3.2 Forderungsmanagement Order-to-Cash-Prozess
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- Jürgen Kopp
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1 3.2 Forderungsmanagement Order-to-Cash-Prozess Prozessziel Verzögerungen in der Forderungsbegleichung oder gar ein vollständiger Forderungsausfall zählen immer noch zu den Hauptursachen, weshalb Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Demnach nimmt dieser Bereich auch im Rahmen des Working Capital Managements branchenunabhängig eine wesentliche Rolle ein, um die Liquidität des Unternehmens sicherzustellen und das Risiko von Zahlungsverzögerungen und -ausfällen zu reduzieren. Die Gründe für eine verspätete Zahlung bzw. einen Zahlungsausfall können von Reklamations- und Gewährleistungsansprüchen bis zur Zahlungsunfähigkeit des Kunden sehr vielfältig sein. Dementsprechend liefert auch das Forderungsmanagement zahlreiche Ansatzpunkte und geht weit über die Gewährung von möglichst kurzen Zahlungszielen hinaus. Ein aktives Forderungsmanagement soll dafür sorgen, dass dem Kunden nicht nur ein wirtschaftlich sinnvolles sowie marktgerechtes Zahlungsziel gewährt wird, sondern auch, dass die Bonität der Abnehmer kontinuierlich überprüft wird, die Fälligkeit der Forderungen und der Geldeingang überwacht werden sowie bereits im Vorfeld des Vertragsabschlusses die Zusammenarbeit zwischen den involvierten Bereichen verstärkt und die Kommunikation gefördert wird. In einem ganzheitlichen Working Capital Management-Ansatz bieten sich für das Forderungsmanagement im Rahmen des Order-to-Cash- Prozesses entsprechend interessante Ansatzpunkte zur Optimierung, die ebenso die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bereichen verbessern und dadurch Effizienzsteigerungspotenzial in der gesamten Prozessgestaltung realisieren können. Einbringung pünktlicher Zahlung sowie Vermeidung von Forderungsausfällen Prozessdarstellung Der Order-to-Cash-Prozess kann in 5 Teilprozesse gegliedert werden. Abb. 13 zeigt den Gesamtprozess des Forderungsmanagements von Vertrieb, Auftragserfassung und Rechnungserstellung, über die Auswirkungen der vereinbarten Geschäftsbedingungen, den Reklamations- und Mahnprozess bis hin zum tatsächlichen Geldeingang. Durch die Darstellung der einzelnen Teilprozesse und deren zeitliche Abfolge werden Interdependenzen zwischen den einzelnen Bestandteilen und Schritten verdeutlicht, die wiederum bei der Ableitung sowie der Gestaltung von Optimierungsmaßnahmen berücksichtigt werden sollten und die direkte Adressierung der jeweils Verantwortlichen erlauben. 43
2 Vertrieb Stammdaten Risikobewertung pro Kunde Kreditlimitsetzung und -genehmigung Kreditrisiko-Monitoring und Portfolio-Steuerung Angebotsabgabe Auftragserfassung Auftragsbearbeitung und -erfüllung Workflow Design Vertragsmanagement und Fakturierung Vertragsverwaltung und -archivierung Profitabilitätssteuerung Servicelevel-Definition nach Segmenten Noch nicht abgerechnete Leistungen Rechnungstrigger und -erstellung Qualität der Rechnungsstellung / Freigabe Sonderformen Faktura, z. B. Gutschriftsverfahren Richtlinien und Prozessdokumentation Geschäftsbedingungen Strategische Eigenpositionierung Zahlungsbedingungen und Zahlungsziele Zahlungszielabweichung und -genehmigung Sondervereinbarungen, z. B. Konsignationsläger Finanzierungen und Sicherheiten Boni & Rabatte