Heidelberger Erklärung
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- Emma Kohl
- vor 8 Jahren
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1 Heidelberger Erklärung zur Tertiärprävention: Leben nach und mit Darmkrebs Stiftung LebensBlicke Universitätsmedizin Mannheim Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg Präambel Die Stiftung LebensBblicke hat in den letzten Jahren zusammen mit anderen Organisationen sehr erfolgreich eine deutliche Verbesserung in der Darmkrebsvorsorge und Früherkennung erreichen können. Die Aufmerksamkeit der Stiftung gilt unverändert der Primärprävention, da durch den veränderten Lebensstil vor allem in den USA und Europa mit der erheblichen Zunahme der morbiden Adipositas neue Risikokonstellationen entstanden. Sichtbare Erfolge der langjährigen Arbeit sind das seit 2002 geltende bimodale GKV-Angebot (g-fobt, Vorsorgekoloskopie), das 2013 beschlossene KFRG sowie der Startschuss des G-BA zur Bewertung eines i-fobt (FIT)-basierten Darmkrebsscreenings im Vergleich zu einem g-fobt-basierten Darmkrebsscreening gem. 25 Abs.4 SGB V. Aber: Eine erfolgreiche und umfassende Präventionsstrategie beinhaltet auch die Tertiärprävention, die besonders auf das Leben nach und mit einer gut kontrollierten, chronischen Krebserkrankung abzielt. Angesichts der nahezu 3,5 Millionen Menschen, die in Deutschland mit Krebs leben, gewinnt gerade diese Thematik zunehmend an Bedeutung, ist aber bisher in der öffentlichen Wahrnehmung - trotz vereinzelter Cancer Survivorship - Programme (Nomen est omen für den Laien!!) unterrepräsentiert und bedarf deshalb einer besonderen Zuwendung. Und Langzeitüberleben existiert: Die 5-Jahresüberlebensrate bei Darmkrebs beträgt fast 65% (RKI 2013). Damit machen Patienten mit kolorektalen Karzinomen mit 11% die drittgrößte Gruppe unter den Krebs-Langzeitüberlebenden aus.
2 Neuerdings entsteht eine zunehmend große Gruppe von Patienten mit guter Langzeitprognose: Patienten mit einem metastasierten Erkrankungsstadium, aber einem chronischen Erkrankungsverlauf oder sogar potentiell kurativem Ansatz; hier ist ein Langzeitüberleben bei bis zu 30% der mit verschiedenen multimodalen Verfahren Behandelten möglich. Die Stiftung LebensBlicke möchte daher zusammen mit ihren Partnern, dem Nationalen Tumorzentrum Heidelberg und der, diese Herausforderung als dritte Dimension der Prävention aufnehmen, klinische und wissenschaftliche Konsequenzen dieses Workshops Ärzten, Öffentlichkeit wie auch Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen zugänglich machen und in Zukunft für eine der Bedeutung des Themas angemessene Aufmerksamkeit sorgen. Vor dem Hintergrund der Altersentwicklung in der Bevölkerung wird dies eine große Herausforderung werden. Statements Das Gesundheitsverhalten der Erkrankten kann in der Krebsprognose eine ebenso wichtige prognostische Bedeutung innehaben wie auch verschiedene (molekular)biologische Faktoren des Tumors. Deshalb ist ein