Teil B Gesellschaftsrecht. TITEL III Aufbau der SE
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- Georg Geiger
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1 406 TITEL III Aufbau der SE Artikel 38 [Organe der SE] Die SE verfügt nach Maßgabe dieser Verordnung über a) eine Hauptversammlung der Aktionäre und b) entweder ein Aufsichtsorgan und ein Leitungsorgan (dualistisches System) oder ein Verwaltungsorgan (monistisches System), entsprechend der in der Satzung gewählten Form. Inhaltsübersicht Rn. I. EU-Recht 1 1. Historische Entwicklung 1 2. Überblick: monistisches und dualistisches System 3 3. Wahl eines Systems 9 a) Verhältnis zu nationalen Regelungen 10 b) Wahl in der Satzung 15 c) Auswirkungen der Arbeitnehmerbeteiligung auf die Wahl Weitere Organe 17 II. Nationales Recht Deutschland Andere EU-Staaten 22 a) Organisationsverfassung der nationalen Aktiengesellschaften 22 (1) England 22 Rn. (2) Frankreich 23 (3) Niederlande 24 (4) Österreich 27 b) Regelungen für die dem nationalen Recht bislang unbekannte Organisationsform 28 (1) England 28 (2) Frankreich 30 (3) Niederlande 31 (4) Österreich 32 c) Weitere Organe neben Leitungs-/ Aufsichtsorgan bzw. Verwaltungsorgan 33 (1) England 33 (2) Frankreich 34 (3) Niederlande 35 (4) Österreich 37 I. EU-Recht 1. Historische Entwicklung 1 Die ersten Entwürfe einer SE Verordnung 1 schrieben noch zwingend die Organisation der Europäischen Aktiengesellschaft nach dem dualistischen System vor. Die Kommission sah es als erforderlich an, die Funktionen von Aufsichtsrat und Vorstand zu trennen, um der SE alle Möglichkeiten einer effizienten Geschäftsführung zu geben und um gleichzeitig deren Überwachung sicherzustellen. 2 Diesen Standpunkt verließ sie jedoch mit dem Entwurf von 1989, der erstmals die Möglichkeit eröffnete, zwischen dem monistischen und dem dualistischen System zu wählen. Dadurch erhoffte man sich eine erhöhte Konsensfähigkeit der Verordnung, da jeder Mitgliedstaat die Organstruktur seiner Aktiengesellschaften im Statut wiederfinden konnte. 3 Die Neuregelung lehnte sich dabei an den Vorschlag für eine fünfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie an (sog. Strukturrichtlinie), 4 die bis heute nicht in Kraft getreten ist. Die Gründer der SE waren danach in der Wahl des Verfassungssystems frei. Diese Freiheit wurde im Entwurf von 1991 eingeschränkt. Denn danach bestimmte zwar weiterhin grundsätzlich die Satzung das Organisationssystem, die Mitgliedstaaten wurden aber ermächtigt, den Europäischen Aktiengesellschaften mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet das dualistische oder das monistische System vorzuschreiben. Man war den EG-Staaten also soweit entgegengekommen, daß sie ein fremdes Sys- 1 Art. 62 ff. des Entwurfs von 1970, Art. 62 ff. des Entwurfs von Begr. der Kommission zu Art. 63 des Entwurfs von 1975 (Beilage 4/75 zum Bulletin der EG, S. 150), und 14. Erwägungsgrund des damaligen Vorschlags. 3 Vgl. Gutsche, S Vgl. Begründung der Kommission zu Art. 61 des Entwurfs von 1989, Bundesratsdrucksache 488/89 vom
