Untersuchungen zur Veränderung der Vokalisationshäufigkeit während der Brunst beim Milchrind
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- Heidi Schmitt
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1 Züchtungskunde, 78, (5) S , 2006, ISSN Eugen Ulmer KG, Stuttgart Untersuchungen zur Veränderung der Vokalisationshäufigkeit während der Brunst beim Milchrind P. C. Schön 1, Kathrina Hämel 1, B. Puppe 1, A. Tuchscherer 2, W. Kanitz 3 und G. Manteuffel 1 1 Einleitung Die Erkennung der Brunst beim Milchrind und die Wahl des günstigsten Besamungszeitpunktes sind bedeutende Managementfaktoren in der Milchproduktion. In der Praxis gibt es neben der konventionellen vom Menschen durchgeführten visuellen Brunstbeobachtung eine Reihe von Verfahren, die entwickelt wurden, um die Zeit für die visuelle Brunstbeobachtung zu reduzieren. Die Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren wurden von Becker et al. (2005) beschrieben. Mit den verschiedenen Verfahren werden in Milchviehherden Brunsterkennungsraten zwischen 60 % und 80 % angestrebt (Esslemont, 1992; Ferguson und Galligan, 1993; Zieger, 2004). Untersuchungen belegen jedoch im Regelfall Brunsterkennungsraten von deutlich weniger als 60 % (Esslemont, 1992; Heuwieser und Mansfeld, 1995; Olson, 1993; Diskin, 1996; Drillich, 1999; Mee et al., 2002). Es besteht demzufolge weiter der Bedarf nach einem Verfahren, welches mit vertretbarem Aufwand hohe Brunsterkennungsraten ermöglicht. Aus der Literatur ist bekannt, dass die Laute weiblicher Säugetiere Informationen über den Reproduktionsstatus enthalten können. So fanden Semple und McComb (2000) in Replay-Experimenten, dass männliche Berberaffen in der Lage sind, über Paarungslaute das Stadium des Sexualzyklus der weiblichen Tiere zu differenzieren. Bei Elefanten wurde eine Erhöhung der Vokalisationsrate zum Brunsthöhepunkt von Leong et al. (2003) beobachtet. Watts und Stookey (2000) vermuten, dass auch die Vokalisation von Rindern Informationen über deren Alter, Geschlecht, Dominanzstatus und deren Stadium im Sexualzyklus enthalten. In der vorliegenden Arbeit wird der Verlauf der Vokalisationshäufigkeit des Milchrindes im periöstrischen Zeitraum beschrieben. Das Zyklusstadium des Rindes wird dabei sowohl durch den Verlauf der Progesteronkonzentration im Blut als auch durch eine visuelle Brunstbeobachtung, durchgeführt von einer erfahrenen Person, validiert. Ist eine messbare Veränderung der Vokalisationshäufigkeit nachzuweisen, wäre für die Praxis die Entwicklung eines auf der Vokalisationshäufigkeit basierenden Aufnahmeund Speicherungssystems, das eine automatische Brunstbeobachtung ermöglicht, denkbar. Dieses Verfahren könnte allein oder gegebenenfalls in Kombination mit anderen Verfahren zu höheren Brunsterkennungsraten führen. 1 Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere Dummerstorf, Forschungsbereich Verhaltensphysiologie, schoen@fbn-dummerstorf.de 2 Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere Dummerstorf, Forschungsbereich Genetik und Biometrie 3 Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere Dummerstorf, Forschungsbereich Fortpflanzungsbiologie
