Chaos bei den Freiberufler-Gesellschaften
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- Petra Weiss
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1 Thomas Wachter, Notar, München Chaos bei den Freiberufler-Gesellschaften Kapitalgesellschaften: Weitgehend klare Verhältnisse Eine Kapitalgesellschaft kann zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck gegründet werden (s. 1 GmbHG). Demnach ist die Zulässigkeit einer Freiberufler-GmbH und/oder -AG heute zumindest für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftprüfer gesellschaftsrechtlich allgemein anerkannt (s. für die GmbH Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, 1 Rz. 8 u. 13; Emmerich in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, 1 Rz. 14 ff., und für die AG Dauner-Lieb in Köln.Komm.AktG, 3. Aufl. 2010, 3 Rz. 14 ff.). Nicht überzeugend ist es dagegen, wenn manche freie Berufe (wie etwa Architekten, Ingenieure oder Apotheken; s. 8 ApoG) teilweise weiterhin von der Rechtsform der Kapitalgesellschaft ausgeschlossen werden (Art. 12 Abs. 1 GG). Das Berufsrecht erkennt die Rechtsform der Freiberufler- Kapitalgesellschaft heute gleichfalls überwiegend an (s. etwa für Rechtsanwälte 59c ff. BRAO, für Steuerberater 32 Abs. 3, 49 ff. StBerG, und für Wirtschaftsprüfer 1 Abs. 3, 27 ff. WPO). In der Praxis sind Anwalts-, Steuerberatungs- und/oder Wirtschaftsprüfungs- Kapitalgesellschaften weit verbreitet (empirische Daten zur Rechtsanwalts-AG jüngst bei Bayer, Aktienrecht in Zahlen, Sonderheft Die Aktiengesellschaft, August 2010, S. 24 ff.). Steuerrechtlich gelten für die Freiberufler- Kapitalgesellschaft keine Besonderheiten: Die Einkünfte der Kapitalgesellschaft unterliegen der Körperschaft- und Gewerbesteuer (s. 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, 2 Abs. 2 S. 1 GewStG). Personengesellschaften: Weiterhin ungeklärte Rechtslage
2 Traditionelle Rechtsform für die gemeinsame Ausübung eines freien Berufs ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ( 705 ff. BGB; s. dazu nur Sprau in Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, 705 Rz. 49 ff.; Ulmer in Münch.Komm.BGB, 5. Aufl. 2009, Vor 705 Rz. 36 ff.). Die Zulässigkeit eines solchen Zusammenschlusses ist sowohl gesellschaftsrechtlich als auch berufsrechtlich allgemein anerkannt (selbst in 8 ApoG; ferner etwa in 59a BRAO, 56 StBerG, 44b WPO). Seit 1994 können sich Angehörige freier Berufe darüber hinaus auch zu einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenschließen und ins Partnerschaftsregister eintragen lassen ( 1 ff. PartGG). Berufsrechtliche Beschränkungen (dazu 1 Abs. 3 PartGG) bestehen nur in wenigen Einzelfällen (s. etwa 8 ApoG). Umstritten war und ist dagegen, ob und inwieweit sich Angehörige eines freien Berufs auch der Rechtsform der Personenhandelsgesellschaften (vor allem der OHG und/oder der KG) bedienen können. Aufgrund der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung besteht dabei vor allem für die Rechtsform der GmbH & Co. KG ein erhebliches praktisches Bedürfnis. BGH: Unzulässigkeit der Rechtsanwalts-GmbH & Co. KG Nach den gesetzlichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs kann eine OHG bzw. KG nur dann errichtet werden, wenn ihr Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes ( 105 Abs. 1, 161 Abs. 1 HGB) oder die Verwaltung von eigenem Vermögen ( 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB) gerichtet ist. Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb ( 1 Abs. 2 HGB; dazu statt vieler Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, 1 Rz. 11 ff.). Die Angehörigen der freien Berufe betreiben nach ihrem traditionellen Berufsbild und der geltenden Verkehrsanschauung kein Gewerbe (so ausdrücklich 2 BRAO, 32
3 Abs. 2 StBerG, 1 Abs. 2 WPO; s. ferner u.a. 1 Abs. 1 S. 2 PartGG, 6 Abs. 1 GewO, 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Nachdem es sich bei Rechtsanwalts-, Steuerberatungsund Wirtschaftprüfungsgesellschaften heute nicht selten um global agierende Unternehmen mit Millionenumsätzen handelt, erscheint deren Herausnahme aus dem Handelsgesetzbuch rechtspolitisch zunehmend fragwürdig (seit langem kritisch Karsten Schmidt in Münch.Komm.HGB, 3. Aufl. 2010, 1 Rz. 32 ff., DB 1998, 61 ff. und DB 2009, 271 ff.). Auf der Grundlage des geltenden Rechts ist aber anzuerkennen, dass der Begriff des Handelsgewerbes die freien Berufe nicht umfasst. Auf dieser Linie liegt auch eine aktuelle Entscheidung des Anwaltssenats des BGH v AnwZ (Bfrg) 18/10, GmbHR 2011, 1036 in diesem Heft, wonach eine Rechtsanwaltsgesellschaft kein Gewerbe ausübt und demnach nicht in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG betrieben werden kann (ebenso bereits die Vorinstanz, BayAGH München v I-1/10, NJW-RR 2011, 562). Eine Rechtsanwalt-GmbH & Co. KG kann somit auch nicht in das Handelsregister eingetragen werden. Dem gesellschaftsrechtlichen Verbot der Rechtsanwalts-GmbH & Co. KG entspricht auch das Berufsrecht der Rechtsanwälte, dass den Zusammenschluss von Rechtsanwälten in einer Personenhandelsgesellschaft nicht vorsieht ( 59c Abs. 1 BRAO). BGH: Zulässigkeit der Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs-GmbH & Co. KG? Auf der Grundlage dieser h.m., die jüngst durch den BGH nochmals bestätigt worden ist, müsste der Weg in die Personenhandelsgesellschaft an sich für die Angehörigen aller freien Berufe (und nicht nur für Rechtsanwälte) verschlossen sein. Dem ist aber jedenfalls nach Auffassung des BGH nicht so. Der BGH geht nämlich davon aus, dass
