Prof. Dr. Werner Sacher Erfolgreiche Elternarbeit Grundlagen, Zielsetzung und Handlungsstrategien
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- Annika Hertz
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1 Prof. Dr. Werner Sacher Erfolgreiche Elternarbeit Grundlagen, Zielsetzung und Handlungsstrategien Vortrag im Rahmen der Diesterweg-Schulwerkstatt am in Frankfurt
2 1. Die Ausgangssituation
3 Demographischer Wandel in der Bundesrepublik Deutschland In Großstädten mit mehr als Einwohnern leben mittlerweile durchschnittlich 46 % Mitbürger mit nichtdeutscher Herkunftskultur! (Statistisches Bundesamt 2011, S.14)
4 Zusammensetzung der hessischen Schülerschaft Bildungswelten 2012, S ,2 61,6 Migrantenanteil an Schülerschaft insgesamt Migrantenanteil an Grundschülern
5 Bildungsbenachteiligung von Migranten Ohne Migrations- Mit Migrations- hintergrund hintergrund Gymnasium Deutschland 37,8 % 25,9 % Hessen 53,6 % 34,2 % Hauptschule Deutschland Hessen 13,3 % 4,5 % 24,1 % 12,1 % Bildungsbericht 2012, S. 254; Bildungswelten 2012, S. 9
6 Bildungsbenachteiligung von Migranten Doppelt so oft verspätet eingeschult Fast doppelt so viele Klassenwiederholungen 2,5-mal so häufig nicht einmal Hauptschulabschluss Häufiger ohne Ausbildungsplatz auch bei vergleichbaren Schulabschlüssen Bildungsbericht 2006, S. 178; Bildungsbericht 2012, S. 96 u. 258; Stanat, Rauch & Segeritz 2010, S. 202
7 Kompetenzrückstände von Migranten Bildungsbericht 2010, S. 88
8 Migrationshintergrund und Lebenslage Ohne Migrationshintergrund Mit Migrationshintergrund Minijobber 8,6 % 12,7 % Erwerbslose 4,9 % 9,3 % Hartz IV 3,1 % 7,2 % In Armutsgefährdung oder Bildungsferne aufwachsende Kinder 28,6 % 48,0 % Mikrozensus 2011, S. 261; Bildungsbericht 2012, S. 27 u. S. 225
9 Migrationshintergrund und Diskriminierung Mit Hauptschulabschluss Mit Abitur Mit Abitur und Migrationshintergrund Armutsgefährdung 16,4 % 10,9 % 19,9 % Mikrozensus 2011, S. 12
10 2. Das Potenzial der Familie
11 Einflüsse von Schule und Familie Begleituntersuchungen zu PISA 2000 (OECD 2001, S. 356 f.) Einflüsse von Schule, Lehrkräften, Unterricht Einflüsse der Familie Sonstige Einflüsse Lesekompetenz 31,0 % 66,1 % 2,9 % Mathematische Kompetenz 28,3 % 62,0 % 9,7 % Naturwissenschaftliche Kompetenz 29,4 % 62,6 % 8,0 % Fehlendes Förderpotenzial der Familie kann nicht durch Erziehungs- und Bildungsreinrichtungen ersetzt werden! Diesterweg: Eltern werden zu aktiven Bildungsbegleitern ihrer Kinder befähigt.
12 3. Das Verhältnis von Migranten zur Schule ihrer Kinder
13 Bildungsaspirationen von Migranten Migranten fehlt es keineswegs an Bildungsaspirationen: Sie haben oft sogar höhere Bildungsaspirationen als Personen ohne Migrationshintergrund. Hohe Bildungsaspirationen werden im Laufe der Zeit durch niedrigere Erwartungen abgelöst. Vielen fehlt schließlich die Überzeugung, selbst Wesentliches zum Schulerfolg ihrer Kinder beitragen zu können. Becker 2010, S. 8 f.; Stanat, Rauch & Segeritz 2010, S. 202; Christensen & Stanat 2006, S. 132; Integrationsplan 2007, S. 48.