2 Veränderung der Vokalisationshäufigkeit während der Brunst beim Milchrind Material und Methoden 2.1 Tiere und Haltung In den Versuch wurden 10 weibliche Jungrinder der Rasse Deutsche Holstein aus der Versuchstieranlage des Forschungsinstitutes für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere Dummerstorf einbezogen. Die Tiere waren in Anbindehaltung aufgestallt. Für die Vokalisationsaufnahme wurde das jeweils zu untersuchende Tier von den anderen Tieren so separiert, dass ein Abstand von ungefähr 15 Metern zum nächsten Tier garantiert war. Das Tier blieb dadurch in der gewohnten Umgebung. Durch den Abstand zum nächsten Tier konnten Fremdaufnahmen (Laute anderer Rinder) verhindert werden. Der Versuch lief über einen Zeitraum von vier Monaten (Februar 2004 bis Juli 2004). 2.2 Brunstzyklus und Brunstbeobachtung Für alle 10 untersuchten Tiere wurde ab Einstallungsdatum ( ) ein Brunstkalender geführt. Vor der eigentlichen Untersuchung (akustische Aufnahmen im periöstrischen Zeitraum) wurden die Tiere über mehrere Brunstzyklen beobachtet. Ein Sexualzyklus dauert beim Rind in der Regel 18 bis 23 Tage (Abb. 1). Die visuelle Brunstbeobachtung erfolgte täglich um 08:00, 12:00 und 15:00 Uhr nach einem Brunstschlüssel (Bonitur über 3 Stufen [schwach mittel stark]). Dabei wurden das Verhalten, die Rötung und Schwellung der Vulva sowie die Sekretion von Brunstschleim bewertet. 2.3 Progesteronbestimmung und Auslösung der Brunst Die Blutentnahme zur Bestimmung der Progesteronkonzentration wurde ab dem 11. Tag (bezogen auf den Tag 0 der vorherigen Brunst siehe Abb. 1) über 5 Tage um 08:00 Uhr durchgeführt. Die benötigte Blutprobe (5 6 ml) wurde aus der Schwanzvene entnommen. Die Konzentration des Steroidhormons Progesteron im Blutplasma wurde mit einem direkten kompetitiven Tritium-Radioimmunoassay (RIA) bestimmt, der im Forschungsbereich Fortpflanzungsbiologie des FBN Dummerstorf bearbeitet und für Untersuchungen beim Rind optimiert wurde (Schneider et al., 2002). Als Tracer diente ein [1,2,6,7-3H] Progesteron (Amersham Pharmacia Biotech, Freiburg), während ein Antikörper durch Immunisierung von Kaninchen mit einem 11-OH-Progesteron-Konjugat erzeugt wurde. Die Trennung des antikörper-gebundenen vom freien Steroid (B/F) wurde mit Dextran-Aktivkohle vorgenommen. Die Messung erfolgte in einem Flüssigszintillationszähler mit RIA-Kalkulation (Wallac, Finnland-Schweden). Für die Brunstauslösung wurden mg ProstaglandinF 2α (Veyx forte, Veyx Pharma, Wirkstoff: Cloprostenol) intramuskulär verabreicht. Das Intervall bis zum Brunstbeginn beträgt danach 2 bis 4 Tage. Um den Versuchsaufbau für alle Tiere gleich zu gestalten, wurde immer am Tag 12 (08:00 Uhr) des Zyklus, bezogen auf den Tag 0 des vorherigen Zyklus, mit PGF 2α die Brunst ausgelöst (Abb. 1). 2.4 Vokalisationsaufnahme Die Vokalisationsaufnahmen erfolgten vom Tag 11, 08:00 Uhr (bezogen auf den Tag 0 des vorherigen Zyklus) bis zum Tag 16, 08:00 Uhr mit dem Funkmikrofonsystem evolution wireless Serie ew 112 G2 der Firma Sennheiser. Das drahtlose Aufnahmesystem bestand aus einem Ansteckmikrofon ME 2 (Kondensator, Kugel), Sender SK 100 G2 und einem stationären Empfänger EM 112 G2. Das Mikrofon wurde in direkter Nähe des Kopfes des Tieres angebracht. Der Empfänger war mit der Soundkarte des Rechners verbunden. Die Digitalisierung erfolgte mit einer Abtastrate von Hz, 16 bit Auflösung in Monoqualität. Ziel der Vokalisationsaufnahme war die getrennte Aufzeichnung der einzelnen Laute des Tieres mit entsprechender Zeitangabe. Eine kontinuierliche akustische Aufzeich-
