Vom ritualisierten Entkoppeln zur prozessorientierten Arbeit

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1 Vom ritualisierten Entkoppeln zur prozessorientierten Arbeit von Heinz-Günter Andersch-Sattler Zu Beginn der Entwicklung von ROMPC haben wir ein begrenztes Set von Entkoppelungstechniken eingesetzt, das ausschließlich auf die Meridianpunkte bezogen war. Hinzu kam noch die Arbeit mit den Augenbewegungen und dem Blinzeln, das aber eher nachgeordnet eingesetzt wurde. Erst mit der Zeit kamen weitere Entkoppelungstechniken hinzu wie die körpertherapeutischen Techniken, die mit gezielter entkoppelnder Wirkung eingesetzt wurden, nachdem der Stressor eingeschaltet wurde. So wurden diese Techniken, die in anderen Zusammenhängen entwickelt worden waren, dem Prinzip des Einschaltens des Stressors und der Störung seiner automatischen Reaktivierung unterworfen. Darüber hinaus haben wir mit der Zeit erkannt, dass die benutzten Entkoppelungstechniken immer aus mehreren Elementen bestanden, die miteinander kombiniert als spezifisches Behandlungsritual oder spezifischer Behandlungsablauf eingesetzt wurden. Nehmen wir z.b. das EFT 1 : neben dem Klopfen von Akupunkturpunkten wurden beim Switch zwischen linker und rechter Seite Augenbewegungen eingesetzt, auditive Unterbrecher in Form des Fingerschnippens vor dem Ohr und Klopfen auf die Schulter als taktiler Unterbrecher 2. Allein das Klopfen von Akupunkturpunkten enthält schon 2 Aspekte, nämlich die Stimulierung des Punktes samt zugehöriger emotionaler Zusammenhänge und die rhythmische Aktivität durch das Klopfen (im Unterschied zu Drücken (Akupressur), Nadeln oder Stimulation mit einem Laserstift (Akupunktur)). Hinzu kommt die Behandlung der neurolymphatischen Zone zur Behandlung der psychologischen Umkehr. Wenn wir es also genau nehmen, dann können wir die verschiedenen Elemente des EFT auch unabhängig von der Klopfroutine als Entkoppelungstechniken einsetzen, sobald der Stressor eingeschaltet ist. In der ursprünglichen Form, wie wir das EFT gelernt und gelehrt haben, gab es noch weitere Techniken beim Switchen von der einen zur anderen Körperseite: Einbeziehen der Augenbewegungen während des Klopfens auf den G9- Punkt 3 und Melodie summen und von 1 bis 7 zählen. Die forcierte Ausatmung am Ende eines Behandlungsabschnittes. Wenn man das aufzählt, kommt man zu folgenden Aspekten: Klopfen von Akupunkturpunkten in doppelter Funktion Bewegung der Augen von rechts nach links Bewegung der Augen von oben nach unten und umgekehrt, drehen der Augen im Kreis bei gleichzeitigem Klopfen von G9 1 Emotional Freedom Technique 2 Es werde zunächst alle Akupunkturpunkte auf der einen Seite getappt und vor der Wiederholung auf der anderen Körperseite wird der Switch, wie oben beschreiben, durchgeführt. 3 Der Punkt G9 befindet sich auf dem Handrücken zwischen den Knochen von kleinem und Ringfinger. Er gehört zum Sonder- Meridian Dreifacher Erwärmer und hat zu tun mit den Gefühlen Depression und Verzweiflung. 1

