Klinische Höhen und Tiefen des Dk/t Teil 1 Geht dem Sauerstoff die Puste aus?
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- Anneliese Schumacher
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1 Prof. Noel Brennan, Dr. Philip Morgan Klinische Höhen und Tiefen des Dk/t Teil 1 Geht dem Sauerstoff die Puste aus? Im ersten Teil des zweiteiligen Beitrags befassen sich Professor Noel Brennan und Dr. Philip Morgan mit der ju ngsten Terminologie und den neuesten Theorien zum Thema Sauerstoffversorgung der Hornhaut bei Verwendung von Silikon-Hydrogellinsen. Silikon-Hydrogellinsen konnten zwar das urspru ngliche Ziel, das Problem der infektiösen Keratitis beim verlängerten Kontaktlinsentragen zu lösen, nicht erreichen, sie bieten aber zweifellos bessere Bedingungen als Hydrogellinsen. Denn sie unterstuẗzen die normale Stoffwechseltätigkeit der Cornea. Was diesen Vorteil betrifft, herrscht zwar Einigkeit, doch ist nicht klar, wie hoch die Sauerstoffdurchlässigkeit (Dk/t) sein muss, um mit Silikon-Hydrogellinsen ein optimales physiologisches Ergebnis zu erzielen. Zur Vereinfachung wird bei Angaben zu Dk/t im Text die Maßeinheit 10-9 (cm/s)(mlo 2 /ml mmhg) weggelassen. Theoretische Modelle zum äquivalenten Sauerstoffanteil (EOP), die sich auf empirische Daten stuẗzen, deuten darauf hin, dass zwischen verschiedenen Silikon- Hydrogellinsen kaum Unterschiede bestehen. 1-6 Einige Autoren vertreten jedoch die Ansicht, dass durch die Erhöhung des Dk/t-Wertes bei Silikon-Hydrogellinsen weitere Vorteile zu erwarten sind. 7-9 Zwar ist es wichtig, Modell- und Laborwerte zu beru cksichtigen, aber der ultimative Test fu r die Unterschiede ist die klinische Leistung. In diesem ersten Teil des Beitrags befassen wir uns mit den klinischen Aspekten. Wir werden zeigen, dass physiologisch wenig dafu r spricht, Dk/t-Werte so zu erhöhen, dass sie u ber denen der Silikon-Hydrogele mit den niedrigsten Dk/t-Werten liegen. Im zweiten Teil werden wir wichtige, nicht sauerstoffbedingte Leistungsunterschiede bei Silikon-Hydrogellinsen aufzeigen, die bei der Wahl zwischen verschiedenen Kontaktlinsenmarken wichtiger sind als die Dk/t-Werte. Das Gesetz vom abnehmenden Grenzertrag In Bezug auf das Verhältnis zwischen Dk/t und dem Sauerstoffanteil, der die Cornea erreicht, kommt das Gesetz vom abnehmenden Grenzertrag zur Anwendung. Nehmen wir einmal an, dass eine Kontaktlinse mit Dk/t=100 zu einem partiellen Sauerstoffdruck von 100 mmhg an der Vorderfläche der Cornea fuḧrt, was nach den verfu gbaren Daten höchstwahrscheinlich eine konservative Schätzung ist. Bei normalen Tragebedingungen mit offenem Auge fuḧrt die Verdopplung des Dk/t-Wertes auf 200 nicht zu einem Partialdruck von 200 mmhg. Die Begru ndung hierfu r ist, dass der atmosphärische partielle Sauerstoffdruck auf Meereshöhe (bei Normtemperatur und - druck) bei 159 mmhg liegt und der partielle Sauerstoffdruck (po 2 ) an der Oberfläche der Cornea nie daru ber liegen kann. 84 MIT WELCHER MESSGRÖßE LÄSST SICH DIE SAUERSTOFFVERSORGUNG DER CORNEA AM BESTEN BESCHREIBEN? Wenn wir von der Sauerstoffversorgung der Cornea sprechen, wollen wir eigentlich wissen, wie viel Energie die Cornea benötigt, um ihre normale Funktion zu erfu llen. Da der Sauerstofffluss der begrenzende Faktor ist, wissen wir, dass er direkt proportional zur