2 407 Art. 38 SE-VO tem in ihrem Land ausschließen konnten. Daß sie davon Gebrauch machen würden, galt als wahrscheinlich. 5 In der geltenden SE-VO hat der Verordnungsgeber nun beide Möglichkeiten vorgesehen. Das ist insoweit ein Schritt zur europäischen Rechtsangleichung, als die nationalen Gesetzgeber nun vor der Aufgabe stehen, Regeln für die jeweils andere Struktur zu erlassen, wenn auch zunächst nur für die SE Überblick: monistisches und dualistisches System In der Gemeinschaft existieren für die Organisation von Aktiengesellschaften grundsätzlich zwei verschiedene Modelle: das monistische und das dualistische System. 7 So sind Aktiengesellschaften in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden (große AG) zweigliedrig aufgebaut, während Aktiengesellschaften in Belgien, England, Griechenland, Irland, Italien, 8 Luxemburg, Portugal und Spanien über eine monistische Organverfassung verfügen. 9 Frankreich hat seinen sociétés anonymes die Wahl zwischen den beiden Systemen gelassen. 10 Neben der Hauptversammlung sieht das dualistische System, auch Trennungsmodell genannt, zwei Organe vor: Ein Leitungsorgan, das die Geschäfte führt, und ein Aufsichtsorgan, das das Leitungsorgan überwacht. 11 Die Mitglieder des Leitungsorgans werden vom Aufsichtsorgan bestellt, die Mitglieder des Aufsichtsorgans von der Hauptversammlung. Im monistischen System, auch Vereinigungsmodell oder board-system genannt, werden Geschäftsführung und Kontrolle von ein und demselben Organ wahrgenommen. 12 Die Mitglieder dieses Verwaltungsorgans werden grundsätzlich 13 von der Hauptversammlung bestellt und sind dieser verantwortlich. Das Vereinigungsmodell birgt auf der einen Seite eine gewisse Gefahr, da sich das Verwaltungsorgan selbst überwachen muß, ermöglicht auf der anderen Seite aber eine einfachere und schnellere Entscheidungsfindung und -durchsetzung. 14 In der Praxis haben sich die beiden Modelle stark angenähert, da im monistischen System die Geschäftsführung regelmäßig auf einige Mitglieder des Verwaltungsorgans übertragen wird, die von den nichtgeschäftsführenden Mitgliedern dieses Organs kontrolliert werden. 15 Im zweigliedrigen Modell bedürfen andererseits häufig eine Reihe von Geschäften der Zustimmung des Aufsichtsorgans. Der wichtigste verbleibende Unterschied zwischen den beiden Systemen ist, daß die Geschäftsführer im monistischen System Mitglieder des Verwaltungsorgans bleiben und daher bei dessen Beschlüssen stimmberechtigt sind, während im dualistischen System das Amt des Aufsichtsorganmitglieds mit der Mitgliedschaft im Leitungsorgan inkompatibel ist. 16 Da in der Praxis eine funktionale Gleichwertigkeit der Systeme erreicht worden ist, 17 läßt die SE-Verordnung wie der Vorschlag einer Fünften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (Strukturrichtlinie) beide Organstrukturen zu Vgl. Leupold, S Hopt, EuZW 2002, 1, der dies sogar als Durchbruch für Europa ansieht. 7 Vgl. auch von Werder, RIW 1997, Nach dessen Aktienrecht gibt es zwar ein Überwachungsorgan, dessen Befugnisse sind jedoch so stark eingeschränkt, daß die Organverfassung dem monistischen System näher steht, vgl. Leupold, S Vgl. Wenz, S. 74; Jaeger, S. 138; Leupold, S. 73; vgl. auch Gutsche, S. 174 f. 10 Vgl. Leupold, S Vgl. Behrens in Dauses, E III, Rn. 38 und 40; Wenz, S Vgl. Behrens in Dauses, E III, Rn. 41; Wenz, S Ein Teil der Mitglieder ist dann von den Arbeitnehmern zu bestellen, wenn die für die SE geltende Mitbestimmungsregelung dies vorsieht; vgl. Begründung der Kommission zu Art. 66 des Entwurfs von 1989, Bundesrats-Drucksache 488/89 vom Vgl. Wenz, S Vgl. Wenz,S. 73 und 80; Behrens in Dauses, E III, Rn. 38; Leupold, S. 75; v. Werder, RIW 1997, 304, So Raiser in FS Steindorf, S Vgl. Raiser in FS Steindorf, S ; ders. in FS Semler, S. 290; Abeltshauser, AG 1990, 289, 295.