14 Kontakte und Kommunikation Lehrkräfte kontaktieren Eltern mit Migrationshintergrund ebenso häufig wie andere Eltern. Auch Eltern mit Migrationshintergrund legen Wert darauf, von Lehrkräften informiert zu werden. Kontakte der Migranten sind noch häufiger problemveranlasst. Migranten haben häufiger die Vorstellung einer Arbeitsteilung zwischen Schule und Elternhaus. Migranten sind etwas weniger kooperationsbereit. Tatsächliche Kooperation mit Lehrkräften findet aber häufiger statt. Migranten kooperieren eher heimbasiert als schulbasiert. (Sacher 2004; Sacher 2007)
15 Heim- u. schulbasiertes Engagement von Migranten 2,5 2,0 1,5 1,0 nur Deutsch Deutsch u. andere Sprache nur andere Sprache schulbasiertes Engagement Sacher ,5 0,0 heimbasiertes Engagement Besuch von Klassenelternabenden und Elternsprechtagen 2. Besuch von Ausstellungen von Schülerarbeiten 3. Hospitation im Unterricht 4. Besuch von Elternstammtischen 5. Hilfe bei Schulfesten usw. 6. Zusammenarbeit bei Hausaufgaben 7. Zusammenarbeit beim Lerneinsatz 8. Zusammenarbeit bei der Disziplin 9. Zusammenarbeit bei Erziehungsmaßnahmen 10. Absprachen über Werte Heimbasiertes Engagement ist viel wichtiger als schulbasiertes!
16 Heimbasiertes Engagement Unterstützung beim Lernen Bildungsbericht 2012, S.267: Bildungsbericht 2012, S. 267 Keine nennenswerten Unterschiede!
17 Ausgrenzung von Eltern mit Migrationshintergrund Migranten fühlen sich gegenüber Lehrkräften unsicherer. Migranten bringen Lehrkräften weniger Achtung und Vertrauen entgegen. Migranten werden teilweise von Hilfeleistungen ausgeschlossen. Migranteneltern leiden mehr unter dem Egoismus vieler Eltern. Migranten sind in Elternvertretungen stark unterrepräsentiert. Migranten haben weniger Kontakt mit Elternvertretern. Interessengegensatz zwischen gebildeten Mittelschichteltern und bildungsferneren Migranten.
18 Die größten Probleme bestehen zwischen Migranten und Eltern ohne Migrationshintergrund! Deshalb: Elternarbeit muss insgesamt als interkulturelle Elternarbeit gestaltet werden. Besondere Maßnahmen für Eltern mit Migrationshintergrund genügen nicht!
19 4. Sieben Handlungsstrategien interkultureller Elternarbeit
20 1. Kontaktbarrieren für schwer erreichbare Harris & Goodall 2007: Eltern ausräumen! Schlechte aktuelle oder frühere Erfahrungen mit der Schule Praktische Kontakthindernisse. Eindruck, den Ansprüchen der Schule und Organisation nicht genügen zu können. Verhalten von Lehr- und Fachkräften. Reservierte und ablehnende Einstellungen der Kinder und Jugendlichen. Merkmale der Schule als Organisation. Desinteresse der Eltern an der Schule. Eindruck, dass die Schule nicht wirklich an Kontakten interessiert ist.
21 1. Kontaktbarrieren für schwer erreichbare Defizithypothese: Eltern ausräumen! Unterstellung unzureichender Integriertheit. Unterstellung geringer Vertrautheit mit hiesigen Vorstellungen und Traditionen. Rasche Empfehlung von Maßnahmen und Förderangeboten. zur Angleichung an den deutschen Standard. Übersehen auch vorhandener Stärken der Familien. Übersehen notwendiger Veränderungen auf Seiten der Schule.
22 2. Intragruppenbeziehungen in der Elternschaft verbessern! Gestaltung von Elternabenden als Klassenelternversammlung. Gemeinsam gefeierte Feste sowie kulturelle Veranstaltungen in der Schule. Auseinandersetzung mit dem Alltag der Migrantenfamilien. Einrichtungen und Veranstaltungen in den Wohngebieten der Migranten. Interkulturelle Schulcafés, Samstags- oder Sonntagstreffs, Familiennachmittage, Ausflüge und Exkursionen.