Sauerstoffstoffwechselrate (Verbrauch) des Citratzyklus und zur Elektronentransportkette ist. Vor der Verbreitung von Silikon-Hydrogellinsen war der Dk/t-Wert weicher Kontaktlinsen ungefähr auf 30 begrenzt. Bei dieser geringen Sauerstoffversorgung war der Dk/t-Wert de facto ein nuẗzlicher Indikator, weil die Beziehung zwischen Stoffwechsel und Dk/t in diesem kleinen Bereich der Kurve im Wesentlichen linear ist. Der Dk/t-Wert gibt genau Auskunft daru ber, wie viel Sauerstoff eine Kontaktlinse unter Laborbedingungen passiert. Das gilt aber nicht fu r die realen Bedingungen auf dem Auge. Häufig wird auch das äquivalente Sauerstoffpotenzial oder der äquivalente Sauerstoffanteil (EOP) als Maß verwendet, der den patiellen Sauerstoffdruck an der Vorderfläche der Cornea beschreibt. Die Beziehung zwischen Partialdruck und Stoffwechsel ist jedoch letztlich nicht linear, sondern folgt der sogenannten Michaelis-Menten-Kinetik. Fatt schlug vor, den Sauerstofffluss der vorderen Cornea 11, u blicherweise kurz Fluss genannt, zu verwenden. Dieser beschreibt das Sauerstoffvolumen, das in die Cornea eindringt. Der Sauerstofffluss als Indikator wird häufig anstelle von EOP bzw. Dk/t angegeben. Er ist jedoch kein perfekter Stoffwechselindikator, weil der Sauerstoff auch u ber die Cornearu ckfläche eindringen kann. Letztlich suchen wir eine Messgröße, um die aussagekräftigste Variable bestimmen zu können. Das ist mit der Angabe des Sauerstoffverbrauchs möglich: Er entspricht dem Nettofluss, d. h. der Summe der Flu sse an der Corneavorder- und -ru ckfläche. Die derzeit beste verfu gbare Methode zur Beurteilung des Verbrauchs basiert auf Fatts Diffusionsgleichungen. 12 Abbildung 2 zeigt, wie das Gesetz vom abnehmenden Grenzertrag immer offensichtlicher wird, wenn man die Genauigkeit des Modells zur Bestimmung der Sauerstoffversorgung der Cornea durch die Verwendung von Dk/t, EOP, Fluss bzw. Verbrauch erhöht. DOZ KONTAKTLINSE
2 Wir könnten Dk/t immer weiter verdoppeln po 2 kann nie höher sein als der atmosphärische Druck. Die in Abbildung 1 gezeigten Daten von Bonanno et al. veranschaulichen, dass po 2 an der Vorderfläche der Cornea oberhalb eines Dk/t- Wertes von 85 nur graduell ansteigt. 10 stoffverbrauch und die nachfolgend angefuḧrten klinischen Beweise deuten darauf hin, dass dieser Punkt niedriger liegt als der niedrigste Dk/t-Wert einer Silikon-Hydrogellinse. Analysiert man die Wirkung von Sauerstoff auf das Corneagewebe, sollte man sich auf eine Reihe von Kontaktlinsenparametern beziehen. Tabelle 1 enthält entsprechende Angaben. Dabei ist zu bedenken, dass sich die Dk/t-Angaben fu r die meisten Kontaktlinsen nur auf die Mitte der jeweiligen Kontaktlinse beziehen. Eine Kontaktlinse mit einem Dk/t-Wert von 20 in der Mitte kann am Rand einen Dk/t-Wert von zehn oder weniger aufweisen. 