Alkohol am Arbeitsplatz - Arbeitsrechtliche Fragen
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- Margarethe Baumann
- vor 8 Jahren
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1 Originalarbeit S Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg Nr.1 Alkohol am Arbeitsplatz - Arbeitsrechtliche Fragen B. MOOSMANN (Wiener Städtische Allgemeine Versicherung Aktiengesellschaft, Wien) Zusammenfassung In meinem Beitrag zu dem vom Anton Proksch-Institut veranstalteten Seminar zum Thema Alkohol am Arbeitsplatz habe ich einige arbeitsrechtliche Fragen in diesem Zusammenhang angerissen. Wesentlich ist aus juristischer Sicht die Unterscheidung danach, ob ein Mitarbeiter als Alkoholiker zu betrachten ist oder zwar Alkoholkonsum, aber (noch) keine Abhängigkeit vorliegt; an diesen Unterschied knüpfen sich in den meisten arbeitsrechtlichen Bereichen unterschiedliche Rechtsfolgen. 1. Die Grundregel...Das ist die Unterscheidung zwischen Alkoholsucht und anderen Formen des Alkoholkonsums: Alkoholsucht liegt vor, wenn der Alkoholkonsum vom Willen nicht mehr beherrschbar ist. Ob dies der Fall ist, ist (im Streitfall) vom medizinischen Sachverständigen zu klären. Von Bedeutung ist die Unterscheidung aus arbeitsrechtlicher Sicht deshalb, weil die jüngere Rechtssprechung der ASG Alkoholsucht als Krankheit anerkennt und suchtbedingten Alkoholkonsum daher als nicht schuldhaft qualifiziert. Die Schuldhaftigkeit und der Grad des Verschuldens sind aber im Zusammenhang mit der Entlassung, Krankheit, Disziplinarrecht und Haftungsrecht bedeutsam. Auf diese grundsätzliche Unterscheidung wird daher im folgenden immer wieder Bezug genommen. Daß in der Praxis die Übergänge fließend sind und in kaum einem Fall das Ergebnis eines Sachverständigengutachtens vorhergesehen werden kann, wenn eine Maßnahme gesetzt werden soll, ist klar. Die Empfehlung kann daher aus rechtlicher Sicht nur lauten, ein Alkoholproblem eines Mitarbeiters nicht vor sich herzuschieben, sondern rechtzeitig Maßnahmen (-konzepte) zu planen. Einleitung Ich beleuchte im folgenden die verschiedenen Probleme mit Alkohol am Arbeitsplatz aus rechtlicher Sicht, das heißt, auch im Hinblick auf eine mögliche gerichtliche Auseinandersetzung. Bis auf die Unterscheidung zwischen Alkoholsucht und sonstigen Formen des Alkoholkonsums beziehen meine Ausführungen keine medizinischen oder psychologischen Aspekte ein. Daß sich aber im Arbeitsleben - gerade im Zusammenhang mit Alkoholproblemen am Arbeitsplatz - Lösungen abseits oder ergänzend zu der rein juristisch korrekten oft besser bewähren und für beide Seiten sinnvoller sind, steht außer Debatte; schließlich muß nicht jeder Konflikt aus dem Arbeitsverhältnis vor Gericht ausgetragen werden. Gebrauchte Abkürzungen: AG: Arbeitgeber AN: Arbeitnehmer AngG: Angestelltengesetz ArbSlg: Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen ArbVG: Arbeitsverfassungsgesetz ARD: ARD-Betriebsdienst ASG: Arbeits- und Sozialgericht(e) AV: Arbeitsverhältnis BR: Betriebsrat BV: Betriebsvereinbarung DRdA: Das Recht der Arbeit (Zeitschrift) GewO: Gewerbeordnung KV: Kollektivvertrag, -verträge, kollektivvertraglich LGf.ZRS: Landesgericht für Zivilrechtssachen OLG: Oberlandesgericht