Bayerisches Oberstes Landesgericht BESCHLUSS

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1 1 Verg 12/00 12/Str Vergabekammer Nordbayern 320.VK /00 Bayerisches Oberstes Landesgericht BESCHLUSS Der Vergabesenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Hirt sowie der Richter Dr. Nitsche und Rojahn am 23. November 2000 in dem Nachprüfungsverfahren betreffend die Vergabe der Lieferung von Hard- und Software für Medizinische Systeme, hier: Entscheidung über die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde,

2 2 b e s c h l o s s e n : Der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern vom 27. Oktober 2000 zu verlängern, wird abgelehnt. G r ü n d e Die Vergabestelle forderte mit Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom zu Teilnahmeanträgen für das Nichtoffene Verfahren "Lieferung von Hard- und Software für medizinische Systeme" auf. Darin heißt es: 3. a) Lieferort:... b) Auftragsgegenstand, CPA-Nummer: CPV: , , , , , (1) PACS (Picture Archiving and Communication System). Hard- und Software. (2) RIS (Radiology Information System). Hard- und Software. Gesamtauftragswert: keine Angabe. c) Menge der zu liefernden Waren, Optionsrechte: (1) + (2): je 1. d) Unterteilung in Lose: Möglichkeit, ein Angebot einzureichen für einen oder mehrere Teile der Lieferungen nach Losen, oder die Gesamtheit der Lieferungen.

3 3 Für das Nichtoffene Verfahren haben sich 16 Teilnehmer, darunter die Antragstellerin, fristgerecht beworben. Diese bemängelte mit Schreiben vom 25./ und den Ablauf des Teilnahmewettbewerbes; es seien die Angebote nach Ablauf der Angebotsfrist nicht unverzüglich geöffnet worden. Die Vergabestelle teilte mit Schreiben vom der Antragstellerin mit, daß diese nicht für eine Teilnahme am Nichtoffenen Verfahren vorgesehen sei und begründete dies in ihrem Schreiben vom damit, daß sich die Antragstellerin lediglich für die Hardware beworben habe, was der Festlegung der Bekanntmachung widerspreche, wonach die Lieferung von Hard- und Software verlangt sei. Mit Schreiben vom bemängelte die Antragstellerin schließlich, daß die im bisherigen Schriftverkehr angesprochenen Punkte nicht ausreichend beantwortet worden seien; ihr entstehe durch die Nichtbeteiligung am Nichtoffenen Verfahren ein Schaden. Mit Schreiben vom beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Dabei führte sie unter Wiederholung ihrer bisherigen Rügen aus, daß das Nichtoffene Verfahren ohne ihre Beteiligung durchgeführt worden sei. Dadurch sei sie in ihren Rechten verletzt worden. Zudem wäre bei der Auswahl der Bewerber der Mittelstand nicht berücksichtigt worden. Ein an der beschränkten Ausschreibung zugelassener Beteiligter habe wesentliche Mithilfe an der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen geleistet. Dies sei ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot. Die Vergabekammer Nordbayern hat mit Beschluß vom , der Antragstellerin zugestellt am , den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, der Antrag sei nur zum Teil zulässig und im übrigen unbegründet. Unzulässig sei der Antrag, soweit die

4 4 Antragstellerin die behaupteten Rechtsverletzungen gegenüber der Vergabestelle nicht gerügt habe. Soweit die Antragstellerin vorgetragen habe, daß die Lieferleistung nicht in Hard- und Software aufgeteilt worden sei, sei sie ihrer Rügeobliegenheit nicht nachgekommen. Zumindest mit ihrem Schreiben vom habe die Vergabestelle die Antragstellerin unmißverständlich in Kenntnis gesetzt, daß eine ausschließliche Lieferung von Hardware nicht zugelassen gewesen sei. Soweit die Antragstellerin die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen und damit eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes angreife, fehle hierfür die Antragsbefugnis und die erforderliche Rüge. Die Antragstellerin sei zu Recht nicht als Teilnehmerin am Nichtoffenen Verfahren zugelassen worden, da sie sich nur für die Lieferung der Hardware beworben habe. Zudem habe sie Anfang bis Mitte September den Sachverhalt erkannt, den sie nunmehr als Verstoß des Gleichbehandlungsgrundsatzes werte. Die im übrigen behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften seien rechtzeitig gerügt worden, bestünden aber nicht. Bei der Durchführung eines Teilnahmewettbewerbs schreibe weder das Gesetz noch die VOL/A vor, wann die Teilnahmeanträge zu öffnen seien. Die Vergabestelle sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Gewichtung der Eignungsnachweise in der Bekanntmachung anzugeben. Schließlich habe die Vergabestelle auch ihre Informationspflicht nach S 27a VOL/A erfüllt. Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin mit Schreiben vom , das bei Gericht am gleichen Tage eingegangen ist, Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, 1. die Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern vom aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das streitgegenständliche Vergabeverfahren aufzuheben

