75 Jahre Bücherverbrennung
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- Hansi Holst
- vor 8 Jahren
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1 Seite Jahre Bücherverbrennung Am 30. April 1938, wenige Wochen nach dem Anschluss Österreichs an NS-deutschland, fand auf dem Salzburger Residenzplatz die einzige öffentlich inszenierte Bücherverbrennung in der ostmark statt. TeXT: Sabine veits-falk u. Peter F. kramml FoToS: Stadtarchiv/Fotoarchiv Franz krieger/r.nowotny, Sammlung H. kutil Gedenktafel zur Erinnerung an die Bücherverbrennung an der Fassade der St. Michaels-Kirche am Residenzplatz.
2 Seite 31 Einladung des NS-Lehrerbundes zur Bücherverbrennung. Das demonstrative Vernichten von Büchern hat zwar eine lange Tradition, wurde vom NS-regime jedoch mit einer einzigartig übersteigerten Symbolik durchgeführt. Bücher nur zu verbieten, war den National - sozialisten zu wenig. Sie mussten brennen möglichst spektakulär und öffentlichkeitswirksam. Mit der reinigenden Kraft des Feuers wollte sich der Nationalsozialismus unerwünschter Meinungen und Überzeugungen entledigen. Die Bücherverbrennungen verliefen nach einer genauen Dramaturgie und wurden als Veranstaltungen konzipiert, die die Volksgemeinschaft stärken sollten. Als Aktion wider den undeutschen Geist hatte die deutsche Studentenschaft bereits am 10. Mai 1933 in 22 universitätsstädten hitlerdeutschlands spektakuläre Bücherverbrennungen durchgeführt. Dabei wurden Bücher jüdischer, marxistischer und pazifistischer Schriftsteller und Schriftstellerinnen verbrannt. AM DEuTSchEN VOrBiLD orientierte sich auch die symbolische Verbrennung jüdischer und klerikaler Bücher am 30. April 1938, am Vorabend des Tages der deutschen Arbeit, in Salzburg. Es handelte sich dabei um keine offizielle Veranstaltung des reichsgaues oder der Gauhauptstadt Salzburg, sondern um eine Aktion des Nationalsozialistischen Lehrerbundes, dem der zum Landesrat avancierte, im Ständestaat außer Dienst gestellte, prononcierte Nationalsozialist Karl Springenschmid vorstand. Die bislang nur aus einem Berliner Archiv bekannte Einladung, die im zuge des Projekts Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus auch in einer Salzburger Schulchronik entdeckt wurde, belegt dies und auch die zielrichtung ganz klar. Der NS-Lehrerbund, der vor dem Anschluss bereits 128 illegale Mitglieder gezählt hatte, wandte sich, wie das Titelbild doku mentiert, gegen Judentum, Ständestaat und Monarchie, wie die im Feuer lodernde Kaiserkrone, das Kruckenkreuz und der zionstern belegen. Ausführende waren, außer jenen, die Feuersprüche hielten, vor allem die Mitglieder der hitlerjugend, die auf den Bilddokumenten des Gaubildberichterstatters Franz Krieger deutlich sichtbar sind. Seine Fotos ermöglichen, entsprechend aufgehellt, auch den Standort des holzstoßes vor dem residenzbrunnen festzumachen. Ein Bild, das wohl vom rand des residenzbrunnens aufgenommen wurde, zeigt hinter dem Scheiterhaufen den Durchgang richtung Waagplatz. Die geschickten Propagandabilder mit zum Teil sehr jungen hitlerjungen vor dem lodernden Feuer es gab immerhin bereits Anfang 1938 mehr als 800 Mitglieder von illegaler hj und BdM im Land Salzburg dürfen nicht den Blick auf die Organisatoren und die damit Verantwortlichen im NS-Lehrerbund und auch an der Lehrerbildungsanstalt verdecken. Sie geben auch nicht preis, was in den Jugendlichen vorging und was