2 Fingerschnippen vor den Ohren Schulterklopfen Reiben der neurolymphatischen Zone zusammen mit einem Affirmationssatz Singen Zählen Atmen. Das Prinzip Einschalten und Stören ist ein zentrales Fundament im ROMPC, auf dem die Entkoppelungstechniken erst wirksam werden. Sobald also ein Stress eingeschaltet ist, kann er mit einer der Entkoppelungstechniken unterbrochen werden. Der minimale Hinweisreiz zum Einschalten der Stressreaktion ist die Benennung. Wenn der Stress sowieso schon da ist, muss ich den nicht mehr auf den Begriff bringen, damit er eingeschaltet wird er ist ja schon da. Auf dieser Basis können viele andere Techniken als Unterbrecher dienen. Hierzu gehören auch zahlreiche körpertherapeutische Techniken wie Stampfen oder die körpereigenen Entkoppelungsrelikte. Damit sind spontane und unbewusste körperliche Reaktionen gemeint wie z.b. die Bewegung der Zunge über die Lippen. Diese Bewegungen werden spontan nur leicht angedeutet. Wenn wir sie aber größer werden lassen, wird deutlich, dass sie der Entkoppelung und somit dem Schutz vor Reizüberflutung dienen. Insofern haben wir einen ganzen Strauß an Entkoppelungstechniken zur Verfügung, die wir einzeln einsetzen können, aber auch in Kombination miteinander. So haben wir die Entkoppelungstechniken anfänglich nach bestimmten festgelegten Ritualen angewendet ganz ähnlich wie es beim EFT gemacht wird und andere Elemente aus dem ROMPC wie z.b. Interview, Fragetechniken oder beziehungsorientiertes Bestätigen und Spiegeln der Bedürfnisse, etc. von der entkoppelnden Behandlung abgegrenzt. Die Sequenzen waren nicht unbedingt sehr lang, aber sie unterschieden sich vom übrigen Ablauf der Sitzung. Dabei wurde ein bestimmter Satz oder ein Wort immer wieder gesagt, bis die jeweilige Entkoppelungssequenz abgeschlossen war. Wenn die Gefühle während dieser Zeit gewechselt haben bei unserem Klienten, dann haben wir das nicht weiter berücksichtigt. Streng genommen war nach der Entscheidung für eine bestimmte Entkoppelungstechnik der Weg für diese Behandlungssequenz festgelegt. Wenn wir aber über viele Techniken verfügen, welche Unterschiede machen wir dann zwischen den einzelnen Techniken (s. hierzu die Liste am Ende des Artikels, die wir in unseren Ausbildungsgruppen verwenden) und wie können diese psychodynamisch in den therapeutischen Prozess integriert werden? Was tun wir also, wenn der emotionale Zustand bei unserem Klienten wechselt? Wie integrieren wir evtl. auftretende körperliche Reaktionen? Was tun wir mit verbalen Äußerungen unseres Klienten, wenn diese während der Entkoppelungsbehandlung getan werden? Wechsel der Emotionen 2

3 Wenn wir beispielsweise die unerhörte Geschichte des Klienten entschlüsselt haben und diese nacherzählen, können wir, wenn die zugehörigen Emotionen wechseln, beim Klopfen auch den der neuen Emotion zugehörigen Akupunkturpunkt wählen und an ihm ohne Unterbrechung die Behandlung fortsetzen. Verbalisierung des Klienten Es ist auch möglich, dass der Klient während des Klopfens selber Dinge ausspricht. Dann ist es hilfreich, diese in die weitere Behandlung zu integrieren und ihn zu bitten, ruhig selber alles auszusprechen, was ihm in den Sinn kommt in Zusammenhang mit dem zu behandelnden Thema. Auch Themenwechsel können aufgegriffen und eingebaut werden. Körperreaktionen Diese spontan auftretenden körperlichen Reaktionen oder Bewegungen können uns veranlassen, von impressiven zu expressiven Techniken zu wechseln, eigene Bewegungen ihn verstärken lassen ähnlich wie bei den Entkoppelungsrelikten. Neuerdings haben wir damit begonnen, auch in stärkerem Maße Erlaubnisse und Ressourcen in die Entkoppelungsbehandlung einzubeziehen, wenn auf eine Erlaubnis oder eine Ressource nicht oder nicht ausreichend zugegriffen werden kann. Dann ist es möglich, das Hindernis oder die Blockade zu identifizieren oder einfach per Muskeltest die zugehörige Emotion zu erkennen, die der Nutzung der Erlaubnis oder Ressource im Wege steht. Dies kann dann mit Hilfe von beliebigen Entkoppelungstechniken behandelt werden. Das hat den Vorteil, dass wir uns mit den Erlaubnissen und Ressourcen nicht nur auf kognitivem Terrain bewegen, also auf Einsicht setzen müssen, sondern dass wir leichter für die emotionale Verankerung der Erlaubnis oder Ressource sorgen können. Nach der Behandlung der Stress-Blockade lassen wir sogar häufig unmittelbar die Ressource einfließen mit Hilfe von Formulierungen wie: Und stattdessen kannst du jetzt eine Möglichkeit in dir entstehen lassen, die dich besser schützen kann, als das die Selbstverleugnung tun konnte. Dies könnte geschehen, indem du dich auf die Kräfte besinnst, die dir heute zur Verfügung stehen und die dir damals noch nicht zur Verfügung stehen konnten. Diese kannst du jetzt in dem Maß, wie du es brauchst, für dich nutzen. Dabei kann die ganze Zeit weiter auf den entsprechenden Akupunkturpunkt getappt werden oder noch weitere Akupunkturpunkte hinzu genommen werden, je nach momentanem Bedarf. Diese Veränderungen und Erweiterungen der Entkoppelungstechniken im Sinne von mehr Vielfalt und Variationsmöglichkeiten erlauben uns, die verschiedenen Techniken mehr prozess- und beziehungsorientiert zu nutzen. Darüber hinaus werden auf diesen Wegen die in uns angelegten Heilungskräfte weitergehender und flexibler unterstützt, als dies noch vor 10 Jahren möglich war. Dieser Fortschritt hat umgekehrt auch seinen Preis: Während wir anfänglich auf ein eng begrenztes Set von Behandlungstechniken zurückschauen konnten, die auch noch stark ritualisiert 3

