Medizin- und Biostrafrecht SS 2014 PD Dr. Luís Greco. F. Abrechnungsbetrug
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- Christin Mann
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1 F. Abrechnungsbetrug
2 I. Einleitende Bemerkungen 1. Relevante Vorschriften in erster Linie 263 StGB. 2. Zur praktischen Relevanz des Themas endemisches Problem?
3 I. Einleitende Bemerkungen 3. Kleine Einführung in das krankenversicherungsrechtliche Abrechnungssystem a) Abrechnungen bei Vertragsärzten (früheren Kassenärzten ) Rechtsgrundlagen: insb. 82 ff. SGB V Entkoppelung von Leistungs- und Vergütungsebene
4 a) Abrechnungen bei Vertragsärzten (früheren Kassenärzten ) Struktur: sog. vertragsärztliches Vierecksverhältnis Krankenversicherung Kassenärztliche Vereinigung I Patient Vertragsarzt I
5 a) Abrechnungen bei Vertragsärzten (früheren Kassenärzten ) aa) Verhältnis Patient/Arzt Dienstvertrag, grds. 611 ff. BGB
6 a) Abrechnungen bei Vertragsärzten bb) Verhältnis Patient/Krankenversicherung Sachleistungsprinzip 2 I 1 SGB V: Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots ( 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. 2 II 1 SGB V: Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. 27 I 1 SGB V: Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
7 a) Abrechnungen bei Vertragsärzten cc) Verhältnis Krankenkasse/Kassenärztliche Vereinigung 85 I SGB V: Die Krankenkasse entrichtet nach Maßgabe der Gesamtverträge an die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen.
8 a) Abrechnungen bei Vertragsärzten dd) Verhältnis Vertragsarzt/Kassenärztliche Vereinigung 87b I 1 SGB V: Die Kassenärztliche Vereinigung verteilt die vereinbarten Gesamtvergütungen an die Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren sowie ermächtigten Einrichtungen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung. 295 IV 1 SGB V: (4) Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen und medizinischen Versorgungszentren haben die für die Abrechnung der Leistungen notwendigen Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln.
9 a) Abrechnungen bei Vertragsärzten dd) Verhältnis Vertragsarzt/Kassenärztliche Vereinigung... streng formale Betrachtungsweise, derzufolge eine Leistung insgesamt nicht erstattungsfähig ist, wenn sie in Teilbereichen nicht den gestellten Anforderungen genügt (BGH NStZ 1995, 85). relevant für die konkludente Täuschung und den Vermögensschaden, näher u.
10 b) Abrechnungen bei Privatärzten Rechtsgrundlage: GOÄ v Liquidationsrecht des Privatarztes. Kostenerstattungsprinzip c) Abrechnungen bei Zahnärzten, Krankenhäusern s. Frister/Lindemann/Peters, Arztstrafrecht, 2011, S. 134 ff.; Kraatz, Arztstrafrecht, 2013, Rn. 274, 276.
11 II. Objektiver Tatbestand ( 263 I StGB) 1. Täuschung = jedes Verhaltens, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt, ein Verhalten des Täters, das objektiv geeignet und subjektiv bestimmt ist, beim Adressaten eine Fehlvorstellung über tatsächliche Umstände hervorzurufen. (BGHSt 47, 1, 3, 5). a) Täuschungshandlung Beim Vertragsarzt: Einreichung der Quartalsabrechnung bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Beim Privatarzt: Einreichung der Rechnung beim Patienten.
12 II. Objektiver Tatbestand ( 263 I StGB) 1. Täuschung b) Gegenstand der Täuschung: Tatsachen, d.h. Ereignisse oder Zustände der Gegenwart oder der Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind. Werturteile sind keine Tatsachen; Abgrenzung nicht immer einfach. etwa eine Abrechnung nach einem falschen Gebührenansatz (falsche EBM-Ziffer oder GOÄ-Gebührenziffer): Tatsache (+). falsche Rechtsansicht: erst bei Offensichtlichkeit, bei bewusster Missachtung eindeutiger Regelungen (+). gewollte Subsumtionsfehler (Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, 151 Rn. 10) als Täuschungen über Tatsachen.
