Palliativmedizin. Was macht Sinn? Flüssigkeitsgabe in der letzten Lebensphase. Dr. Bernhard Liebisch
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- Brigitte Baum
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1 Palliativmedizin Was macht Sinn? Flüssigkeitsgabe in der letzten Lebensphase Dr. Bernhard Liebisch Geriatriezentrum St.Andrä 3130 Herzogenburg
2 Take Home Messages manchesmal ist Infusionstherapie bis zum Lebensende sinnvoll es gibt keine Standardinfusionstherapie - Infusionen nur nach Art der Dehydratation palliative und präventive Ansätze ergänzen sich in der Voraussicht der Probleme
3 Pereira J, Hanson J, Bruera E. The frequency and clinical course of cognitive impairment in patients with terminal cancer. Cancer 1997; 79,
4 Wie ist der Stand des Wissens? COCHRANE Review: Medically assisted hydration for adult palliative care patients Good P, Cavenagh J, Mather M, Ravenscroft P (2008) Authors' conclusions There are insufficient good quality studies to make any recommendations for practice with regard to the use of medically assisted hydration in palliative care patients.
5 KURATIVE UND PALLIATIVE BETREUUNG K P K P P austherapiert? Betreuungszeit
6 KURATIVE UND PALLIATIVE BETREUUNG K P... INFUSIONSTHERAPIE: i.v. vs s.c. Es ist oft leichter eine Behandlung zu beginnen als sie zu beenden
7 KURATIVE UND PALLIATIVE BETREUUNG Es ist oft leichter eine Behandlung zu beginnen als sie zu beenden? WARUM Indikation WAS Medikation WIEVIEL Dosierung WIE Route p.o., i.v.,s.c.,.. Verabreichung GUK, Ang., andere Beschaffung Angehörige,.. K P SYMPTOMPRÄVENTION SYSTEMATISCHE SYMPTOMKONTROLLE MONITORING (LAB), DOKUMENTATION Hoffnung, Zuwendung, würdevolles Sterben..
8 KURATIVE UND PALLIATIVE BETREUUNG Hoffnung, Zuwendung, würdevolles Sterben.. sorgfältiger Umgang können wir den Zeitpunkt des Todes wirklich präzise wissen? Bemühen um Objektivität wann und welche Verlaufskontrollen um die Voraussagen Schritt für Schritt zu verifizieren? Meinungsaustausch unter den Betroffenen und Beteiligten über Vor- und Nachteile und die Zielsetzungen K P
9 Dehydratation immer Exsikkose isoton hypoton hyperton? simplifiziert: Verhältnis Wasser : Serum-Natrium
10 FLÜSSIGKEITSHAUSHALT STERBENDER PATIENTEN isoton hypoton hyperton Exsikkose Verhältnis von Natrium- zu Wasserverlust = Natriumverlust größer / Na<135 Wasserverlust größer / Na>145 mögliche Ursachen Erbrechen, Durchfall, zuviel Diuretikum, zuviel Laxans, Fieber, mangelnde Flüssigkeitszufuhr,
11 FLÜSSIGKEITSHAUSHALT STERBENDER PATIENTEN isoton hypoton hyperton Exsikkose mögliche Ursachen Erbrechen, Durchfall, zuviel Diuretikum, zuviel Laxans, Fieber, mangelnde Flüssigkeitszufuhr, mögliche Symptome Verwirrtheit, Blutdruckabfall, Koma Verwirrtheit, Blutdruckabfall, Koma Verwirrtheit, Blutdruckabfall, Koma klinische Unterscheidung bei kombinierter Störung?? => Lab
12 DEHYDRATATION UND REHYDRATATION aus: W. Hartig, Ernährungs- und Infusionstherapie, Thieme 2004
13 aus: AC GUYTON, Cardiac Output and its Regulation, Saunders 1963
14 Verteilungsräume in verschiedenen Altersstufen nach C. Estler, 1986
15 FLÜSSIGKEITSHAUSHALT STERBENDER PATIENTEN Fragen: Wie kann der Hydratationsstatus beurteilt werden? Wann ist Flüssigkeitsgabe, wann Entwässerung sinnvoll? Welche Infusionslösung bzw. Medikamente können wir, der jeweiligen Situation der Patienten entsprechend, verwenden?