OGH: Oberster Gerichtshof ZAS: Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht 2. Das Arbeitsverhältnis im Anbahnungsstadium - Frage nach dem Alkoholkonsum Die Frage des AG an den Bewerber nach dem Alkoholkonsum reicht, da sie sich in der Regel auf den gesamten Lebensbereich bezieht, in die Privatsphäre des (künftigen) AN. - Die Frage ist daher nicht ohne weiteres zulässig. Meines Erachtens ist die Frage zulässig, insofern sie sich auf das Vorliegen einer Alkoholkrankheit bezieht, da Alkoholismus im Gegensatz zu den meisten anderen Krankheiten die Einsetzbarkeit für jeden Beruf herabsetzt. Außer bezüglich der Alkoholkrankheit ist die Frage nach dem Alkoholkonsum in der Freizeit meiner Meinung nach nur in den Fällen zulässig, in denen Alkoholkonsum auch in der Freizeit ab einer gewissen Menge unmittelbar im Widerspruch zur angestrebten Beschäftigung steht. Dies wird dann der Fall sein, wenn die Information über den Alkoholkonsum mit der Einhaltung von Gesetzen in Zusammenhang steht, man denke etwa an die Anstellung von Berufskraftfahrern. Soll die Frage nach dem Alkoholkonsum im Rahmen eines Fragebogens gestellt werden, ist dies bei Vorhandensein eines BR gemäß 96 Abs 1 Ziff 2 ArbVG überhaupt nur mit dessen Zustimmung zulässig. - Unter einem Fragebogen ist eine Mehrzahl schriftlicher Fragen, die über allgemeine Personaldaten- und Qualifikationsfragen hinausgehen und vom Stellenbewerber selbst zu beantworten sind, zu verstehen. Die Unzulässigkeit des Fragebogens wegen mangelnder Zustimmung des BR kann der Stellenbewerber allerdings nicht selbst geltend machen, weil er als solcher noch keine eigenen Rechte aus Verletzungen des Betriebsverfassungsrechts ableiten kann. Nur der BR selbst kann auf Unterlassung der Verwendung des Fragebogens beim ASG klagen. 41
2 Die wesentliche Folge der Unzulässigkeit einer Frage ist, daß unrichtige Antworten auf unzulässige Fragen nicht sanktioniert werden dürfen (insbesondere keinen Entlassungstatbestand erfüllen). Daraus folgt aber nicht, daß unrichtige Antworten auf zulässige Fragen den AG stets zur Entlassung des AN berechtigen. Einerseits, weil eine Entlassung (immer) nur dann gerechtfertigt ist, wenn ein so schwerwiegender Grund vorliegt, daß dem AG die Weiterbeschäftigung des AN nicht einmal mehr bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, andererseits, weil der AN nicht dazu genötigt werden darf, sich selbst durch wahrheitsgemäße, aber höchst ungünstige Fragebeantwortungen um die Chance auf einen Arbeitsplatz zu bringen. So jedenfalls die Judikatur z.b. zum Problem der Antwort auf Fragen nach Vorstrafen oder Verschweigen eines Anfallsleidens (LG f. ZRS , ArbSlg 7244). Eine Ausnahme bildet allerdings die absichtliche Täuschung durch den Arbeitnehmer, etwa durch Vorlage falscher Gutachten (LG f. ZRS , ArbSlg 6816). Siehe zu diesem Problem auch die Anmerkungen zum Irrtum und zur Dienstunfähigkeit. 