5 5 hilfsweise: die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Antragstellerin am streitgegenständlichen Nichtoffenen Verfahren zu beteiligen und ihr Gelegenheit zur Abgabe eines Angebotes zu geben, höchst hilfsweise: die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern vom aufzuheben und zu entscheiden, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist und die Antragsgegnerin geeignete Maßnahmen zu treffen hat, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen der Antragstellerin zu verhindern; 2. die aufschiebende Wirkung des Nachprüfungsantrages vom bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern und 3. die aufschiebende Wirkung des Nachprüfungsantrages vorläufig bis zur Entscheidung über den Antrag zu 2. zu verlängern.

6 6 II. 1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist als das für den Sitz der Vergabekammer Nordbayern zuständige Gericht zur Entscheidung über die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde berufen ( 118 Abs. 1 Satz 2 GWB i.v.m. 4 GWB, 1 Abs. 1 Nr. 25 ZustUVJu, 16 Abs. 3 GZVJu). Der formgerecht ( 120 Abs. 1 Satz 1 GWB) gestellte Antrag ist statthaft ( 118 Abs. 1 Satz 3 GWB) und auch im übrigen zulässig. 2. Der Senat hält es nicht für angezeigt, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde zu verlängern. Bei seiner Entscheidung über eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde hat der Senat die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zu berücksichtigen ( 118 Abs. 2 Satz 1 GWB). Der Antrag ist abzulehnen, wenn die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe die damit verbundenen Vorteile überwiegen, wobei alle möglicherweise geschädigten Interessen und das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluß des Vergabeverfahrens Berücksichtigung finden müssen ( 118 Abs. 2 Satz 2 GWB). a) Für die beantragte Entscheidung sind daher zunächst die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu prüfen. Dabei kommt im Hinblick auf die Aufgabe eines vorläufigen Rechtsschutzes und die Notwendigkeit einer raschen Entscheidung regelmäßig nur eine summarische Prüfung der Sachlage in Betracht, die sich beschränken muß auf vorliegende oder binnen kürzester Zeit verfügbare Beweismittel. Dieser Gesichtspunkt kann auch einer abschließenden Klärung von Rechtsfragen im Wege stehen.

7 7 b) Bei Anlegung dieses Prüfungsmaßstabs ist der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung zurückzuweisen, weil die sofortige Beschwerde keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg hat ( 118 Abs. 2 Satz 1 GWB). (1) Die Rüge, die Vergabestelle habe gegen das Gebot der Losvergabe ( 97 Abs. 3 GWB) verstoßen, ist unzulässig. Die insoweit behauptete Verletzung von Rechtsvorschriften ist nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung der Vergabestelle benannten Frist zur Bewerbung ( ) gerügt worden, obwohl ein derartiger Verstoß aufgrund der Bekanntmachung erkennbar gewesen wäre ( 107 Abs. 3 Satz 2 GWB). Dort teilt die Vergabestelle den Auftragsgegenstand nur in zwei Lose auf, wie auch die Numerierung in Abschnitt 3. b) der Ausschreibung zeigt. Dies wird durch Abschnitt 3. c) noch verdeutlicht, wonach die Menge der zu liefernden Ware jeweils mit 1 bezeichnet wird. Zwar ist Abschnitt 3. d) der Ausschreibung insoweit nicht von vornherein eindeutig, als er von "mehreren Teilen spricht, was auf eine höhere Anzahl als nur zwei Lose hindeuten könnte. In der Zusammenschau mit Abschnitten 3. b) und 3. c) ergibt sich jedoch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Ausschreibung sich an Fachkreise wendet, daß ein Bieter nur die Möglichkeit hat, ein Angebot für eines der beiden Lose oder für beide gemeinsam einzureichen. Ob die Antragstellerin den nunmehr behaupteten Verstoß seinerzeit erkannt hat, ist unbeachtlich, da es auf die Erkenntnismöglichkeit eines durchschnittlichen Antragstellers ankommt (Reidt/Stickler/Glahs Vergaberecht 107 GWB Rn. 37). Für einen objektiven Betrachter ergibt sich jedoch aus dem Text der Bekanntmachung, daß die Vergabestelle eine weitergehende Aufteilung gerade nicht vorgesehen hatte. Es sind ferner keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Vergabestelle die Koordination zwischen weitergehenden Teilleistungen übernehmen wollte. Nach dem Verständnis der An-