integrativer und interdisziplinärer Forschungsansatz wichtig, um alle Faktoren zu berücksichtigen und evidenzbasierte Leitlinien zu erarbeiten. Zahlreiche Menschen mit der Diagnose Darmkrebs möchten wissen, wie sie selbst zu ihrer Gesundung beitragen und eine aktive Rolle zur Unterstützung ihrer Behandlung spielen können. Die Motivation, selbst etwas zu tun, ist sehr hoch. Geeignete Programme, Informationen und Empfehlungen für Patienten müssen gesammelt, strukturiert und leicht zugänglich gemacht, aber vor allem besser kommuniziert werden. Es muss der Mühe wert sein, aus der Vielfalt der unterschiedlichsten Angebote eine wissenschaftliche fundierte, einheitliche, klar verständliche und der individuellen Situation angepasste Information zu erarbeiten. Dabei sollte der typengerechten, risikostratifizierten und damit individuellen Information noch mehr
3 Aufmerksamkeit geschenkt werden. Bestehende Barrieren gegen die Nutzung derartiger Angebote müssen erfasst und abgebaut werden. Wirksamkeitsstudien bzgl. der Interventionen sind erforderlich, um den Umfang und die Qualität der Umsetzung der Empfehlungen zu überprüfen. Aktuelle Beobachtungsstudien zeigen einen Zusammenhang mit einem klaren Nutzen von Sport und Bewegung hinsichtlich der Reduktion des Rezidivrisikos von Darmkrebs auf. Dieser Zusammenhang soll weiter prospektiv in Studien untersucht werden. Auch die medikamentöse Tertiärprävention, wie die Einnahme von ASS ( Aspirin ), kann möglicherweise das Rezidivrisiko senken. Allerdings sind große randomisierte klinische Studien notwendig, um die Effektgröße abschätzen zu können. Die Daten zur Chemoprävention des KRK sind widersprüchlich, und die Wirkung der Chemoprävention ist über alle Patienten hinweg nicht eindeutig geklärt. Aktuelle Studien weisen aber auf Subgruppen mit molekularbiologisch charakterisiertem Profil hin, die davon besonders profitieren könnten (personalisierte Prävention). Auch dieser Zusammenhang muss in prospektiven Studien wissenschaftlich überprüft werden. Die strukturierte Nachsorge beim KRK im Stadium II und III ist durch die (S3-) Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft; der Deutschen Krebshilfe und der AWMF während der ersten 5 Jahre genau festgelegt - und ist im Kontext existierender sinnvoller Therapieoptionen bei Rezidivnachweis empfohlen. Sinnvolle Therapieoptionen im Rezidiv sind jedoch zu definieren. Die Evidenz einer risikostratifizierten zielgruppenspezifischen Nachsorge muss in Studien geprüft werden. Für Patienten mit kurativ intendierter Therapie gibt es bislang über die medizinische gesetzliche Nachsorge hinaus noch keine definierten Nachsorgepläne oder -programme; zudem bestehen häufig andere Belastungen des Patienten. Die Themen der Nachsorge (Langzeittherapiefolgen multimodaler Therapien, Komorbiditäten, Gesundheitsverhalten, nicht-medizinische, psychosoziale Belastungen) müssen erweitert definiert werden Nachsorge ist mehr als nur Rezidiverkennung!
