009] 812 Rn. 118) haben S und G bei der Hingabe des Schecks eine Leistung erfüllungshalber i.s. des 364 II BGB durch Verwertungsabrede, also durch Vertrag getroffen. Von einem Vertrag kann sich der Schuldner S nur durch Anfechtung seiner Willenserklärung, durch Rücktritt oder durch Aufhebungsvertrag befreien. Besteht kein Grund für eine einseitige Aufhebung des Vertrages, kann er nur einverständlich aufgehoben werden. Solange dies nicht geschehen ist, besteht nicht nur ein vom Schuldner zurechenbar hervorgerufener Rechtschein eines wirksamen Leistungsversprechens, sondern besteht ein wirksames Leistungsversprechen: Die Bank hat unabhängig von der Gutgläubigkeit des G mit Recht auf den Scheck gezahlt.
9 Prof. Dr. Dagmar Kaiser Examenskurs Bereicherungsrecht (Herbst 2012) 9 Nach Canaris hat S aus Sicht des G die in Erfüllung der Kaufpreisschuld trotz Sperrung des Schecks an S und trotz Kenntnis des G von der Sperrung geleistet. Der der Tilgungsbestimmung zugrunde liegende Vertrag bildet dann zugleich den Rechtsgrund zum Behaltendürfen (sich im Ergebnis anschließend MünchKomm/Schwab 5 [2009] 812 Rn. 123). Nach dieser Ansicht ergeben sich zwischen Variante 1 und Grundfall keine rechtlichen Unterschiede: Der Bank steht auch bei Kenntnis des Scheckinhabers vom Widerruf wegen vorrangiger Leistung des S an G kein Direktanspruch gegen G zu, sondern nur gegenüber S aus 812 I 1 Alt. 1 BGB, der dadurch keinen wirtschaftlichen Schaden erleide, da er durch die nach dieser Ansicht erfolgten Leistung S G über B als Zahlstelle von seiner Kaufpreisschuld gegenüber G befreit wurde. c. Für den BGH spricht, dass ein bösgläubiger Scheckempfänger grundsätzlich nicht schutzwürdig ist und deswegen kein Grund besteht, ihn vor Konditionsansprüchen der Bank zu schützen. Diese im Ergebnis interessengerechte Lösung stößt allerding auf dogmatische Bedenken: Canaris führt zu Recht aus, dass die vorweggenommene Tilgungsbestimmung des S gegenüber G durch die Scheckübergabe auch nur durch Widerruf in diesem Verhältnis zerstört werden kann. Ein Widerruf in dem davon zu trennendem Verhältnis S-B ist für G selbst dann irrelevant, wenn er auf anderen Weg als durch Erklärung des S von dem Widerruf erfährt. G hat nach BGH das Geld weder durch Leistung des S noch der B erlangt, also in sonstiger Weise. Nach Canaris hat S dem G geleistet, so dass der hier geprüfte Anspruch der B gegen G wegen vorrangiger Leistung an G ausscheidet. Nach BGH ist wie folgt weiter zu prüfen: 3. Auf Kosten der B Das Geld hat B aus ihrem Vermögen, also auf eigene Kosten ausgezahlt. 4. Ohne Rechtsgrund G hatte keinen Anspruch auf das Geld gegen B; mit der Zahlung ist auch kein eigener Rechtsgrund geschaffen worden. 5. Rechtsfolge G muss die Geldzeichen rückübereignen und den Besitz rückübertragen, sofern diese noch unterscheidbar in seinem Vermögen vorhanden sind. Andernfalls schuldet er Wertersatz nach 818 II BGB.
