MEDIATION IN STRAFSACHEN
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- Stefanie Weber
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1 MEDIATION IN STRAFSACHEN EMPFEHLUNG R (99) 19 DES MINISTERKOMITEES DES EUROPARATES VOM 15. SEPTEMBER Das Ministerkomitee, aufgrund von Artikel 15b des Statuts des Europarats, Im Hinblick darauf, dass die Mediation in Strafsachen in den Mitgliedstaaten als flexible Option für die Problembeilegung und die Einbeziehung der Parteien zusätzlich oder als Alternative zum herkömmlichen Strafverfahren immer stärker in Anspruch genommen wird; in Anbetracht der Notwendigkeit, eine aktive persönliche Teilnahme des Täters sowie aller Personen, die als Parteien betroffen sind, an dem Strafverfahren des Opfers zu ermöglichen sowie die Gemeinschaft in das Verfahren einzubeziehen; in der Erkenntnis des rechtmäßigen Interesses des Opfers sich mehr Gehör für die Folgen seiner Viktimisierung zu verschaffen, mit dem Täter in Verbindung zu treten und Entschuldigungen sowie eine Entschädigung zu erlangen; in der Erwägung, dass es von Bedeutung ist, das Verantwortungsbewusstsein der Täter zu stärken sowie ihnen konkrete Gelegenheiten anzubieten, sich zu ändern, wodurch ihre Resozialisierung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtert wird; in der Erkenntnis, dass die Mediation die bedeutende Rolle des einzelnen Menschen sowie der Gesellschaft bei der Entstehung und Behandlung von Straftaten sowie der Lösung der damit verbundenen Konflikte bewusst machen und somit dazu beitragen kann, dass das Strafrecht mehr konstruktive und weniger repressive Ergebnisse erzielt; in der 1 Vermerk: Diese Empfehlung wurde im Europarat von dem Expertenausschuss Mediation in Strafsachen (PC-MP), der den Weisungen des Lenkungsausschusses für Strafrechtsfragen (CDPC) folgt, erarbeitet. Diese Veröffentlichung enthält den Text der Empfehlung R (99) 19 sowie den erläuternden Bericht, der vom Expertenausschuss erstellt und in Teilen von CDPC geändert wurde. 2 Das authentische Dokument in der hier zugrunde gelegten englischen Fassung lautet wie folgt: Council of Europe, Committee of Ministers: Recommendations No. R (99) 19 of the Committee of Ministers to Member States Concerning Mediation in Penal Matters. (Adopted by the Committee of Ministers on 15 September 1999 at the 679 th Meeting of the Ministers Deputies). Dieser Übersetzung wurde das authentische französische Dokument zugrunde gelegt, unter dem Titel: Sur la Médiation en Matière Pénale.
2 158 Empfehlung R (99) 19 Erkenntnis, dass Mediation besondere Befähigungen sowie praktische Regelungen und anerkannte Ausbildung erfordert; in der Erwägung des wichtigen potentiellen Beitrags nichtstaatlicher Organisationen sowie nichtstaatlicher Gemeinschaften für die Mediation in Strafsachen sowie der Notwendigkeit, dass öffentliche und private Initiativen ihre Bemühungen gemeinsam unternehmen; im Hinblick auf die Erfordernisse der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten; eingedenk des Europäischen Übereinkommens über die Ausübung von Kinderrechten sowie der Empfehlungen R (85) 11 über die Stellung des Opfers im Rahmen des Strafrechts und des Strafverfahrens, Nr. R (87) 18 über die Vereinfachung der Strafjustiz, Nr. R (87) 21 über die Opferhilfe und die Verhütung der Viktimisierung, Nr. R (87) 20 über die gesellschaftlichen Reaktionen auf die Jugendkriminalität, Nr. R (88) 6 über die gesellschaftlichen Reaktionen auf kriminelles Verhalten von Jugendlichen aus Wanderfamilien, Nr. R (92) 16 über europäische Regeln zu angewandten Sanktionen und Maßnahmen in der Gemeinschaft, Nr. R (95) 12 über die Verwaltung der Strafjustiz und Nr. R (98) 1 über Familienmediation; empfiehlt den Regierungen der Mitgliedstaaten die im Anhang zu dieser Empfehlung aufgeführten Grundsätze bei der Entwicklung der Mediation in Strafsachen zu berücksichtigen und diesen Text so weit wie möglich zu verbreiten.
