Übersicht. Umsatzsteuer in der Insolvenz im Spiegel der Rechtsprechung des V. und VII. Senats des BFH
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- Timo Krämer
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1 in der Insolvenz im Spiegel der Rechtsprechung des V. und VII. Senats des BFH Prof. Dr. Jens M. Schmittmann, Essen RA StB FAInsR FAHuGR FAStR Institut für Interdisziplinäre Restrukturierung e.v. Berlin 24. April 2013 Übersicht - Einführung - Verfahrensrecht und Haftung - - Aufrechnung und Anfechtung - Literaturhinweise - Fazit und Ausblick - Diskussion :56 Jens M. Schmittmann 2 1
2 Einführung - Aktuelle Verwaltungsanweisungen - BMF, Schreiben vom 31. Januar 2013 IV A 3 S 0062/08/ : Insolvenzrechtliche Regelungen im Anwendungserlass zur Abgabenordnung - BMF, Schreiben vom 12. April 2013 IV D 2 S 7330/09/10001:001: Vereinnahmung des Entgelts in der vorläufigen Insolvenzverwaltung von bereits vor oder während der vorläufigen Insolvenzverwaltung nach 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG berichtigten Umsätzen :56 Jens M. Schmittmann 3 Verfahrensrecht - Anders als im Klageverfahren kann in einem unzulässigen Rechtsmittelverfahren nur das Rechtsmittel, nicht aber auch der Rechtsstreit selbst in der Hauptsache für erledigt erklärt werden. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entfällt erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dies gilt auch für den Fall der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt ( 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO) und gleichzeitiger Untersagung der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen ( 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO). Anders kann es allenfalls dann sein, wenn darüber hinaus auch die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen einstweilig eingestellt wird ( 30 d Abs. 4 ZVG). - BFH, Beschluss vom 1. August 2012 V B 59/11, BFH/NV 2012, 213 f :56 Jens M. Schmittmann 4 2
3 Haftung - Der Haftung nach 69 in Verbindung mit 34 AO steht nicht entgegen, dass nach 93 InsO die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kann. Denn die Sperrwirkung dieser Norm erstreckt sich nur auf die Haftung des Gesellschafters aus 128 HGB. - BFH, Beschluss vom 15. November 2012 VII B 105/12; vgl. Schmittmann, Abgabenrechtliche Haftungsfragen in der aktuellen Rechtsprechung des BFH, StuB 2013, 223 f :56 Jens M. Schmittmann 5 Verfahrensrecht Abs. 3 InsO ist dahingehend einschränkend auszulegen, dass der Eintragung zur Insolvenztabelle bei Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis dieselbe Wirkung wie der beim Bestreiten vorzunehmenden Feststellung gem. 185 InsO in Verbindung mit 251 Abs. 3 AO zukommt und daher wie diese unter den Voraussetzungen des 130 AO geändert werden. - BFH, Urteil vom 24. November 2011 V R 20/10, BFH/NV 2012, 711 f :56 Jens M. Schmittmann 6 3
4 Verfahrensrecht - Die Festsetzung von Zwangsgeld zur Durchsetzung der steuerlichen Erklärungspflichten des Insolvenzverwalters ist weder unverhältnismäßig noch ermessensfehlerhaft, auch wenn voraussichtlich nicht mit steuerlichen Auswirkungen zu rechnen ist. - BFH, Urteil vom 6. November 2012 VII R 72/11, BFH/NV 2013, 284 ff. = ZIP 2013, 83 f.; vgl. dazu Schmittmann, Handels- und steuerrechtliche Pflichten in der Insolvenz und ihre Durchsetzung, StuB 2013, 67 f :56 Jens M. Schmittmann 7 - Beruht die Berichtigung nach 15 a UStG auf einer steuerfreien Veräußerung durch den Insolvenzverwalter im Rahmen der Verwaltung und Verwertung der Masse, ist der Berichtigungsanspruch eine Masseverbindlichkeit im Sinne von 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Im Verhältnis zwischen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren ist die im Festsetzungsverfahren vorgenommene Steuerfestsetzung für das Erhebungsverfahren vorgreiflich. Dies gilt auch für die Frage, ob Berichtigungen nach 15 a UStG zu Lasten oder zu Gunsten der Masse in einem an den Insolvenzverwalter gerichteten Steuerbescheid zu berücksichtigen sind. - BFH, Urteil vom 8. März 2012 V R 24/11, BStBl. II 2012, 466 ff. = ZIP 2012, 684 ff :56 Jens M. Schmittmann 8 4
