Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung in allgemeiner Krankenpflege gesichert
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- Hennie Buchholz
- vor 8 Jahren
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1 Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung in allgemeiner Krankenpflege gesichert ver.di sieht Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung für die Ausbildung in allgemeiner Krankenpflege in Deutschland durch die überarbeitete EU-Berufsanerkennungsrichtlinie gesichert Zur EU-weiten Anerkennung von Berufsqualifikationen gibt es neue Regeln. Das Europaparlament verabschiedete am 9. Oktober 2013 die überarbeitete EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifikationen in Straßburg. Der Rat der Europäischen Union stimmte am 15. November 2013 zu. Die neue EU-Richtlinie tritt 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft, dies wird voraussichtlich Anfang 2014 sein. Es ist ein großer Erfolg, dass der Zugang zur Ausbildung in der allgemeinen Krankenpflege nicht weiter eingeschränkt wird. Auch künftig werden zwei gleichberechtigte Wege zur Ausbildung in der allgemeinen Krankenpflege offen sein. Ziel erreicht: Die bisherigen Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung in der allgemeinen Krankenpflege werden gesichert Im Rahmen des Binnenmarktpaketes hatte die EU-Kommission 2011 einen Vorschlag zur Novellierung der Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen vorgelegt. Die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie gibt es bereits seit Im Kern geht es bei dieser Richtlinie um das Verfahren der beruflichen Anerkennung von Berufsqualifikationen in reglementierten Berufen. Ziel ist es, die Mobilität von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in Europa zu befördern. Zentraler Diskussionspunkt für Deutschland waren bei der aktuellen Überarbeitung die Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung in der allgemeinen Krankenpflege. Der Richtlinienentwurf sah vor, die bisherigen Zugangsvoraussetzungen einer mindestens 10- jährigen allgemeinen Schulbildung auf eine 12-jährige allgemeine Schulbildung zu begrenzen. 1
2 Der Gesetzgebungsprozess in Brüssel hat gut zwei Jahre gedauert. ver.di hat sich deutlich für den Erhalt der bisherigen Zugangsvoraussetzungen ausgesprochen. Für ver.di sind Durchlässigkeit, Nicht-Diskriminierung, die Kostenfreiheit der Ausbildung und gleiche Zugangschancen zu Bildung und Beschäftigung die zentralen Ziele in einem sich entwickelnden Europa. Die Arbeit von ver.di war erfolgreich. Nach der Entscheidung des EU-Parlamentes gibt es künftig zwei gleichberechtigte Wege zur Ausbildung in der allgemeinen Krankenpflege: Eine 12-jährige allgemeine Schulbildung oder eine mindestens 10-jährige allgemeine Schulbildung, die zum Besuch einer Krankenpflegeschule berechtigt. Artikel 31 der Richtlinie sagt: Die Zulassung zur Ausbildung zur Krankenschwester und zum Krankenpfleger, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, setzt Folgendes voraus: a) entweder eine zwölfjährige allgemeine Schulausbildung, deren erfolgreicher Abschluss durch ein von den zuständigen Behörden oder Stellen eines Mitgliedstaats ausgestelltes Diplom oder Prüfungszeugnis oder durch einen sonstigen Befähigungsnachweis oder durch ein Zeugnis über eine bestandene Prüfung von gleichwertigem Niveau bescheinigt wird, das zum Besuch von Universitäten oder anderen Hochschuleinrichtungen mit anerkannt gleichwertigem Niveau berechtigt, oder b) eine mindestens zehnjährige allgemeine Schulausbildung, deren erfolgreicher Abschluss durch ein von den zuständigen Behörden oder Stellen eines Mitgliedstaats ausgestelltes Diplom oder Prüfungszeugnis oder durch einen sonstigen Befähigungsnachweis oder durch ein Zeugnis über eine