3 338 P. C. Schön u.a. Abb. 1. Schematischer Verlauf der Progesteronkonzentration während des Sexualzyklus (normal und induziert). Der Zeitraum der Vokalisationsaufnahme ist gekennzeichnet. Zur Auslösung der Brunst wurde das Hormon ProstaglandinF 2α intramuskulär injiziert Scheme of progesterone concentration course during the oestrous cycle (normal and induced). The time of vocalization recording is marked. For induction of heat the hormone ProstaglandinF 2α was injected intramuscularly nung wie z.b. mit einem DAT-Rekorder wäre nicht sinnvoll gewesen, da auch alle Zeiten der Nichtvokalisation des Tieres mit aufgezeichnet worden wären. Aufgenommen werden sollten nur solche Schallereignisse, die einen bestimmten Schallpegel über eine bestimmte Zeit überschritten. Als Schallereignis definierten wir hierbei ein Signal, das am Anfang einen bestimmten Schwellenschallpegel überschritt, eine gewisse Zeit lang über der Schwelle blieb (anhielt) und dann wieder unter die Schwelle absank. Die Wahl der Schwelle erfolgte so, dass nur Schallereignisse in unmittelbarer Umgebung des Kopfes des Jungrindes überschwellig werden konnten. Das Signal, in diesem Fall der Laut, ist also durch Zeiten der Stille zu anderen Lauten abgegrenzt. Ein spezieller Aufnahmealgorithmus mit Hilfe eines Programms unter der grafischen Programmieroberfläche LabVIEW (LabVIEW, 1999) wurde entsprechend Abbildung 2 entwickelt. Kontinuierlich wurden Lautfenster von 250 ms gebildet, deren Länge immer unterhalb derjenigen einer Einzelvokalisation lagen. Lautfenster mit überschwelligen Schallereignissen wurden gespeichert, und das Programm protokollierte die Zeitangabe zu diesem Lautfenster. Alle folgenden überschwelligen Lautfenster wurden jeweils an das vorherige Lautfenster angereiht und gespeichert. Um den Laut mit Anfang und Ende zu erfassen, wurde das Lautfenster vor dem ersten berücksichtigten Lautfenster (L n-1 ) vorne angereiht und das aktuelle Lautfenster (L n ), das nicht mehr über der Schwelle lag, hinten angehängt. 2.5 Ermittlung der Vokalisationshäufigkeit aus den Vokalisationsaufnahmen Die auf dem Rechner gespeicherten Lautaufnahmen wurden abgehört. Mit einem speziell unter LabVIEW (LabVIEW, 1999) entwickelten Schnittprogramm wurden aufgenommene Fremdgeräusche, die hauptsächlich durch die Bewirtschaftung entstanden,
4 Veränderung der Vokalisationshäufigkeit während der Brunst beim Milchrind 339 Abb. 2. Schematische Darstellung des Algorithmus für die Lautaufnahmen Diagrammatic representation of the algorithm for the call recordings gelöscht. Die Anzahl der Laute pro Stunde wurde aufsummiert. Dies war möglich, da für jeden Laut nicht nur der Signalverlauf, sondern auch die Anfangs- und Endzeit des Lautes abgespeichert waren. Die Vokalisationshäufigkeit schwankte individuell sehr stark. Um Vergleichbarkeit zu erreichen und eine statistische Analyse durchzuführen, wurde die Anzahl der Vokalisationen über die gesamte Aufnahmezeit pro Tier auf 100 % gesetzt. Das Gleiche geschah mit den Werten der Progesteronkonzentration. Die Vokalisationshäufigkeit pro Tag wurde ermittelt, indem die Anzahl der Vokalisationen pro Tier jeweils von 08:00 Uhr bis zum nächsten Tag 08:00 Uhr aufsummiert und ins Verhältnis zur Gesamtvokalisation über die gesamte Aufnahmezeit gesetzt wurde. Für jedes Tier ergaben sich damit pro Untersuchungstag ein normierter Wert für die Anzahl der Vokalisationen und ein normierter Wert für die Progesteronkonzentration.