4 Programme für Krebs-Langzeitüberlebende mit altersadaptierten Evaluationen der Unterstützungsbedürfnisse und ggf. Interventionen müssen etabliert werden, um den unerfüllten psychosozialen Unterstützungsbedürfnissen und körperlichen Langzeitfolgen dieser wachsenden Patientenzahl gerecht zu werden - über die gesetzliche Nachsorge und die stationäre Rehabilitation hinaus. Diese sollen aber kein erweitertes Disease Management System darstellen, oder den Patienten medikalisieren, sondern sich am Interventionsbedarf/-wunsch der Patienten orientieren. Häufig ist unklar, wer die Nachsorgebetreuung übernimmt, und dies innerhalb welchen Zeitraums: der "Onkologe", oder die die Primärtherapie ausführende Einrichtung? Der Hausarzt? Hier ist eine Zuständigkeitsbestimmung erforderlich, begleitet von einem Programm, das die speziellen Bedürfnisse adressiert und Prozeduren festlegt. Detaillierte Nachsorgepläne und spezielle Informationsveranstaltungen/-materialien, sowie eine verbesserte Koordination der Nachsorge sind nötig, um die Schnittstellenproblematik zu lösen. Breite Öffentlichkeitsarbeit ist ein wirksamer und entscheidender Weg, das Thema Leben mit und nach Krebs anzusprechen, es Betroffenen wie Entscheidungsträgern im Gesundheitswesen deutlich und verständlich zu machen (Wir kümmern uns!), und letztere da, wo notwendig, in die Pflicht zu nehmen. Menschen, die z.b. nach erfolgreich überstandener Darmkrebserkrankung als geheilt eingestuft worden sind, sollten sich auch als solche fühlen dürfen, und nicht jeder Betroffene bleibt sein Leben lang ein Krebspatient! Aufmerksamkeit zu erzeugen und Einfluss zu nehmen sind in der Regel fast nur durch nachhaltiges und beständiges Ansprechen des Themas und durch öffentlichen Druck zu erreichen. Die Stiftung LebensBlicke wird ihre Partner bei dieser Aufgabe nachhaltig unterstützen. Die erste Ankündigung auf ihrer Internetseite Tertiärprävention - die dritte Dimension der Stiftung hat schon zu vielen zustimmenden Reaktionen geführt.
5 Aufgaben und Forderungen Aufforderung der Kostenträger, auf Basis der gegenwärtigen Evidenzlage Interventionsstudien und -programme im Bereich Tertiärprävention finanziell zu unterstützen. Herantreten an den G-BA bzgl. der Förderung der Versorgungsforschung auf diesem Gebiet z.b. aus dem Innovationsfond. Generierung von Daten zur Tertiärprävention, Rezidiverfassung und Dokumentation molekularer Profile in Tumorregistern. Stärkere Einbeziehung der Selbsthilfegruppen in die Thematik Tertiärprävention. Stärkere Förderung der Forschung im Bereich interdisziplinärer Tertiärprävention durch alle Finanzträger. Initiatoren und Unterzeichner der Heidelberger Erklärung Prof. Dr. Jürgen F. Riemann Prof. Dr. Matthias Ebert Prof. Dr. Cornelia Ulrich Prof. Dr. Dirk Arnold PD Dr. Georgia Schilling Stiftung LebensBlicke, Ludwigshafen Universitätsmedizin Mannheim und Stiftung LebensBlicke Ludwigshafen Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg, Deutsches Krebsforschungszentrum Klinik für Tumorbiologie, Freiburg Klinik für Tumorbiologie, Freiburg Heidelberg, im Oktober 2014 Cornelia Ulrich Jürgen F. Riemann Dirk Arnold Georgia Schilling Matthias Ebert
6 Teilnehmer am Workshop Blicke auf das Leben nach und mit Darmkrebs Bestandsaufnahme und Visionen Sandra Adami Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Institut für Psychologie Prof. Dr. Dirk Arnold Prof. Dr. med. Hans-Helge Bartsch Ingeborg Bördlein Deutsches Ärzteblatt und Ärztezeitung Prof. Dr. Matthias Ebert Universitätsmedizin Mannheim und Stiftung LebensBlicke Dr. phil. Christine Holmberg Berlin School of Public Health Prof. Dr. med. Wilhelm-Bernhard Niebling Universitätsklinikum Freiburg Lehrbereich Allgemeinmedizin Prof. Dr. Jürgen F. Riemann Klinikum Ludwigshafen (bis 2008) und Stiftung LebensBlicke Prof. Dr. med. Dieter Schilling Diakonissen Krankenhaus Mannheim und Stiftung LebensBlicke PD Dr. Georgia Schilling PD Dr. med. Martin A. Schneider Universitätsklinikum Heidelberg Klinik für Allgemein-, Viszeralund Transplantationschirurgie Prof. Dr. Cornelia Ulrich Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg und Deutsches Krebsforschungszentrum Prof. Dr. med. Christof von Kalle Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg und Deutsches Krebsforschungszentrum
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