Vertragsrecht II. (2) Begründung vertraglicher Schuldverhältnisse
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- Irma Fuchs
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1 (2) Begründung vertraglicher Schuldverhältnisse
2 Überblick Schuldverhältnisse können entstehen... durch Rechtsgeschäft insbesondere Vertrag Sonderfall: Auslobung ( 657 BGB) kraft Gesetzes z.b. Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), ungerechtfertigte Bereicherung, unerlaubte Handlung, Eigentümer-Besitzer- Verhältnis (EBV), familiärer Verbundenheit (insbes. Unterhaltsansprüche)... Vertragsverhandlungen und sonstigem geschäftlichen Kontakt vgl. 311 BGB: rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse wichtiges Institut: culpa in contrahendo (c.i.c.) 2
3 Vertragliche Begründung Vertragsschluss richtet sich nach den Regeln des BGB AT insbesondere also: zwei übereinstimmende, mit Bezug aufeinander abgegeben Willenserklärungen ( 145 ff. BGB) Geschäftsfähigkeit Vertretung Willensmängel, insbes. Anfechtungsrecht Formvorschriften 3
4 Vertragliche Begründung Abgrenzung zu Gefälligkeitsverhältnissen gesellschaftlicher Verkehr und Gefälligkeiten des täglichen Lebens maßgebliche Frage: Rechtsbindungswille? Auslegung erforderlich ( 133, 157 BGB) Unentgeltlichkeit allein spricht nicht dagegen 4
5 Vertragliche Begründung bei Gefälligkeiten keine Leistungspflichten Schutzpflichten nach 241 II BGB? eine Ansicht: ja, sofern gesteigerter sozialer Kontakt h.m.: nein, sofern nicht 311 II oder III BGB eingreift à im Übrigen nur deliktische Verkehrspflichten ( 823 I BGB) Haftungsmilderung im Deliktsrecht? eine Ansicht: ja, analog 521, 599, 690 BGB keine Haftung bei einfacher Fahrlässigkeit h.m.: keine Analogie, mglw. aber konkludent vereinbarte Haftungsmilderung einzelfallabhängig ( flexibel ) praktisch relevant: Gefälligkeitsfahrten im Straßenverkehr à hier soll insbes. Bestehen von Versicherungsschutz eine Rolle spielen 5
6 241a BGB Normzweck Schutz des Verbrauchers bei Lieferung unbestellter Waren oder Erbringung unbestellter Leistung durch Unternehmer Art. 27 Verbraucherrechte-RiL fordert, dass aus Zusendung/Erbringung allein keine Zahlungspflicht erwachsen darf 241a BGB geht darüber hinaus sämtliche Ansprüche sind ausgeschlossen Abschreckungsfunktion à Verhinderung wettbewerbswidrigen Verhaltens nicht abdingbar (Abs. 3) 6
7 241a BGB Voraussetzungen Verbraucher ( 13 BGB) und Unternehmer ( 14 BGB) unbestellte Warenlieferung Ware in 241a I BGB legal definiert nach Art. 2 Nr. 3 Verbraucherrechte-RiL auch Wasser, Gas und Strom richtlinienkonforme Auslegung erforderlich, da Strom keine bewegliche Sache i.s.d. 90 BGB ist auch bewusste Falschlieferung erfasst alternativ: Erbringung unbestellter Leistungen 7
8 241a BGB Rechtsfolgen keine vertraglichen Ansprüche auch nicht bei Ingebrauchnahme durch Verbraucher wirksame Annahme kann nicht über 151 BGB konstruiert werden keine gesetzlichen Ansprüche erfasst sind... unstreitig Ansprüche aus 677 ff., 812 ff., 823 ff. BGB nach h.m. auch Herausgabeanspruch aus 985 BGB Verbraucher wird nicht Eigentümer, darf Sache aber behalten und beliebig nutzen Ausnahmen: irrige Annahme einer Bestellung oder Irrläufer ( 241a II BGB) teleologische Reduktion, wenn Unternehmer nicht wettbewerbswidrig gehandelt hat? à umstritten 8
9 Abschlussfreiheit positive Abschlussfreiheit Befugnis, Verträge abzuschließen und Vertragspartner auszuwählen Einschränkung durch Abschlussverbote meist im öffentlichen Interesse Sanktionen: Geldbußen oder Strafen Unwirksamkeit der abgeschlossenen Verträge? à 134 BGB nicht jedes Abschlussverbot ist Verbotsgesetz Auslegung/Wertung erforderlich Beispiele: Ladenöffnungsgesetze: nein Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG): ja 9
