Makroskop. Kritische Analysen zu Politik und Wirtschaft. Zur Lage am US-Immobilienmarkt: Aufleben nach schwerer Krise
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1 1 Makroskop Kritische Analysen zu Politik und Wirtschaft. Zur Lage am US-Immobilienmarkt: Aufleben nach schwerer Krise Jörg Bibow Mittwoch den 8. Januar 2014 Zur letzten US-Immobilienpreisblase wurde sicher schon vieles geschrieben. Kein Wunder, schließlich löste das Platzen dieser gewaltigen Blase auch den Fast- Zusammenbruch des Weltfinanzsystems und die schwerste Weltwirtschaftskrise seit der Großen Depression der dreißiger Jahre aus. Das galt auch für Amerika selbst: Verbunden mit starken regionalen Unterschieden sanken die US-Immobilienpreise im Landesdurchschnitt zwischen dem Höhepunkt im Sommer 2006 und dem Tiefpunkt im Winter 2012 um rund 35 Prozent, der Bau von Einfamilienhäusern brach zwischen Anfang 2006 und Anfang 2009 um fast 80 Prozent ein, und über 2 Millionen Arbeitsplätze gingen im Baugewerbe insgesamt verloren. Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum vor der Krise waren stark vom Bauboom getragen gewesen. Wie ein Flächenbrand entfaltete der Zusammenbruch dann auch eine gewaltige kontraktive Streuwirkung in der Wirtschaft. Die große Multiplikator-Wirkung dieses Sektors in der US-Volkswirtschaft geht dabei nicht allein auf reine Einkommenseffekte zurück. Weitreichend ist auch die Bedeutung von Immobilien als wichtigste Vermögensanlage von Haushalten und noch mehr als Sicherheit für Grundschulden, die wiederum eine zentrale Rolle im Finanzsystem spielen. Der sogenannte Vermögenseffekt von Immobilienpreisen ist grundsätzlich zwiespältig. Ein Hauspreiscrash mag Hauseigentümern das Gefühl geben, sie wären entsprechend dem Preisverfall ärmer geworden, selbst wenn sie weiterhin im selben Haus wohnen sollten. Doch entsprechend dürften sich dann wohl auch Nicht-Hauseigentümer, also potenzielle Käufer, umso reicher fühlen: der Traum vom Eigenheim wurde schließlich für sie über Nacht entsprechend erschwinglicher. Darum ist es wichtig, dass die große Mehrheit der Amerikaner bereits Hauseigentümer ist. Während Finanzvermögen weitgehend auf wohlhabende Haushalte konzentriert ist, ist Immobilienbesitz viel breiter gestreut, so dass auch der Durchschnittsamerikaner von Preisentwicklungen in diesem Sektor betroffen ist. So spiegelt auch die Entwicklung der Hauseigentümerquote (vgl. Abbildung 1) die Schwere der US-Immobilienmarktkrise wider und das jähe Ende eines amerikanischen Traums. Abbildung 1 Copyright 2016 Makroskop - 1 /
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3 3 Der Kern der großen Bedeutung von Immobilien für die US-Wirtschaft liegt in ihrer hervorgehobenen Rolle als Kreditsicherheit. Zum Höhepunkt der Blase hatten selbst solche Haushalte Kredite erhalten, die teilweise weder Eigenkapital noch hinreichend Einkommen hatten. Die Erwartung weiterhin steigender Immobilienpreise lies selbst derart riskante Kredite als vermeintlich sicher erscheinen. Der Schaden durch Kreditausfall lag bei solchen Extremkrediten allein beim Kreditgeber (bzw. beim Finanzinvestor in verbriefte, durch derartige Kreditsicherheiten gedeckte Finanztitel), weil die Schuldner kein Eigenkapital zu verlieren hatten und Immobilienkredite in Amerika non-recourse Charakter haben, was bedeutet, dass der Schuldner nach Hausschlüsselübergabe an die Bank keine weitere Haftung gegenüber dem Kreditgeber trägt und diese somit auch keinen über die Immobilie als Sicherheit hinausgehenden Rückgriffsanspruch an den Kreditnehmer hat. Doch die Krise betraf eben nicht nur die sogenannten Subprime Grundschulden von Schuldnern geringer oder gar zweifelhafter Bonität. Vielmehr zog das Subprime Marktsegment den gesamten Immobilienmarkt mit in den Keller, nachdem es zuvor auch zentraler Auftriebskörper der Blase gewesen war. Und bei einem durchschnittlichen Preisverfall von 35 Prozent waren dadurch auch viele Durchschnittsamerikaner mit ganz gewöhnlichen Grundschulden finanziell unter Wasser geraten und wiesen negatives Eigenkapital in ihrer persönlichen Vermögensbilanz auf. Eine weite Verbreitung solcher unter Wasser (oder: negative equity ) Haushalte stellt dann in mehrfacher Hinsicht einen wichtigen Bremsklotz für die Konjunktur dar. Wurde das Eigenkapital durch Preisverfall komplett verbrannt und ist negativ, entsteht zum einen Druck zum Sparen, also einen geringeren Anteil des laufenden Einkommens auszugeben, um einen gesunden Status der Vermögensbilanz wiederherzustellen; was auch den Versuch des Verkaufs anderer Vermögenswerte zum Zweck der Schuldentilgung beinhalten kann. Dieser Druck ist umso stärker, wenn Copyright 2016 Makroskop - 3 /
