Der Gesetzgeber hat den Begriff der Pflegbedürftigkeit
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- Gerburg Albert
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1 Pflegebedürftigkeit Der Gesetzgeber hat den Begriff der Pflegbedürftigkeit im Elften Sozialgesetzbuch (SGB XI) definiert. Pflegebedürftig sind danach Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden täglichen Verrichtungen in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, und zwar auf Dauer, also voraussichtlich für mindestens sechs Monate. Was das im Einzelnen bedeutet, erläutern wir im nachfolgenden Kapitel. Dabei betrachten wir auch allgemeine Prinzipien näher, die den Gesetzgeber zu einzelnen Formulierungen bewogen haben. Die Entscheidungen der Pflegeversicherung werden so verständlicher.
2 36 Pflegebedürftigkeit Grundlegende Prinzipien Den Regelwerken zur Pflegeversicherung liegen bestimmte Prinzipien zugrunde, die im Folgenden erläutert werden sollen. Recht auf Selbstbestimmung Der pflegebedürftige Mensch soll nach Möglichkeit selbst über die Art seiner Pflege entscheiden und nicht den Entscheidungen anderer ausgeliefert sein. Deshalb haben Sie die Wahl, ob Sie sich von Angehörigen oder einem Pflegedienst zu Hause pflegen lassen möchten oder lieber in einem Heim untergebracht werden wollen. Entscheiden Sie sich für ein Pflegeheim, liegt es wiederum in Ihrer Hand, ob Sie beispielsweise eine kirchliche Einrichtung bevorzugen oder eine nichtreligiöse. Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit Grenzen werden allerdings durch das Gebot von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit gesetzt. Es gibt gesetzlich vorgesehene Leistungen, die für alle Personen, die aus der Pflegeversicherung Leistungen beziehen, gleich sind. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es sich hierbei um die für die Pflege notwendigen Leistungen handelt. Andere Leistungen, die für die Pflege nicht unbedingt notwendig sind, werden auch nicht erbracht. Insbesondere bei Hilfsmitteln übernimmt die Pflegeversicherung nur die Kosten für das kostengünstigere Hilfsmittel, dieses muss aber den Bedürfnissen der Pflege gerecht werden. Wenn Sie beispielsweise ein Pflegebett benötigen, aber selbst noch in der Lage sind, ohne technische Vorrichtungen in und aus dem Bett zu gelangen, müssten Sie einen Motor selbst finanzieren. Wenn ein Motor für die Pflege notwendig ist, müssen die Kosten von der Pflegeversicherung übernommen werden. Außerdem ist die Pflegeversicherung von vornherein darauf ausgelegt, nur einen Teil der Pflegekos-
3 Grundlegende Prinzipien 37 ten zu übernehmen. Sie wird deshalb auch als Teilkaskoversicherung bezeichnet. Vorrang der häuslichen Pflege Gerade für ältere Menschen ist es meist schwierig, ihre teilweise jahrzehntelang bewohnten Häuser oder Wohnungen und ihr gewohntes soziales Umfeld zu verlassen und in ein Heim umzuziehen. Die Pflege zu Hause hat deshalb Vorrang vor der stationären Pflege in Heimen. Außerdem bewirkt der Vorrang der häuslichen Pflege vor der stationären Pflege eine erhebliche Kostenersparnis zugunsten der Pflegekassen und Sozialhilfeträger. Prävention und Eigenverantwortung Die Bevölkerung und auch die Sozialleistungsträger sollen durch Präventionsmaßnahmen dafür sorgen, dass es erst gar nicht zum Eintritt eines Pflegefalls kommt. Im Bereich der Krankenversicherung sind deshalb eine Vielzahl von Bonusprogrammen geschaffen worden, die einen gesundheitsbewussten Lebenswandel und regelmäßige Vorsorgemaßnahmen unterstützen und belohnen. Wenn durch einen Unfall oder eine schwere Erkrankung dennoch Tipp Wenn Ihnen Entscheidungen der Pflegeversicherung nicht gleich einleuchten, betrachten Sie die Entscheidung über Ihr Begehren unter Pflegebedürftigkeit eintritt, sol- Berücksichtigung der genannten Grundprinzipien. Einige der Entscheidungen sind dann len Sie nach Möglichkeit selbst aktiv besser nachvollziehbar, bei anderen hilft nur das an der Genesung mitwirken, damit Einlegen von Rechtsmitteln. dieser Zustand nicht dauerhaft anhält.