13 Abb. 1: Partieller Sauerstoffdruck (po 2 ) am geöffneten Auge, geschätzt mit Hilfe einer Technik mit phosporeszierendem Farbstoff 10 Abbildung 2 zeigt, dass bei steigender Genauigkeit des Modells zur Bestimmung der Sauerstoffversorgung der Cornea (unter Einbeziehung von Dk/t, EOP, Sauerstofffluss, Sauerstoffverbrauch) eine weitere Erhöhung des Dk/t-Wertes immer weniger Ertrag bringt. Es steht also außer Frage, dass das Gesetz vom abnehmenden Grenzertrag in diesem Fall gilt. Die wirklich wichtige Frage lautet demnach: Ab wann hat eine Erhöhung des Dk/t-Wertes tatsächlich keinen klinischen Nutzen mehr? Die Forschungsergebnisse zum Thema Sauer- Abb. 2: Kombinierte Grafik, in der DK/t, EOP und Sauerstofffluss im Bereich der vorderen Cornea (Sauerstofffluss; μl/cm 2 h) und Verbrauch (nl/cm 3 s) als Funktion von Dk/t am geöffneten Auge dargestellt werden. Berechnung nach Brennan 2. Für die verschiedenen Variablen gelten unterschiedliche y-achsen-skalen. Tab. 1: Ausgewählte Eigenschaften von Silikon-Hydrogel-Kontaktlinsenmaterialien. Die Dk/t-Höchstwerte und -Mindestwerte stammen aus unterschiedlichen Quellen, u.a. aus Herstellerangaben*, Bruce 13, Efron et al. 14 und unseren eigenen unveröffentlichten Messungen. KONTAKTLINSE DOZ
3 Die in Tabelle 1 genannten zentralen und peripheren Dk/t- Werte sind Schätzungen anhand von Permeabilitätsund Dickewerten aus verschiedenen Quellen, u. a. Herstellerangaben, Bruce, Efron et al. und unseren eigenen unveröffentlichten Messungen 13,14. Die Dk/t-Maximalwerte können von den Herstellerangaben abweichen. Diese beziehen sich in der Regel auf -3,00 dpt. Eine verbreitete klinische Annahme lautet, dass Änderungen der Sehstärke zu starken Änderungen des Dk/t- Wertes fuḧren. Tatsächlich sind die Hersteller in der Lage, die maximale Dicke fu r eine große Bandbreite an Sehstärken unter circa 0,30 mm zu halten. Dieser ungefähre Wert kann nuẗzlich sein, um den schlechtesten Dk/t-Wert bei Kontaktlinsen mit hohen Sehstärken zu schätzen. Fu r besondere Kontaktlinsen, z. B. torische Kontaktlinsen, gelten tendenziell die gleichen Maximaldicken. Das heißt, dass die in diesem Beitrag gezogenen allgemeinen Schlussfolgerungen nicht nur fu r sphärische Kontaktlinsen gelten, sondern im Allgemeinen auch auf besondere Kontaktlinsen anwendbar sind. 15 Die in der folgenden Darstellung zitierten Dk/t-Werte sind, wenn nicht anders angegeben, zentrale Dk/t-Werte. Acuvue Advance und PureVision haben Dk/t-Minimalwerte, wie sie fu r Silikon-Hydrogellinsen zum Tagestragen, bzw. dauerhaften Tragen, allgemein empfohlen werden. Auf sie wird weiter unten verwiesen. Bekannte sauerstoffabhängige Effekte 86 Realistisch gesehen fuḧren alle Hydrogellinsen zu einer Hypoxie der Cornea. Das Tragen von Hydrogellinsen bei kurzfristig geschlossenen Augen fuḧrt zu Corneaödemen, 16,17 limbaler Hyperämie 18,19 und Endothelblebs. 20 Bei dauerhaftem Tragen von Hydrogellinsen u ber einen bestimmten Zeitraum kommt es zu Mikrozysten und Vakuolen, 21,22 Vaskularisation in der Cornea, 18,21 Stromaausdu nnung, 23 Endothelpolymegethismus 24 und fortschreitender Myopie. 25 Das Tagestragen von Hydrogellinsen (offene Augen) hat geringere Auswirkungen als ein Tragen u ber Nacht (geschlossene Augen). Die Befunde deuten jedoch darauf hin, dass es immer an irgendeiner Stelle der Cornea zu einer Hypoxie kommt. Die limbale Hyperämie ist das eindeutigste Zeichen, das bei den meisten Menschen beim Tragen von Hydrogellinsen auftritt. 26,27 Das langfristige Tagestragen von Hydrogellinsen verursacht erwiesenermaßen Endothelpolymegathismus. 28 Es ist jedoch nicht klar, ob diese Auswirkung u ber die gesamte Bandbreite der Sauerstoffdurchlässigkeit bei Hydrogellinsen (Dk/t von circa 0 bis 30) im gleichen Ausmaß gegeben ist, weil die unterschiedlichen Kontaktlinsenmodalitäten in den bisherigen Studien nur gruppenweise untersucht wurden. Hydrogellinsen mit niedrigerem Dk/t-Wert (unter 20) fuḧren bekanntermaßen sogar bei offenen Augen zu Corneaödemen. 