5 - Grundlage für die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren nach 174 ff. InsO ist der gem. 16 ff. UStG berechnete Steueranspruch für das Kalenderjahr. Im Jahr der Insolvenzeröffnung ist die anzumeldende Steuer für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung zu berechnen. - Die Steuerberechnung gem. 16 ff. UStG unterliegt weder den Beschränkungen der Insolvenzaufrechnung noch denen der Insolvenzanfechtung. - Werden zur Insolvenztabelle angemeldete Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ohne Widerspruch in die Tabelle eingetragen, kommt der Eintragung dieselbe Wirkung wie der beim Bestreiten vorzunehmenden Feststellung gem. 185 InsO in Verbindung mit 251 Abs. 3 AO zu und kann wie diese unter den Voraussetzungen des 130 AO geändert werden. - BFH, Urteil vom 24. November 2011 V R 13/11, BStBl. II 2012, 298 ff. = ZIP 2011, 2481 ff. = EWiR 2012, 127 f. [de Weerth] :56 Jens M. Schmittmann 9 - Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht die Befugnis, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten, dem Insolvenzverwalter zu. Er übt dieses Recht für das gesamte Unternehmen des Insolvenzschuldners aus. - BFH, Urteil vom 20. Dezember 2012 V R 23/11, ZIP 2013, 469 f :56 Jens M. Schmittmann 10 5
6 - Der Beschluss des Insolvenzgerichts gem. 64 InsO zur Festsetzung des Vergütungsanspruchs des Insolvenzverwalters ist keine Rechnung eines Dritten im Sinne des 14 Abs. 2 Satz 4 UStG, die zum Vorsteuerabzug berechtigt. - BFH, Urteil vom 26. September 2012 V R 9/11, BFH/NV 2013, 489 ff. = ZIP 2013, 325 ff. = EWiR 2013, 213 f. [Schmittmann] :56 Jens M. Schmittmann 11 - Können wegen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens positive beträge und negative Berichtigungsbeträge ( 16 Abs. 2 UStG) im Rahmen einer Steuerfestsetzung durch Bescheid des Finanzamts nicht mehr saldiert werden, erledigt sich der Streit um die Wirksamkeit einer hinsichtlich dieser Beträge vom Finanzamt abgegebenen Aufrechnungserklärung, sobald die Steuer für das mit Insolvenzeröffnung endende (Rumpf-) Steuerjahr berechnet werden kann und nicht ausnahmsweise von der Aufrechnungserklärung als solcher fortbestehende Rechtswirkungen ausgehen, welche die Rechte des Schuldners berühren. Da ein über die Wirksamkeit der Aufrechnung ergangener Abrechnungsbescheid in der Regel die Feststellung enthält, dass aufgrund der Berichtigung entstehende Vergütungsbeträge oder Erstattungsbeträge nicht auszukehren sind, bleibt eine Klage gegen den Abrechnungsbescheid zulässig. - Ist der Berichtigungstatbestand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten, ist der Abrechnungsbescheid aufgrund des 16 UStG ungeachtet des 96 Abs. 1 InsO als rechtmäßig zu bestätigen. - BFH, Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 44/10, BStBl. II 2013, 33 ff. = ZIP 2012, 2220 f :56 Jens M. Schmittmann 12 6
7 - Ein aus der Berichtigung der gem. 17 Abs. 2 UStG herrührender Vergütungsanspruch wird im Sinne des 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht schon mit der (später) zu berichtigenden Steuer begründet, sondern durch die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale der Berichtigungsvorschrift des 17 Abs. 2 UStG. Werden diese vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht, greift das Aufrechnungsverbot des 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO mithin nicht ein, und zwar auch dann nicht, wenn die Steuer im Sinne des 13 UStG erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht. - Eine vom Finanzamt erklärte Aufrechnung wird in der Regel gegenstandslos, wenn die aufgerechneten Beträge im Rahmen der Jahressteuerfestsetzung oder bei der zwecks Anmeldung zur Insolvenztabelle durchzuführenden Steuerberechnung gem. 16 UStG in eine Saldierung einzubeziehen, die betreffenden Beträge also dem gleichen Besteuerungszeitraum zuzuordnen sind. - BFH, Urteil vom 25. Juli 2012 VII R 56/09, BFH/NV 2013, 413 ff :56 Jens M. Schmittmann 13 Anfechtung - Der gegen das Finanzamt gerichtete Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr insolvenzrechtlich angefochtener Leistungen ist kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, über dessen Bestehen dem Grund oder der Höhe nach durch einen Abrechnungsbescheid entschieden werden kann. - BFH, Beschluss vom 5. September 2012 VII B 95/12, BStBl. II 2012, 854 ff. = ZIP 2012, 2073 ff. = EWiR 2012, 701 f. [Schmittmann] :56 Jens M. Schmittmann 14 7
