Vor den Ferien läuft nichts mehr

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1 Magazin für die Grundschule Verreise-Kinder oder Balkonier? Alle Kinder können auch in den letzten Stunden vor den Ferien mit viel Freude dabeibleiben. Vor den Ferien läuft nichts mehr Oder: Wie man Vorfreude produktiv nutzt Nur noch zwei Wochen bis zu den Sommerferien alle Arbeiten sind geschrieben, die Zeugnisnoten stehen fest, Lehrerinnen und Lehrer sind ausgepowert, Ihre Schülerinnen und Schüler ebenfalls. Alle wollen eigentlich nur noch eins: Ferien! Was liegt näher, als genau diese Motivation in den Unterricht einzubauen? Vorfreude statt Überdruss Alle fühlten sich ferienreif die Kinder und auch ich. Es blieben noch zwei Wochen bis zu den Sommerferien und wir waren mit unserem Stoff durch. Die Gedanken der Drittklässler (und auch meine) drehten sich nur noch um ein Thema: Ferien! Also verbanden wir das Angenehme mit dem Nützlichen und machten Ferien zum Unterrichtsthema. Museumsgang konnten eigene Ideen abgeglichen und Anregungen bei anderen geholt werden. In einer anschließenden Arbeitsphase gab ich der Gruppe Materialien, die ich im örtlichen Verkehrsbüro besorgt hatte (Freizeitkarte, Reiseführer etc.). Die Balkonier fassten alle Ideen aus den Langeweile-Rezepten und den Materialien zusammen und erstellten ein Plakat Tipps für Balkonien-Ferien. Eine verkleinerte Kopie davon erhielt jedes Kind für zu Hause. Von Balaton bis Balkonien Ich wählte als Einstieg eine Geschichte, in der ein Kind nicht in den Urlaub fährt und deswegen in der Klasse nicht mitreden kann. Sein Vater tröstet es zu Hause und gemeinsam fantasieren sie, was man alles auf Balkonien machen kann. Meine Absicht war, den Kindern, die nicht wegfahren, das Leben nicht noch schwerer zu machen. Oft genug müssen solche Kinder es ertragen, in der ersten Stunde nach den Ferien nichts erzählen zu können. Ich wollte es anders machen und den Enthusiasmus der Kinder, die verreisen, nutzen. Gleichzeitig sollte aber bei den Kindern, die zu Hause blieben, eine noch nicht vorhandene Vorfreude entfacht werden. Und es klappte: Ein interessanter Austausch über Ideen für Balkonien-Ferien entstand. Wir werden Ferienforscher Wir beschlossen, in zwei Gruppen am Thema Ferien zu arbeiten. Die Balkonier beschäftigten sich mit der Frage: Was kann man tun, wenn einem in den Ferien langweilig wird? Zunächst wurden sie durch das Gedicht Langeweile? Tu was! angeregt und schrieben ihr Rezept gegen Langeweile auf. Im 1

2 Die Kinder zeigen die Ergebnisse ihrer Forschungen und präsentieren der gesamten Klasse ihr Sommerferienland, die Türkei. Die Verreise-Kinder forschten alleine, mit einem Partner oder in Kleingruppen über ihr Sommerferienziel. Es wurden Reiseprospekte und Reiseführer gewälzt und Collagen zu den jeweiligen Ländern erstellt. Besonders motivierend war das Ausfüllen des Miniwörterbuches. Per Internet ist es sehr einfach, wichtige kurze Floskeln und Sätze zu übersetzen. Zum Teil kann man sich sogar die Aussprache anhören. Alle Kinder waren begeistert dabei, die Sätze einzustudieren und sich in den fremden Sprachen zu unterhalten. Spannung auf die Postkarten gewartet und fast alle waren zeitnah angekommen. Das Schönste allerdings war: Keines der Kinder saß in dieser Stunde da und wusste nicht, was es erzählen sollte oder kam sich minderwertig vor, weil es zu Hause geblieben war. In den letzten Stunden vor den Ferien kann nicht nur sinnvoll, sondern auch mit hoher Motivation gearbeitet werden. Schülerinnen und Schüler sind auch dann noch mit Eifer bei der Sache, wenn man sich mit ihnen verbündet und ihre Anliegen zum Thema des Unterrichts macht. Postkarten-Wichteln Um auch in den Ferien die Kinder an unser Projekt zu erinnern und den Balkoniern ein Highlight zu bescheren, adaptierte ich das allseits beliebte Wichteln für unser Thema. Jeder schrieb seinen Namen und seine Adresse auf einen kleinen Zettel. Anschließend wurde geheim ausgelost, wer wem eine Postkarte schreiben sollte. Aufgrund langer Lieferzeiten aus manchen Ländern gab ich vor, dass die Karte bis zum Ende der dritten Ferienwoche abgeschickt werden musste. Diese Idee kam bei den Kindern sehr gut an und sie versuchten mit allen möglichen Tricks schon vor den Sommerferien herauszufinden, wer ihnen schreiben würde. Rund um Ferien Kopiervorlagen, 64 Seiten, kartoniert ,00 Auswertung und Fazit Die Auswertung fand in der ersten Stunde nach den Sommerferien statt. Es zeigte sich schnell, dass mein Plan aufgegangen war. Die Tipps für Balkonien-Ferien und das Miniwörterbuch stellten sich als sehr nützlich heraus. Die Kinder hatten voller 3 Nina Wilkening (geb. 1975) ist Seminarleiterin und Grundschullehrerin. Sie veröffentlicht Schulbücher und Lehrmittel für Sachunterricht und Deutsch. 2