4 waren, müssen/können wir heute mehr Entscheidungen treffen und uns damit einer höheren Komplexität aussetzen. Diese macht es sicher schwerer, mit diesem Auto sicher zu fahren, weil es über mehr Fahrfunktionen verfügt, aber die Anpassungsfähigkeit der Technik an die jeweilige Situation und an die Besonderheiten unseres Klienten kann besser gelingen und auf diese Weise nachhaltigere Ergebnisse erzielen. Es soll aber auch nicht verhehlt werden, dass hierdurch auch der Forschergeist in jedem Anwender von ROMPC angesprochen ist. Wer sich dafür begeistern kann, ist mit dem ROMPC sicher auf einem guten Entwicklungsweg. Basis für diese Veränderung ist es in jedem Fall, dass wir bereit und in der Lage sind, uns in die Beziehung mit unserem Klienten hinein zu begeben und auf der Basis des Verständnisses der unerhörten Geschichte zu unserem Klienten in Beziehung treten, um ihn von innen her zu verstehen. 4

5 Anhang Entkoppelungsmethoden und ihre Wirkung Entkoppelungsmethode Wirkung Eignung / Kontraindikation 1. impressiv Alle Punkte (EFT) Satz/Wort selber wiederholen u. selber tappen Affirmations-Sätze / Trance u. Tapping Spezifische Tappingsequenzen 1-Punkt-Technik Psychologische Umkehr Ambivalenz-Punkt -Überall Licht anschalten - diagnostisch nutzbar -streut auf andere Themen -Wirkung durch Rhythmik -Erhöhung Identifikation m. Aussage -auch expressiv nutzbar -Selbstwirksamkeit -Kontrolle -Entschlüsselung der unerhörten Geschichte -ich werde gehört, verstanden -Zeugenschaft -Ja-Haltung -Traumafacetten bündeln und enkoppeln -Entlastung -vertikal -Spiegelsplitter einsammeln -tief statt breit -verstärkt spezifisch an gewählten Punkten -individuell -Klarheit -assoziativ -nah am Punkt -ubw. Suchprozesse -Widerstand/Ambivalenz -ausgleichend -stabilisierend -Selbstabwertungsspirale stoppen -Stärkung Selbstakzeptanz -Klarheit -Entwirrung -Einstieg -Abschluss -Eigenbehandlung -Strukturschwäche -für Passive -Eigenbehandlung -bei starker Abhängigkeit -für alle ohne Psychotiker u. akute PTSB -erfahrene Klienten -imaginationsfähig -Verwirrung mindern -für tiefer liegende Themen geeignet -schnellere akute Entlastung -tiefenpsychologische Erforschung -Lösung suchen, Struktur -Visionen -Auftakt -akute Stressreaktion -Selbstbehandlung -bei ambivalenten Verstrickungen Augenpunkte und Selbst- /Fremdverzeihung -Erleichterung, Loslassen -nächste Zwiebelschale -Aha-Effekte -Emotionale Verzeihung -Verständnis für sich -einschränkende Grundüberzeugung -Selbstabwertung -Depression 2. expressiv Augenbewegung rechts-links -löst Schwindel -Klopfsequenz abschließen 5

6 Entkoppelungsmethode Wirkung Eignung / Kontraindikation -schafft Orientierung (Hier u. -Augenblock / Spaltung Jetzt) -integrierend Atem -grounding -zentriert, löst -beruhigend -belebend -lebensbejahend -Selbstbehandlung -für alle Thymusklopfen Rhythmische Aktivität Melodie Klopfen Augenpunkte Induziertes Blinzeln Entkoppelungsrelikte /spontan Zählen -beruhigend -stärkend mehr Energie -Selbstbehauptung -Verankerung von Neuem -Erlaubnis -stabilisierend -Spannungsabbau -in Bewegung bringen -erden -belebend -Hier u. Jetzt -Gedanken-Stop -kreativ -Körperausdruck -antidepressiv -Anti-Angst -vertieft Atmung -anken -spielerisch emotionale Lösung, Entspannung Bilder und Erinnerungen Bewusstsein ändert sich -lädt stark auf -expressive, körperliche Abreaktion -anstrengend -Eigenkompetenz stärken -Klarheit -ein anderer Teil des Gehirns wird aktiviert -bei geringer Energie -bei Ich-Schwäche -Selbstbehandlung -das Ende der Sitzung -Orientierung im Hier und Jetzt -bei niedrigem Energielevel -bei Dissoziationen -bei Kindern -Depressive -Kinder -Gruppen starker Stress/Spannung Traumasequenz -Vorsicht bei stark Traumatisierten: kann überfluten -akuter Ausdruck schon vorhandene Entkoppelungstechniken sind vorzuziehen -akute Belastungen 6