bestandene Prüfung von gleichwertigem Niveau bescheinigt wird, das zum Besuch von Berufsschulen für Krankenpflege oder zur Teilnahme an Berufsausbildungsgängen für Krankenpflege berechtigt. ver.di hat sich eingesetzt für Nicht-Diskriminierung und Chancengleichheit Die Mindestvoraussetzung einer zehnjährigen allgemeinen Schulbildung hat sich bewährt: Sie trägt der Unterschiedlichkeit der Bildungssysteme in Europa Rechnung, ohne Weiterentwicklungen zu behindern. Zugleich stellt sie das notwendige Maß an Einheitlichkeit von Ausbildungsstandards sicher. Denn erstens gab und gibt es keinerlei belastbaren Hinweise darauf, dass die Auszubildenden mit den derzeit geltenden Zugangsvoraussetzungen den Anforderungen der Ausbildung und der beruflichen Praxis nicht gewachsen wären. Wichtig ist, dass im Sinne der Durchlässigkeit im Bildungssystem die Auszubildenden befähigt werden, die Anforderungen der Ausbildung zu bewältigen. Zum zweiten würden Zugangsbarrieren zur Ausbildung nicht nur den z.t. bereits bestehenden Fachkräftemangel im Gesundheitswesen weiter 2
3 verschärfen, da einem größeren Personenkreis der Zugang zur Ausbildung verwehrt würden, sondern auch dem Diskriminierungsverbot und dem Gleichstellungsgebot der EU widersprechen. Der Erfolg einer Ausbildung erweist sich letztlich im Verlauf und im Bestehen der Abschlussprüfung. Im Einzelnen waren unsere Argumente: Ein vergleichbares Qualifikationsniveau nach Abschluss der Berufsausbildung wird durch die Anzahl der Schuljahre vor Ausbildungsbeginn nicht gewährleistet. Entscheidend sind die Qualität, die Inhalte und der Umfang gerade auch der praktischen Ausbildung, mit der zukünftige Pflegekräfte zur Berufsausübung befähigt werden. ver.di setzt sich für mehr Durchlässigkeit im Bildungssystem ein. Bereits mit einer mindestens zehnjährigen allgemeinen Schulbildung bei Gesundheitsberufen wird vielen jungen Menschen die Möglichkeit genommen, eine Ausbildung in einem dieser Berufe zu absolvieren. Dier Änderung hätte einen noch größeren Kreis junger Menschen betroffen. Der regionale und fachbezogene Fachkräftemangel wäre durch die Vorgabe von 12 Jahren allgemeine Schulbildung verschärft worden. Damit würden ca. 45 Prozent der heutigen Auszubildenden von der Ausbildung zur Pflegekraft ausgeschlossen. In der Altenpflege wären es sogar 85 Prozent. In der Folge eines verschärften Fachkräftemangels wäre angesichts des hohen Bedarfs an Pflegekräften zu erwarten, dass Deutschland eine Ausbildung unterhalb der Fachpflege entwickelt. Damit würde der Trend zu niedrig qualifizierter Arbeit und eine weitere Ausdifferenzierung des Pflegeberufes verstärkt und das Gegenteil zu einer Aufwertung erreicht. Gerade das deutsche Ausbildungssystem eröffnet durch seine praxisorientierte Berufsausbildung im Vergleich zu rein schulischen Ausbildungsformen Jugendlichen alternative Formen des Lernens. Sie erlernen die für den Beruf notwendigen fachlichen und sozialen Kompetenzen und die praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten und werden zu einem erfolgreichen Berufsabschluss geführt. Um auf den wachsenden Pflege- und Unterstützungsbedarf vorbereitet zu sein, dürfen die Zugänge zur Ausbildung nicht eingeschränkt werden. Vielmehr ist die Ausbildung kontinuierlich den gestiegenen Anforderungen an Qualifikation und Qualifizierung anzupassen. Dazu gehören eine kontinuierliche Weiterbildung und die Möglichkeit der Spezialisierung für Pflegekräfte, um sich beruflich weiter zu entwickeln. Das Ansehen eines Berufes entscheidet sich nicht an den Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung. Hierfür sind andere Faktoren wie gesellschaftliche Bedeutung, das Maß der Selbstbestimmung, die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung ausschlaggebend. Für das Ziel einer qualifizierten und möglichst einheitlichen Ausbildung innerhalb der EU ist es nicht erforderlich, den Zugang zur Ausbildung zu beschränken. Vielmehr ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich die Bildungssysteme innerhalb der EU erheblich unterscheiden und eine richtlinienkonforme Ausbildung an unterschiedlichen Lernorten und in unter- 3