3 408 7 Im Vierzehnten Erwägungsgrund betont der Verordnungsgeber jedoch, daß eine klare Abgrenzung der Verantwortungsbereiche jener Personen, denen die Geschäftsführung obliegt, und der Personen, die mit der Aufsicht betraut sind, wünschenswert sei, um sowohl eine leistungsfähige Geschäftsführung als auch eine wirksame Überwachung sicherzustellen. Der SE-Verordnungsgeber hat aber die Aufteilung in geschäftsführende und nicht-geschäftsführende Organmitglieder im monistischen System nicht vorgeschrieben. Vielmehr steht es in erster Linie zur Disposition des betreffenden Mitgliedstaates und in zweiter Linie in der Freiheit der Gesellschaft, ob die laufenden Geschäfte von einem oder mehreren Geschäftsführern oder dem gesamten Verwaltungsorgan geführt werden (Art. 43 I 2 SE-VO) Das dualistische System ist im Ersten Abschnitt (Art. 39 bis 42 SE-VO) normiert. Sondervorschriften für die monistische SE finden sich im Zweiten Abschnitt (Art. 43 bis 45 SE-VO). Viele Bereiche sind für beide Organisationsmodelle übereinstimmend im Dritten und Vierten Abschnitt (Art. 46 bis 60 SE-VO) geregelt. 3. Wahl eines Systems 9 Die Gründer der SE können gemäß Art. 38 SE-VO grundsätzlich zwischen den beiden Systemen wählen. a) Verhältnis zu nationalen Regelungen 10 Das gilt unabhängig davon, ob die nationalen Gesetzgeber Regelungen zu dem in ihrer Rechtsordnung bislang nicht normierten System schaffen oder nicht. Art. 39 V, 43 IV SE-VO, wonach die nationalen Gesetzgeber solche Regeln schaffen können, ist nicht so zu verstehen, daß mangels einer solchen Regelung die Wahlmöglichkeit nicht bestünde und die Gründer darauf verwiesen wären, doch das in dem betreffenden Staat für Aktiengesellschaften schon geltende System anzuwenden. 19 Nationale Regelungen zum Organsystem sind nach Art. 9 I c ii SE-VO insoweit nicht anwendbar, als sie nur eines der beiden Systeme vorsehen, da dieser Bereich in der SE-VO insbesondere Art. 38 SE-VO geregelt ist. 20 Eine Verpflichtung des nationalen Gesetzgebers, das in seiner Rechtsordnung fehlende Verwaltungssystem zu normieren, besteht allerdings nicht. 21 Trifft er keine Regelung, gelten die Vorschriften der SE-VO ohne Konkretisierung durch nationales Recht. 11 Dieses Wahlrecht kann insbesondere nicht durch das nationale Recht des Mitgliedstaates beschränkt werden, in dem die SE ihren satzungsmäßigen Sitz hat. 12 Das Gegenteil wird zu Unrecht unter Hinweis auf Art. 39 V und 43 IV SE-VO vertreten: 22 Danach kann ein Mitgliedstaat, sofern sein Recht hinsichtlich des einen Systems keine Regelung enthält, entsprechende Vorschriften erlassen; er sei dazu aber nicht verpflichtet. Wenn er den Erlaß entsprechender Bestimmungen unterlasse, könne die SE nur die am Sitzort für Aktiengesellschaften geltende Organverfassung annehmen. 13 Daß dies nicht richtig sein kann, zeigt der Vergleich mit den Entwürfen von 1991 und Nach dem Entwurf von 1989 waren die Gründer der SE in der Wahl einer Organisationsstruktur nicht beschränkbar, selbst wenn das nationale Aktienrecht ihres Sitzstaates lediglich eines der Systeme vorsah, 23 und zwar auch dann, wenn der Erlaß von Bestimmungen zu dem dem nationalen Aktienrecht fremden System nicht vorgeschrie- 18 Vgl. Art. 43 Rn. 1 ff. 19 Ebenso Kallmeyer, AG 2003, 137, 138 m.w.n. in Fn. 9; a.a. Werlauff, The SE-Company, Scandinavian Studies in Law, Vol Bungert/Beier, EWS 2002, 1, 3 (II 3 a); Hopt, EuZW 2002, 1; Lutter, BB 2002, 1, So mißverständlich Lutter, BB 2002, 1, 4; wie hier Hopt (EuZW 2002, 1) und Bungert/Beier (EWS 2002, 1, 3 (II 3 a)); a.a. Luke, NWB 2004, 695, So etwa Schulz/Geismar, DStR 2001, 1078, 1082; nicht eindeutig: Jahn/Herfs-Röttgen, DB 2001, 631, 633; zu dieser Problematik vgl. auch Schwarz, ZIP 2001, 1847, 1854 (Schwarz spricht dort zwar von der freien Wahl der Unternehmen zwischen dem dualistischen und dem monistischen System, sieht in Art. 39 V SE-VO aber nur eine Ermächtigungs- und keine Verpflichtungsnorm.). 23 Vgl. Kallmeyer, AG 1990, 103, 104.
