Selbständigkeit und Soziale Sicherheit Zusammenfassung der Beiträge des Netzwerktreffens am Café Prückel

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1 Selbständigkeit und Soziale Sicherheit Zusammenfassung der Beiträge des Netzwerktreffens am Café Prückel In Folge des Netzwerktreffens Nov 04, bei dem wir uns aus Sicht der Betroffenen mit den Belastungen durch "neue Beschäftigungsformen" (Ich-AGs, freie DienstnehmerInnen, WerkvertragsnehmerInnen, LeiharbeitnehmerInnen sowie geringfügig und Teilzeit-Beschäftigten) und dem eigenen Umgang damit, der Außensicht, den Gründen und Ursachen für die ständige Zunahme dieser Beschäftigungsformen und den gesetzlichen Benachteiligungen beschäftigten sowie überlegten, was zur Verbesserung der Situation getan werden muss und was der/die einzelne dazu tun will, findet Ihr im folgenden die Zusammenfassung der TeilnehmerInnenbeiträge vom Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Netzwerktreffen keine Vortragsveranstaltungen sind, sondern von den Beiträgen der Teilnehmenden - mal als "World Café", mal im "Open Space" - leben. Der dadurch entstehende politische Druck soll dazu beitragen helfen, die Modernisierung und Vereinheitlichung des ArbeitnehmerInnen-Begriffes zu fördern sowie schließlich zur (Wieder)Herstellung sozialer Sicherheit führen. In diesem Zusammenhang wichtig voranzustellen scheint mir der Hinweis eines Teilnehmers, dass "atypisch beschäftigt" wie wir es in Österreich kennenlernen, zb in Indien als "typische" Beschäftigung gilt. Wir müssen uns also auch die Frage stellen, ob wir bei der "Spirale nach unten" schweigend mitmachen oder uns für die "Nivellierung nach oben" einsetzen. Eine der Anregungen - die zu findende Benennung von rechtlosen Selbständigen und rechtlosen ArbeitnehmerInnen - schliesst unmittelbar an den Sprachgebrauch der "Atpyischen Beschäftigung" an, die wenn überhaupt nur in Österreich angewandt wird und für die meisten mißverständlich ist. In Deutschland und in der internationalen Praxis spricht mensch von "prekären Beschäftigungs- (auch Lebens-)verhältnissen". Prekär steht hier für "unsicher, offen, provisorisch, randständig". In jedem Fall bedeutet Atypische Beschäftigung - (Neue) Selbständigkeit, um eine Teilnehmerin zu zitieren, die " Entkopplung von gesetzlichen Regelungen und der Realität". Im Netzwerktreffen vom haben wir begonnen, die Anregungen und Überlegungen zum "... und daher?" weiter zu konkretisieren mit dem Ziel, daraus budgetierte Projekte und bezahlte Arbeit abzuleiten. Für Rückfragen, Ideen, Anregungen und Verbesserungsvorschläge wendet Euch bitte an: Barbara Waschmann mail: barbara@waschmann.net Selbständigkeit und Soziale Sicherheit, Zusammenfassung des Netzwerktreffens Wien, Seite 1/5

2 I. Sensibilisierung der Öffentlichkeit bei Angestellten; Betriebsräten (Entsolidarisierung > Lohnspirale); Arbeitgebern, die Atypische beschäftigen; Sub-AuftraggeberInnen, neu hinzukommenden Atypischen, PolitikerInnen und Medien unter Einbeziehung von Kunst und Wissenschaft A. nahezu 70% der WKO-Mitglieder sind EinPersonenUnternehmen, in Niederösterreich sind es etwa B. regionale Betreuung notwendig C. Die Rolle der Wirtschaftskammer (WK) 1. Abgesehen von Wahlkampfwerbung anlässlich der Wirtschaftskammerwahlen (März 05) vetritt die WK nicht - warum nicht? D. eigenes Medium schaffen (Radio, TV, Zeitung) und/oder bestehende Medien wie zb Radio Orange und community.tv nutzen E. ArbeitnehmerInnenvertretungen sollten Ressourcen für Selbstorganisation zur Verfügung stellen F. Auflisten von erfolgreichen Kämpfen 1. zb "Vom Praktikant zum freien Dienstnehmer" oder "Freie Mitarbeit - wie lang ist Durststrecke?" G. absichtliche (?) Verwirrung der Abkürzungen klären 1. ENA - Einzelkämpfer nicht allein 2. EPU - EinPersonenUnternehmen H. Problemlage "mangelnde Solidarität" 1. Wie können KonkurrentInnen (zb im Kulturbereich/Wissenschaft) das Einander Überbieten in Sachen Selbstausbeutung zumindest theoretisch in Frage stellen / überwinden? und gemeinsames Lobbying betreiben? 2. wahrscheinlich aufgrund von Existenzängsten und sicherlich aufgrund von fehlender Information: mangelndesolidarität zwischen "typisch" und "atypisch" Beschäftigten a. Bewusstseinsbildung auch bei BetriebsrätInnen notwendig II. Vernetzung mit Initiativen, Organisationen "Atypischer" aus dem eigenen und anderen europäischen Ländern, um die Verbreitung aufzuzeigen und auch die Dimensionen erfahrbar zu machen A. EuroMayDay 2005 in Italien, Spanien, Frankreich, Finnland, Deutschland und Österreich 1. siehe Aktionsbeschreibung (Seite 5/5) 2. Stichwort "flexicurity" B. Veranstaltungstipps: , 19:00 Uhr, Depot (Wien) und , Uhr, MAIZ (Linz) Veranstaltung von republicart zum Thema prekaritär / Prekariat mit der Aktivistinnengruppe "Precarias a la Deriva" aus Madrid, 2. nächstes MayDay-Treffen: , 18:00 Uhr, Amerlinghaus (Wien) Selbständigkeit und Soziale Sicherheit, Zusammenfassung des Netzwerktreffens Wien, Seite 2/5

