Trauma und Bindung B E D E U T U N G F Ü R D I E P E R S Ö N L I C H K E I T S E N T W I C K L U N G U N D E R Z I E H U N G S F Ä H I G K E I T
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1 Trauma und Bindung B E D E U T U N G F Ü R D I E P E R S Ö N L I C H K E I T S E N T W I C K L U N G U N D E R Z I E H U N G S F Ä H I G K E I T H I P P
2 Transgenerationale Übertragung der psychischen Erkrankungen Erbliche Disposition (Funktionsstörungen, medikamentöser Behandlung) Schizophrenie manisch-depressive Erkrankung Suchterkrankungen (?) Störung der Bindungsentwicklung des Kindes: Traumatisierungen wie z.b. durch Vernachlässigung, unverarbeitete Beziehungsabbrüche (Bindungsverluste), emotionale Misshandlung, Gewalt, sexueller Missbrauch (Strukturstörungen, Psychotherapie) Angststörungen Depressionen Persönlichkeitsstörungen Psychosomatische Störungen Suchterkrankungen
3 Elemente der Bindungsförderung Bewusstsein: Bedeutung der frühkindlichen Bindung für die Persönlichkeitsentwicklung Qualifizierung der Professionellen zur Verbesserung der Bindungskompetenz (Traumapädagogik, Forschung) Methoden für den Bindungsaufbau zwischen den Eltern und ihren Kindern: z.b. Marte Meo Bindungsfördernde Strukturen z.b. Mo.Ki Vernetzung als Voraussetzung für Präventionsketten Ressourcen für eine ausreichende Kontaktzeit zu den traumatisierten Eltern (Bindungsinvestment!)
4 Bio-psycho-soziale Traumafolgen (Zustand nach toxischer Cortisol-Einwirkung) Schädigung der Stressbewältigungssysteme mit Fehlalarmierungen des Bedrohungszentrums (Amygdala) und den entsprechenden Notfallreflexen (Impulsivität, Selbstkontrollverluste) Mentalisierungsdefizite (Präfrontalkortex!) mit Einschränkungen von Selbstreflexionsfähigkeit, Feinfühligkeit und Responsivität schwacher innerer Beobachter (Metaebene): verminderte Top-Down-Regulierung: Problemkongruenz Hilfeakzeptanz Krankheitseinsicht Psychotherapiemotivation
5 Bio-psycho-soziale Traumafolgen desorganisierte Bindungsmuster mit den ihnen inhärenten Annäherungs-Vermeidungs-Konflikten: Gut-Böse-Spaltungen intensive/instabile Beziehungsmuster Täter-Opfer-Reinszenierungen mit Hopping-Verhalten Identitätsfragmentierung mit der ständigen Bedrohung des Ich-Bewusstseins (Erwachsenen- Anteil) durch trauma-assoziierte, kindliche Persönlichkeitsanteile (Erlebnisdiskontinuität, psychosoziale Desorganisation, eingeschränkte Lernfähigkeit)
6 Fehleinstellung der Stressbewältigungssysteme traumaplastische Struktur des Gehirns (Notfallbereitschaft) Übererregtes Panik-Bindungs-System: hohes Stress- Anspannungsniveau, Angst vor Verlassen-Werden (Allein-Sein), psychomotorische Unruhe, Hilflosigkeit, Schlafstörungen (Hypervigilanz, Hyperarousal) Fehlalarmierung des Bedrohungssystems (Amygdala) bei Überforderung, Frustration, Triggerreizen oder Aktivierung des Annäherungs-Vermeidungs-Konfliktes (z.b. kindliches Bindungsverhalten) Orientierungsverlust (Rückkehr des Traumas) Todesangst Unkontrollierte Überlebensreaktionen mit katastrophischen Reflexmustern ( Notfall-Hotline ): Furcht-Sympathikus-System: Kampf (Wut) Flucht/Vermeidung Panik-Bindungs-Parasympathikus-System: Unterwerfung (Hilfeschrei) Notabschaltung ( Totstellreflex ): Dissoziation/Erstarrung (Freezing)
7 Entwicklung des menschlichen Gehirns Überfluss an unreifen, undifferenzierten Nervenzellen beim Neugeborenen (Entwicklungspotential) Reifung d.h. Spezialisierung der Zellen erfolgt durch Vernetzung und synaptischer Verschaltung in Abhängigkeit von den (optionalen) Nutzungsbedingungen (Interaktionserfahrungen mit der Umwelt, Lernen Kulturanpassung, Mehrgenerationenperspektive, Koevolution) Abbau der nicht gebrauchten Nervenzellen bis zum 12. Lebensjahr (Wegfall der Reservekapazität) Später Anpassungsprozesse durch Umbau der bereits bestehenden ausgereiften Zellstrukturen, adulte Neurogenese (Neuroplastizität, Gehirn als Baustelle)
8 Cells that fire together, wire together, survive together. Alan Schore Die Nervenzellen bilden ein gleichmäßiges dichtes Netz, das Impulse in alle Richtungen weiterleitet. Durch Lernen verstärken sich einige Bahnen, andere verkümmern. Vielfältige Anregungen führen zu komplexen Strukturen. Zum Lernen steht weitgehend das bis dahin gebildete Netz zur Verfügung. Neue Verbindungen entstehen schwerer.