4 409 Art. 38 SE-VO ben war. 24 Der Entwurf von 1991 sollte dann die Mitgliedstaaten ermächtigen, die Systemwahl zu beschränken. Diese Ermächtigung hat der Verordnungsgeber aber gerade nicht in die geltende Verordnung übernommen. Es ist daher den Mitgliedstaaten nach dem Willen des Verordnungsgebers verwehrt, der SE eines der beiden von der Verordnung vorgesehenen Systeme vorzuenthalten. 25 Eine nationale Systembeschränkung würde im übrigen auch Art. 68 I SE-VO widersprechen, wonach die Mitgliedstaaten alle geeigneten Vorkehrungen treffen, um das Wirksamwerden der SE-VO zu gewährleisten. Der Rat und die Kommission haben erklärt, daß diese Pflicht insbesondere für den Fall gilt, daß sich ein Mitgliedstaat veranlaßt sieht, für die SE spezielle Maßnahmen zur Anwendung dieser Verordnung zu treffen, weil es in seinem nationalen Recht bestimmte Rechtsstrukturen von Gesellschaften nicht gibt. 26 Schließlich wäre, wenn ein Mitgliedstaat in seinem Hoheitsgebiet nur ein System zuließe, die Sitzverlegung in sein Hoheitsgebiet erheblich erschwert und beschränkte damit die in Art. 43 i.v.m. 48 EGV gewährleistete Niederlassungsfreiheit. 27 b) Wahl in der Satzung Die Satzung 28 muß die gewählte Form bezeichnen. Ein Systemwechsel ist also nur mittels Satzungsänderung möglich. 29 Die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie ist erforderlichenfalls anzupassen. c) Auswirkungen der Arbeitnehmerbeteiligung auf die Wahl Weitgehend ungeklärt ist, wie sich die Wahl des monistischen Systems in den Staaten auswirken wird, die bislang das dualistische System und die Arbeitnehmer-Mitbestimmung im Aufsichtsrat vorschreiben (also in Deutschland, Österreich und den Niederlanden). Dort wird die Tendenz zum Board-System solange nicht sehr ausgeprägt sein, bis nicht Rechtssicherheit über die Rechte und Pflichten der im Board vertretenen Arbeitnehmervertreter herrscht Weitere Organe Art. 39 SE-VO zählt die möglichen Organe einer SE Hauptversammlung und Leitungsund Aufsichts- bzw. Verwaltungsorgan nicht abschließend auf. Das folgt aus der Erwähnung eines anderen Organ(s) in Art. 54 II SE-VO. 31 Ob zusätzliche Organe geschaffen werden können, richtet sich gemäß Art. 9 I c SE-VO nach nationalem Recht. Die gegenteilige Ansicht, 32 wonach die SE-VO die Rechte und Pflichten der Organe abschließend regle, so daß der Rückgriff auf nationales Recht versperrt sei, ist abzulehnen. Nach dieser Ansicht soll eine Regelung im Sinne des Art. 9 I c SE-VO vorliegen, auch wenn viele Vorschriften generalklauselartig und allgemein gehalten seien. Für die Einheitlichkeit der SE sei es unerläßlich, zu einer gemeinschaftsweit übereinstimmenden Ausfüllung dieser Normen zu gelangen. Diese Ansicht widerspricht der heutigen Kon Auch den Art. 39 V und 43 IV SE-VO entsprechende Vorschriften existierten nach diesem Entwurf nicht. 25 Hommelhoff, AG 2001, 279, 282 u. 284; Françoise Blanquet, Magistrat, Conseiller pour le Droit des sociétés à la DG Marché intérieur auf persönliche Anfrage. Elle (la SE) pourra adopter la structure moniste du Conseil d administration dans un Etat de structure dualiste ou avoir directoire et Conseil de surveillance dans un Etat de structure moniste. ; ebenso: Kleinsorge/Neye, BArbBl 4/2000, 5, Erklärungen für das Ratsprotokoll (zum geänderten Vorschlag vom ), Ratsdokument 14717/00 ADD 1 vom Vgl. Wenz, S. 75. Das Europäische Parlament (Bericht vom über den Entwurf einer Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), A5-0243/2001, S. 18) stellt fest: Die europäische Einigung verlangt nun, daß beide Systeme in jedem Land zur freien Wahl zur Verfügung stehen. 28 Zum Begriff der Satzung vgl. Art. 6 SE-VO. 29 Hommelhoff, AG 2001, 279, 283; Hopt, EuZW 2002, 1, Lutter, BB 2002, 1, 4; Hirte, NZG 2002, 1, Vgl. Gutsche, S Kunz, S. 128 ff.