3 Seite 32 Bücherverbrennung am 30. April 1938 vor dem Residenzbrunnen. sie dabei dachten. Aus Zeitzeugeninterviews ist zum Beispiel bekannt, dass eine 17jährige BdM-Führerin, die an der Bücherverbrennung mitwirkte, bewusst zwei Bücher nicht ins Feuer warf: Schuschniggs Dreimal Österreich und Remarques Antikriegsroman Im Westen nichts Neues. Sie schmuggelte diese unter dem Rock nach Hause. Die Flammen kündigten eines der größten Verbrechen an Die Auswahl der Bücher in Salzburg unterschied sich deutlich von den deutschen Bücherverbrennungen im Jahr 1933: Die Salzburger Aktion richtete sich nicht nur gegen Werke jüdischer, pazifistischer sowie linker Schriftsteller und Schriftstellerinnen, sondern vor allem gegen Schriften katholischer Autoren, von Politikern des Ständestaats und Legitimisten. Außerdem wurden in Salzburg neben Leihbibliotheken und Buchhandlungen auch Privathaushalte aufgefordert, undeutsche Bücher abzugeben. Ende April erschien im Salzburger Volksblatt der Aufruf Deutsche, lest keine jüdischen Bücher, in dem 50 Autorinnen und Autoren genannt wurden, wie Heinrich Heine, Arthur Schnitzler, Alfred Döblin, Franz Werfel, Alexander Roda-Roda, Else Lasker-Schüler oder Vicki Baum. Als zentraler Ort der Inszenierung des Feuergerichts wurde der Residenzplatz, der alte Staatsplatz und zentrale Aufmarsch- und Versammlungsort in der Stadt Salzburg, ausgewählt. Karl Springenschmid führte in der Feuer rede programmatisch aus: Verbrannt, vernichtet sei alles, was an klerikaler Knechtung und jüdischer Verderbnis den Aufbruch einer wahrhaft deutschen Kultur verhinderte (Salzburger Volksblatt, 2. Mai 1938). Danach wurde der Scheiterhaufen entzündet und 1200 Bücher verbrannt. Um den Eindruck zu vermitteln, im Namen der ganzen Volksgemeinschaft zu handeln, warfen zwei Angehörige der Hitlerjugend und zwei Schüler, je ein Arbeiter, Bauer, Musiker und Soldat sowie ein SA- und ein SS-Mann Bücher unter der Proklamation von kern igen Urteilssprüchen ins Feuer: Es waren die Werke der katholischen, ständestaatlichen und legitimistischen Autoren bzw. Politiker Kurt Schuschnigg, Hans Pernter, Joseph August Lux, Pater Muckermann, Ernst Karl Winter, Otto Habsburg-Lothringen sowie die Bücher der jüdischen Autoren Stefan Zweig und
4 Seite 33 Residenzplatz am 1. Mai 1938 mit Brandspuren vor dem Residenzbrunnen. Siegfried Jacobsohn (letzterer für sein Buch über Max Reinhardt). Mächtig loderten die Flammen, hieß es in der Zeitung. Und die Flammen kündigten, wie wir heute wissen, eines der größten Verbrechen an der Menschheit an. Am Tag nach der Bücherverbrennung, am 1. Mai 1938, nahmen Volksgenossen nach einem Sternmarsch aus den Stadtteilen am Nationalen Feiertag des Volkes auf dem Residenzplatz teil, auf dem am Vortag auch ein traditioneller Maibaum aufgestellt worden war. Ein für die damalige Zeit seltenes Farbbild erinnert mit der Bodenverfärbung vor dem Residenzbrunnen an die denkwürdige Bücherverbrennung des Vorabends. Kurz danach stellte der Salzburger Oberbürgermeister den Antrag, den Residenzplatz als Platz aller großen Kundgebungen der nationalen Erhebung in Adolf-Hitler-Platz umzubenennen, was jedoch unterblieb. Im Herbst 1938 wandten sich die neuen Machthaber in der Ausstellung Entartete Kunst gegen, wie es hieß, die jüdisch-bolschewistische Zersetzungsarbeit auf allen Gebieten der Kunst. Man räumte das Franziskanerkloster, das Sitz der Gestapo wurde. In der so genannten Reichskristallnacht vom 9. auf 10. November 1938 wurde die jüdische Synagoge an der Lasserstraße zerstört und SA-Männer verwüsteten auch die letzten sieben, noch nicht arisierten jüdischen Geschäfte. 