3 C. Link-Tipps: Text von Gerald Raunig zu "Antiprekärem Aktivismus" 4. Nr. 6 (Winter 04/05) Attac AG Soziale Sicherung "Es ist genug für alle da", Deutschland 8. Vernetzung mit Linken in den USA III. erforderliche (ad hoc-)unterstützung A. mailing-listen kurzschließen 1. d.h. Menschen erklären sich bereit, unterschiedliche Listen zu screenen und für das eigene Netzwerk relevante Informationen an den/die eigenen Verteiler weiterzuleiten B. Technologieparks 1. in Folge des Nov 04-Wunsches "Räume für Atypisch Beschäftigte nutzbar zu machen" (zb WissenschafterInnen) C. Leihgeräte 1. selbiges gilt für "Maschinenring" D. Service website 1. Einrichten einer news group / mailing-list 2. Link-Liste für prekär- oder neue Beschäftigungsformen 3. Soforthilfe - Insolvenzfall 4. weblogs E. Leitfaden 1. Erstellung eines Leitfadens als Broschüre und zur Internetpublikation, der eine Sammlung bereits bestehenden Materials enthält (arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen, Datenmaterial, Kennzeichnen harziger Vertragsformulierungen), Abkürzungs-Verzeichnis (ENA, EPU,...) um in Diskussionen mit gesicherten (Zahlen-)Angaben argumentieren zu können sowie einen Überblick über bestehende Info-Stellen und Interessengemeinschaften gibt. 2. Dieser Leitfaden sollte auch bei AMS-Servicestellen aufliegen. F. zentrale (!) behördenübergreifende Anlaufstelle mit juristischem Beistand 1. AnsprechpartnerInnen: BetriebsrätInnen, AK, ÖGB, Sozialversicherungen, Finanzamt IV. Grundeinkommen / (bedarfsunabhängige) Grundsicherung Trotz der bislang sehr konservativen Haltung der ArbeitnehmerInnenvertretungen fand am eine ÖGB-Pressekonferenz zum Thema "Das Verarmungsrisiko wächst. Materielle Grundsicherung ist notwendiger denn je!" in Wien statt. A. Anfang Okt 05 Kongress in Wien B. Selbständigkeit und Soziale Sicherheit, Zusammenfassung des Netzwerktreffens Wien, Seite 3/5