5 410 zeption der SE-VO als Rahmenregelung, die rechtliche Unterschiede zwischen SE mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten hinnimmt. Die subsidiäre Anwendung nationalen Rechts ist notwendig, weil in der Verordnung wichtige Punkte nicht geregelt sind. 33 So wird nicht einmal die Vertretung der SE angesprochen, ebenso wenig etwa die Geschäftsordnung des Leitungsorgans oder die Lösung von Interessenskonflikten. Es ist daher bei jeder einzelnen Frage zu prüfen, ob sie von der SE-Verordnung abschließend geregelt wird. Ist dies nicht der Fall, kommt über Art. 9 I c ii SE-VO das Recht der Mitgliedstaaten zur Anwendung. 19 Zu beachten ist dabei aber, daß die SE-VO die Geschäftsführung und deren Überwachung in die alleinige Zuständigkeit der in Art. 38 SE-VO genannten Organe legt, so daß einem etwaigen weiteren Organ nur beratende Funktion zukommen kann. 34 II. Nationales Recht 1. Deutschland 20 Für deutsche Aktiengesellschaften gilt das dualistische System (Vorstand: 76 ff., AktG, Aufsichtsrat: 95 ff. AktG). Der deutsche Gesetzgeber hat von der Ermächtigung Gebrauch gemacht, für die SE mit monistischem System ausführliche ergänzende Regelungen zu treffen ( SEAG; vgl. dazu Art. 43 Rn. 51 ff.). 21 Weitere Leitungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgane gibt es nach deutschem Recht nicht. 2. Andere EU-Staaten a) Organisationsverfassung der nationalen Aktiengesellschaften (1) England 22 Nach englischem Recht ist ein Aufsichtsrat als eigenständiges Organ der Gesellschaft nicht vorgeschrieben. Man würde englische Gesellschaften daher dem monistischen System zuordnen. Es ist jedoch zu beachten, daß nach dem Ausgangspunkt des englischen Gesellschaftsrechts es den Gesellschaftern überlassen bleibt, wie sie die Gesellschaft organisieren. Memorandum und Articles of Association können daher ein System etablieren, daß dem dualistischen System von Vorstand und Aufsichtsrat entspricht, in dem Geschäftsleitungs- und Überwachungsaufgaben verschiedenen Personen/Personengruppen zugeordnet werden. Daher wurde im Diskussionsentwurf des englischen Umsetzungsgesetzes sogar davon gesprochen, daß das englische Recht weder dem monistischen, noch dem dualistischen System zuzuordnen ist. (2) Frankreich 23 Seit 1966 haben die Gründer einer Aktiengesellschaft die Wahl zwischen einem monistischen System ( klassisch französisches System ) und einem dualistischen System ( deutsches System ). (3) Niederlande 24 In den Niederlanden ist das dualistische System etabliert. Es gibt ein Leitungsorgan (leidinggevend orgaan), das die exekutiven Funktionen ausübt, und ein Aufsichtsorgan (toezichthoudend orgaan), das das Leitungsorgan berät und überwacht. Das Aufsichtsorgan ist nur für sogenannte große Gesellschaften verpflichtend. Im übrigen sind die Gesellschafter frei, ein Aufsichtsorgan einzurichten oder nicht. 25 Die Pflicht zur Schaffung des Aufsichtsorgans trifft Gesellschaften, wenn sie die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen (Stammkapital und Reserven in Höhe von mehr als Euro 13 Mio.; ein Betriebsrat ist etabliert; mehr als 100 Arbeitnehmer) erfüllen und demzufolge in drei aufeinanderfolgenden Jahren beim Handelsregister als große Gesellschaft registriert wurden. Der obligatorische Aufsichtsrat einer großen Gesellschaft hat 33 So wollen etwa Leupold (S. 100) und Gutsche (S. 83) über Art. 9 I c ii SE-VO die nationalen Bestimmungen über die Entlastung des Vorstands zur Anwendung bringen. 34 Vgl. Gutsche, S. 161.