16 FLÜSSIGKEITSHAUSHALT STERBENDER PATIENTEN Definitionen der Dehydratation: Schneller Gewichtsverlust von mehr als 3 Prozent des Körpergewichtes (Waage vs. Bilanz) Zusammenschau mehrerer klinischer Aspekte: Haut- und Schleimhäute, Müdigkeit, Kreislauflabilität, Oligurie, Orientierungsstörung, Labor: Hämatokritanstieg Serumkreatinin / BUN erhöhte Harnsäure spezifisches Gewicht des Harns (wenn Kreislauf, Niere intakt)
17 FLÜSSIGKEITSHAUSHALT STERBENDER PATIENTEN DEHYDRATATION: DIE DIFFERENTIALDIAGNOSE IST WICHTIG FÜR DIE AUSWAHL DER RICHTIGEN INFUSIONSTHERAPIE: isoton: Mangel an Wasser und gelösten Stoffen bei normaler Osmo, betrifft vor allem EZR hypoton: Mangel an Wasser und Natrium bei niedriger Osmo, EZR verkleinert, Zellen sind überwässert hyperton: Mangel an Wasser mit erhöhter Osmo, betrifft vor allem Zellen und Interstitium
18 FLÜSSIGKEITSHAUSHALT STERBENDER PATIENTEN ISOTONE DEHYDRATATION: Mangel an Wasser und gelösten Stoffen, betrifft vor allem EZR Ursachen: Erbrechen, Durchfälle, Polyurie, Fisteln, Verbrennungen, third space : Illeus, Peritonitis, Pankreatitis, Symptome: Durst, Müdigkeit, Blutdruckabfall, Tachykardie, bis zu Schock, Koma, Lab: Osmo und Natrium normal, oft höheres Kalium Therapie: auslösende Ursache, Flüssigkeit (Kreislauf, Harnfluss) oral: Glucose-Elektrolyt-Lösung (hypo- bis isoton) i.v.: (Kolloide), Kristalloide (hypo- bis isoton)
19 FLÜSSIGKEITSHAUSHALT STERBENDER PATIENTEN HYPOTONE DEHYDRATATION (Salzmangel): Mangel an Wasser und Natrium, EZR verkleinert, Zellen sind überwässert Ursachen: Erbrechen und Durchfall mit Volumsersatz durch Wasser, Diuretika- und Laxantienabusus, SIADH (kleinzelliges BronchusCa, Pankreas- und ProstataCa), Stammhirntraumen,... Symptome: Schwäche, Schwindel, Hypotonie, bis zu Hirnödemsymtomatik: Übelkeit, Schläfrigkeit, Koma) Lab: Osmo verringert, Natrium niedrig bis normal Therapie: auslösende Ursache, kein elektrolytfreies Wasser akute Störung: (hypertone Kochsalzlösung, CT) langsame Entstehung: langsamer Ausgleich
20 FLÜSSIGKEITSHAUSHALT STERBENDER PATIENTEN HYPERTONE DEHYDRATATION (Wassermangel): Mangel an Wasser, betrifft vor allem Zellen und Interstitium Ursachen: febrile Infekte, Schweissausbrüche, unzureichende Flüssigkeitsgabe, Hyperglykämie, Polyurie,... Symptome: Durst, Somnolenz aber auch Unruhezustände, Krämpfe, Fieber, Oligurie, Blutdruckabfall bis Schock Lab: Osmo erhöht, Natrium hoch, normal, aber auch niedrig (diab. Koma) Therapie: auslösende Ursache, kein elektrolytfreies Wasser sondern hypo- bis isotone Lösungen (zusätzlich Kalium, Magnesium, Phosphat nach Laborwerten)
21
22 INFUSIONSTHERAPIE: Erster Bericht im Lancet aus dem Jahr 1832 Erste Darstellung einer intravenösen Injektion (Elsholtz, 1667)