9 Das Neugeborene Angeborene, fixierte Wahrnehmungs-Handlungs- Muster (Hirnstamm: Automatismen, Impulsivität) Erleben der Affekte als katastrophische Emotionen (Wut, Furcht, Hunger, Schmerzen, intensive Bedürftigkeit) Aktivierung der Amygdala (Stresshormone) Keine Verwöhnung sondern nur Vernachlässigung (Traumatisierung) möglich
10 Kontaktgestaltung der Kleinkinder mit der Außenwelt Bindungsverhalten (Sicherheitssystem): Abhängigkeit von physischer Nähe der Bindungspersonen: Protest bei Trennung Suche der Nähe zu den Bindungspersonen zur Herstellung von Sicherheit und Versorgung bei Angst, Schmerz, Hunger etc. Explorationsverhalten (Neugiersystem) Distanzierung von Bindungspersonen zur Erkundung der Außenwelt mit Annäherung an attraktive Ziele Selbstwirksamkeitserfahrungen, Kompetenzerwerb beim Problemlösen (Dopamin / Endorphine neuronale Vernetzung) Anstrengung mit Frustrationstoleranz Autonomieentwicklung eingebettet in Beziehung, bezogene Individuation (Zugehörigkeit/Individualität), Mentalisierung Gehirnwachstum Erwachsenwerden
11 Bindung und Exploration nach Grossmann & Grossmann Bindungssystem aktiv Exploration s-system aktiv
12 Bindung und Exploration Nach Grossmann & Grossmann Bindungssystem aktiv Exploration s-system aktiv
13 Voraussetzung für gelingende Entwicklungsprozesse: Mutter bildet sichere Basis (Intuition, Mentalisierung: inneres Radarsystems für kindliche Signale, Beruhigung des Panik-Bindungssystems) Wahrnehmung der nonverbalen kindlichen Signale und Entwicklungsinitiativen (Mimik, Blicke, Zielbewegungen, Lautäußerungen) Richtige Interpretation der Signale in Abgrenzung von den eigenen Bedürfnissen (Einfühlungsvermögen, Selbstreflexion, Realitätsprüfung) Zeitnahe und angemessene Reaktion (Responsivität, Kontingenz)
14 Entwicklung der Affektregulation (Fonagy & Bateman 2006) Psychisches Selbst Sekundäre Repräsentation Repräsentation des eigenen Zustandes Ausdruck Verdauung Resonanz Körperliche s Selbst Zustand innerer Erregung Primäre Repräsentation Kind Bindungsperson
15 Mentalisierungsdefizit der Mutter: keine sichere Basis (Intuition, Feinfühligkeit, Responsivität) Hohe Wahrnehmungsschwelle für kindliche Signale: High-Tension- State Interaktion auf extremem Affektniveau (Stress!) Kein Spiegeln: Vermeidungsverhalten (von Triggerreizen ): Sprachlosigkeit, wenig Haut-Blickkontakt Dissoziation: Trance, Freezing Antriebsstörung (z.b. Depression, Schizophrenie) Unmarkiertes (unreflektiertes) Spiegeln: Infektion: Kindliche Angst wird unverändert oder verstärkt als eigene Emotion (Ansteckung mit Hilflosigkeit, Panik) gespiegelt Inkontingenz (Unberechenbarkeit, Zeitverzögerung) Bestrafung der kindlichen Bindungssignale oder Explorationsaktivitäten (evtl. Ablenkung durch Verwöhnung) Invalidierung der kindlichen Emotionen Umkehr von Folgen und Leiten ohne Kontaktmomente
16 Folgen desorganisierter Bindung (Bateman & Fogaty) Fremdes Selbst / eigener Körper als Objekt Psychisches Selbst Sekundäre Repräsentation Nicht kontingente Repräsentation Ausdruck Misslingende Verdauung Körper- Selbst Primäre Repräsentation Kind Innere Erregung bleibt oder steigt an Resonanz Bindungsperson
17 Aufhebung der Generationsgrenzen: Das Kind als kleiner Erwachsener (Vormentale Mentalisierungsmodi) Funktionalisierung des Kindes : guter Elternteil : Symbiose (ungefährliche Nähe als Teil des Selbst) zur Überwindung von Einsamkeit und Allein- Sein Hilfsobjekt zur externen Affektregulierung Bedeutungserhöhung: Soziale Aufwertung als Mutter, narzisstische Projektion (zukünftiger Glamour ) Vermeidung von Ausbildung und Beruf Stabilisierung der Beziehung zum Partner Symbol für heile Familie (Ungeschehenmachen des Traumas)
18 Aufhebung der Generationsgrenzen: Das Kind als kleiner Erwachsener (Vormentale Mentalisierungsmodi) Funktionalisierung des Kindes : guter Elternteil : Symbiose (ungefährliche Nähe als Teil des Selbst) zur Überwindung von Einsamkeit und Allein- Sein Hilfsobjekt zur externen Affektregulierung Bedeutungserhöhung: Soziale Aufwertung als Mutter, narzisstische Projektion (zukünftiger Glamour ) Vermeidung von Ausbildung und Beruf Stabilisierung der Beziehung zum Partner Symbol für heile Familie (Ungeschehenmachen des Traumas)