Zielsetzung und Reporting Mahnwesen Geldverkehr Proaktive Kundekontakte (vor Fälligkeit) Zahlungsmittel und Zahlungswege Mahnverfahren und Mahnstufen Zahlungseingangsverbuchung Sondermaßnahmen bei Verzug, z. B. Ratenpläne Kontoabgleich Rechtsschritte Ungerechtfertigte Rechnungsabzüge Reklamationsbearbeitung Beseitigung von Reklamationsgründen Gutschriftenvorgang und -management Interne und externe Kommunikation Sensibilisierung Abb. 13: Order-to-Cash-Teilprozessschritte Quelle: Ernst & Young, 2013a. 44
3 Dabei sollten prozessbegleitende oder -erklärende Elemente wie z.b. Zielvereinbarungen, Berichtswege und -wesen, Dokumentationen, die technische Arbeitsausstattung oder die Berechtigungs- und Kompetenzverteilung benutzer- und situationsgerecht ausgearbeitet sein (s. Abb. 13) Optimierungsmöglichkeiten Ziel des Forderungsmanagements ist es, den Zahlungseingang durch die Kunden zu optimieren. Dies umfasst nicht nur einen rascheren Zahlungseingang, sondern auch das Bestreben, die Forderungen in voller Höhe ohne Abschläge zu erhalten. Dazu bedarf es einer strukturierten und ganzheitlichen Vorgehensweise bei der Gestaltung und Optimierung der einzelnen Schritte des Forderungsmanagements. Wiederum greifen die Teilprozesse ineinander. Zu jedem Teilprozess gibt es spezielle Optimierungsmöglichkeiten. Im Teilprozess Vertrieb ist die Analyse und Bewertung des Kundenrisikos bzw. des damit verbunden Ausfallrisikos der Forderungen durch eine vertriebsunabhängige Funktion (z. B. Credit Management) eine wesentliche Maßnahme. Durch umfassende Bonitätsprüfung soll Forderungsausfällen vorgebeugt werden. Dies gilt sowohl vor Aufnahme einer Geschäftsbeziehung mit neuen Kunden als auch bei der laufenden Prüfung bestehender Geschäftspartner. In der Unternehmenspraxis stellen insbesondere die fortlaufende Aktualisierung und die konsistente Berücksichtigung der Kundenbonität eine Herausforderung dar. Ein abteilungsübergreifender Informationsfluss und/oder -zugriff sowie ein transparentes Risikoprüfungsmodell bei der Vergabe von Kreditlimiten begründen ein gemeinsames Verständnis von Vertrieb und Back Office über die Kundenstrategie. Diese Informationen können auch helfen, den Vertrieb in gute Kundengruppen hineinzusteuern. Oft ist außerdem zu beobachten, dass Konditionen durch den Vertrieb situativ und kundenindividuell vereinbart werden. Bei genauerer Betrachtung lassen sich Kunden jedoch oft vergleichbaren Gruppen oder Segmenten zuordnen, deren Verwendung dabei helfen kann, Service Levels (z. B. Einsatz persönlicher Besuche), Konditionszugeständnisse (z.b. erlaubte Zahlungsziele), und administrative Abwicklung (z.b. anzuwendendes Mahnverfahren) zu harmonisieren. Segmentierungskriterien sind gemäß den unternehmerischen Geschäftszielen zu bestimmen, geeignet sind Umsatz, Potenzial, Profitabilität. Der Teilprozess Vertragsmanagement und Fakturierung regelt die Vertragsgestaltung, Zahlungsmodalitäten, Konditionen, Klauseln, Sicherungsinstrumente und Produkteigenschaften. Fakturierungszeitpunkte, Zahlungsziele sowie die Absicherung gegen Zahlungsausfälle (z.b. Credit Management und Vertrieb müssen transparent zusammenarbeiten 45