29 Kontaktlinsen am unteren Ende der Dk/t-Skala mit peripherem Werten unter zehn können auch zu Vaskularisation fuḧren Kontaktlinsen am oberen Ende der Dk/t-Skala, mit Werten u ber 20, verursachen abgesehen von limbaler Hyperämie wahrscheinlich nur minimale Veränderungen an der Cornea. Da weltweit die meisten Kontaktlinsenträger du nne Hydrogellinsen mit mittlerem Wassergehalt und einem zentralen Dk/t-Wert von circa 20 verwenden, kann man davon ausgehen, dass die Beseitigung der limbalen Hyperämie der wichtigste, wenn nicht sogar der einzige, Grund fu r den Wechsel von Hydrogellinsen zum Tagestragen zu Silikon-Hydrogellinsen ist. Ödeme, Striae und Endothelfalten Zwischen Corneadicke und Sauerstoffversorgung besteht eine enge Verbindung. 33,34 Beim Kontaktlinsentragen mit geöffneten Augen schwillt die Cornea an, sobald der Dk/t-Wert der Kontaktlinse unter circa 20 liegt. 35 Hydrogellinsen fuḧren daher im Allgemeinen sogar bei offenen Augen zu Corneaschwellungen. Haben diese ein Ausmaß von u ber fu nf Prozent, werden beim klinischen Befund auch Striae im hinteren Stroma sichtbar. Bei einer Schwellung von u ber zehn Prozent treten Endothelfalten auf. 36 Dagegen sind bei keiner Silikon- Hydrogellinse bei geöffneten Augen Schwellungen der Cornea zu erwarten, und es gibt auch Hinweise, die diese These stuẗzen. 37 Bei u ber Nacht geschlossenen Augen schwillt die Cornea auch ohne Kontaktlinse etwas an. Das Ausmaß wird auf zwischen 0,7 und 5,5 Prozent geschätzt. 38 Es ändert sich abhängig von der Erfahrung mit dem Kontaktlinsentragen: Cox et al. stellten bei Probanden, die keine Kontaktlinsenträger waren, 3,8 Prozent Schwellung fest, bei jenen, die an das Tagestragen von Hydrogellinsen gewöhnt waren, 2,0 Prozent und bei solchen, die Hydrogellinsen dauerhaft trugen, 0,7 Prozent. 39 Alle Kontaktlinsen fuḧren bei geschlossenen Augen zu Schwellungen, die u ber diese Ausgangsschwellung hinausgehen. Du nne Hydrogellinsen mit mittlerem Wassergehalt verursachen im Allgemeinen eine um acht Prozent großflächigere Schwellung im Vergleich zur Ausgangsschwellung. Hydrogellinsen mit niedrigerem Dk/t-Wert rufen hingegen im Vergleich eine stärkere Schwellung hervor. 40 Silikon-Hydrogellinsen verursachen wesentlich weniger Ödeme. PureVision, die Silikon- Hydrogellinse zum dauerhaften Tragen, die den niedrigsten Dk/t-Wert aufweist, verursacht nur 2 Prozent zusätzliche Schwellung im Vergleich zum Ausgangszustand. 40 Focus Night & Day, die Silikon-Hydrogellinse mit dem höchsten Dk/t-Wert, ruft circa 1 Prozent zusätzliche Schwellung hervor. 41 Es ist nicht klar, ob diese geringen Schwellungen von ein bis zwei Prozent bei Silikon-Hydrogellinsen u ber die Schwellung ohne Kontaktlinse hinaus auf schädlichen, hypoxiebedingten Stress hindeuten bzw. ob die geringfu gigen Unterschiede zwischen den verschiedenen Kontaktlinsen signifikant sind. Es ist kein Zusammenhang zwischen Schwellung und krankhafter Veränderung der Cornea bekannt. Angesichts des verhältnismäßig großen Unterschiedes zwischen Silikon-Hydrogel- und Hydrogellinsen gehen wir davon aus, dass das durch Silikon-Hydrogellinsen verursachte Ausmaß an Schwellung folgenlos ist. Mikrozysten Laut Holden et al. sind von den unterschiedlichen Beeinträchtigungen, die das dauerhafte Tragen von Hydrogellinsen verursachen kann, Mikrozysten die am einfachsten feststellbare Komplikation, die auf eine Beeinträchtigung des Epithels hindeutet. 42 Sweeney et al. gibt an, dass Mikrozysten im Rahmen von klinischen Versuchen als klassische Hypoxiemarker DOZ KONTAKTLINSE