8 8 tragstellerin wäre aber nicht nur jeweils eine Aufteilung in Hardware und Software, sondern nahezu jede beliebige Zersplitterung zulässig gewesen. Die damit zwangsläufig verbundenen Risiken bei der Abstimmung zwischen mehreren Auftragnehmern und vor allem auch bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen wollte die Vergabestelle aber erkennbar ausschließen. Auf die Frage, ob eine getrennte Vergabe von Hardware und Software technisch möglich und gegebenenfalls wirtschaftlich wäre, kommt es daher nicht an. (2) Die weiteren Rügen sind unzulässig, da die gemäß 107 Abs. 2 Satz 2 GWB erforderliche Darlegung fehlt, daß der Antragstellerin durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Nach der Rechtsprechung des Senats können die Voraussetzungen des S 107 Abs. 2 Satz 2 GWB nur anhand der einzelnen geltend gemachten Verletzungen von Vergabevorschriften geprüft werden und müssen daher jeweils auch hinsichtlich des einzelnen behaupteten Verstoßes gegeben sein; sind sie nicht gegeben, fehlt dem Antragsteller insoweit das rechtliche Interesse an der Nachprüfung (BayObLGZ 2000, 109/122 f. m.w.n.). 107 Abs. 2 Satz 2 GWB normiert damit für das Nachprüfungsverfahren das (bei sämtlichen Rechtsschutzverfahren geltende) Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses (OLG Düsseldorf Beschluß vom Verg 2/99, Umdruck S. 3). Zur Darlegung der Antragsbefugnis ist ein Sachvortrag erforderlich, aus dem sich schlüssig und nachvollziehbar ergibt, daß durch die einzelnen gerügten Verstöße gegen die Vergabevorschriften die Aussichten des Antragstellers auf den Zuschlag bzw. die Teilnahme beeinträchtigt worden sind, oder daß die Chancen zumindestens verschlechtert worden sein können (OLG Düsseldorf aao). Hierbei ist zwar für den jeweils betroffenen Verstoß im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu unterstellen, daß die Rüge

9 9 als solche berechtigt ist. Ergibt sich aber aus Gründen, die außerhalb der Rüge liegen, daß dem Antragsteller von vornherein keine Aussichten auf den Zuschlag bzw. die Teilnahme zugebilligt werden können, so fehlt das Rechtsschutzinteresse an der Überprüfung des behaupteten Verfahrensverstoßes. Denn 107 Abs. 2 Satz 2 GWB soll gerade bei Rügen von für die Vergabeentscheidung offensichtlich nicht relevanten Verstößen verhindern, daß diese der Überprüfung in einem Nachprüfungsverfahren unterzogen werden müssen (BayObLGZ aao). Nach diesen Grundsätzen fehlt der Bewerbung der Antragstellerin von vornherein die Aussicht auf Erfolg, da sie eine von der Vergabestelle für die Durchführung des Auftrags geforderte Voraussetzung (Lieferung von Hardware und Software) nicht erfüllen kann und auch nicht erfüllen will. Damit hat die Antragstellerin keine Aussichten auf den Zuschlag. Diese können durch die Nichtbeachtung der weiteren Vergabevorschriften, deren Verletzung die Antragstellerin rügt, weder beeinträchtigt noch verschlechtert worden sein. Das gilt für die Rügen der fehlerhaften Wahl der Vergabeart und einer falschen Gewichtung der Eignungsnachweise ebenso wie für die weiter erhobene Rüge mangelnder Neutralität der Vergabestelle.

10 10 Stichwort GWB 118 Abs. 2 Satz 1 Ablehnung eines Antrags auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung wegen mangelnder Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde. BayObLG, Vergabesenat Beschluß vom Verg 12/00