5 340 P. C. Schön u.a. 2.6 Statistische Analyse Der Verlauf der Vokalisationshäufigkeit und Progesteronkonzentration wurde statistisch mit SAS (SAS, 2001) untersucht. Eine Varianzanalyse erfolgte mit der MIXED- Prozedur. Dabei wurde ein ANOVA Modell mit dem fixen Effekt Tag genutzt. Wiederholte Messungen an gleichen Tieren berücksichtigte das repeated-statement. Zusätzlich wurden LS-means und die zugehörigen Standardfehler (SE) ermittelt und die paarweisen Differenzen mit dem Tukey-Test geprüft. 3 Ergebnisse Alle Tiere vokalisierten im Untersuchungszeitraum. Die Gesamtanzahl von Vokalisationen schwankte stark und lag zwischen 36 und 835 Vokalisationen bezogen auf die gesamte Aufnahmezeit. In Abbildung 3 sind die Vokalisationen pro Stunde über alle Tiere als Mittelwert dargestellt. Bei 6 Tieren wurde die Brunst 2 Tage nach PGF 2a Gabe bestätigt und bei 4 Tieren 3 Tage nach Injektion des Hormons (Abb. 3). Ein Ansteigen der Gesamtvokalisation um den Zeitpunkt der visuellen Brunstbeobachtung ist deutlich zu erkennen. Durch Normierung der Anzahl der Vokalisationen und der Progesteronkonzentrationen ergaben sich prozentuale Anteile an der Gesamtvokalisation und der Progesteronkontentration für jeden Tag pro Tier. Zur statistischen Absicherung der Ergebnisse wurden die normierten Vokalisationen pro Tag sowie die normierten Progesteronkonzentrationswerte gemittelt. Das Ergebnis ist in Abbildung 4 dargestellt. Die Abbildung zeigt einen starken Anstieg der Vokalisationsrate 2 Tage nach PGF 2a Gabe. Die Anzahl der Laute wurde signifikant vom Effekt Tag beeinflusst (F 4,45 = 6.19, p < 0.001). Der paarweise Vergleich ergab, Abb. 3. Mittlere Anzahl der Vokalisationen pro Stunde (Säulen) und visuelle Brunstbeobachtung (BB) über den Aufnahmezeitraum für alle Tiere Mean of calls per hour (bars) and visual heat detection (BB) over the recording time for all animals
6 Veränderung der Vokalisationshäufigkeit während der Brunst beim Milchrind 341 Abb. 4. Anzahl der Vokalisationen pro Tag und Verlauf der Progesteronkonzentration (P 4) (LSmeans ± SE) über den Aufnahmezeitraum für alle 10 Tiere gemittelt mit Standardfehler Number of vocalizations per day and the course of progesterone concentration (P4) (LSmeans ± SE) over the recording time for all 10 animals as mean and standard error dass ein signifikanter Unterschied nur zwischen dem Tag 0 und allen anderen Tagen zu verzeichnen war (Tag 0 ( 3): t = 3.7, p < 0.01; Tag 0 ( 2): t = 4.45, p < 0.001; Tag 0 ( 1): t = 3.47, p < 0.01; Tag 0-1: t = 3.76, p < 0.01). Zwischen den anderen Tagen gab es keine signifikanten Unterschiede. Die Progesteronkonzentration wurde ebenfalls signifikant vom Effekt Tag beeinflusst (F 4,45 = , p < 0.001). Der paarweise Vergleich ergab Signifikanzen zwischen den Tagen vor der Brunstauslösung durch ProstaglandinF 2α (Tag 3, 2) und den Tagen nach der Gabe von ProstaglandinF 2α (Tag 1, 0, 1). 