4 4 zugleich auch noch Angst vor einem möglichen Arbeitsplatzverlust besteht. Zumal negatives Eigenvermögen Haushalte auch im Hinblick auf Arbeitsplatzwechsel immobil macht. Denn es ist schwierig bis unmöglich, einen neuen Kredit zum Kauf einer neuen Immobilie zu erhalten, solange das alte Haus bestenfalls mit Verlust verkauft werden kann. Zum anderen sind Haushalte mit negativem Eigenvermögen aber auch deshalb besonders in der Klemme, weil sie von der Gunst der Niedrigzinspolitik der Federal Reserve ausgeschlossen bleiben. Grundsätzlich ist die Umschuldung von Hypothekendarlehen bei sinkenden Zinsen in Amerika relativ einfach: Man nimmt einfach einen neuen Kredit (mit niedrigeren Zinsen) auf, um damit den alten (mit höheren Zinsen) vorzeitig abzulösen. Die Refinanzierung gestattet so eine schnelle Senkung der Zinslast, was die Wirksamkeit der Geldpolitik in der Rezession erhöht. Nur bekommt man halt keinen neuen Kredit, solange man nicht das notwendige Eigenkapital aufweist oder gar unter Wasser ist. So erzeugte das Platzen der Immobilienpreisblase sowohl im Finanzsystem als auch bei vielen Durchschnittsamerikanern, und zwar selbst unter denen, die nicht ihren Arbeitsplatz verloren hatten, gehörigen Druck zum Schuldenabbau ( Deleveraging ) aus. Das Kreditvergabeverhalten der Immobilienfinanzierer ist seit der Krise sehr viel restriktiver. Und amerikanische Haushalte haben nicht nur insgesamt den Gürtel enger geschnallt und ihre Sparquote erhöht, sondern hielten sich insbesondere bei Immobilieninvestitionen deutlich zurück. Immobilienmarkt und Bautätigkeit dümpelten nach dem krassen Einbruch jahrelang auf tiefstem Niveau dahin. Die eher zaghaften Hilfsprogramme der Regierung brachten nur jeweils leichte und auch nur vorübergehende Unterstützung. Abbildung 2 Copyright 2016 Makroskop - 4 /
5 Copyright 2016 Makroskop - 5 /
6 6 Abbildung 3 Copyright 2016 Makroskop - 6 /
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8 8 Seit Sommer 2012, also nach fünf Jahren Krise, hat eine recht kräftige und möglicherweise nachhaltige Erholung eingesetzt. Die Immobilienpreise sind zwar selbst nominal immer noch rund 20 Prozent unter ihrem (Blasen-) Höchststand von vor sieben Jahren, stehen aber nun rund 25 Prozent über ihrem Tiefstand, und sie steigen momentan mit einer jährlichen Rate von fast 14 Prozent. Entsprechend der Trendwende bei der Hauspreisentwicklung sind auch die oben beschriebenen, für die Volkswirtschaft so bedeutsamen Prozesse wieder in die andere Richtung in Bewegung gekommen. Die Erholung der Immobiliennachfrage erzeugte steigende Bautätigkeit und Beschäftigung mit entsprechenden Einkommensmultiplikatorwirkungen. Die Zahl von unter Wasser Haushalten sank deutlich, ebenso die Zahl von Immobilienzwangsversteigerungen. Gemeinsam mit der verbesserten Lage am Arbeitsmarkt sorgte auch die allgemeine Verbesserung im Vermögensstatus der privaten Haushalte für steigende Zukunftserwartungen und Konsumentenvertrauen sowie leichteren Zugang zu Krediten. Dabei verbleibt noch viel Raum für eine weitere Erholung und Normalisierung im Immobiliensektor. Langfristig sind Haushaltsneugründungen (quasi: Erweiterungsinvestitionen) und Hausabriss (quasi: Ersatzinvestitionen) entscheidend für den Bedarf (oder: Nachfrage) nach Wohnraum; Schätzungen für den Bau neuer Einfamilienhäuser gehen von 1-1,5 Millionen Einheiten pro Jahr aus. Die tatsächliche Anzahl neuer Einfamilienhäuser hat sich zwischenzeitlich von unter im Tiefpunkt auf heute gut erhöht. Kurzfristig lastet immer noch ein aus den Boomjahren stammender Überhang von Immobilien auf dem Bausektor, es gibt immer noch ungewöhnlich viele leer stehende Häuser. Und neben der nur mäßigen allgemeinen Wirtschaftslage ist zu berücksichtigen, dass sich auch andere für die Immobiliennachfrage besonders wichtige Faktoren wie etwa die Einwanderung und die Rate der Haushaltsgründungen bislang nur teilweise von der Krise erholt haben. Weitere neue Trends sind hier ebenfalls relevant wie etwa die verstärkte Bedeutung von Mehrfamilienhäusern und Mietwohnungen seit der Krise. Die im Vergleich zur Copyright 2016 Makroskop - 8 /