4 verwendet werden. Hickson und Papas haben bei Nicht-Kontaktlinsenträgern eine Mikrozystenhäufigkeit von 49 Prozent festgestellt. Davon hatte niemand mehr als 5 Mikrozysten pro Cornea. 43 Das Tagestragen von Hydrogellinsen scheint keinen Einfluss auf die Häufigkeit zu haben 42,44, es ist daher nicht zu erwarten, dass die Häufigkeit durch das Tagestragen von Silikon-Hydrogellinsen steigt. Diese Annahme basiert auch auf der Tatsache, dass es noch niemand fu r notwendig befunden hat, dieser Frage durch Messungen auf den Grund zu gehen. Im Vergleich dazu wurden bei Probanden, die fu nf Jahre lang dauerhaft Hydrogellinsen getragen hatten, durchschnittlich 17 ± 21 Mikrozysten festgestellt. Dabei fand sich praktisch an jedem Auge mindestens eine Mikrozyste. 23 Die Mikrozystenanzahl ist umgekehrt proportional zum Dk/t-Wert bei geschlossenen Augen mit Kontaktlinsen. Der Dk/t-Wert, bei dem die Anzahl auf den Ausgangswert zuru ckfällt, wird auf circa 50 geschätzt. 45 Angesichts der Tatsache, dass der zentrale Dk/t-Wert von PureVision bei circa 90 liegt, ist es nicht u berraschend, dass Mikrozysten beim Tragen von Silikon-Hydrogellinsen im Allgemeinen kein Problem darstellen. Brennan et al. haben drei unterschiedliche Typen von Silikon-Hydrogellinsen untersucht und eine Häufigkeit zwischen 30 und 59 Prozent festgestellt. Das entspricht den Ausgangswerten von Hickson und Papas, jedoch mit höherer Häufigkeit (9 bis 17 Prozent) von Fällen mit mehr als 10 Mikrozysten. 46 Sie untersuchten die Silikon-Hydrogellinsen zum verlängerten Tragen mit dem höchsten bzw. niedrigsten Dk/t-Wert, fanden jedoch keinen Beweis fu r einen Zusammenhang zwischen diesem wichtigsten Hypoxiemarker und den Dk/t-Werten innerhalb dieser Gruppe. Vaskularisation Die Vaskularisation ist wichtig, weil sie neben der mikrobiellen Keratitis die einzige ernsthafte kontaktlinsenbedingte Gefahr fu r den Visus darstellt (Abbildung 3). Sie kann sowohl beim Tagestragen als auch beim dauerhaften Tragen von Hydrogellinsen auftreten. Abb. 3: Silikon-Hydrogellinsen führen anscheinend zu keiner Vaskularisation (hier im Bild). KONTAKTLINSE DOZ Da sie sich u ber eine gewisse Zeit entwickelt und nicht akut ist, sind die Daten zur Häufigkeit und zum relativen Risiko sehr lu ckenhaft. Schon Kontaktlinsen mit mäßigen peripheren Dk/t- Werten um 10, z. B. einige du nne Kontaktlinsen mit hohem Wassergehalt, können eine geringe Vaskularisation der Blutgefäße verursachen. Anscheinend ist diese jedoch beim Tagestragen nicht signifikant. Es ist daher höchst unwahrscheinlich, dass beim Tagestragen von Silikon-Hydrogellinsen eine hypoxiebedingte Vaskularisation auftritt. Bisher sind uns keine derartigen Fälle bekannt. Dumbleton et al. haben die Vaskularisation nach neun Monaten dauerhaften Tragens beobachtet. Sie haben bei Trägern von Kontaktlinsen mit niedrigem Dk/t-Wert (peripherer Dk/t- Wert ungefähr 10) eine signifikante Vaskularisation festgestellt, bei Trägern von Kontaktlinsen mit hohem Dk/t-Wert (periphere Dk/t-Werte zwischen 60 und 100) hingegen keine. 