4 Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern (anders als Rechtsanwälten) die Rechtsform der GmbH & Co. KG offensteht (BGH, aao, Rz. 17 ff.). Unter Hinweis auf die Geschichte des Berufsrechts führt der BGH aus, dass für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer eine Berufsausübung in Form einer Handelsgesellschaft seit jeher üblich gewesen sei. Demgegenüber sei das Berufsbild der Rechtsanwälte als Organ der Rechtspflege weit weniger gewerblich geprägt als das der der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Berufen würden daher auch verschiedene Normierungen rechtfertigen. Dieser Teil der Entscheidung des BGH erscheint nicht überzeugend. Die Angehörigen aller freien Berufe betreiben gleichermaßen kein Gewerbe (für Steuerberater 32 Abs. 2 StBerG, und für Wirtschaftsprüfer 1 Abs. 2 WPO). Der Umstand, dass Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Einzelfällen auch gewisse gewerbliche Tätigkeiten (z.b. Treuhandtätigkeiten) ausüben können steht dem nicht entgegen. Prägend ist aber auch dabei regelmäßig die freiberufliche (und nicht etwa die gewerbliche) Tätigkeit (so auch BGH, aao, Rz. 9, für die Rechtsanwaltsgesellschaft). Gesellschaftsrechtlich können die Angehörigen der freien Berufe de lege lata demnach keine Personenhandelsgesellschaft errichten. Bei Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungspersonenhandels gesellschaften, die gleichwohl im Handelsregister eingetragen worden sind, handelt es sich somit um bloße Schein-OHG s bzw. -KG s. Tatsächlich sind dies Gesellschaften bürgerlichen Rechts, bei denen alle Gesellschafter unbeschränkt persönlich haften (ausführlich dazu Tersteegen, NZG 2010, 651 ff.). Das Berufsrecht der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer erkennt die Rechtsform der GmbH & Co. KG allerdings ausdrücklich an (s. 49 Abs. 1 u. 2, 50 Abs. 1 S. 3 StBerG, 27 Abs. 1 u. 2, 28 Abs. 1 S. 2 WPO). Die berufsrechtliche Anerkennung dieser Form der gemeinsamen Berufsausübung
5 ändert allerdings nichts daran, dass die Rechtsform der GmbH & Co. KG gesellschaftsrechtlich unzulässig ist. Steuerrechtliche Fiktion eines Gewerbebetriebs Steuerrechtlich ist umstritten, ob eine Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG eine gewerbliche oder eine freiberufliche Tätigkeit ausübt. Nachdem bei einer GmbH & Co. KG nur die Kommanditisten, nicht aber die Komplementär-GmbH die Merkmale eines freien Berufs (i.s.v. 18 EStG) erfüllen, erzielt die Kommanditgesellschaft aufgrund einer gesetzlichen Fiktion ( 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) insgesamt gewerbliche Einkünfte (die dann auch der Gewerbesteuer unterliegen, 2 Abs.1 S. 2 GewStG) (so auch BT-Drucks. 16/7077, S. 30). Dies gilt auch dann, wenn die Komplementär-GmbH weder am Gewinn noch am Vermögen der KG beteiligt ist (FG Düsseldorf v K 2384/08 G, DStRE 2011, 99, Revision beim BFH unter dem Az. VII R 42/10). Gesetzesvorschlag Die unterschiedliche Behandlung der Freiberufler GmbH & Co. KG in den einzelnen Rechtsgebieten erscheint unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung nicht länger akzeptabel. Für die Beteiligten ist sie zudem mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden. Der Gesetzgeber sollte daher den tradierten, aber überholten Begriff des Handelsgewerbes an die Realitäten einer modernen Dienstleistungsgesellschaft anpassen und damit zugleich die bestehenden Widersprüche zwischen Gesellschaftsrecht und Berufsrecht beseitigen. Zu diesem Zweck könnte 105 Abs. 2 S. 1 HGB wie folgt ergänzt werden: Eine Gesellschaft, deren Gewerbebetrieb nicht schon nach 1 Absatz 2 Handelsgewerbe ist oder die nur eigenes Vermögen verwaltet oder deren Zweck auf die Ausübung eines freien Berufes gerichtet ist, ist offene
6 Handelsgesellschaft, wenn die Firma des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen ist. Langfristig sollte darüber nachgedacht werden, ob die Personenhandelsgesellschaften nicht auch (wie die Kapitalgesellschaften) für alle gesetzlich zulässigen Zwecke zur Verfügung stehen sollten.
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