4 V. neue Formen der Organisierung A. Der offene Punkt blieb: Wollen neue X -worker in der AK oder Gewerkschaft dabei sein oder eigenes X-Programm machen oder X-Partnerschaft? VI. Anregungen für das GEDIFO, gesellschaftspolitisches Diskussionsforum gedifo, das gesellschaftspolitische Diskussionsforum, bietet seit April 2000 WissenschaftlerInnen, VertreterInnen von Arbeiterkammer, Gewerkschaft, NGOs und öffentlichen Einrichtungen, BetriebsrätInnen, BeraterInnen und "kritischen Geistern" eine Plattform für zwanglosen Meinungsaustausch zu Zukunftsfragen in vier Projektgruppen (innerbetriebliche Kommunikation, Co- Management und Verhandlungsstrategie, Strategische Allianzen zwischen BetriebsrätInnen und NGOs, Atypische Beschäftigung) A. Entkopplung von gesetzlichen Regelungen und Realität erfordert Transparenz seitens der Institutionen B. Literarische Aufbereitung von qualitativer Sozialforschung in Form von zb Lesungen C. Managementgesteuertes Wissensmanagement als ENTNETZUNG von Wissen D. gedifo als Marktplatz mit Vorbildwirkung "Neue Selbständige" bringen sich in die bereits laufenden gedifo-projekte ein und bieten ihre Leistungen am gedifo-marktplatz an (Grundlagenforschung, TrainerInnen, BeraterInnen, Kulturschaffende...) VII. Anforderungsprofil an die Soziale Sicherheit A. Steuer 1. dzt. Auseinanderklaffen der Einkommensteuer + Lohnsteuer a. keine steuerfreien Zulagen b. keine begünstigten 1/6-Bezüge (Weihnachts- und Urlaubsgeld) c. keine pauschalen Abzüge (Erschwerniszulage, Dienstkleidung/-reinigung u.ä.) 2. steuerliche Gleichbehandlung aller Arbeitseinkommen 3. Einführung der Einheitsbesteuerung nach Selbsteinschätzung - insbesondere für Frauen/KleinstunternehmerInnen B. Sozialversicherung 1. SV-Beiträge nach tatsächlichem Einkommen 2. Unfallversicherung nach Einkommen, da Unterversicherung im Bedarfsfall (Pensionierung/Hinterbliebenenrente) 3. alle Arbeitseinkommen sollen in Höchstbemessungsgrundlage miteinbezogen werden (zb Pragmatisierte Tätigkeit + Zweiteinkommen wie Lehrtätigkeit) 4. Gleichstellung von Gewerbetreibenden und Neuen Selbständigen in der SVA Wurde zuvor Anspruch auf Arbeitslose erworben, kann ein/e Gewerbetreibende/r das Gewerbe ruhend melden. Ein/e neue/r Selbständige/r muss alles verkaufen, bevor Sozialhilfe beantragt werden kann. 5. Vertretung der Neuen Selbständigen in der Selbstverwaltung der SVA 6. Namenskorrektur der SVA für gewerbliche Wirtschaft 7. Möglichkeit des "opting-out" in SVA-Krankenversicherung, zb unterliegen Ärzte, Rechtsanwälte nicht der Pflichtversicherung Selbständigkeit und Soziale Sicherheit, Zusammenfassung des Netzwerktreffens Wien, Seite 4/5

5 C. Sozialhilfe trotz aufrechter Steuernummer soll möglich sein D. Ruhend melden von Neuer Selbständigkeit soll möglich sein E. Wiedereinführung der Gleitpension F. Arbeitslosenversicherung (auf freiwilliger Basis) nach Einkommen G. Einbeziehung von WerktvertragsnehmerInnen in die Kollektivvertragsverhandlungen, um dem Dumping entgegen zu wirken VIII. Unbearbeitet, aber weiterhin interessant, blieben A. Anforderungsprofil an den eigenen Ausbildungsbedarf B. Rahmenbedingungen für wahrhaftig effiziente "Gründungsunterstützung" IX. Beratung, Unterstützung in Sachfragen und weiterführende Literatur zur Atypischen Beschäftigung finden sich bei: A. ÖGB Beratungsstelle flexpower, Tel DW B. und den Interessensgemeinschaften in der GPA, Tel insbesondere bei work@flex EuroMayDay "MayDay! MayDay! We are the precariat. We are hireable on demand, available on call, exploitable at will and fireable at whim. We have become skilful jugglers of jobs and contortionists of flexibility. But beware, we are agitating with a common strategy to share our flexfights." Seit einigen Jahren wird in verschiedenen europäischen Städten der traditionelle Arbeiterkampftag 1. Mai mit neuen Formen und Inhalten gefüllt. "Euro-Mayday" nennt sich eine europaweite 1. Mai Kampagne, die sich schwerpunktmäßig gegen prekarisierte Arbeits- und Lebensverhältnisse richtet. Besonders die gegenwärtige Prekarisierung der Arbeits- und Lebensverhältnisse wird als inhaltliche Klammer der "Mayday"-Feierlichkeiten in bunten, lauten und kreativen Formen gesehen. Waren anfangs einige hundert AktivistInnen unterwegs, so waren im letzten Jahr fast Menschen in Mailand auf der Straße. Auch in Barcelona und anderen europäischen Städten wurden Mayday-Paraden organisiert, und so entstand die Idee des Euromayday - einer europäischen Vernetzung rund um die Mayday Aktivitäten sowie zum Thema der Prekarisierung. Wir rufen euch alle hiermit auf, in Wien am gemeinsam die "Euro-Mayday-Parade" in Wien mitzugestalten. Veranstaltungen und Aktionen im öffentlichen Raum sollen uns die Stadt erschließen und auf unsere Anliegen und Inhalte hinweisen. Durch dezentrale Organisation und Durchführung werden inhaltliche Freiheit und größtmöglicher Handlungsspielraum gewährleistet, sodass alle sich entsprechend ihren Interessen und Bedürfnissen einbringen können. Das nächste Mayday-Treffen in Wien findet am um im Amerling-Beisl in Wien statt. Selbständigkeit und Soziale Sicherheit, Zusammenfassung des Netzwerktreffens Wien, Seite 5/5