10 Prof. Dr. Dagmar Kaiser Examenskurs Bereicherungsrecht (Herbst 2012) 10 Anspruch B G auf Herausgabe der bzw. Wertersatz i.h.v aus 812 I 1 Alt. 2 BGB bzw. 818 II BGB. Zahlt G das Geld an B zurück, hat S seine Kaufpreisschuld nicht wirksam getilgt und kann G von S nach 433 II BGB Zahlung verlangen. Dass B damit das Risiko der Insolvenz des G trägt, führt zu keiner anderen Bewertung. Wenn B den Widerruf des S nicht beachtet, muss sie die daraus folgenden Risiken tragen; der Anweisende S hat alles getan, um die Folgen einer versehentlichen Zahlung von sich abzuwenden. Variante 2 Ansprüche B - G auf Rückzahlung von I. Aus 812 I 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) G hat mit Auszahlung der Besitz und Eigentum am Geld erlangt. 2. Durch Leistung der B Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Zweckgerichtet bedeutet zur Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Empfänger (solvendi causa). Mangels Kausalgeschäft hat keinesfalls B an G geleistet. Kein Herausgabeanspruch B-G aus Leistungskondiktion II. Aus 812 I 1 Alt. 2 BGB (Nichtleistungskondiktion) G hat Besitz und Eigentum am Geld erlangt. 2. In sonstiger Weise Es dürfte keine vorrangige Leistung, insbesondere keine Leistung des S an G vorliegen. a. Ein nicht vom Aussteller unterschriebener Scheck ist unwirksam, so dass hier eine Anweisung an die Bank, dem G auszuzahlen vollständig fehlte. Hat der Zahlungsempfänger Kenntnis vom Fehlen der Anweisung, stellt sich die Zuwendung der angewiesenen Bank aus seiner grundsätzlich maßgeblichen Sicht nicht als Leistung seines Schuldners dar (siehe Variante). Selbst wenn der Zuwendungsempfänger (G) den Mangel der Anweisung nicht kennt, hat die Haftung zugunsten eines gutgläubigen Dritten dort ihre Grenzen, wo der Anweisende (S) keinen zurechenbaren Rechtsschein für eine Anweisung gesetzt hat. Es ist nicht zulässig, auf den Empfängerhorizont des Zuwendungsempfängers abzustellen, wenn der vermeintliche Anweisende nicht einmal den Rechtsschein gesetzt hat (BGH , XI ZR 125/03, BGHZ 158, 1 = NJW 2004,
11 Prof. Dr. Dagmar Kaiser Examenskurs Bereicherungsrecht (Herbst 2012) ; , XI ZR 381/01, BGHZ 152, 307 = NJW 2003, 582). Das entspricht der Rechtscheintheorie von Canaris. b. Hier: aa. Hat G den Scheck dem S gestohlen, wusste er, dass der Scheck nicht von S stammt und damit auch, dass die Bank mangels Anweisung nicht auf die Kaufpreisschuld des S zahlte. In diesem Fall hat nicht S Geld an G geleistet, sondern hat G sich das Geld erschlichen. G ist dann nicht schutzbedürftig. bb. Ist dem G der Scheck durch Angestellte des S ausgehändigt worden, ohne dass G wusste, dass der Scheck unwirksam war, ist dessen Vertrauen auf die Wirksamkeit des Schecks nur schutzwürdig, wenn S zurechenbar den Rechtschein eines wirksamen Schecks gesetzt hat. Dafür kommt es darauf an, ob S die Weitergabe des Schecks durch seine Angestellten zurechenbar ermöglicht hat. Das ist hier nicht der Fall; der Angestellte hat den Scheck aus einer abgeschlossenen Schreibtischschublade des S gestohlen. S hat das Geld nicht an G geleistet. Eine vorrangige Leistung des S an G scheidet in beiden Versionen der Variante 2 aus: G hat damit das Geld weder durch Leistung des S noch durch Leistung der B (schon unter I.2.) erlangt, also in sonstiger Weise. 3. Auf Kosten der B Das Geld hat B aus ihrem Vermögen, also auf eigene Kosten ausgezahlt. 4. Ohne Rechtsgrund G hatte keinen Anspruch auf das Geld gegen B; mit der Zahlung ist auch kein eigener Rechtsgrund geschaffen worden.. 5. Rechtsfolge G muss die Geldzeichen rückübereignen und den Besitz rückübertragen, sofern diese noch unterscheidbar in seinem Vermögen vorhanden sind. Andernfalls schuldet er Wertersatz nach 818 II BGB. Herausgabe- bzw. Wertersatzanspruch B G aus 812 I 1 Alt. 2, 818 II BGB. Zahlt G das Geld an B zurück, hat S seine Kaufpreisschuld nicht wirksam getilgt und kann G von S nach 433 II BGB Zahlung verlangen.
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