3. Rechtliche Aspekte während des Arbeitsverhältnisses 3.1. Vorbeugung und Disziplinierung a) Öffentlich rechtliche Vorschriften: Das Arbeitnehmerschutzgesetz verpflichtet in seinem 14 Abs 1 den AG, den AN Trinkwasser oder ein anderes alkoholfreies Getränk zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig dürfen sich AN ( 19 Abs 5 Arbeitnehmerschutzgesetz) nicht durch Alkohol in einen Zustand versetzen, in dem sie sich selbst und andere im Betrieb Beschäftigte gefährden. b) Betriebsvereinbarung gemäß 97 Abs 1 Ziff 8 ArbVG: Maßnahmen und Einrichtungen zur Verhütung von Unfällen... sowie Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der AN Eine solche BV kann Angebote des Unternehmens an die AN regeln, die die Alkoholabstinenz in positiver Weise fördern (z.b. Aufstellen eines Getränkeautomaten); sie kann aber keine Ge- und Verbote betreffend das Verhalten der AN enthalten (siehe unter c), Die BV nach 97 Abs 1 Ziff 8 ArbVG ist eine sogenannte freiwillige BV, das heißt, sie kommt nur zustande, wenn Betriebsinhaber und BR sich über ihren Inhalt einigen, es gibt keine externe Stelle, die bei Nichteinigung angerufen werden kann. Auch ohne Zustandekommen der BV kann die Maßnahme allerdings gesetzt werden. c) Ordnungsvorschriften: Der Alkoholkonsum während der Dienstzeit kann durch betriebliche Ordnungsvorschriften untersagt werden und zwar grundsätzlich durch Weisung des AG. Sowohl Betriebsinhaber (AG) als auch der BR können allerdings über solche Ordnungsvorschriften eine BV gemäß 97 Abs 1 Ziff 1 ArbVG erzwingen. Können sich Betriebsinhaber und BR über den Inhalt oder über den Abschluß als solchen nicht einigen, kann jede der Parteien zur Entscheidung die Schlichtungsstelle (die auf Antrag ad hoc zu errichten ist) anrufen. Der Bescheid der Schlichtungsstelle ersetzt die BV. Solche Ordnungsvorschriften können sich aber nicht auf das Verhalten der AN außerhalb der Dienstzeit beziehen, sodaß gegen Alkoholkonsum der AN in der Freizeit vom AG nichts unternommen werden kann, solange sich daraus keine Beeinträchtigung des AN im Dienst ergibt. d) Disziplinarmaßnahmen: Sowohl Verstöße gegen das Verbot des Alkoholkonsums im Betrieb als auch gegen die Pflicht, den Dienst unbeeinträchtigt von Alkohol zu versehen, können durch Disziplinarmaßnahmen geahndet werden: Jede Disziplinarmaßnahme muß eine Grundlage haben und zwar bei Betrieben ohne BR eine arbeitsvertragliche oder kollektivvertragliche; bei Betrieben mit BR eine Disziplinarordnung nach KV oder BV (OLG Wien vom in ARD 4191/12/90). Wenn ein BR besteht und eine Disziplinarordnung nach KV oder BV vorhanden ist, muß der BR zur Verhängung einer konkreten Disziplinarmaßnahme seine Zustimmung erteilen, außer es entscheidet über die Verhängung der Maßnahme eine Stelle, zu deren Errichtung der BR seine Zustimmung gegeben hat (Disziplinarkommission). Disziplinarmaßnahmen dürfen nicht gegen zwingendes Recht verstoßen (Verlängerung der Arbeitszeit über das höchstzulässige Ausmaß, Entfall des Urlaubs usw.). Die Zulässigkeit von Lohnkürzungen als Disziplinarmaßnahme ist problematisch, wenn sie nicht in einer kollektivvertraglichen Disziplinarordnung, sondern nur in einer BV vorgesehen ist. Cerny (ArbVG, Gesetze und Kommentare/ 116, ÖGB-Schriftenreihe, 9.Auflage, Seite 370) ist der Meinung, daß BV über Disziplinarordnungen keine Lohnregelungen treffen können und daher vorgesehene Lohnkürzungen unzulässig seien. Dagegen läßt sich einwenden, daß es sich bei Lohnkürzungen als Disziplinarmaßnahmen um keine generelle