3 Mediation in Strafsachen 159 ANHANG ZU DER EMPFEHLUNG R (99) 19 I. Begriffsbestimmung Diese Richtlinien finden auf jeden Prozess Anwendung, der es Opfer und Täter ermöglicht, sich, sofern sie freiwillig darin einwilligen, mit der Hilfe eines unabhängigen Dritten (Mediator) aktiv an der Lösung von Schwierigkeiten zu beteiligen, die sich aus der Straftat ergeben. II. Allgemeine Grundsätze 1. Mediation in Strafsachen sollte nur erfolgen, wenn die Parteien freiwillig darin einwilligen. Im Verlaufe der Mediation sollten die Parteien zudem jederzeit ihre Einwilligung zurückziehen können. 2. Mediationsgespräche sind vertraulich und dürfen außer mit Zustimmung der Parteien nachfolgend nicht verwendet werden. 3. Mediation in Strafsachen sollte eine allgemein verfügbare Dienstleistung sein. 4. Mediation in Strafsachen sollte in jedem Stadium des Strafverfahrens möglich sein. 5. Mediationsstellen sollten im Rahmen des Strafverfahrenssystems über eine ausreichende Autonomie verfügen können. III. Rechtliche Grundlage 6. Die Gesetzgebung sollte Mediation in Strafsachen erleichtern. 7. Richtlinien sollten aufgestellt werden, in denen die Inanspruchnahme der Mediation in Strafsachen definiert wird. Sie sollten insbesondere die Voraussetzungen für die Verweisung von Fällen an die Mediationsstellen sowie die Behandlung der Fälle nach der Mediation betreffen. 8. Das Mediationsverfahren sollte mit grundlegenden Garantien versehen sein: insbesondere sollten die Parteien Prozesskostenhilfe beanspruchen können sowie gegebenenfalls Übersetzungs-/Dolmetscherdienstleistungen. Minderjährigen sollten zudem Anspruch auf Unterstützung durch ihre Eltern haben.
4 160 Empfehlung R (99) 19 IV. Die Arbeitsweise der Strafjustiz in Verbindung mit Mediation 9. Die Entscheidung, eine Strafsache an die Mediationsstellen zu verweisen sowie die Bewertung des Ausgangs eines Mediationsverfahrens sollte in die ausschließliche Zuständigkeit der Justizbehörden fallen. 10. Vor der Zustimmung zu einer Mediation sollten die Parteinen voll und ganz über ihre Rechte, die Art des Mediationsprozesses sowie die möglichen Folgen ihrer Entscheidung informiert werden. 11. Weder Opfer noch Täter sollten mit unfairen Mitteln veranlasst werden, die Mediation zu akzeptieren. 12. Die besonderen Regelungen sowie die rechtlichen Garantien, welche für die Beteiligung Minderjähriger am Strafverfahren maßgeblich sind, sollten ebenfalls auf die Mediation in Strafsachen Anwendung finden. 13. Mediation sollte nicht weiterverfolgt werden, wenn eine der Hauptparteien nicht in der Lage ist, den Sinn des Verfahrens zu verstehen. 14. Ausgangspunkt für die Mediation sollte grundsätzlich die Anerkennung des grundlegenden Sachverhalts des Falles sein. Die Teilnahme an der Mediation darf nicht als Beweis des Schuldbekenntnisses in späteren Gerichtsverfahren verwendet werden. 15. Offensichtliche Ungleichheiten, die Umstände wie Alter, Reife oder die intellektuellen Fähigkeiten der Parteien betreffen, sollten vor der Entscheidung, die Mediation in Anspruch zu nehmen, berücksichtigt werden. 16. Die Entscheidung, eine Strafsache im Rahmen eines Mediationsverfahrens zu behandeln, sollte mit einer angemessenen Frist versehen sein, während der die Justizbehörden über den Stand des Mediationsverfahrens unterrichtet würden. 17. Die auf der Grundlage von Mediationsvereinbarungen erteilten Entlastungen sollten denselben Status wie Gerichtsentscheidungen haben und eine Strafverfolgung wegen derselben Handlungen untersagen (ne bis in idem). 18. Wird eine Sache an die Justizbehörden zurückverwiesen, ohne dass eine Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen wurde oder gelang es nicht, eine Vereinbarung zu erzielen, sollte die Entscheidung über das weitere Vorgehen unverzüglich getroffen werden. V. Die Arbeitsweise der Mediationsdienste V. 1 Normen 19. Die Mediationsstellen sollten sich nach anerkannten Normen richten.