4 Diskussion Um die Produktivität der Milchrindhaltung zu optimieren, ist die Bestimmung der Brunst, die sich unter Umständen nur über einige Stunden erstreckt, sehr entscheidend. Bisher angewendete Methoden zur Brunsterkennung resultierten in deutlich unterschiedlichen Brunsterkennungsraten (Becker et al., 2005). Hinzu kommt, dass einige Methoden sehr kostenaufwändig sind. Becker et al. (2005) stellten fest, dass auch unter den Bedingungen steigender Leistungen und wachsender Tierzahlen eine an verantwortliche Personen gebundene visuelle Brunstbeobachtung die besten Brunsterkennungsraten liefert. Ein Handlungsbedarf zur Suche nach neuen automatischen Verfahren zur Brunsterkennung ist demnach vorhanden. Leong et al. (2003) konnten für Elefanten nachweisen, dass es zu einem Anstieg der Vokalisation in Erwartung der Brunst kommt. Es sind weitere Arbeiten über andere Säugetierarten bekannt, die über die Veränderung der Vokalisation weiblicher Tiere während der Hochbrunst berichten (Moosheilen und Sossinka, 1990; Matochnik et al., 1992; Wielebnowski und Brown, 1998; Semple und McComb, 2000). Die biologischen Ursachen der Erhöhung der Vokalisationsrate sind noch nicht hinreichend be-
7 342 P. C. Schön u.a. kannt. Es wird angenommen, dass durch die Lautgebung, neben anderen Brunstanzeichen, der Sexualpartner aufmerksam gemacht werden soll oder dass die Veränderung der Lautgebung bestimmte Befindlichkeiten der Tiere ausdrückt (z.b. Erregung). Zur Vokalisation des Rindes allgemein gibt es nur wenige Arbeiten. Verschiedene Autoren haben versucht, das Auftreten von verschiedenen Formen der Vokalisation beim Rind zu beschreiben und zu klassifizieren (Kiley, 1972; Liebenberg et al., 1977; Hall et al., 1988). Kiley (1972) identifizierte 6 verschiedene Laute, die eher als ein Teil eines Kontinuums vorkamen und weniger diskrete Laute darstellten. Weiterhin wurden auch kommunikative Funktionen der Vokalisation bei Rindern erforscht, z.b. die gegenseitige Erkennung von Müttern und Kälbern (Barfield et al., 1994; Marchant-Forde et al., 2002). Ferner konnten verschiedene Lauttypen und Individuen klassifiziert werden (Laube et al., 1988; Jahns et al., 1997; Ikeda und Ishii, 2001). Watts und Stookey (2000) haben vorgeschlagen, das vokale Verhalten von Rindern als einen potentiell nützlichen Indikator ihres physiologischen und mentalen Zustandes zu nutzen (siehe auch Manteuffel et al., 2004). Ziel der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung einer Methodik zur kontinuierlichen automatischen Aufnahme der Vokalisation bei Rindern im periöstrischen Zeitraum. Die Untersuchungen zur Vokalisation wurden zunächst in einer Anbindehaltung ausschließlich mit Jungrindern durchgeführt. Die Lautaufnahmen zeigten, dass es bei allen untersuchten Tieren zu einem signifikanten Anstieg der Vokalisationshäufigkeit um die Hochbrunst kam. Dieser stimmte mit dem visuell durch das Stallpersonal beobachteten Brunstbeginn und dem gemessenen Verlauf der Progesteronkonzentration im Blut überein. Das hier beschriebene Verfahren wurde zum Patent angemeldet (Schön et al., 2005). Unsere Untersuchungen zeigten auch, dass es zu verstärkter Vokalisation kam, wenn kein Stallpersonal anwesend und es ruhig im Stall war. In den aufgenommenen Lauten waren zwei wesentliche Grundstrukturen in den Sonogrammen zu erkennen. Einmal eine harmonische Struktur, der typische MUH Laut, und eine stark geräuschhafte Struktur. Die Laute bestanden in der Regel immer aus beiden Anteilen, wobei sie entweder mit der geräuschhaften oder der harmonischen Struktur begannen, sich in der anderen Struktur fortsetzten und wieder mit der anfänglichen Struktur endeten. Vielleicht könnte hier schon eine Information in Form einer Kodierung enthalten sein. Weiterführende Arbeiten auch hinsichtlich einer Praxisanwendung