47 Das bestätigt den allgemein anerkannten Zusammenhang zwischen Vaskularisation und Dk/t. Es gibt jedoch sehr wenige Studien, die sich mit den Auswirkungen von Dk/t-Werten bei Silikon-Hydrogellinsen befassen. Brennan et al. stellten nach einem Jahr dauerhaften Tragens fast null Prozent signifikante Vaskularisation an den Augen von 212 Probanden fest, die auf einem Auge PureVision und auf dem anderen Acuvue trugen. 48 Bei einer anderen Studie zum dauerhaften Tragen von Pure- Vision, Night & Day und Biofinity stellten Brennan et al. 46 fest, dass fast die Hälfte der Probanden, die hinsichtlich des Kontaktlinsentragens unterschiedliche Vorgeschichten hatten, zu Beginn der Studie ein gewisses Ausmaß an Vaskularisation hatte. Bei nachfolgenden Terminen nahm die festgestellte Vaskularisation beträchtlich ab. Diese Abnahme war unter den verschiedenen Kontaktlinsentypen jedoch mehr oder weniger gleich verteilt. Beim letzten Termin hatten 25 Prozent der Probanden, die PureVision trugen, noch immer ein gewisses Ausmaß an Vaskularisation, verglichen mit 21 Prozent der Night & Day-Träger. Santodomingo et al. erwähnen die Vaskularisation bei ihrem Vergleich von PureVision und Night & Day u ber 18 Monate nicht einmal und beschränken sich in ihrer Besprechung ausschließlich auf Hyperämie. 49,50 Limbale Rötung Wie bereits erwähnt, ist die limbale Rötung das wichtigste Anzeichen fu r Hypoxie beim Tagestragen du nner Hydrogellinsen mit mittlerem Wassergehalt. Papas leitete daraus einen kritischen peripheren Dk/t-Wert von 125 ab, um die limbale Rötung beim Kontaktlinsentragen mit geöffneten Augen zu vermeiden. 51 Diese Angabe ist eines der wichtigsten Argumente fu r die Verfechter hoher Dk/t-Werte. Die Methode zur Ableitung dieses Kriteriums ist jedoch mangelhaft. Gemäß Holden und Mertz 35 versucht der mathematische Ansatz, einen Schnittpunkt zwischen einer asymptotischen Kurve und ihrer Asymptote zu finden ein Unterfangen, das von Anfang an zur Ungenauigkeit verurteilt ist. Es bestehen auch ernste Zweifel an der Qualität von Papas Kontrollmessungen. Als Ausgangspunkt wurde das Auge ohne Kontaktlinse verwendet. Aufgrund von mechanischen Effekten und Temperaturunterschieden während des Kontaktlinsentragens können jedoch limbale Rötungen auftreten, die nicht auf den Einfluss von Dk/t zuru ckzufuḧren sind. 87
5 Deshalb haben wir die Literatur nach Hinweisen durchsucht, die Papas kritischen Dk/t-Wert von 125 stuẗzen. Wir fanden sieben Studien, bei denen zwischen zwei verschiedenen Silikon-Hydrogellinsen Unterschiede im Ausmaß der induzierten limbalen Hyperämie beim Tagestragen und beim dauerhaften Tragen untersucht wurden. 46,49,52-56 Da die peripheren Dk/t-Werte aller Silikon-Hydrogellinsen unter 125 liegen und alle Werte unterschiedlich sind, sollte man signifikante Unterschiede beim Grad der limbalen Rötung zwischen allen Studien finden, falls die Erkenntnis von Papas klinisch relevant ist. Bei keiner der Studien wurde jedoch ein Unterschied festgestellt. Das deutet zum einen darauf hin, dass das Kriterium Dk/t von 125 klinisch wenigrelevant ist. Zum anderen liegt der Schluss nahe, dass ein Dk/t-Wert von 37, d. h. der niedrigste