13 II. Objektiver Tatbestand ( 263 I StGB) 1. Täuschung c) Formen: ausdrückliche, konkludente (Begehung) Täuschung vs. Täuschung durch Unterlassen aa) ausdrückliche Täuschung
14 c) Formen: ausdrückliche, konkludente (Begehung) Täuschung vs. Täuschung durch Unterlassen bb) konkludente Täuschung: Auslegung. Bei schlüssigem Verhalten ist entscheidend, welcher Erklärungswert dem Gesamtverhalten des Täters nach der Verkehrsanschauung zukommt (BGHSt 49, 17, 21). (1) Allgemeine Regel beim Abrechnungsbetrug: Wer eine Leistung einfordert, bringt damit zugleich das Bestehen des zugrunde liegenden Anspruchs, hier also die Abrechnungsfähigkeit der in Rechnung gestellten ärztlichen Leistung zum Ausdruck (BGHSt 57, 95, 101). s.a. BGH NStZ 1993, 388 (Magnetfeldtherapie). streng formale Betrachtungsweise des Sozialrechts, s.o.
15 c) Formen: ausdrückliche, konkludente (Begehung) Täuschung vs. Täuschung durch Unterlassen bb) konkludente Täuschung (2) Fallgruppenspezifische Konkretisierung (a) Abrechnen fingierter Leistungen (sog. Luftleistungen) Luftleistung als Grundfall des Abrechnungsbetrugs (Schroth/Joost, in: Roxin/Schroth, Hb MedStrR 4. Aufl. 2010, S. 179, 187) (b) Abrechnung nicht abrechnungsfähiger Leistungen nach h.m. auch Täuschung über Tatsachen, BGH NStZ 1993, 388 (Magnetfeldtherapie).
16 bb) konkludente Täuschung (2) Fallgruppenspezifische Konkretisierung (c) Abrechnung medizinisch nicht notwendiger Leistungen beim Vertragsarzt 28 I 1 SGB V: Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. 12 I SGB V: Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen..
17 bb) konkludente Täuschung (2) Fallgruppenspezifische Konkretisierung (c) Abrechnung medizinisch nicht notwendiger Leistungen beim Privatarzt: 1 II GOÄ: Vergütungen darf der Arzt nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind. Leistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind.
18 bb) konkludente Täuschung (2) Fallgruppenspezifische Konkretisierung (d) Abrechnung unwirtschaftlicher Leistungen Wirtschaftlichkeit als Tatsache? str., s. etwa Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, 151 Rn. 30. Kick-Back-Fall, etwa BGH NStZ 2004, 568; OLG Hamm, NStZ-RR 2006, 13: Verschweigen von Vergünstigungen und Rabatten als konkludente Täuschung, str.
19 (2) Fallgruppenspezifische Konkretisierung (e) Abrechnung nicht persönlich erbrachter, nicht delegierbarer Leistungen s. BGH NStZ 1995, 85 (Leistungen waren medizinisch indiziert!) Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung beim Vertragsarzt: 613 BGB: Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste im Zweifel in Person zu leisten. Der Anspruch auf die Dienste ist im Zweifel nicht übertragbar. beim Privatarzt: 613 BGB und 4 II 1 GOÄ: Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen).
20 bb) konkludente Täuschung (2) Fallgruppenspezifische Konkretisierung (f) Abrechnung nicht abrechnungsfähiger Kosten z.b. Praxiskosten, s. BGH NStZ 1994, 188. (g) Abrechnung formell fehlerhafter Leistungen s. BGH StV 2003, 276 (Strohmann-Fall).