4 Offizielle und versteckte Kredittage vereinbart über Geschäftsbedingungen Effizientes Mahnwesen segmentiert nach Fokusbereichen, verfügt über ein exaktes Reporting und ist mit dem Reklamationswesen vernetzt Export-Akkreditiv) oder Währungsverluste bzw. die Minimierung der Transaktionskosten sind wesentliche Optimierungsbereiche. Die Rechnungsstellung sollte so zeitnah, richtig und eindeutig wie möglich erfolgen, um Kredittage zugunsten des Kunden zu vermeiden und das Risiko von Mängelrügen aufgrund von Formfehlern der Rechnung zu minimieren. Schließlich beginnt das Zahlungsziel erst ab Erstellung der Rechnung zu laufen. Der Teilprozess Geschäftsbedingungen umfasst die Grundbedingungen des Geschäftsvorgangs. Wesentliches Ziel ist hier die Verkürzung der gewährten Kredittage, welche auch durch die Vermeidung sog. versteckter Kredittage über z.b. Konsignationslager-Gewährung verursacht werden. Auch sollten Klauseln zum Gerichtsstand, zu Mahn- und Inkassokosten sowie zu den Verzugszinsen nicht fehlen. Diese Klauseln haben eine Abschreckungsfunktion und sollen der Ausnutzung von Terminüberschreitungen und damit des kostenfreien Lieferantenkredits entgegenwirken. Unternehmen sollten zudem die vertraglich vereinbarten und tatsächlich genutzten Konditionen regelmäßig abgleichen und negative Abweichungen adressieren und beseitigen. Der Teilprozess Mahnwesen ist für den tatsächlichen Einzug der Forderungen verantwortlich. Nach Lieferung und Fakturierung werden die Forderungen in der Debitorenbuchhaltung verwaltet und kontrolliert. Eine möglichst zentrale und aktuelle Datenbank sowie ein regelmäßiges Reporting über die offenen Forderungen, ihre Fälligkeit bzw. Überfälligkeit und getroffene Maßnahmen helfen, allen Beteiligten mit Kundenkontakt einen Überblick zu gewähren. Ebenso können effizient Fokusbereiche, z.b. besonders hohe oder lange ausstehende Forderungen, identifiziert werden. Zudem helfen laufende Kennziffern wie DSO (auf Länder- oder Kundenebene) die Entwicklung der Außenstände zu beurteilen. Besonders wichtig ist auch die Schnittstelle zur Reklamationsbearbeitung, da dort generierter Verzug die Zahlungsbereitschaft des Kunden sowie den Beitreibungsprozess aufhalten. Jede Mahnung sollte kundenerhaltend aber konsequent formuliert sein. In der Praxis wird normalerweise stufenweise, mit ansteigender Dringlichkeit gemahnt. Disziplinierte Ausführung und kurze Intervalle zwischen den Schritten sind empfehlenswert. Der Einsatz von Ressourcen (persönlich vs. automatisiert) sollte sich an der Wichtigkeit des Kunden orientieren, welche z.b. über definierte Kundensegmente oder -cluster ausgedrückt werden kann. Besonders erfolgskritisch ist im Rahmen des gesamten Forderungsmanagements die Zusammenarbeit und enge Einbindung des Vertriebs, da hier einerseits der direkte Kontakt zum Kunden besteht, andererseits aber auch Zielkonflikte mit Ergebnisvor- 46
5 gaben entstehen, die bei der Optimierung berücksichtigt werden sollten. Klar definierte Standardprozesse, die sich an Kundensegmenten orientieren und mit fixen Handlungszeitpunkten und einem geregelten Informationsaustausch kombiniert sind, bilden hier die Grundlage. Reichen interne Ressourcen für die Betreibung des Mahnwesens nicht aus, können Aufgaben auf externe Inkassobüros ausgelagert werden. Führen die außergerichtlichen Maßnahmen nicht zum Erfolg, können Gerichte bemüht werden. Neben dem allgemeinen Prozessrisiko entstehen jedoch auch erhebliche Gebühren, die der Rechtsweg mit sich bringt. Externe Prozessfinanzierer (Factoring, ABS) können die Liquidität