41 jüdische Männer wurden verhaftet und nach Dachau deportiert. Zur Wintersonnenwende, am 21. Dezember 1938, fand auch in Thalgau veranstaltet von der örtlichen SA eine Verbrennung der Literatur wider den deutschen Geist statt. Parteimitglieder hielten Feuersprüche und übergaben nicht nur Schriften, sondern wie belegt ist auch die Fahne des katholischen Burschenvereins, den Flammen. Drei Tage später erlebte Salzburg die ersten deutschen Weihnachten. Es sollten zugleich die letzten im Frieden vor einem sechsjährigen, mörderischen Weltkrieg sein! Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen Erst knapp 50 Jahre nach der Bücherverbrennung, 1987, begann auf Initiative der Salzburger Autorengruppe das Erinnern an dieses
5 Seite 34 HJ-Mitglied bei der Bücherverbrennung. Ereignis und seine Bedeutung. Erich Fried hielt damals eine beeindruckende Rede wurde eine Gedenkveranstaltung auf dem Residenzplatz abgehalten und im Folgejahr widmete sich eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek der Thematik. Nach einer schwierigen Standortsuche enthüllte die Stadt Salzburg im November 2011 an der Kirchenmauer von St. Michael als ereignisnahem und stark frequentiertem Ort eine Gedenktafel. Der erklärende Text wurde bewusst auch ins Englische übersetzt, um Salzburg-Besuchenden den mahnenden Inhalt zu vermitteln. Im Jänner 2012 folgte das Mahnmal von Zoltan Pap In Memoriam Bücherverbrennung im Innenhof der Fach bibliothek des Uniparks Nonntal jährt sich die Bücherverbrennung zum 75. Mal. Aus diesem Anlass hat die Initiative Das freie Wort den Anstoß für eine Reihe von Veranstaltungen, Projekten und Aktionen gegeben, die sich mit dem notwendigen Erinnern auseinandersetzen. Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen lautet das Zitat Heinrich Heines auf der Gedenktafel an der Fassade der Michaelskirche. Es bezieht sich auf die Verbrennung des Korans in Spanien zur Zeit der Inquisition und fordert uns auf, die Zeichen für Vernichtung und Zerstörung rechtzeitig zu erkennen. INFOS LITERATUR: Bücherverbrennung Gegen das Vergessen Ein Projekt der Universitätsbibliothek Salzburg in Kooperation mit der Internationalen Stefan Zweig Gesellschaft, 30. April bis 31. Mai 2008, Salzburg Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden. 75 Jahre Bücherverbrennung mit Barbara Coudenhove-Kalergi, Marko Feingold, Erich Hackl, Felix Mitterer, Oliver Rathkolb u. v. a. Veranstaltungen, Projekte und Aktionen der Initiative Freies Wort in der Stadt Salzburg im April 2013 rund um den Tag der Erinnerung an die Salzburger Bücherverbrennung 1938 (Folder), Salzburg Iglhauser, Bernhard: Hut ab vor diesen Bekennern! Thalgau (Thalgau 4), Thalgau Kramml, Peter F. und Roman Straßl: Der Salzburger Pressefotograf Franz Krieger ( ). Bildberichterstattung im Schatten von NS-Propaganda und Krieg (Schriftenreihe des Archivs der Stadt Salzburg 24), Salzburg Mahnen und Gedenken: Die Bücherverbrennung am 30. April 1938 auf dem Residenzplatz. Gedenktafel an der St.-Michaels-Kirche am Residenzplatz (Folder), Salzburg Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus, hg. von Peter F. Kramml, Sabine Veits-Falk, Thomas Weidenholzer und Ernst Hanisch, bisher erschienen: Bde. 1 3, Salzburg 2010 ff.
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