4 schiedlicher Form möglich ist. Die Stärke der dualen Ausbildung liegt gerade am Lernort Betrieb, der in der Lage ist, Fachkräfte auf hohem praktischem und theoretischem Niveau auszubilden. Ein Artikel geändert! Ist das Alles? Ohne Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage: Präzisierung von Ausbildungsdauer und Stundenumfang Bisher sah die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie vor, dass die Ausbildung in der Krankenpflege mindestens drei Jahre dauern oder Stunden umfassen soll. Hier ist im Zuge der Novellierung eine Präzisierung erfolgt. Künftig müssen beide Kriterien zur Ausbildungsdauer und zum Stundenumfang erfüllt werden. Da dies in Deutschland bereits seit 1985 gilt, hat die geänderte Richtlinie keine Auswirkungen auf die deutsche Rechtslage. Das ist zu berücksichtigen: Bei der geplanten Novellierung des Krankenpflegegesetzes Neu in die Richtlinie eingefügt wurde ein Absatz, der einen Katalog von Kompetenzen vorsieht, die im Rahmen der Krankenpflegeausbildung erworben werden müssen. Dies unabhängig davon, ob die Ausbildung an einer Universität, einer Hochschule mit anerkannt gleichwertigem Niveau oder einer Berufsschule für Krankenpflege oder in einem Berufsausbildungsgang für Krankenpflege erfolgt. Folgende Kompetenzen sind bei der geplanten Novellierung des Krankenpflegegesetzes zu berücksichtigen: die Kompetenz, den Krankenpflegebedarf unter Rückgriff auf aktuelle theoretische und klinisch-praktische Kenntnisse eigenverantwortlich festzustellen und die Krankenpflege im Rahmen der Behandlung von Patienten auf der Grundlage der in der Richtlinie genannten erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Hinblick auf die Verbesserung der Berufspraxis zu planen, zu organisieren und durchzuführen; die Kompetenz zur effektiven Zusammenarbeit mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen, einschließlich der Mitwirkung an der praktischen Ausbildung von Angehörigen von Gesundheitsberufen; die Kompetenz, Einzelpersonen, Familien und Gruppen auf der Grundlage der in der Richtlinie genannten erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu einer gesunden Lebensweise und zur Selbsthilfe zu verhelfen; die Kompetenz, eigenverantwortlich lebenserhaltende Sofortmaßnahmen einzuleiten und in Krisen- und Katastrophenfällen Maßnahmen durchzuführen; die Kompetenz, pflegebedürftige Personen und deren Bezugspersonen eigenverantwortlich zu beraten, anzuleiten und zu unterstützen; 4
5 die Kompetenz, die Qualität der Krankenpflege eigenverantwortlich sicherzustellen und zu bewerten; die Kompetenz zur umfassenden fachlichen Kommunikation und zur Zusammenarbeit mit anderen im Gesundheitswesen tätigen Berufsangehörigen; die Kompetenz, die Pflegequalität im Hinblick auf die Verbesserung der eigenen Berufspraxis als Krankenschwestern und Krankenpfleger, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind, zu analysieren«(art. 31 Abs. 7). Neu kommt: Das Binnenmarktinformationssystem (IMI)/Europäischer Berufsausweis (EBA) In Artikel 4 der Richtlinie werden der Aufbau des Binnenmarktinformationssystems und der Europäische Berufsausweis beschrieben. Diese Aktivität unterstützt ver.di. Das Binnenmarktinformationssystem (IMI) ist ein geeignetes Instrument, um Informationen über den Ausweisinhaber zu unterstützen, zu hinterlegen und zu übermitteln. Es kann den Anerkennungsprozess von Berufsqualifikationen unterstützen und beschleunigen. Dies ist