bei einer Silikon-Hydrogellinse zum Tagestragen gemessene periphere Dk/t-Wert, ausreichend ist, um klinisch signifikante limbale Rötungen bei geöffneten Augen zu vermeiden. Endothelbläschen Endothelpolymegathismus Die meisten Studien stimmen darin u berein, dass die Endothelzelldichte durch das Tagestragen bzw. dauerhafte Tragen von Kontaktlinsen nicht beeinflusst wird. Die Verteilung, Größe und Form der Zellen ändert sich jedoch. Diese Effekte nennt man Polymegathismus und Pleomorphismus. Unter den klinischen Markern fu r potenziell langfristige physiologische Beeinträchtigungen der Cornea, verursacht durch chronische Hypoxie, gilt der Endothelpolymegathismus als sensibelster. Die Mikrozystenanzahl tendiert dazu, nach einigen Monaten dauerhaften Kontaktlinsentragens einen Spitzenwert zu erreichen (wenn man weitere Anstiege nach Unterbrechung dieser Tragemodalität außer Acht lässt). Stroma- und Epithelausdu nnung sind im Allgemeinen und im Vergleich zu den Schwankungen innerhalb einer Testgruppe gering ausgeprägt. Eine Vaskularisation tritt nur in Einzelfällen auf, u blicherweise bei schwerer Hypoxie. Der Polymegathismus nimmt jedoch anscheinend im Laufe der Zeit linear weiter zu. 28,59,60 Er scheint auch mit der Trageintensität anzusteigen. 59 Binnen Minuten nach dem Aufsetzen einer Kontaktlinse treten bei der Endothelbetrachtung dunkle Bereiche, sogenannte Bläschen, auf 20 (Abbildung 4). Diese gelten an sich als pathologisch irrelevant, sind aber ein unmittelbarer Indikator fu r Hypoxie im betroffenen Endothelbereich während des Kontaktlinsentragens. Sie verhalten sich im Allgemeinen umgekehrt proportional zum Dk/t-Wert der Kontaktlinse. 57 Vor kurzem haben wir jedoch untersucht, ob es bei verschiedenen Silikon-Hydrogellinsen Unterschiede in der Bläschenreaktion gibt. Wir beobachteten bei ostasiatischen Probanden die Bläschenbildung nach 20 Minuten Tragezeit mit Silikon-Hydrogellinsen auf offenen bzw. geschlossenen Augen. Dabei konnten wir keine Unterschiede in Bezug auf den Dk/t-Wert nachweisen. 58 Abb. 5: Diese mikroskopischen Endothel-Aufnahmen zeigen die normale Zelldichte und starke Regelmäßigkeit bei einem Sechsjährigen, geringere Zelldichte und größere Unregelmäßigkeit bei einem 49-jährigen und Polymegathismus bei einem 25-jährigen erfahrenem Kontaktlinsenträger. Forschungsergebnisse, die beweisen, ob Silikon-Hydrogellinsen zu Endothel-Polymegathismus führen, stehen noch aus. Abb. 4: Diese mikroskopischen Endothel-Aufnahmen zeigen das Auftreten und Verschwinden von Bläschen (Endothelblebs) an einer bestimmten Stelle beim Tragen von Hydrogellinsen bei geschlossenem Auge (man beachte die Vergleichbarkeit einzelner Zellen). Eine interessante neue Erkenntnis ist, dass die Anzahl und Helligkeit der zentralen Flecken anscheinend steigt, sobald der Reiz nicht mehr gegeben ist. Silikon-Hydrogellinsen verursachen sowohl bei geöffnetem als auch bei geschlossenem Auge nur minimale Bläschenreaktionen. 88 Abbildung 5 zeigt das Erscheinungsbild des Endothels eines 25-jährigen erfahrenen Hydrogellinsenträgers im Vergleich mit einem ju ngeren bzw. älteren Nicht-Kontaktlinsenträger. Die Entwicklung des Endothelpolymegathismus scheint mit dem Ausmaß der Hypoxie in Verbindung zu stehen: Es gibt beträchtliche Veränderungen bei Trägern von PMMA-Linsen (Polymethylmetacrylat), beim dauerhaften Tragen von Hydrogellinsen und in einem geringeren Ausmaß beim Tagestragen von Hydrogellinsen. 