4.1 Grundlagen der psychologischen Diagnostik. Wintersemester 2008/ 2009 Hochschule Magdeburg-Stendal (FH) Frau Prof. Dr. Gabriele Helga Franke
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1 4.1 Grundlagen der psychologischen Diagnostik Wintersemester 2008/ 2009 Hochschule Magdeburg-Stendal (FH) Frau Prof. Dr. Gabriele Helga Franke
2 6. Das psychologische Gutachten 6.1 Warum werden überhaupt Gutachten erstellt? 6.2 Definition des Gutachtens 6.3 Arten psychologischer Gutachten 6.4 Gliederung von Gutachten 6.5 Anforderungen an ein Gutachten 2
3 6.1 Warum werden überhaupt Gutachten erstellt? jemand (Richter, Behörde) muss eine Entscheidung über einen Sachverhalt treffen, zu dessen Beurteilung ihm die notwendige Sachkenntnis fehlt deshalb wird ein Sachverständiger mit der Anfertigung eines Gutachtens beauftragt er soll den Sachverhalt fachkundig analysieren und die Ergebnisse in einer für den Auftraggeber verständlichen Form darstellen damit der Auftraggeber hierdurch eine ausreichende Grundlage für die von ihm zu treffende Entscheidung erhält 3
4 6.2 Definition des Gutachtens Psychologische Gutachten für (meist fachfremde) Dritte kann man definieren als selbstständige (in sich geschlossene), zusammenfassende Darstellung der psychologisch-diagnostischen Vorgehensweise, der Befunde und Schlussfolgerungen in Bezug auf eine hinsichtlich einer konkreten Fragestellung zu begutachtende Person, Institution oder Situation, basierend auf einem der Fragestellung gemäßen, komplexen diagnostischen Prozess für einen Gutachtenempfänger (Auftraggeber). 4
5 6.2 Definition des Gutachtens mit Hilfe des Gutachtens soll sein Empfänger Entscheidungen in seinem System fundierter treffen können Vor Übernahme eines Auftrages sollte der Diagnostiker folgende Fragen klären, um sich für die Annahme des Auftrages oder dagegen zu entscheiden: - Wer hat ein Problem? - Weshalb hat der Auftraggeber dieses Problem? - Welches Problem hat der Auftraggeber? - Was will er wissen? - Kann ich die Fragen des Auftraggebers sachkompetent beantworten? 5
6 6.2 Definition des Gutachtens - Von welchen Tatsachen habe ich als Sachverständiger auszugehen? - Welche Untersuchungen muss bzw. darf ich durchführen? - Wie, wo und wann sind die Untersuchungen durchzuführen? - Wie werte ich die Daten aus? - Welche Untersuchungsergebnisse liegen nach Abschluss der Untersuchung(en) vor? - Wie sind die Daten sachlich korrekt und überzeugend zu interpretieren? - Welche Antworten lassen sich aus den Untersuchungsergebnissen für die Fragen des Auftraggebers ableiten? - Wie kann ich die Ergebnisse für den Empfänger meines Gutachtens sachlich korrekt, nachvollziehbar und überzeugend darstellen? 6
7 6.3 Arten psychologischer Gutachten hinsichtlich des Zwecks unterscheidet Heiss (1964) drei Grundformen von Gutachten: 1.) Persönlichkeitsbeschreibung 2.) Stellung nehmendes und urteilendes Gutachten 3.) beratendes Gutachten 7
8 6.4 Gliederung von Gutachten es gibt keine verbindlichen Vorschriften für eine Gutachten- Gliederung, aber in der Praxis hat sich folgende exemplarische Vorgangsweise durchgesetzt: 1. formale Angaben z.b. Auftraggeber, Aktenzeichen, Klient diese Angaben sind erforderlich zu eindeutigen Zuordnung des Gutachtens im Geschäftsgang des Auftraggebers wie des Gutachters. 2. Anlass und Auftrag bzw. Fragestellung Aus dem Anlass der Begutachtung ergibt sich der Auftrag bzw. noch konkreter die Fragestellung des Auftraggebers an den Gutachter. Das ist die Arbeitsgrundlage für den zum Gutachter bestellten Sachverständigen. 8