21 cc) Täuschung durch Unterlassen Vertragsarzt grds. nicht Garant der Kassenärztlichen Vereinigung (Zwangsmitgliedschaft); und erst recht nicht der Krankenkasse, zu der er keine rechtlichen Beziehungen unterhält. Str., and. etwa OLG Hamm NStZ-RR 2006, 13: Wirtschaftlichkeitsgebot; Vermögensfürsorgepflicht ggü Krankenkasse. wie o. aber AG Ulm BeckRS 2013,
22 2. Irrtum a) Person des Irrenden aa) Im Vertragsarztbereich: Sachbearbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung ( 85 I, 87b I, 295 SGB V), mittelbar Sachbearbeiter der Krankenkassen ( 106a SGB V). 295 IV SGB V: Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen und medizinischen Versorgungszentren haben die für die Abrechnung der Leistungen notwendigen Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln. bb) Im privatärztlichen Bereich: Patient, mittelbar Sachbearbeiter der privaten Krankenversicherung
23 2. Irrtum b) Ignorantia facti, sachgedankliches Mitbewusstsein c) Zweifel s. BGHSt 57, 95 (100, 112). bloße Plausibilitätsprüfung, 106a II SGB V s. BGH StV 2003, 276 Rn. 9 ff. (Strohmann-Fall). d) Wissenszurechnung s. ebenfalls BGH StV 2003, 276 Rn. 22 f.
24 3. Vermögensverfügung = jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten..., das unmittelbar eine Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinne bei dem Getäuschten selbst oder einer dritten Person herbeiführt (BGHSt 14, 170, 171), tatsächliches Verhalten, das unmittelbar vermögensmindernd wirkt. (BGHSt 31, 178, 179). a) Verfügungshandlung im vertragsärztlichen Bereich: nicht erst die Auszahlung, sondern bereits Honorarzuweisung mittels Verwaltungsakts, sog. Honorarbescheid im privatärztlichen Bereich: Zahlung
25 bb) im privatärztlichen Bereich: Patient; ggf. Krankenkasse. Medizin- und Biostrafrecht SS Vermögensverfügung b) Person, bei der die Vermögensminderung eintritt aa) im vertragsärztlichen Bereich: geschädigt sind die weiteren Vertragsärzte. sie verlieren die Chance, die Überschreitung ihres Regelleistungsvolumens nach höheren Punkt-Euro-Werten vergütet zu bekommen (s. 87a II 5; III 4; 84 IV SGB V). Schutzwürdige Exspektanzen. also ein (sogar gestaffelter) Dreiecksbetrug: Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung ist zu Honorarzahlungen aus dem Vermögen der KV ermächtigt, diese wiederum steht im Lager der Ärzte. Ausnahmen: Sonderleistungen, wie Substitutionsbehandlungen bei Drogenabhängigen gem. 87a III 5 SGB V; Krankenhäuser; hier ist die Krankenkasse der Geschädigte.
26 4. Vermögensschaden Vermögen = Summe der geldwerten Güter einer Person (BGHSt 34, 199, 203). Schaden = Minderung des Vermögens in seinem wirtschaftlichen Gesamtwert (bereits RGSt 16, 1, 3). a) zentrale Frage: Maßgeblichkeit der streng formalen Betrachtungsweise des Sozialrechts? Am klarsten: Fall der unzulässigen Delegation, etwa BGH NStZ 1995, 85; Strohmann-Fall, BGH StV 2003, 276 Rn. 28 ff.; Privatarzt, BGHSt 57, 95, 115 ff. Rspr. bejaht den Schaden; insb. keine Kompensation. Lit.: Rechtsgutsvertauschung, juristischer Vermögensbegriff, verfassungsrechtliche Bedenken (Verweis auf BVerfGE 126, 170, und 130, 1).
27 4. Vermögensschaden b) Berechnung des Schadens Hochrechnung auf Grundlage von Stichproben (BGHSt 36, 320) fraglich, ob dies nach den BVerfGE 126, 170; 130, 1, die das Gebot aussprachen, den Schaden zu beziffern, noch zulässig ist.
28 5. Sonstige Fragen 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB: Vermögensverlust großen Ausmaßes: , BGHSt 48, 360.
D. Behandlungsverweigerung als Unterlassungsdelikt * * Stand: 22.5.2014, Folie 7 neu.
D. Behandlungsverweigerung als Unterlassungsdelikt * * Stand: 22.5.2014, Folie 7 neu. I. Einleitende Bemerkungen Begriff der Behandlungsverweigerung Einschlägige Vorschriften: insb. 223 ff., 13; 323c StGB;
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