Lohnregelung handelt, die nur aufgrund besonderer (gesetzlicher oder kollektivvertraglicher) Ermächtigung mittels BV erfolgen dürfte, sondern um eine Maßnahme im Einzelfall. Die Frage, ob Disziplinarmaßnahmen zulässigerweise nur aufgrund schuldhafter Verstöße oder schon bei objektivem Zuwiderhandeln gegen Ge- und Verbote verhängt werden dürfen, ist im Zusammenhang mit dem Anerkennen des Alkoholismus als Krankheit bedeutsam, wurde aber - soweit mir bekannt - in der Judikatur bisher nicht behandelt. Es ist aber damit zu rechnen, daß im Sinne der neueren Judikatur zum Entlassungsrecht im Zusammenhang mit Alkoholismus die Rechtssprechung auch bezüglich der Disziplinarmaßnahmen vom Grundsatz keine Strafe ohne Schuld ausgehen wird, sodaß Verstöße gegen das Alkoholverbot im Betrieb oder Absenzen, wenn diese jeweils auf krankhafter Alkoholabhängigkeit beruhen, nicht durch Disziplinarmaßnahmen geahndet werden dürfen. Vom Gericht als unzulässig erkannte Disziplinarmaßnah- 42
3 men sind rechtsunwirksam, das heißt, allfällige rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile sind rückgängig zu machen, sonstige Maßnahmen (Rügen, Verweise und dgl.) können gegen den AN (z.b. in einem späteren Kündigungs- oder Entlassungsanfechtungsprozeß) nicht geltend gemacht werden. e) Versetzung: Eine weitere Möglichkeit, auf Alkoholkonsum zu reagieren, ist die Versetzung. - Dabei wird unter Versetzung nicht nur eine Änderung des Arbeitsortes verstanden, sondern auch eine ins Gewicht fallende Änderung der Tätigkeit oder der sonstigen Arbeitsbedingungen. Zu unterscheiden sind vertragsändernde (vom ursprünglichen Dienstvertrag nicht gedeckte) und sogenannte direktoriale Versetzungen, letztere greifen in den Arbeitsvertrag nicht ändernd ein. Bei allen Versetzungen ist zu beachten: Eine vertragsändernde Versetzung ist nur mit Zustimmung des AN zulässig. Wird z.b. im Dienstvertrag der Arbeitsort mit Adresse genau bezeichnet, ist jede Versetzung des AN an eine andere Betriebsstätte vertragsändernd und bedarf seiner Zustimmung. Entsprechendes gilt für die Änderung der Tätigkeit: Je genauer die Tätigkeitsbeschreibung im Dienstvertrag, desto eher ist eine Veränderung der Tätigkeit vertragsändernd. Unabhängig davon, ob eine Versetzung vertragsändernd oder vom Vertrag gedeckt ist, müssen dauernde Versetzungen dem BR mitgeteilt werden (dauernd ist eine Versetzung von 13 Wochen und länger, dabei sind grundsätzlich 13 zusammenhängende Wochen gemeint; jedoch können auch Zeiten der Versetzung zusammengerechnet werden, wenn die Unterbrechungen nur der Umgehung der Mitteilungspflicht dienen - Kettenversetzungen ). Ebenfalls unabhängig von der Frage, ob die Versetzung vertragsändernd ist, sind dauernde verschlechternde Versetzungen (hinsichtlich Entgelt, Anreisebedingungen, auch gravierende Statusverschlechterungen) nur mit Zustimmung des BR zulässig. Verweigert der BR die Zustimmung, kann sie vom Gericht ersetzt werden ( 101 ArbVG). Bei den unter d) und e) geschilderten Maßnahmen ist zu beachten, daß eine Entlassung wegen Alkoholkonsums nicht mehr ohne weiteres möglich ist, wenn der AG bisher auf den Alkoholmißbrauch nur mit diversen (Disziplinar-) maßnahmen reagiert hat, selbst wenn