23 3. Aufsuchende Elternarbeit betreiben! Persönliche Ansprache Anrufe bei den Eltern Individuelle Briefe, s, SMS Präsenz an Plätzen und bei Veranstaltungen in ihrem Stadtteil Einladung an der Wohnungstür Hausbesuche Diesterweg: Aktive Ansprache und Einbeziehung der Eltern als Bildungsverbündete!
24 4. Aktivierende Elternarbeit betreiben! Schulbasierte Elternaktivitäten Beitrag von Eltern zu einzelnen Unterrichtsstunden. Gruppenbetreuung im binnendifferenzierten Unterricht (z. B. als Lese- oder Spielmütter). Betreuung von Förder-, Nachhilfe- oder Hausaufgabengruppen. Mitarbeit in Projekten und Arbeitsgemeinschaften.
25 4. Aktivierende Elternarbeit betreiben! Heimbasierte Elternaktivitäten Metaanalysen von Hill & Tyson 2009 und Jeynes 2011: Hohe Erwartungen / starkes Zutrauen der Eltern Autoritativer Erziehungsstil (Baumrind 1991) - Warme, liebevolle Umgebung - Ermutigung, Förderung von Selbständigkeit - Struktur und Disziplin: Ordnung und Regeln, strukturierter Tagesablauf, Verantwortung für Aufgaben im Haushalt übertragen, selbst Modell von Lernen, Disziplin und harter Arbeit sein Bildungsfreundliche Atmosphäre Kommunikation Eltern - Kind In der Grundschulzeit: Lesen mit dem Kind Das setzt weder höhere Schulbildung noch die Beherrschung der deutschen Sprache voraus! Auf Hilfe beim Lernen kommt es nicht an! Diesterweg: Elternakademie- Programm!
26 5. Familienzentrierte Elternarbeit betreiben! Einbinden weiterer Partner: Großeltern, ältere Geschwister, weitere Familienmitglieder, Nachbarn, Freunde Interesse an den Familien zeigen, an ihren Bedürfnissen und Problemen Diesterweg: Einbeziehung der gesamten Familie!
27 6. Vernetzte Elternarbeit betreiben! Einbinden der Schule in Netzwerke: Kooperation der Schule mit Erziehungshilfe, Sozialhilfe, Jugendfürsorge, Jugendhilfe, Arztpraxen, Erziehungsberatung, Schulpsychologie, Wohlfahrtsverbänden, Arbeitsagenturen, Wirtschaftsverbänden, kirchlichen Einrichtungen, Kulturvereinen, Sportvereinen, Jugendgruppen usw. Einbindung der Eltern in Netzwerke: Kooperation der Eltern mit Elternbetreuern, Aktiveltern, Bildungslotsen, Elternmentoren, Stadtteilmüttern, Nachbarschafts- und Stadtteilgruppen Diesterweg: Exkursionen mit der gesamten Familie zu Einrichtungen der Region!