sollen Lösungen für die Anwendung in Laufställen untersuchen. Dabei müssen auch der mögliche Einfluss des Alters (Anzahl der Laktationen) und der Milchleistung der Tiere berücksichtigt werden. Zusammenfassung Die Erkennung der Brunst beim Milchrind und die in diesem Zusammenhang Wahl des günstigsten Besamungszeitpunktes ist ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor in der Milchproduktion. In der Praxis gibt es neben der konventionellen, vom Menschen durchgeführten Brunstbeobachtung eine Reihe weiterer Verfahren, die zum Teil sehr unterschiedliche Ergebnisse in Bezug auf die Brunsterkennungsrate liefern. In dieser Arbeit wird die Entwicklung einer Methodik zur kontinuierlichen automatischen Aufnahme der Vokalisation von Kühen über einen längeren Zeitraum während der Hochbrunst vorgestellt. Es konnte nachgewiesen werden, dass es zum Brunsthöhepunkt zu einem Anstieg der Vokalisatioshäufigkeit kommt. Damit ist es möglich, mittels der Vokalisationsanalyse Aussagen über den Sexualzyklus des weiblichen Milchrindes zu treffen. Die Anwendung des hier vorgestellten und auch zum Patent angemeldeten Verfahrens könnte allein oder in Kombination mit einem anderen automatischen System zur
8 Veränderung der Vokalisationshäufigkeit während der Brunst beim Milchrind 343 Brunsterkennung zu einer deutlichen Erhöhung der derzeitig erreichbaren Brunsterkennungsrate führen. Schlüsselwörter: Östrus, Brunst, Brunsterkennung, Vokalisation, Rind Literatur Barfield, C. H., Z. Tang-Martinez und J. M. Trainer (1994): Domestic calves (Bos taurus) recognize their own mothers by auditory cues. Ethology 97, Becker, F., W. Kanitz und W. Heuwieser (2005): Vor- und Nachteile einzelner Methoden der Brunsterkennung beim Rind. Züchtungskunde 77, (2-3), Diskin, M. G. (1996): Factors affecting conception rate in cows. Irish Vet. J. 49, Drillich, M. (1999): Vergleich des strategischen Prostaglandin F2a-Einsatzes mit konventionellen Methoden des Fruchtbarkeitsmanagements in zwei Milchviehbetrieben. Vet. med. Dissertation, FU Berlin, Fachbereich Veterinärmedizin. Esslemont, R. J. (1992): Measuring dairy herd fertility. Vet. Rec. 131, Ferguson, J. D. und P. T. Galligan (1993): Prostaglandin synchronization programs in dairy herds. Comp. Contin. Educ. Pract. Vet. 15, Hall, S. J. G., M. A. Vince, E. Shillito-Walser und P. J. Garson (1988) Vocalisations of the chillingham cattle. Behaviour 104, Heuwieser, W. und R. Mansfeld (1995): Brunstbeobachtung beim Rind. Milchpraxis 33, Ikeda, Y. und Y. Ishii (2001): Characteristics of cow s voices in time and frequency domains for recognition. Agric. Biosys. Eng. 2, Jahns, G., W. Kowalczyk und K. Walter (1997): An application of sound processing techniques for determining condition of cows. In: Domanski, M., Stasinski, R. (Eds.), Proc. 4th Int. Workshop on Systems, Signals and Image Processing, Poznan, Poland, Kiley, M. (1972): The vocalizations of ungulates, their causation and function. Z. Tierpsychol. 31, LabVIEW (1999): Complete software documentation, National Instruments Corporation, Austin, TX. Laube, R. B., L. Seveke, J. Hubrich und G. Marx (1988): Rechnergestützte Lautanalyse beim Kalb zum Nachweis lautontogenetischer Entwicklungsvorgänge. Wiss. Z. KMU Leipzig, Math.-Nat. R 37, Leong, K. M., A. Ortolani, L. H. Graham und A. Savage (2003): The use of low-frequency vocalizations in African elephant (Loxodonta africana) reproductive strategies. Horm. Behav. 