24,61,62 Hingegen gibt es bei Trägern von Silikon-Elastomerlinsen nur minimale Änderungen. 63 Es ist jedoch nicht klar, bei welchem Dk/t-Niveau der Polymegathismus einsetzt. Es muss auch noch gepru ft werden, ob Silikon-Hydrogellinsen dieses Phänomen begu nstigen oder ob der Umstieg auf dieses Material eine Erholung von einem hydrogelinduzierten Endothelpolymegathismus ermöglicht. DOZ KONTAKTLINSE
6 Corneaausdu nnung Als Reaktion auf das dauerhafte Tragen von Hydrogellinsen kann es sowohl zur Epithel- als auch zur Stromaausdu nnung kommen. 23 Beim Tagestragen ist dieser Effekt weniger offensichtlich. 64,65 Es ist nicht sicher, welcher Anteil der Ausdu nnung auf mechanische Effekte und nicht auf die Hypoxie zuru ckzufuḧren ist. Die Orthokeratologie du nnt bekanntermaßen die zentrale Cornea aus 66 und hat größtenteils nichts mit Dk/t zu tun. Es gibt keine Belege fu r hypoxiebedingte Corneaausdu nnung bei Silikon-Hydrogellinsen. Fortschreitende Myopie Beim Tagestragen bzw. dauerhaftem Tragen von Hydrogellinsen wurden schon fru her leichte Veränderungen in Richtung Myopie festgestellt. Das Ausmaß dieser Veränderungen ist anscheinend stärker als bei Brillenträgern. 67,68 Diese Veränderungen treten bei mindestens einer Marke von Silikon- Hydrogellinsen nicht auf. 25,69 Inwieweit die Zunahme der Myopie auf die Hypoxie zuru ckzufu hren ist, kann jedoch nur gemutmaßt werden. Es gibt anscheinend keine Zunahme der zentralen Corneakru mmung im Zusammenhang mit den durch Hydrogellinsen verursachten Veränderungen in Richtung Myopie. 70 Es wurde die Theorie aufgestellt, dass die periphere retinale Refraktion fu r das Wachstum des Auges verantwortlich ist. 71 Das Tragen von Kontaktlinsen mit Standarddesign könnte das Aberrationsprofil verändern und zu einem größeren Ausmaß an optisch stimulierter Myopie fuḧren als das Brillentragen. Dieser Effekt könnte durch das Tragen von Silikon-Hydrogellinsen mit höherem Modulus kompensiert werden. Diese tendieren dazu, die zentrale Cornea mechanisch abzuflachen. 72 Zusammenfassung Es gibt wenig Hinweise fu r physiologisch basierte Leistungsunterschiede zwischen Silikon-Hydrogellinsen. Belegt sind geringfu gige Unterschiede bei der Hornhautschwellung mit Silikon-Hydrogellinsen, deren Signifikanz nicht bekannt ist. Zudem sind im Labor gemessene Unterschiede bei der Limbushyperämie veröffentlicht worden, die anscheinend weder beim Tagestragen noch beim dauerhaften Tragen klinisch relevant sind. Im zweiten Teil dieses Beitrags werden wir uns mit den wichtigen Leistungsunterschieden zwischen Silikon- Hydrogellinsen verschiedener Marken beschäftigen und nachweisen, dass diese nicht auf die Sauerstoffdurchlässigkeit zuru ckzufuḧren sind. Zu den Autoren: Professor Noel Brennan ist Geschäftsfuḧrer von Brennan Consultants Pty in Melbourne, Australien, und außerordentlicher Professor an der Queensland University of Technology. Dr. Philip Morgan ist Dozent fu r Optometrie und Direktor von Eurolens Research an der Universität Manchester. Literaturhinweise: Fu r eine vollständige Literaturliste wenden Sie sich bitte an: ulf.werner@laub-pr.com KONTAKTLINSE DOZ
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