28 7. Lösungsorientierte Elternarbeit betreiben! Fokussierung auf Lösungen statt auf Ursachen! Entwicklung von Vorstellungen des gewünschten Zustandes Wahrnehmungsveränderung: Spuren des gewünschten Zustandes in Vergangenheit u. Gegenwart positive Veränderung des Blicks auf Gegenwart u. Zukunft Anregen eigener Handlungen: Akzeptanz von Problemen als etwas ganz Normales Erste kleine Veränderungen durch Eltern Übertragung der Problemlösefähigkeit auf andere Lebensbereiche Selbstvertrauen, Erfahrung von Selbstwirksamkeit ( Empowerment )
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30 Literatur: Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.) (2010): Bildung in Deutschland Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Perspektiven des Bildungswesens im demographischen Wandel. Bielefeld. [Zitiert: Bildungsbericht 2010] Autorengruppe Bildungsberichterstattung (Hrsg.) (2012): Bildung in Deutschland Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf, Bielefeld. [Zitiert: Bildungsbericht 2012] Becker, B. (2010): Bildungsaspirationen von Migranten. Determinanten und Umsetzung in Bildungsergebnisse. Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung, Arbeitspapiere Working Papers Nr. 137, Boethel, M. (2003): Diversity and School, Family, and Community Conneetions. Southwest Educational Development Laboratory. Annual Synthesis Austin, Texas. Boudon, R. (1974): Education, Opportunity, and Social Inequality. Changing Prospects in Western Society, New York. Die Bundesregierung (2007): Der Nationale Integrationsplan. Neue Wege Neue Chancen. Berlin: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. [Zitiert: Integrationsplan 2007]
31 Christensen, Gayle; Stanat, Petra (2006): Schulerfolg von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im internationalen Vergleich. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung. Harris, A.; Goodall, J. (2006): Parental Involvement in Education: An Overview of the Literature. University of Warwick. Hessisches Ministerium der Justiz, für Integration und Europa (2012): Bildungswelten. Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Hessen im Schuljahr 2011/2012. Wiesbaden. [Zitiert: Bildungswelten 2012] 53 Hill, N. E.; Tyson, D. F. (2009): Parental Involvement in Middle School: A Meta- Analytic Assessment of the Strategies That Promote Achievement. In: Developmental Psychology, Vol. 45, No. 3, pp Jeynes, W. H. (2011): Parental Involvement and Academic Success. New York and London: Routledge. Konsortium Bildungsberichterstattung (2006): Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Berlin. [Zitiert: Bildungsbericht 2006]
32 OECD Organisation for Economic Cooperation and Development (2001): Lernen für das Leben. Erste Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudie PISA Paris. Sacher, W. (2004): Elternarbeit in den bayerischen Schulen. Repräsentativ-Befragung zur Elternarbeit im Sommer Nürnberg 2004 (SUN Schulpädagogische Untersuchungen Nürnberg, Nr.23) Sacher, W. (2005): Erfolgreiche und misslingende Elternarbeit. Ursachen und Handlungsmöglichkeiten. Erarbeitet auf der Grundlage der Repräsentativbefragung an bayerischen Schulen im Sommer Nürnberg (SUN Schulpädagogische Untersuchungen Nürnberg, Nr.24) Sacher, W. (2006): Einflüsse der Sozialschicht und des Migrationsstatus auf das Verhältnis zwischen Elternhaus und Schule. Nürnberg (SUN Schulpädagogische Untersuchungen Nürnberg, Nr.26) Sacher, W. (2007): Bericht der Begleituntersuchung zum Projekt Vertrauen in Partnerschaft für den Projektzeitraum vom Sommer 2006 bis zum Sommer Nürnberg: Lehrstuhl für Schulpädagogik (Unveröffentlichtes Typoskript). Sacher, W. (2008): Elternarbeit. Gestaltungsmöglichkeiten und Grundlagen für alle Schularten. Bad Heilbrunn.
33 Sacher, W. (2009): Elternarbeit schülerorientiert. Grundlagen und Praxismodelle. Für die Jahrgänge 1 bis 4. Berlin: Cornelsen. Stanat, Petra; Rauch, Dominique; Segeritz, Michael (2010): Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. In: Klieme, Eckhard; Artelt, Cordula; Hartig, Johannes; Jude, Nina; Köller, Olaf; Prenzel, Manfred; Schneider, Wolfgang; Stanat, Petra (Hrsg.) (2010): PISA Bilanz nach einem Jahrzehnt. Münster : Waxmann, S Statistisches Bundesamt (2009): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund Ergebnisse des Mikrozensus Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. [Zitiert: Mikrozensus 2009] Statistisches Bundesamt (Hrsg.) 2011: Wie leben Kinder in Deutschland? Wiesbaden. [Zitiert: Statistisches Bundesamt 2011] der/pressebroschuere_kinder.pdf? blob=publicationfile Statistisches Bundesamt (2012): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund Ergebnisse des Mikrozensus Wiesbaden: Statistisches Bundesamt. [Zitiert: Mikrozensus 2011]
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