23 INFUSIONSTHERAPIE: war Thomas Latta so unmodern? aus: Druml W., Warum sind Infusionslösungen so (schlecht) zusammengesetzt; Wi Kli Wochenschrift, 3:68, (2005)
24 z.b.:
25 Infusionslösungen: weniger ist oft mehr* * gilt sowohl bezüglich der Ingredienzien als auch des Volumens
26 Welche neuen Erkenntnisse der Palliativmedizin helfen Patienten? Dr. Bausewein: Ein weiteres Beispiel ist die Frage, wie viele Infusionen man einem Patienten in der eigentlichen Sterbephase geben soll. Standard in den meisten Kliniken und bei den meisten Ärzte ist, dass sehr viel Flüssigkeit zugeführt wird, weil die Angst groß ist, dass der Patient verhungern oder gar verdursten könnte. In der Palliativmedizin wissen wir, dass ein Zuviel an Flüssigkeit in der Sterbephase häufig ein Mehr an Symptomen bei den Patienten hervorruft. Die Erfahrung zeigt, dass Patienten, die weniger Flüssigkeit oder sogar in den letzten ein, zwei Lebenstagen gar keine Flüssigkeit bekommen, friedlicher versterben können. Auch das ist eine neuere Erkenntnis, die allerdings noch kontrovers diskutiert wird. Dr. Claudia Bausewein, Oberärztin der Interdisziplinären Palliativmedizinischen Einrichtung am Klinikum der Universität München, Großhadern
27 Flüssigkeitsbilanz & Waage die Flüssigkeitsbilanz ist oft ungenau, irreführend und für die Patienten belastend das Abwiegen ist alltagsgerechter, umfassender in der Aussage und längerfristig praktikabel MEMO: Krankheits- und Gewichtsverläufe sind oft parallel ablaufend
28 Lorenz Brassel Workshop: Wichtige Aspekte in der Palliativmedizin Inselspital, Schweiz 2002
29 Journal of Clinical Oncology, Vol 23, No 10 (April 1), 2005: pp Effects of Parenteral Hydration in Terminally Ill Cancer Patients: A Preliminary Study Eduardo Bruera et al. PATIENTS AND METHODS: Patients with clinical evidence of mild to moderate dehydration and a liquid oral intake less than 1,000 ml/day were randomly assigned to receive either parenteral hydration with 1,000 ml (treatment group) or placebo with 100 ml normal saline administered over 4 hours for 2 days. RESULTS: Twenty-seven patients randomly assigned to the treatment group had improvement in 53 (73%) of their 73 target symptoms versus 33 (49%) of 67 target symptoms in the placebo group (n=22; P =.005). Fifteen (83%) of 18 and 15 (83%) of 18 patients had improved myoclonus and sedation after hydration versus eight (47%) of 17 and five (33%) of 15 patients after placebo (P =.035 and P =.005, respectively). There were no significant differences of improvement in hallucinations or fatigue between groups. CONCLUSION: Parenteral hydration decreased symptoms of dehydration in terminally ill cancer patients who had decreased fluid intake. Hydration was well tolerated, and a placebo effect was observed. Studies with larger samples and a longer follow-up period are justified.