4 38 Pflegebedürftigkeit Krankheit oder Behinderung Die gesetzliche Definition der Pflegebedürftigkeit setzt voraus, dass der Pflegebedarf durch eine Krankheit oder Behinderung oder durch beides zusammen verursacht wurde. Krankheiten und Behinderungen sind regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustände, welche die Ausübung der normalen Körperfunktionen beeinträchtigen. Der Gesetzgeber hat hierzu einzelne Krankheitsgruppen aufgeführt: Krankheitsgruppen Verluste, Lähmungen oder andere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat: Hierzu gehören zum Beispiel der Verlust von Gliedmaßen wie Armen und Beinen, Querschnittslähmungen oder Lähmungen nach Schlaganfällen, Fehlbildungen von Knochen und Gelenken, Muskelschwund oder Durchblutungsstörungen. Funktionsstörungen der inneren Organe oder der Sinnesorgane: Dies können Herz- und Kreislauferkrankungen sein oder Erkrankungen der anderen inneren Organe wie Magen, Darm, Leber oder Nieren, beispielsweise mit einem künstlichen Darmausgang oder dem Erfordernis der Dialyse. Hinzu kommen Erkrankungen der Sinnesorgane wie Taubheit oder Blindheit. Störungen des Zentralnervensystems wie Antriebs-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen sowie endogene Psychosen, Neurosen oder geistige Behinderungen: Hierzu gehören beispielsweise bestimmte Arten von Neurosen oder manisch-depressive Erkrankungen. Die Aufzählungen sind nicht abschließend. Reine Alterserscheinungen wie Altersschwäche, aber auch die Notwendigkeit der Beaufsichtigung bei Kindern, können für sich genommen die Pflegebedürftigkeit nicht begründen. Hinzukommen muss immer noch eine Erkrankung oder Be-
5 Tägliche Verrichtungen 39 hinderung, welche die Hilfebedürftigkeit mitverursacht. In der Praxis wirkt sich diese Unterscheidung allerdings nur selten aus, da viele alte Menschen nicht nur Alterserscheinungen aufweisen, sondern auch an diversen Krankheiten leiden. Andererseits darf aber auch keine Aufteilung der Ursachen für die Pflegebedürftigkeit erfolgen, indem eine Altersschwäche hinweggedacht wird und nur die reinen Krankheiten oder Behinderungen betrachtet werden. Maßgeblich für die Beurteilung, ob Hilfebedürftigkeit und damit auch Pflegebedürftigkeit besteht, ist immer eine Gesamtbetrachtung der einzelnen Gesundheits- und Funktionsstörungen. Die Art oder Schwere der Erkrankung ist dabei nicht maßgeblich. Ergibt sich aus einer schweren Krankheit keine Hilfebedürftigkeit, wird folglich auch keine Pflegebedürftigkeit festgestellt werden. Die Ärzte diagnostizieren bei Frau Müller eine Krebserkrankung. Sie gehen davon aus, dass sie nur noch wenige Monate leben wird. Trotz der Erkrankung kann Frau Müller aus dem Krankenhaus entlassen werden und benötigt im Alltag vorerst keinerlei Hilfen durch andere Personen. Zweifelsfrei leidet Frau Müller an einer sehr schweren Krankheit. Da sie bei den Verrichtungen des täglichen Lebens aber nicht auf Hilfe angewiesen ist, besteht keine Pflegebedürftigkeit. Tägliche Verrichtungen Pflegebedürftige Menschen benötigen in vielerlei Hinsicht Hilfe. So auch bei alltäglichen Verrichtungen wie der Körperpflege, dem Gehen oder Essen. Diese Hilfe kann als die eigentliche Pflege bezeichnet werden. Allerdings spielen nicht alle Hilfestellungen bei der Frage nach der Pflegebedürftigkeit
6 40 Pflegebedürftigkeit eine Rolle. Vielmehr gibt es einen abschließenden Katalog von gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, die berücksichtigt werden. Sie können jeweils einem der folgenden Bereiche zugeordnet werden: Körperpflege Ernährung Mobilität und hauswirtschaftliche Versorgung. Die ersten drei Bereiche werden auch als Grundpflege bezeichnet. Die abschließende Aufzählung hat zur Folge, dass Hilfstätigkeiten, die nicht zu einem der vier Bereiche gehören, nicht zu einer Pflegebedürftigkeit führen, auch wenn die Tätigkeiten ebenfalls durch Krankheit oder Behinderung verursacht werden. Neben den Auswirkungen des Schlaganfalls entwickeln sich bei Frau Müller zunehmend geistige Probleme. So kann sie beispielweise Gefahren im Alltag nicht mehr einschätzen. Immer wieder kommt es vor, dass sie Wasserhähne aufdreht, am Herd spielt oder versucht, auf eigene Faust die Umgebung ihres Hauses zu erkunden, ohne sich möglicher Gefahren für sich selbst oder für andere bewusst zu sein. Herr Müller und seine Kinder müssen sie deshalb ständig beaufsichtigen. Die Beaufsichtigung von Frau Müller bedeutet für die Familie einen erheblichen Zeitaufwand. Schließlich soll sie weder sich selbst noch andere Personen durch ihre Handlungen gefährden. Zwar ist dieser Zustand durch eine Erkrankung entstanden, die Beaufsichtigung zur Vorsorge einer Eigen- oder Fremdgefährdung lässt sich aber keiner der vorgegebenen Katalogverrichtungen zuordnen. Bei der Beurteilung, ob Pflegebedürftigkeit vorliegt, wird eine solche Beaufsichtigung also nicht berücksichtigt. Etwas anderes gilt dagegen, wenn Frau
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