9 6.4 Gliederung von Gutachten 3. Eigene Untersuchung Die Untersuchung des Problems, das durch die Fragestellung definiert ist, ist die eigentliche Aufgabe des Gutachters. Ziel ist die Beantwortung der vom Auftraggeber gestellten Fragen. Hier sind die Einzelheiten der Untersuchung darzustellen (z.b. Untersuchungsverfahren, Ablauf der Untersuchung, Auswertungsmethoden, Ergebnisse). 4. Beantwortung der Fragen Mit der Beantwortung der vom Auftraggeber gestellten Fragen ist der Gutachtenauftrag erfüllt. 9
10 6.4 Gliederung von Gutachten 1. Formale Angaben Absender des Gutachtens (Briefkopf) Erstellungsdatum (Tag, an dem das Gutachten in Reinschrift erstellt und vom Gutachter unterschrieben wurde) Empfängeranschrift (Aus Datenschutzgründen ist unbedingt darauf zu achten, dass nur ein berechtigter Empfänger das Gutachten erhält) Gutachten-Überschrift z.b. GUTACHTEN über die Schuldunfähigkeit von Hans Meyer gemäß 20 StGB 10
11 6.4.1 Gliederungsschema nach Fisseni: Aufbau und Abfassung von Gutachten nach Fisseni (1990) muss ein Gutachten umfassen: - die Fragestellung - die Untersuchungsverfahren - die relevanten Daten - deren Interpretation und - die Schlussfolgerunden des Gutachters für das schriftliche Gutachten bietet sich das Schema von Fisseni (1982) an, das für den jeweiligen Bedarf modifiziert werden kann. 11
12 Vorgeschichte die Vorgeschichte übernimmt im Gutachten jene Funktion, die bei einer wissenschaftlichen Arbeit der Literatursichtung zufällt es soll geklärt werden, was über die Fragestellung schon an Informationen vorliegt es geht um den Entdeckungszusammenhang der diagnostischen Frage Hilfreich kann jene Informationsquelle sein, die Licht auf die Fragestellung wirft: Akten von Verwaltungen oder Gerichten, Zeugnisse von Schulen oder Lehrstellen, medizinische Atteste, auch umfassende psychologische Vorgutachten 12
13 Untersuchungsbericht der Untersuchungsbericht gibt Rechenschaft, welche Informationen der Diagnostiker bei dem Probanden erhoben hat um das diagnostische Urteil sorgfältig kontrollieren und nicht vorzeitig definitive Aussagen zu machen, sollte der Gutachter folgende Gliederung beachten: 1. Kurzbeschreibung der angewandten psychodiagnostischen Instrumente Die Testbeschreibung erklärt dem Laien als Empfänger, welche Informationen das einzelne Verfahren liefert 13
14 Untersuchungsbericht 2. Beschreibung der für die Fragestellung relevanten Verhaltensweisen des Probanden Die Verhaltensbeschreibung gibt an, in welcher Weise der Proband bei den einzelnen Verfahren mitgearbeitet hat 3. Mitteilung der Ergebnisse, die für die Beantwortung der Fragestellung wichtig sind (Ergebnisbericht) Der Ergebnisbericht legt dem Adressaten die wichtigsten Resultate vor: Scores (bei Tests und Fragebogen, einzelfallstatistische Darstellung) 4. Interpretation der Ergebnisse nach den wissenschafltichpsychologischen gegebenen Regeln Die Interpretation sagt dem Empfänger als Laien, welche diagnostische Aussagen in den Scores enthalten sind 14
15 Untersuchungsbericht Wichtige Abfassungsregeln a) Der Untersuchungsbericht referiert die Ergebnisse, die der Gutachter beim Probanden erhoben hat b) Ein solcher Bericht wird für jedes Einzelverfahren erstellt c) In der Regel sollte sich dieser Bericht in vier Abschnitte gliedern. Testbeschreibung, Verhaltensbeschreibung, Ergebnisbericht und Interpretation 15
16 Untersuchungsbericht d) Verhaltensbeobachtung, Ergebnisbericht und Interpretation werden im Imperfekt referiert e) Die Interpretation sollte unpersönlich gefasst werden f) Exploration, Anamnese, Gespräche werden nicht wörtlich, sondern in einer thematischen Zusammenfassung wiedergegeben 16