9 9 noch immer eher verhaltenen Bautätigkeit recht kräftigen Preissteigerungen werden dabei mit dem verstärkten Engagement von Finanzinvestoren (oder Spekulanten?) in Verbindung gebracht. Auch dieses Merkmal des Immobilienpreisbooms manche Beobachter reden gar von einer neuen Blase kann man wohl als einen weiteren Nebeneffekt der Niedrigzinspolitik der Federal Reserve ansehen. So stellt sich heute die dringende Frage, wie sich der deutliche Anstieg der langfristigen Zinsen seit dem Frühjahr auf die amerikanische Wirtschaft insgesamt und speziell auf den Immobilienmarkt auswirken wird. Zumal das Interesse von Finanzinvestoren schon deshalb nachlassen dürfte, weil die Preise heute eben nicht mehr auf Schnäppchenniveau sind. Und auch für den Durchschnittsamerikaner, Eigenkapital und Zugang zu Kredit vorausgesetzt, wird die Entscheidung zwischen Miete oder Eigentum durch abnehmende Erschwinglichkeit des Letzteren wieder zunehmend schwierig. Die Konjunktursignale vom amerikanischen Immobilienmarkt waren in den letzten Monaten gemischt. Die stark steigenden Immobilienpreise selbst sind dabei ein eher hinterherlaufender Indikator. Ebenso Neubaustarts und Verkäufe von Neubauten, die weiterhin gestiegen sind. Unter den vorlaufenden Indikatoren haben sich Anträge auf Baugenehmigungen bislang wacker gehalten. Dagegen sind die sich anbahnenden Verkäufe ( pending sales ) stark eingebrochen, der Refinanzierungsboom ist zum Erliegen gekommen, und auch das Vertrauen der Immobilienmakler, das als Indikator der augenblicklich verspürten Nachfrage gilt, hat nach zuvor rasanter Erholung einen spürbaren Rückschlag erlitten. Wir haben den Wohnungsbau hier als Investition behandelt, was der gängigen Praxis in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung entspricht. Neue Wohnungseinheiten können wohl auch durchaus verbesserte Wohn-, Gesundheits-, und Lebensqualität bedeuten, was die Arbeitsproduktivität begünstigen mag. Doch im Grunde handelt es sich weniger um Investitionen als um langlebige Konsumgüter. Der Wohnungsbau ermöglicht kaum höhere Produktion in der Zukunft. Unternehmerische Investitionen in Ausrüstungen und Produkte geistigen Eigenturms sind hierfür gefordert schwächeln aber trotz bester Profitlage weiterhin. So bleibt die weitere Erholung des Immobilienmarktes und Bausektors ein absolut unverzichtbarer Bestandteil für den Fortbestand des Konjunkturaufschwungs in den USA. Im letzten Jahr war die Trendwende im Immobiliensektor wohl maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Bremswirkung der kontraktiven US Fiskalpolitik nicht noch stärker ausgefallen ist. Grundsätzlich wäre dabei eine verstärkte Bautätigkeit bei weniger rasant steigenden Preisen wünschenswert. Die Federal Reserve wird sehr vorsichtig agieren müssen. Das Ausklingen der massiven Wertpapierkäufe ( QE tapering ) zeichnet sich ab. Bei den Verhandlungen um den Bundeshaushalt zeichnet sich aber auch eine Nichtverlängerung der Bezugszeit von Arbeitslosengeld für Langzeitarbeitslose ab, was die (Headline-) Arbeitslosenquote schon bald noch mehr beschönigen würde. Damit entstehen neue Herausforderungen für die Kommunikationspolitik und Markterwartungssteuerung der Federal Reserve. Amerikas Zentralbank wird kreativ sein müssen, um die langfristigen Zinsen niedrig zu halten, unter anderem niedrig genug für den Fortbestand der Erholung im amerikanischen Immobiliensektor, und zwar ohne dabei Copyright 2016 Makroskop - 9 /
10 10 eine neue Blase zu riskieren. Copyright 2016 Makroskop - 10 /
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