im Interesse der Beschäftigten, die eine Anerkennung ihrer Qualifikation und eine Beschäftigung in einem anderen EU- Mitgliedstaat suchen. Damit sie ihre Aufgaben erfüllen können, muss sichergestellt werden, dass die zuständigen nationalen Behörden über die erforderlichen Kompetenzen und Ressourcen zur Beurteilung der Berufsausbildung verfügen. ver.di und gerade auch die europäischen Gewerkschaften im Europäischen Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD) befürwortet den Europäischen Berufsausweis (EBA). In der Richtlinie ist er als ein freiwilliges Instrument vorgesehen, der auf Antrag eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin ausgestellt wird. Wir erwarten für die Umsetzung in den Nationalstaaten allerdings, dass die zuständigen Berufsverbände, Behörden und die Gewerkschaften bei der konkreten Ausgestaltung eines solchen Europäischen Berufsausweises beteiligt werden und ein Mitspracherecht haben. Dies ist ein wichtiger nationaler Baustein, soll die Umsetzung des Europäischen Berufsausweises von den Beschäftigten auch akzeptiert werden. Verbesserungen sehen wir: Sprachkenntnisse und deren Überprüfung ver.di befürwortet die in Artikel 53 der Richtlinie vorgesehene Möglichkeit einer strengeren Prüfung von Sprachkenntnissen. Danach haben die regulierenden Behörden das Recht, die Sprachkenntnisse für Berufe, die die Sicherheit und Gesundheit berühren, systematisch zu überprüfen. Dies ist sowohl im Interesse der Patienten und bietet Schutz und Sicherheit, es ist wichtig für eine funktionierende Kommunikation zwischen den Kollegen und Kolleginnen und notwendig für eine korrekte Führung von Unterlagen und die Dokumentation des Behandlungsverlaufs. Dabei ist bei der Umsetzung der Prüfung der Sprachkenntnisse darauf Wert zu legen, dass die zu erfüllenden Anforderungen transparent und bekannt sind. Der Umfang der 5
6 Sprachkenntnisse und die Prüfungen müssen dabei dem Grundsatz der Angemessenheit (für den Zweck) und der Verhältnismäßigkeit (Umfang und Tiefe der Kenntnisse) entsprechen. Kritisch sehen wir: Delegierte Rechtsakte Große Bedenken hat ver.di gegenüber der Übertragung der Befugnis an die EU-Kommission erhoben, so genannte delegierte Rechtsakte erlassen zu können. Damit sollen die Kompetenzen der EU-Kommission gestärkt werden. Bezogen auf die allgemeine Krankenpflege bedeutet dies, dass die EU-Kommission die Inhalte des Ausbildungsprogramms, die seit 1977 unverändert gelten, dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt künftig anpassen kann (Art. 31 Abs. 2). Eine solche Anpassung der sehr allgemein gefassten Sammlung zu theoretischem Unterricht und praktischer Ausbildung ist sicherlich notwendig. Eine wesentliche und wichtige Einschränkung ist allerdings vorgesehen: Delegierte Rechtsakte dürfen keine Änderung der in den Mitgliedstaaten bestehenden wesentlichen gesetzlichen Grundsätze der Berufsstruktur hinsichtlich der Ausbildung und der Bedingungen für den Zugang zum Beruf bedeuten. Damit soll verhindert werden, dass die EU-Kommission durch die Hintertür Anforderungen an die Ausbildung formuliert, die nicht durch den Rahmen der Berufsanerkennungsrichtlinie gedeckt sind. Die Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen wird spätestens in fünf Jahren erneut in Europa auf den Prüfstand gestellt. Es gilt daher, die nationale Umsetzung kritisch zu begleiten und die Grenzen und Möglichkeiten der neu geschaffenen Instrumente und Strategien im Blick zu behalten. Berlin im Dezember 2013 ver.di Bundesverwaltung Fachbereich Gesundheit, Wohlfahrt und soziale Dienste Paula Thiede Ufer Berlin Bearbeitung und Kontakt: Melanie Wehrheim, Bereichsleiterin Berufspolitik, Dr. Margret Steffen, Bereich Europäische Gesundheitspolitik, 6
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