43, Liebenberg, O., S. Polten und E. Porzig (1977): Untersuchungen von akustischen Reizen in ihrem stimulierenden Einfluss auf die Lokomotorik von Rindern. 1. Mitt.: Syntax von Kälber- und Bullenlauten. Arch. Tierz. 20, Manteuffel, G., B. Puppe und P. C. Schön (2004): Vocalization of farm animals as a measure of welfare. Appl. Anim. Behav. Sci. 88, Marchant-Forde, J. N., R. M. Marchant-Forde und D. M. Weary (2002): Reponses of dairy cows and calves to each other s vocalisation after early separation. Appl. Anim. Behav. Sci. 78, Matochnik, J. A., N. R. White und R. J. Barfield (1992): Variations in sent marking and ultrasonic vocalization by long-evans rats across the estrus-cycle. Physiol. & Behav. 51, Mee, J. F., T. Moyes, D. Gleeson und B. O brien (2002): A questionnaire survey of fertility management on dairy farms in the Republic of Ireland. Irish Vet. J. 55, 3,
9 344 P. C. Schön u.a. Moosheilen, R. und R. Sossinka (1990): The influence of estrus on the vocalization of female gelada baboons (Theropithecus gelada). Ethology 84, Olson, J. D. (1993): Tools to improve reproductive performance of dairy cattle. Bov. Pract. 27, SAS (2001): Statistical Analysis System, SAS/STAT user guide, version 8. SAS Institute Incorporation, Cary, NC. Schneider, F., A. Bellmann, F. Becker, S. Bambang Poernomo, C. Rehfeldt, G. Nürnberg und W. Kanitz (2002): Gonadotropin release in periovulatory heifers after GnRH analogs measured by to types of immunoassays. Exp. Clin. Endocrinol. Diabetes 110, Schön, P. C., K. Hämel und W. Kanitz (2005): Deutsche Patentanmeldung Nr Verfahren zur Erkennung der Brunst. Semple, S. und K. McComb (2000): Perception of female reproductive state from vocal cues in a mammal species. Proc. Royal Soc. London Ser. B Biol. Sci. 1444, Watts, J. M. und J. M. Stookey (2000): Vocal behaviour in cattle: the animal s commentary on its biological processes and welfare. Appl. Anim. Behav. Sci. 67, Wielebnowski, N. und J. L. Brown (1998): Behavioral correlates of physiological estrus in cheetahs. Zoo Biol. 17, Zieger, P. (2004): Brunsterkennung optimieren. Milchrind 2, Changes in vocalization rate during heat in dairy cattle by P. C. Schön, Kathrina Hämel, B. Puppe, A. Tuchscherer, W. Kanitz and G. Manteuffel Correct heat detection and precise timing of artificial insemination of cows are essential issues affecting the production and economic efficiency of dairy herds. There are numerous systems for heat detection other than the time consuming, repetitive chore of visual heat detection carried out by the farmer delivering mostly inconsistent results. In this paper, the development of a methodology is introduced aimed for continuously and automatically recording the vocalization of heifers during the peri-oestrus period. It was determined that heat resulted in an increase of vocalization rate. Hence, it is possible to reveal information on the oestrous cycle of the female dairy cattle by means of vocalization analysis. The method presented (patent pending) could be used solely or in combination with other automated systems for heat detection and could considerably increase the present heat detection rate. Keywords: Oestrus, heat, heat detection, vocalization, cattle
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