sich der AN stetig der Unfähigkeit zur Leistung ordnungsgemäßer Dienste näherte (so jedenfalls ASG Wien vom in ARD 4177/11/90) Absenzen infolge Alkoholkonsums Im Sinne der Grundregel ist zu unterscheiden: Liegt keine Alkoholkrankheit vor, sondern ist der Alkoholkonsum vom Willen beherrschbar, so gilt eine Abwesenheit vom Dienst wegen eines vorangegangenen Alkoholmißbrauchs als Fernbleiben ohne rechtmäßigen Hinderungsgrund; sollte der Kater so schlimm sein, daß der AN tatsächlich deswegen vorübergehend arbeitsunfähig ist, so gilt diese Krankheit als grobfahrlässig herbeigeführt; - das gleiche gilt, wenn der AN infolge eines durch Alkoholbeeinträchtigung verursachten Unfalls krank ist (VwGH 88/08/0301 vom ). In diesen Fällen hat der AN für die Zeit der Abwesenheit vom Dienst keinen Entgeltanspruch gegen den AG. Davon zu unterscheiden ist die alkoholbedingte Abwesenheit, wenn der AN ins Stadium der Alkoholkrankheit gelangt ist. War der Alkoholkonsum vom Willen des AN nicht mehr beherrschbar, so gilt weder ein Krankenstand nach einem Alkoholexzeß noch eine Abwesenheit zwecks Durchführung einer Entziehungskur als grob fahrlässig herbeigeführt. - Der AN behält in beiden Fällen seinen Entgeltanspruch im Rahmen der Fristen und im Umfang des 8 AngG bzw. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz Schäden am Arbeitgebereigentum infolge Alkoholkonsums Wenn ein AN dem AG in alkoholisiertem Zustand einen Schaden zufügt, ist - wie sonst auch - das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz anzuwenden. Dabei kann der Schaden unmittelbar beim AG eingetreten sein oder aber bei einem Geschäftspartner des AG anläßlich der Vertragserfüllung (z.b. Handwerker, der in der Wohnung des Kunden einen Schaden anrichtet), wenn in letzterem Fall der Geschäftspartner den Ersatz des Schadens vom AG verlangt. Nach Dienstnehmerhaftpflichtgesetz ist eine richterliche Mäßigung des vom AN an den AG zu zahlenden Ersatzbetrages auch bei grob fahrlässiger Verursachung des Schadens durch den AN möglich: Nach der Rechtsprechung ist die Verursachung von Autounfällen im alkoholisierten Zustand grob fahrlässig. Der KFZ-Haftpflichtversicherer kann sich gegenüber dem AN, der im alkoholisierten Zustand auf einer dienstlichen Fahrt einen Schaden verursacht hat, im Rahmen der Leistungsfreiheit ( , Schilling) voll regressieren. Der AN hat dann die Möglichkeit, einen Teil des Regreßbetrages vom AG zu erlangen. Dieser Teil wird aber angesichts der grob fahrlässigen Vorgangsweise des AN sehr gering sein. Siehe dazu OGH vom in DRdA 1987/ Auflösung des Arbeitsverhältnisses 4.1. Entlassung a) Solange der Alkoholkonsum noch nicht ins Stadium der Alkoholkrankheit getreten ist, gilt: Für Arbeiter ist ein gesonderter Entlassungsgrund in 82 lit c GewO normiert:... wenn er der Trunksucht verfällt und wiederholt fruchtlos verwarnt wurde. - Es ist dabei von Trunksucht die Rede. Da aber nach der neueren Judikatur (die Bestimmung stammt aus der alten Gewerbeordnung von 1859) Alkoholsucht als Krankheit anerkannt ist, bezieht sich dieser Entlassungsgrund heute auf Fälle von beharrlicher Trunkenheit im Dienst, ohne daß bereits Alkoholismus vorliegt. Für Angestellte gilt 27 AngG, wobei ein gesonderter Entlassungsgrund zwar nicht vorgesehen ist, Trunkenheit im Dienst aber in der Regel einem der angeführten (nur demonstrativ aufgezählten) Tatbestände (ev. Ver- 43