3 Urlaub auf Balkonien Tim stocherte im Essen rum. Der Appetit war ihm mächtig vergangen. In der Schule gab es nur noch ein Thema: Ferien! Alle freuten sich darauf, dass in zwei Wochen die Sommerferien beginnen würden. Die blöde Lina erzählte den ganzen Schulvormittag von nichts anderem: Mallorca, Mallorca, Mallorca. Von dem tollen Haus, das ihre Eltern dort gemietet haben. Und dass sie da in allen Sommerferien hinfahren. Dass sie dort jeden Tag an den Strand gehen würden und sie abends bis um Mitternacht aufbleiben dürfe. Blöde Kuh!, dachte Tim und schnipste die Erbsen vom Teller. Was ist denn mit dir los?, fragte sein Vater. Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?. Ach, sagte Tim nur, ohne aufzusehen. Eigentlich wollte er gar nichts sagen, aber dann erzählte er doch: Alle fahren in den Urlaub. In der Schule gibt es überhaupt kein anderes Thema mehr. Tom fährt mit seinen Eltern nach Italien. Basti besucht seine Oma. Die lebt in Berlin. Dort ist immer was los. Sogar Lukas hat etwas vor. Der fährt mit den Pfadfindern ins Sommerlager. Und ich? Wo fahre ich hin? Nirgends. Tims Vater stellte das Glas zur Seite und sagte dann: Jetzt komm. Lass den Kopf nicht hängen. Dieses Jahr geht es einfach nicht. Wir müssen beide arbeiten und das neue Auto hat so viel Geld gekostet, dass wir uns keinen Urlaub leisten können. Weiß ich ja, murmelte Tim. Aber trotzdem Die anderen haben alle etwas, worauf sie sich freuen können. Und wovon sie erzählen können. Und ich stehe blöd daneben und kann gar nichts sagen. Tims Vater überlegte eine Weile, dann lächelte er und sagte: Und wenn wir unseren Urlaub auf Balkonien verbringen? Da kann man auch eine ganze Menge machen. Tim guckte seinen Vater verdutzt an: Balkonien? Wo soll das denn sein? Na, gleich hier nebenan, sagte Tims Vater. Balkonien ist sozusagen das Nachbarland von Wohnzimmeranien. Man kann dort dasselbe tun wie in anderen Ländern. Man kann jeden Tag ein Eis essen ach, nicht nur eins, mindestens fünf! Man kann im Liegestuhl liegen, seine Beine im Wassereimer kühlen und faulenzen bis zum Abwinken. Du kannst genauso gut bis um Mitternacht aufbleiben. Wir können Pizza und Spaghetti essen wie in Italien. Tims Laune besserte sich: Oder wir nehmen das Fernglas und beobachten die Menschen auf der Straße. Ja, und du kannst deinen Freunden ebenso eine Postkarte schreiben und ihnen erzählen, wie gut es dir geht, weil du jeden Tag ausschlafen kannst. Und weißt du, was das Beste ist? Wir werden nicht einmal im Stau stehen. Und wenn wir keine Lust mehr auf Balkonien haben, dann packen wir einfach unsere Koffer und gehen wieder nach Hause. 3 Nina Wilkening 3

4 Name: Datum: Langeweile? Tu was! Roll möpse Speise eis Mal stifte Rate spiele Bau klötze Fang körbe Schüttel reime Lösch blätter Schnür senkel Weck gläser Angel ruten Back erbsen Füll hörner Wähl scheiben Zieh federn Zerr spiegel Dreh türen Tritt bretter Kipp schalter Tipp fehler Gieß kannen Lese zeichen Fahr spuren Stoß stangen Klammer beutel Lenk stangen Schaukel pferde Puste blumen Kneif zangen Nora Clormann-Lietz 1 In den Ferien können die Tage manchmal sehr lang werden. Schreibe dein Rezept gegen Langeweile auf. Aus: Hans-Joachim Gelberg (Hrsg.): Großer Ozean. Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz, Weinheim & Basel 1989 Rund um 1 Ferien Cornelsen Verlag, Berlin. Alle Rechte vorbehalten. 4

5 Name: Datum: Miniwörterbuch 1 Gestalte dein Miniwörterbuch. Schneide die Seiten aus und hefte sie zusammen. Wörterbuch von: Guten Tag! Hallo! Ja Tschüss! Nein Sprache: danke Ich heiße Wie spät ist es? Entschuldigung Wo ist? Wie heißt du? Ich verstehe Sie/dich nicht. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 Ich komme aus Deutschland Rund um 1 Ferien Cornelsen Verlag, Berlin. Alle Rechte vorbehalten. 5