19 Aufhebung der Generationsgrenzen Das böse Kind (Gefährdung!): Nach Ende der Symbiose-Illusion (6.Lebensmonat?) Interpretation des kindlichen Bindungsverhaltens als Bedrängung und des Explorationsverhaltens als Abwendung (Liebesentzug) Täterübertragung ( böser Elternteil ): Enttäuschung Sündenbockfunktion: Externalisierung des fremden Selbst oder des Täterintrojekts Geschwisterrivalität (evtl. Neid auf die Lebensfreude des Kindes)
20 Aufhebung der Generationsgrenzen Das gute Kind: Die Parentifizierung (Rollenumkehr, Überforderung, gute Mentalisierung) Retterübertragung ( guter Elternteil ) Symbiose durch Verzicht des Kindes auf Autonomie Entwicklung eines falschen Selbst : Ängstlicher Gehorsam (Unterwerfung), Überfürsorglichkeit (Kontrolle) Überanpassung an die Erwartungen anderer Helferidentität (Überwindung der Einsamkeit durch Verantwortungsübernahme für andere) Wechsel Gut/Böse: Ich hasse Dich, verlass mich nicht! Verzicht auf Versorgungs- und Leitungsfunktion (Grenzsetzung)
21
22 Desorganisierter Bindungsstatus ab dem 12. Lebensmonat frühkindliche Traumatisierung Entwicklungsverzögerungen (Sprache, Motorik) gestörte Aufmerksamkeits- Affekt- und Impulsregulation (z.b. ADHS) Notfallreflexe unter Stress (Fight, Flight, Freeze) Unreife Mentalisierungsmodi (Äquivalenzmodus/Symbiose): von der Grenzdurchlässigkeit zur Grenzüberschreitung Lernstörungen (LRS, Dyskalkulie etc.)
23 Desorganisierter Bindungsstatus Annäherungs-Vermeidungskonflikt gegenüber Bindungspersonen: kein Vertrauen, kein Selbstvertrauen Ablehnung von Hilfe und Nähe (um Zurückweisung zuvorzukommen) Reinszenierung des Opferstatus durch Stören, Provozieren (negative Kontaktgestaltung) Regression in bereits verlassene Entwicklungsphasen (Einkoten, Einnässen) Schlafstörungen, Albträume Bindungsstörung: kein Bindungsverhalten!
24 Videogestützte Interventionen: Marte Meo Analyse der Eltern-Kind-Interaktion mittels Videografie (Wahrnehmen, Folgen, Benennen, Bestätigen, Leiten) Entwicklungsdiagnostik- unterstützung und prognose Einführung der Metaposition (Kamera als spiegelnder externer Beobachter ) zum Training der Mentalisierung
25 Nonverbaler Zugang zum limbischen System Erreichen des prozeduralen Gedächtnisses unbewusstes, automatisiertes Erfahrungs- und Handlungswissen, Skills, Beziehungsroutine Kamera als Mikroskop zur Vergrößerung und Veranschaulichung winziger gelungener Interaktion Mutter/Kind (STEEP: Seeing is believing! ): Ressourcenorientierung (Anregung von Verhaltensänderung ohne Kritik!)
26 Wirkungsfaktoren der Videoverfahren Widerlegung dysfunktionaler Annahmen der Bindungsperson (Hilflosigkeit, Ablehnung durch das Kind) durch Realitätsprüfung neue mentale Repräsentationen des Selbst und des Kindes beliebige Wiederholung: Genießen (Glückshormone!) der Magic Moments ( gute Bilder, Kontaktmomente), Kreation einer Entwicklungsstimmung (Marte Meo ist Entwicklungszeit! Lösungsorientierung) Stärkung der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen (Senkung des Angstpegels) Aktivierung des Explorationssystems der Mutter Ermöglichen nachhaltiger Lernerfahrungen (Kontakt, Folgen, Benennen, Leiten etc.) durch Wiederholung im Sinne der Stärkung der Mentalisierungsfähigkeit (reflexiver Modus) Überwindung des Hilfe-Kontroll-Dilemmas (Geschenke statt Aufgaben!)
27 Buchempfehlungen Jacob Bausum, Lutz Besser, Martin Kühn, Wilma Weiß Traumapädagogik Grundlagen, Arbeitsfelder und Methoden für die pädagogische Praxis Juventa Marita Krist, Christina Weisbrod, Adelheid Wolcke und Kathrin Ellermann-Boffo Herausforderung Trauma Diagnosen, Interventionen und Kooperationen der Erziehungsberatung in der Reihe "Bundeskonferenz für Erziehungsberatung" bei Beltz-Juventa.
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