4 trauensunwürdigkeit) unterstellt werden kann. Alkoholbedingte Abwesenheit ist ungerechtfertigt, wenn sie nicht auf Alkoholkrankheit beruht und erfüllt den Tatbestand des 27 Ziff. 4 AngG ( wenn der Angestellte ohne einen rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Dienstleistung unterläßt ). Einige Beispiele aus der Judikatur: Ungerechtfertigt war die Entlassung: Wenn dem AG wiederholt Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Alkoholmißbrauch bekanntgeworden sind, ohne daß er die Entlassung ausgesprochen hat, sondern er stattdessen nur Disziplinarmaßnahmen gesetzt hat, ist eine Entlassung nur wegen einer konkreten (neuen) Pflichtverletzung und nicht wegen des stetigen Abnehmens der Arbeitsfähigkeit zulässig.(asg Wien vom in ARD 4177/11/90) Wenn der AG dem AN nahegelegt hat, mit Kunden auszugehen und ihnen alkoholische Getränke zu bezahlen, so ist dies als konkludente Zustimmung des AG zum Alkoholkonsum des AN in einem gewissen Rahmen zu werten. (OHG vom in ARD 4181/21/90) Bei Alkoholkonsum des AN in der Mittagspause ohne beeinträchtigenden Folgen (Sozialrechtliche Mitteilungen I A/d) - sogar bei Weigerung einen den Dienst nicht beeinträchtigenden Alkoholgenuß einzustellen! Gerechtfertigt war die Entlassung: Bei Verschweigen des Führerscheinentzugs (wegen Alkohol am Steuer) durch den als Kraftfahrer beschäftigten AN (Vertrauensunwürdigkeit). Außerdem bewirkt in diesem Fall der für längere Dauer erfolgte Führerscheinentzug Unfähigkeit zur Leistung der versprochenen Dienste - ein weiterer Entlassungsgrund. (ASG Wien vom in ARD 4147/11/90) b) Sobald das Stadium der Alkoholkrankheit erreicht ist, stehen nach der neueren Judikatur (die sich vorläufig auf Angestellte bezieht) die verschuldenabhängigen Entlassungsgründe nicht mehr zur Verfügung: So OGH vom in DRdA 1990/297). Dasselbe wird für Arbeiter gelten. Es bleibt daher der verschuldensunabhängige Entlassungsgrund der Dienstunfähigkeit nach 27 Ziff. 2 AngG für die Angestellten bzw. nach 82 lit b GewO für die Arbeiter zu prüfen. Dabei ist aber zu beachten, daß Dienstunfähigkeit in diesem Sinne nur vorliegt, wenn der AN tatsächlich und dauerhaft zur Leistung der versprochenen Dienst unfähig wird. - Oftmaliges Fernbleiben vom Dienst wegen Alkoholexzessen ist keine Dienstunfähigkeit im Sinne des 27 Ziff. 2 AngG. Exkurs: Irrtumsanfechtung Eine Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Irrtums in einer wesentlichen Eigenschaft des Vertragspartner (Vorliegen von Alkoholkrankheit beim AN war dem AG bei Abschluß des Dienstverhältnisses nicht bekannt), kann jedenfalls erwogen werden. Die Anfechtung führt aber in keinem Fall zur rückwirkenden Auflösung des Arbeitsverhältnisses (ex tunc), sondern kann nur zur Auflösung ab sofort (ex nunc) führen. Dies deshalb, weil das AV als Dauerschuldverhältnis auch bei einer fehlerhaften (irrtumsbehafteten) Begründung soziale Wirkungen auslöst und die Rechtssprechung daher die rückwirkende Auflösung mit (bereicherungsrechtlichen) Rückabwicklungsansprüchen nicht zuläßt. Daraus