5 Mediation in Strafsachen Zur Ausübung ihrer Ämter sollten die Mediationsdienste über eine ausreichende Eigenständigkeit verfügen können. Es sollten Zuständigkeitsnormen und ethische Regeln sowie Verfahren für die Auswahl, Ausbildung und Bewertung der Mediatoren entwickelt werden. 21. Die Mediationsstellen sollten der Aufsicht eines kompetenten Organs unterstellt werden. V.2. Qualifikation und Ausbildung der Mediatoren 22. Die Mediatoren sollten in allen Schichten der Gesellschaft rekrutiert werden und allgemein ein gutes Verständnis der örtlichen Kulturen und Gemeinschaften besitzen. 23. Die Mediatoren sollten in der Lage sein, ein gesundes Urteil abzugeben und sie sollten über die notwendigen zwischenmenschlichen Qualitäten verfügen, die zur Ausübung ihres Amtes erforderlich sind. 24. Die Mediatoren sollten vor Aufnahme ihrer Tätigkeiten eine Grundausbildung und im Laufe ihrer Verwendung eine weitere Ausbildung erhalten. Die Ausbildung sollte darauf abzielen, ein hohes Kompetenzniveau zu gewährleisten unter Berücksichtigung der Eignungen zur Beilegung von Konflikten, besonderer Anforderungen für die Arbeit mit Opfern und Tätern sowie Grundkenntnisse des Gerichtswesens. V.3 Behandlung einzelner Fälle 25. Vor Beginn der Beschäftigung mit einem Fall sollte der Mediator über alle einschlägigen Handlungen unterrichtet sein und von den zuständigen Justizbehörden alle erforderlichen Unterlagen erhalten. 26. Die Mediation sollte unparteiisch erfolgen, auf der Grundlage der Sache sowie nach den Bedürfnissen und Wünschen der Parteien. Der Mediator sollte stets die Würde der Parteien achten und Sorge tragen, dass die Parteien in gegenseitiger Achtung voreinander handeln. 27. Der Mediator hat die Pflicht, eine sichere und angenehme Umgebung für die Mediation zu gewährleisten. Der Mediator sollte für die Verletzbarkeit der Parteien empfindlich sein. 28. Die Mediation sollte auch wirksam, jedoch in einem für die Parteien zu bewältigenden Rhythmus geführt werden. 29. Die Mediation sollte nichtöffentlich erfolgen. 30. Trotz des Grundsatzes der Vertraulichkeit sollte der Mediator den geeigneten Behörden oder betroffenen Personen alle Informationen über eine unmittelbar drohende schwere Straftat melden, von der er im Verlauf der Mediation Kenntnis erlangen könnte.
6 162 Empfehlung R (99) 19 V. 4 Ergebnisse der Mediation 31. Vereinbarungen sollten von den Parteien freiwillig geschlossen werden. Sie sollten nur vernünftige und verhältnismäßige Verpflichtungen enthalten. 32. Der Mediator sollte den Justizbehörden über die getroffenen Maßnahmen sowie das Ergebnis der Mediation Bericht erstatten. Der Bericht des Mediators sollte den Inhalt der Mediationssitzungen nicht offen legen und ein Urteil über das Verhalten der Parteien während der Mediation nicht zum Ausdruck bringen. VI. Entwicklung der Mediation 33. Justizbehörden und Mediationsstellen sollten sich in regelmäßigen Abständen beraten um gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. 34. Die Regierungen der Mitgliedstaaten sollten die Forschung auf dem Gebiet der Mediation in Strafsachen sowie deren Bewertung fördern.
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