17 Befund der Befund nimmt eine Schlüsselstellung im Gutachten ein was Vorgeschichte und Untersuchungsbericht in den einzelnen Verfahren referieren, soll der Befund thematisch zusammenfassen er dient einer Reduktion der Redundanz, die in Vorgeschichte und Untersuchungsbericht enthalten sein kann die einzelnen Untersuchungsberichte stellen die erfassten Verhaltensstichproben test- und situationsbezogen dar 17
18 Befund im Befund soll der Gutachter Verhaltensanteile beschreiben, von denen er annimmt, dass sie eine relative Invarianz besitzen soweit Situationsabhängigkeit erkennbar wird, soll sie in der Merkmalsbeschreibung kenntlich gemacht werden der Befund bleibt deskriptiv: in ihm werden keine diagnostischen oder prognostischen Schlüsse gezogen 18
19 Stellungnahme die Stellungnahme bietet die Antwort auf die diagnostische Frage herleiten muss sie sich aus den Informationen, die der Gutachter in Vorgeschichte, Untersuchungsbericht und Befund aufbereitet hat in vielen Fällen gehört es zum Gutachtenauftrag, über die diagnostische Fragestellung hinaus konkrete Maßnahmen vorzuschlagen diese müssen schlüssig an die diagnostischen Befunde anknüpfen und dem aktuellen Stand der Forschung entsprechen 19
20 6.5 Anforderungen an ein Gutachten nach Zuschlag (2002) Beurteilungskriterien 1. Nutzen des Gutachtens für den Auftraggeber 2. Fachkompetenz des psychologischen Gutachters Anforderungen an psychologische Gutachten Beantwortung der gestellten Frage(n) Vertretbare Relation von Kosten und Nutzen Angemessener Bearbeitungszeitraum einschlägige Berufsausbildung Sachverstand in dem jeweiligen Fachgebiet Aktueller Kenntnisstand über die Untersuchungsmethoden einschlägige, mehrjährige Berufserfahrung 20
21 6.5 Anforderungen an ein Gutachten nach Zuschlag (2002) Beurteilungskriterien 3. Neutralität, Objektivität, Unbestechlichkeit, Vertraulichkeit 4. Lesbarkeit und Verständlichkeit des Gutachtens Anforderungen an psychologische Gutachten Unabhängigkeit von den am Begutachtungsprozess Beteiligten neutrales Verhalten gegenüber Beteiligten Objektivität bei der Planung, Durchführung, Auswertung, Interpretation der Ergebnisse Einhaltung des Datenschutzes Dokumentation der Auftragsdaten übersichtliche Textorganisation übersichtliche Gliederung verständliche Formulierungen präzise Wortwahl 21
22 6.5 Anforderungen an ein Gutachten nach Zuschlag (2002) Beurteilungskriterien 5. Nachvollziehbarkeit des Gutachtens 6. Nachprüfbarkeit des Gutachtens Anforderungen an psychologische Gutachten konkrete Wiedergabe der Fragestellung getrennte Darstellung von Untersuchungsergebnissen und psychologischen Befund Eindeutigkeit der Aussagen Widerspruchsfreiheit der Argumentation Angabe aller Informationen und Datenquellen präzise Darstellung des Untersuchungsablaufs und der Rahmenbedingungen Angaben über Auswertungsverfahren 22
23 6.5 Anforderungen an ein Gutachten nach Zuschlag (2002) Beurteilungskriterien 7. Überzeugungskraft des Gutachtens Anforderungen an psychologische Gutachten präzise Erfassung der Fragestellung klare, übersichtliche Gliederung des Gutachtens logisch zwingende Argumentation Eindeutigkeit der Ausführungen überzeugende Differentialdiagnostik Verzicht auf fragwürdige Annahmen, Vermutungen, Spekulationen sachgerechte Gewichtung der Befunde sachlich nachvollziehbare Begründung der Feststellungen und Schlussfolgerungen 23
2. Psychologische Fragen. Nicht genannt.
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