leiten Martinek/Schwarz (Kommentar zum AngG, Schriftenreihe des ÖGB/1, 6.Auflage, Seite 156) ab, daß Umstände, die an sich zur rückwirkenden Auflösung führen würden, beim AV immer dahin geprüft werden müssen, ob sie Entlassungsgründe darstellen würden, sodaß für eine Irrtumsanfechtung kein Raum bleibe. Meines Erachtens ist dieser Schluß nicht zwingend, da die Irrtumsanfechtung prinzipiell mit einem Verschulden des Vertragspartners nichts zu tun hat. Absichtliche Täuschung durch den AN ist übrigens (siehe oben) ein Entlassungsgrund. Die Rechtswirkungen einer Entlassung wegen Dienstunfähigkeit (kein Verschulden des AN) und einer Auflösung wegen Irrtums (ohne Verschulden des AN) sind die gleichen. - Der AN behält mangels Verschulden an der vorzeitigen Auflösung seinen Anspruch auf Abfertigung, lediglich eine Kündigungsentschädigung könnte er nicht verlangen Kündigung Eine normale Kündigung wegen Alkoholmißbrauchs ist - unter Berücksichtigung allfälliger vertraglicher Beschränkungen - jedenfalls möglich. Eine Anfechtung durch BR bzw. AN hätte wohl weder bei häufiger Alkoholbeeinträchtigung ohne Sucht, noch bei Vorliegen einer Alkoholkrankheit viel Aussicht auf Erfolg. - Es liegen nämlich massive Umstände, die in der Person des AN gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren vor ( 105 ArbVG). 5. Sonderproblem: besonders bestandgeschützte Dienstverhältnisse Besonders bestandgeschützte Dienstverhältnisse haben: a) Betriebsratsmitglieder und sonstige Organträger nach ArbVG: Betriebsratsmitglieder können nur mit Zustimmung des Gerichts und nur bei Vorliegen eines der in 121 ArbVG genannten Gründe gekündigt bzw. eines der im 122 ArbVG genannten Gründe entlassen werden. Die Judikatur: Anerkannte als Kündigungsgrund im Sinne des 121 Ziff 3 ArbVG den wiederholten Dienstantritt im alkoholisierten Zustand (VwGH in ArbSlg 5616 und Einigungsamt Linz in ArbSlg 9483). Einmaliges Fernbleiben wegen Alkoholisierung genügt dann für eine Kündigung, wenn dem schon andere Pflichtwidrigkeiten vorangegangen sind (Einigungsamt Salzburg in ArbSlg ). Verwendet ein Betriebsratsmitglied minderen Bildungs- 44
5 grades außerhalb der Dienstzeit im alkoholisierten Zustand ein Schimpfwort gegen einen nicht anwesenden Vorgesetzten, ist dies mangels Erheblichkeit der Ehrverletzung kein Entlassungsgrund, wohl aber ein Kündigungsgrund (VwGH in ArbSlg 7167). b) Arbeitnehmer/inner, die den Schutzbestimmungen des Mutterschutzgesetzes oder des Elternkarenzurlaubsgesetzes unterliegen: Das sind im wesentlichen Schwangere und Arbeitnehmer/ inner, die Karenzurlaub/Teilzeit nach Mutterschutzgesetz oder Elternkarenzurlaubsgesetz in Anspruch nehmen bis 4 Wochen nach Ende des Karenzurlaubes/Teilzeit. Solche AN können nur mit (vorheriger) Zustimmung des Gerichts gekündigt werden. Neuerdings (seit ) kann auch eine Entlassung solcher AN nur mit (in der Regel vorherigen) Zustimmung des Gerichtes erfolgen. Der Entlassungsgrund Trunksucht wurde aus dem Katalog der Entlassungsgründe ( 12) entfernt. c) Arbeitnehmer, die den Schutzbestimmungen des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes unterliegen (Präsenz- und Zivildiener): Solche AN können nur mit Zustimmung des Gerichts gekündigt