bei entsprechenden Abschlägen auch früher sicherstellen. Die Anwendbarkeit und Wirtschaftlichkeit solcher Modelle muss jedoch im Einzelfall für jedes Unternehmen geprüft werden. Im Teilprozess Geldverkehr geht es zunächst um die strategische Fragestellung, welche Zahlungsmittel und -wege akzeptiert werden sollen. Zahlungsmethoden, die den Geldeingang prozessual verzögern, z.b. Schecks, sind grundsätzlich zu vermeiden. Eingehende Kundenzahlungen sind zudem möglichst direkt den entsprechenden Kundenkonten und Forderungen zuzuordnen, um einerseits den Kunden verärgernde Mahnungen zu verhindern, andererseits aber auch etwaige ungerechtfertigte Rechnungsabzüge durch den Kunden rasch identifizieren und adressieren zu können. Wesentliche Beispiele für Leading Practices für den Order-to-Cash-Prozess sind in Abb. 14 dargestellt. 47
6 Bereich Beschreibung Maßnahme Zielsetzung Zu beachten Rechnungsstellung Risikomanagement Zahlungsbedingungen Zeitnahe Rechnungsstellung nach Auslieferung gewährleisten Rechnungsfehler vermeiden und Fehlergründe eliminieren Regelmäßige Bonitätsprüfung von Neu- und Bestandskunden Konsequentes Anwenden von definierten und ITgestützen Kreditlimiten und Liefersperren bei Überschreitung Sicherungsinstrumente (z. B. Kreditversicherung, EV, Vorauskasse) angepasst einsetzen Harmonisierung und Standardisierung von Ziel- Zahlungsbedingungen innerhalb vergleichbarer Kundengruppen (Produkte, Umsatzgröße, Regionen, etc.) Verhindert indirekte Kredittage zugunsten des Kunden Verhindert, dass Kunden Zahlungen aufgrund inkorrekter Rechnungen zurückhalten Vereinbarungen zu Monatsrechnungen, Konsignationslager und Gutschriftsverfahren minimieren Schafft Transparenz über bestehende Kundenstruktur und identifiziert bonitätsstarke Zielkunden Dient als Frühindikator bei Risikoveränderungen Risiko sicht- und damit steuerbar machen Automatischer Prozess gewährleistet effiziente Echtzeitprüfung sowie Einbeziehung bestehender und neuer Außenstände (Bestellungen) Reduzierung manueller Eingriffe gewährleistet Einhaltung von Zielvorgaben und Standards Forderungsausfälle reduzieren Vermindert Komplexität und möglicher Fehlerquellen in der Administration Ermöglicht Setzen von klaren Zielvorgaben und daraus folgende(s) Steuerungscontrolling / Messbarkeit der in Anspruch genommen Kundenkredite Technische Hindernisse wie intervallgesteuerte Datenübertragung eliminieren Qualität von einfließenden Daten sichern, z. B. Preise Informationsquellen (interne / externe) und Bonitätsbewertungssystem müssen transparent kommuniziert sein und zum Geschäftmodell passen Bei internationalen Organisationen / Konzernen auch auf höherer Ebene zu beobachten Berechnungsmodell für Kre- ditlimit muss dynamisch sein Enge Abstimmung und Kommunikation mit dem Vertrieb notwendig Ausnahmesituationen definieren und Authorisierungsprozess implementieren, z. B. bei Kunden mit besonderen Außenstandsentwicklungen wie Saisongeschäft Nicht in allen Ländern und Industrien anwendbar Rechtliche Voraussetzungen prüfen Verwendung von gemeinsamen, system-hinterlegten Code-Tabellen in internationalen Organisationen beachten Erfordert eine systemische Hinterlegung von Segment- Zuordnungen auf dem Kunden-Stammsatz Bei internationalen Organisationen / Konzernen auch auf höheren Ebenen abzugleichen 48
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