30 Symptome bei Palliativpatienten 1. Müdigkeit (90%) 2. Schmerzen (70%) 3. Gastrointestinale Symptome (50%) 4. Luftnot (45%) 5. Schlaflosigkeit (35%) 6. Neuropsychiatrische S. (20%) [Nauck 2001] Delirantes Syndrom Agitation Rasselatmung "death rattle Verwirrung Angst Demenz Epileptischer Anfall Harnverhalt Fieber Husten Anorexie Appetitmangel Mundtrockenheit Subileussymptomatik Dysurie Dekubitus Pruritus Schwäche Depression Suizidalität
31 Dyspnoe 29-74% aller Tumorpatienten 70% in den letzten 6 Wochen des Lebens Nahezu alle Patienten mit ALS nach B. Haberland
32 Behandlungsmöglichkeiten NP NP NP NP = nichtpharmakol. P P P P = pharmakol. Atemnot bei Belastung Atemnot in Ruhe Terminale Atemnot Wilcock, 1998
33 Atemnot: pharmakol. Therapie Herzinsuffizienz Bronchospastik Diuretika Bronchodilatoren, Steroide Lymphangiosis carcinomatosa Steroide Opioide, Benzodiazepine, Neuroleptika Glycopyrronium ~ Rubinol s.c.
34 Kombinierte Diuretikatherapie: Furosemid und Xipamid Kumulative Na-Ausscheidung 16 Stunden nach Diuretika-Applikation Na [mmol] GFR = ml/min n = Co Co Co Co Co 40 mg FU 80 mg FU 40 mg Xip 80 mg Xip 40 mg FU + 40 mg Xip
35 Nephron: Diuretika-Angriffspunkte CA-Inhibitoren Proximaler Tubulus Sc hleifendiuretika HENLEsc he Sc hleife Thiazide Distaler Tubulus 5% Antikaliuretika Sammelrohr melrohr 70% 4,5% 100% 20% 0,5% = FENa
36 Mögliche Vorteile der Dehydratation bei sterbenden Patienten weniger Harnvolumen bedeutet weniger Lagewechsel und weniger Inkontinenz weniger gastrointestinale Sekretion vermindert Übelkeit und Durchfall weniger Probleme mit Ödemen und Ergüssen weniger Lungensekretion reduziert Husten, Atemnot und terminale Kongestion Dehydratation bei sterbenden Patienten ist Ausdruck der nachlassenden Organfunktionen und kann durch Veränderung des Bewusstseinszustands auch angstvermindernd wirken Mögliche Nachteile einer Infusionstherapie bei sterbenden Patienten kann einen gegenteiligen Effekt haben und die Situation der Patienten verschlechtern siehe oben! kann bei Patienten und Angehörigen falsche Hoffnungen wecken Nadeln und Schläuche sind für viele Patienten unangenehm
37 Punktionsstellen der Subkutan- Infusion:
38 Subkutane Infusion VORTEILE: Weniger Hospitalisierung / Kosten Weniger Volumsüberlastung Weniger lokale und systemische Komplikationen NACHTEILE: Nicht zur Zufuhr großer Volumsmengen (etwa 1 ml /min) Gabe von Elektrolyten, Medikamenten und Nährlösungen limitiert Lokales Ödem und Spannungsschmerz Lit: M. Sasson, Hypodermoclysis: An Alternative Infusion Technique, American Family Physician, Vol. 64, No. 9 (November 1, 2001)
39 INFUSIONSTHERAPIE BEI STERBENDEN PATIENTEN Nur soviel wie nötig (invasive Maßnahme) Womöglich Therapieüberwachung (Klinik, Kreislauf, Labor ) Zeitraum so kurz als möglich (orale Gabe ist bessere Zuwendung) Besondere Indikationen: Hyperkalziämie, massive Flüssigkeitsverluste Flüssigkeitszufuhr ist kein Nahrungsersatz (500 ml Glucose 5% entspricht 25g Glukose entspricht 100 kcal entspricht 2 BE) Keine adäquate Maßnahme bei trockenem Mund Keine sichere Maßnahme um kognitiven Zustand, Nierenfunktion oder Infektionen zu bessern individuelle Entscheidung!
40 Take Home Messages manchesmal ist Infusionstherapie bis zum Lebensende sinnvoll es gibt keine Standardinfusionstherapie - sondern nur nach Art der Dehydratation palliative und präventive Ansätze ergänzen sich in der Voraussicht der Probleme
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