und nur bei Vorliegen eines der im Gesetz genannten Gründe entlassen werden. Eine Entlassung ohne einen im Gesetz genannten Grund ist rechtsunwirksam. d) Behinderte nach dem Behinderteneinstellungsgesetz: Die Kündigung eines Behinderten kann nur mit Zustimmung des Behindertenausschusses beim Landesinvalidenamt erfolgen. Die Entlassung kann nach allgemeinen Regeln erfolgen, das heißt, im Gesetz werden keine spezifischen Entlassungsgründe aufgezählt. Es herrscht aber die Meinung vor, daß eine ungerechtfertigte Entlassung eines Behinderten rechtsunwirksam sei, das heißt, das Dienstverhältnis nicht auflöse, weil sonst der Bestandschutz für Dienstverhältnisse von Behinderten durch ungerechtfertigte Entlassungen ausgehöhlt werden könnte. e) Lehrlinge: Lehrverhältnisse können überhaupt nicht normal gekündigt, sondern nur einvernehmlich oder nach der Bestimmung des 15 Abs.3 Berufsausbildungsgesetz vorzeitig aufgelöst werden. Alkoholkonsum ist bei den wichtigen Gründen des 15 nicht genannt, jedoch kommt allenfalls Nichtbesuch der Berufsschule, unbefugtes Verlassen des Lehrplatzes oder Unfähigkeit zur Erlernung des Lehrberufs in Betracht. 6. Anriß der sozialversicherungsrechtlichen Problematik a) Invaliditätspension (Arbeiter) und Berufsunfähigkeitspension (Angestellte) aus der Pensionsversicherung: Der Versicherte muß sich einer Entziehungskur unterziehen, wenn die Erfolgsaussichten vom Sachverständigen als gut beurteilt werden. Weigert er sich, so hat er keinen Anspruch auf Berufsunfähigkeits- oder Invaliditätspension wegen Alkoholismus (OLG Innsbruck in ZAS 2/ 1990 und OGH in ARD 4183/6/90). b) Versehrtenrente aus der Unfallversicherung nach einem Weg/Arbeitsunfall infolge Alkoholisierung: Hier ist die Rechtsprechung ziemlich großzügig. Alkoholisierung führt nur dann zum Verlust des Versicherungsschutzes, wenn die Einflüsse der betrieblichen Tätigkeit bei der Verursachung so weit zurücktreten, daß diese auch als wesentliche Mitursache nicht mehr in Frage kommen (Kreisgericht Steyr , 13 Cgs 22/87). c) Leistungen aus der Krankenversicherung: Gemäß 142 ASVG gebührt kein Krankengeld bei einer Krankheit, die sich als unmittelbare Folge der Trunkenheit oder des Mißbrauchs von Suchtgiften erweist. - Die Angehörigen des Versicherten können in einem solchen Fall, wenn sie sonst unversorgt wären, die Hälfte des Krankengeldes des Versicherten bekommen. Unabhängig vom Krankengeld hat aber auch derjenige Versicherte, dessen Krankheit auf Alkoholisierung zurückzuführen ist, Anspruch auf die Sachleistungen aus der Krankenversicherung (ärztliche Versorgung, Pflege in einer Krankenanstalt). Summary In my contribution to the seminar Alkohol am Arbeitsplatz, organized by the Anton Proksch-Institute, I have touched several topics concerning problems of work-law in context with this issue. Juridically seen, it is essential to distinguish between cases of alcohol-addiction and cases of workers temporarily abusing alcohol and not being addicted, because the legal consequences are different. Anschrift der Verfasserin: Dr.Birgit Moosmann Wiener Städtische Allgemeine Versicherungs Aktiengesellschaft Schottenring 30 A-1010 Wien 45
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