10 Abschlussfreiheit negative Abschlussfreiheit Befugnis, Verträge nicht oder nicht mit bestimmten Vertragspartnern abzuschließen Ausnahme: Kontrahierungszwang muss wegen Art. 2 GG besonders gerechtfertigt sein normiert etwa in EnergieWiG, 22 PBefG, 10 AEG hier jeweils Daseinsvorsorge + Monopolstellung 5 II PflVG für Kfz-Haftpflichtversicherung, 93 V VVG für private Krankenversicherung hier Pendant zum gesetzlichen Zwang der Versicherungsnehmer, eine Versicherung abzuschließen 10
11 Abschlussfreiheit negative Abschlussfreiheit Ausnahme: Kontrahierungszwang aus 826 BGB? arg.: Ablehnung des Vertragsschlusses kann vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstellen Gegenauffassung will verschuldensunabhängig 1004 BGB analog heranziehen besondere Bedeutung der Wertungen des GG à Abwägung Privatautonomie vs. Grundrechte des anderen Teils Standardbeispiel: missliebiger Theaterkritiker (Art. 5 und 12 GG) zudem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I, 28 I GG) Krankenhäuser: ja, bei notwendiger medizinischer Versorgung Banken (Kontoführung): nein à anders aber bei Sparkassen 11
12 Abschlussfreiheit negative Abschlussfreiheit Ausnahme: Kontrahierungszwang wegen Diskriminierung nach h.m. kann Beseitigungsanspruch nach 21 I AGG oder Schadensersatzanspruch nach 21 II AGG Kontrahierungszwang begründen a.a. will Wertungen des AGG bei 826 BGB berücksichtigen und kommt ähnlichen Ergebnissen für das Arbeitsrecht schließt 15 VI AGG Anspruch auf Einstellung aber explizit aus daher hier nur Schadensersatzansprüche 12
13 Formfreiheit und Formzwang Grundsatz: Verträge können formlos geschlossen werden Einschränkungen: gesetzlicher Formzwang verschiedene Funktionen Warnfunktion Beweisfunktion Belehrungsfunktion Rechtsfolgen bei Verstoß Nichtigkeit nach 125 S. 1 BGB ggf. Heilungsmöglichkeit (vgl. 311b I 2, 518 II, 766 S. 3 BGB) gewillkürte Formerfordernisse können durch Parteien vereinbart werden (z.b. Schriftformklauseln) Rechtsfolge bei Verstoß: im Zweifel Nichtigkeit ( 125 S. 2 BGB) 13
14 311b I BGB Anwendungsbereich nur Verpflichtungsgeschäfte, die zu Veräußerung oder Erwerb eine Grundstücks verpflichten insbes. Kauf, Tausch, Schenkung aber auch Gesellschaftsverträge, in denen sich ein Gesellschafter zur Einbringung eines Grundstücks in die Gesellschaft verpflichtet auch bei Einräumung, Erwerb oder Aufhebung von Wohnungseigentum ( 4 III WEG) und Erbbaurechten (11 II ErbbauVO) nicht: zeitweise Überlassung (Miete, Pacht, Leihe) Belastung mit dinglichem Recht (Grundpfandrecht, Grunddienstbarkeit, Nießbrauch) 14
15 311b I BGB Anwendungsbereich nach ganz h.m. auch bei Verträgen, die keine unmittelbare Verpflichtung begründen, aber mittelbaren Zwang ausüben bei Nichtabschluss droht ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil, der vernünftigen Menschen zum Abschluss des Vertrages veranlassen würde insbes. bei hohen Vertragsstrafen oder Reservierungsentgelten Erteilung einer Vollmacht Grundsatz: formfrei möglich, 311b I BGB nicht anwendbar ( 167 II BGB) Ausnahme: unwiderrufliche Vollmacht oder faktische Bindungswirkung à dann teleologische Reduktion des 167 II BGB 15
16 311b I BGB Umfang des Formzwangs notarielle Beurkundung ( 128 BGB i.v.m. 8 ff. BeurkG) gesamter Vertragsinhalt des Verpflichtungsgeschäfts keine Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Teilen Grund: 139 BGB 16
17 311b I BGB Rechtsfolgen bei Formmängeln Nichtigkeit nach 125 S. 1 BGB nur ganz ausnahmsweise: Korrektur über 242 BGB bei grob treuwidrigem Verhalten kann Berufen auf Nichtigkeit ausgeschlossen sein Problem: Falschbezeichnung irrtümlich à falsa demonstratio non nocet bewusst beurkundeter Vertrag ist Scheingeschäft i.s.d. 117 I BGB à nichtig gewollter Vertrag ist formnichtig nach 117 II, 311b I, 125 S. 1 BGB 17
18 311b I BGB Rechtsfolgen bei Formmängeln Heilung nach 311b I 2 BGB Voraussetzung: Vollzug des dinglichen Erfüllungsgeschäfts Auflassung und Eintragung im Grundbuch ( 873, 925 BGB) siehe aber auch Sollvorschrift des 925a BGB wichtig: betrifft nur Formmangel andere Wirksamkeitshindernisse bleiben bestehen keine Rückwirkung (ex nunc) aber Rechtsgedanke des 141 II BGB Annex: 311b II-V, 311c BGB 18
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