6 411 Art. 38 SE-VO einen viel größeren Einfluß und größere Kompetenz als ein freiwillig eingerichteter Aufsichtsrat. Nach niederländischem Recht ist zwischen regulären und großen Gesellschaften zu unterscheiden. Einige für große Gesellschaften zwingende Regelungen kollidieren mit den Vorschriften der SE-VO. Daher sieht der Entwurf des Umsetzungsgesetzes vor, daß die SE eine reguläre Gesellschaft darstellt. Soweit die SE die Kriterien für eine große Gesellschaft erfüllt, kann sie jedoch Regelungen, die für diese Art von Gesellschaften vorgesehen sind, in ihre Satzung aufnehmen, soweit diese nicht gegen die Vorschriften der SE-VO verstoßen. (4) Österreich In Österreich gilt das dualistische System mit einem Leitungsorgan, dem Vorstand und einem Aufsichtsorgan, dem Aufsichtsrat. b) Regelungen für die dem nationalen Recht bislang unbekannte Organisationsform (1) England Nach der Begründung zum Entwurf des englischem Umsetzungsgesetzes werden keine gesetzlichen Regelungen zur Implementierung des dualistischen Systems geschaffen. Der englische Gesetzgeber geht davon aus, daß durch Memorandum und Articles of Association auch ein dualistisches System in einer SE installiert werden kann. Um eine möglichst große Flexibilität bezüglich der Organisation einer SE zu erhalten, will er keine gesetzgeberischen Maßnahmen ergreifen. Es soll vielmehr den Gesellschaftern der SE vorbehalten bleiben, nach ihren eigenen Vorstellungen die Organisation der SE zu gestalten. Dennoch sieht das englische Umsetzungsgesetz einige das dualistische System betreffende Regelungen vor. Regulation 61 des Gesetzes legt die Mindestzahl der Mitglieder des Leitungsorgans auf zwei fest; ebenso Regulation 62 die Mindestzahl der Mitglieder des Aufsichtsorgans. Weiterhin enthält Regulation 78 eine Reihe von Regelungen zur Aufgaben- und Kompetenzzuweisung im dualistischen System. (2) Frankreich In Frankreich waren beide Organisationssysteme schon bisher gesetzlich geregelt (siehe oben). Es bedarf daher keiner neuen gesetzlichen Regelungen im Rahmen der Umsetzung der SE-VO. Beide Systeme können von den Gründungsmitgliedern der SE in der Satzung frei gewählt werden. Der Gesetzesvorschlag MARINI sieht ausdrücklich vor, daß ein Wechsel zum jeweils anderen System einer Satzungsänderung bedarf. (3) Niederlande Der Entwurf des niederländischen Umsetzungsgesetzes sieht besondere Regelungen für das monistische System vor. Dieses kann durch eine notariell beurkundete Satzungsänderung eingeführt werden. Die Gesellschaft wird dann vom Verwaltungsorgan (bestuursorgaan) geführt. (4) Österreich Das SEG enthält in den 38 bis 60 umfassende Regelungen zur Ausgestaltung des monistischen Systems. Darüber hinaus gibt es in 35 bis 37 SEG das nationale AktG ergänzende Bestimmungen zum dualistischen System. c) Weitere Organe neben Leitungs-/Aufsichtsorgan bzw. Verwaltungsorgan (1) England Das Gesetz schreibt keine weiteren Organe vor. Die Gesellschafter sind jedoch frei, in der Satzung entsprechende Organe zu schaffen. (2) Frankreich Seit dem Gesetz NRE (nouvelles régulations économiques) vom kann die monistische SA wie folgt organisiert sein: 1. die Geschäftsführung obliegt dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats als PDG (Président directeur général)
7 412 oder 2. Die Geschäftsführung obliegt einem directeur général, welcher vom Verwaltungsrat bestellt wird. Der Vorsitzende des Verwaltungsrats ist hingegen nicht mit der Geschäftsführung betraut. Die Aufgabe des directeur général gleicht in dieser Struktur jener des engl. chief executive officer, die des Vorsitzenden des Verwaltungsrats jener des chairman of the board. (3) Niederlande 35 Das niederländische Gesellschaftsrecht unterscheidet folgende Gesellschaftsorgane: Hauptversammlung; Versammlung der Aktionäre bestimmter Aktiengattungen; das Vertretungsorgan/den Vorstand; das Aufsichtsorgan/den Aufsichtsrat; die gemeinsame Versammlung von Vertretungs- und Aufsichtsorgan. 36 Neben diesen Organen kann die Satzung weitere (beratende) Organe schaffen. (4) Österreich 37 Weitere Leitungs-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgane gibt es nach österreichischem Recht nicht.
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