8 Anfechtung - Der Anspruch auf Rückgewehr in anfechtbarer Weise geleisteter Steuern nach 143 Abs. 1 InsO ist kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis im Sinne des 37 Abs. 1 AO, sondern ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch. Es ist daher ernstlich zweifelhaft, ob das auf einen solchen Anspruch geleistete mit Hilfe eines hoheitlich ergehenden Bescheides zurückgefordert werden kann. - BFH, Beschluss vom 27. September 2012 VII B 190/11, BStBl. II 2013, 109 ff. = ZIP 2012, 2451 ff. = NZI 2013 = 104 ff. mit Anm. Riewe :56 Jens M. Schmittmann 15 Aufrechnung - vergütungsansprüche, die der Schuldner nach Einstellung des Insolvenzverfahrens während der Wohlverhaltensphase erwirkt, dürfen mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden verrechnet werden. - Es ist offensichtlich, dass die Anfechtungsvoraussetzungen der 129 ff. InsO hinsichtlich Aufrechnungsmöglichkeiten nicht gegeben sein können, die durch erst nach Einstellung des Verfahrens vorgenommene Rechtshandlungen begründet werden. - Ein allgemeines Aufrechnungsverbot während der Wohlverhaltensphase enthält die InsO nicht. - BFH, Urteil vom 22. Mai 2012 VII R 58/10, ZInsO 2012, 2104 ff :56 Jens M. Schmittmann 16 8
9 Aufrechnung - Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstandene, aber bereits während seiner Dauer begründete Steuererstattungsansprüche des Insolvenzschuldners unterliegen weiterhin dem Insolvenzbeschlag, falls mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre Nachtragsverteilung vorbehalten worden ist. Für solche dem Insolvenzbeschlag weiterhin unterliegenden Ansprüche gelten die insolvenzrechtlichen Aufrechnungsverbote. - BFH, Urteil vom 28. Februar 2012 VII R 36/11, BStBl. II 2012, 451 ff. = ZIP 2012, 933 ff. = EWiR 2012, 463 f. [Sinz/Hiebert] :56 Jens M. Schmittmann 17 Aufrechnung - Die Verrechnung von im Sinne des 130 ff. InsO in kritischer Zeit begründeten forderungen des Finanzamts gegen vorinsolvenzliche Schulden desselben (hier: aus Investitionszulage) nach 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist unwirksam, weil sie die Masse schmälert und dadurch die mit dem Finanzamt konkurrierenden Gläubiger benachteiligt. - BFH, Beschluss vom 2. August 2012 VII R 57/10, ZIP 2013, 379 f. (Bestätigung von BFH, Urteil vom 2. November 2010 VII R 6/10, ZIP 2011, 181 und BFH, Urteil vom 2. November 2010 VII R 62/10, ZIP 2011, 730; in Abgrenzung zu BFH, Urteil vom 24. November 2011 V R 13/10, ZIP 2011, 2481) :56 Jens M. Schmittmann 18 9
10 Aufrechnung - Hinsichtlich aus der Insolvenzmasse freigegebener vergütungsansprüche des Insolvenzschuldners bestehen weder insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote noch stehen der Aufrechnung gegen solche Forderungen Pfändungsschutzvorschriften entgegen. - BFH, Beschluss vom 22. Januar 2013 VII S 35/12, n.v :56 Jens M. Schmittmann 19 Literatur Kahlert, Insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbote im recht Aktuelle Entwicklungen und Auswirkungen auf die Insolvenzpraxis, ZIP 2013, 300 ff. Wäger, Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit bei der Umsatzbesteuerung im Insolvenzfall, ZInsO 2012, 520 ff. Wäger, Vorsteuer- und Steuerberichtigung aufgrund Uneinbringlichkeit in der Insolvenz des Unternehmers, DB 2012, 1460 ff. Schmittmann,, Aufrechnung und Insolvenz in der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, StuB 2012, 874 f :56 Jens M. Schmittmann 20 10
11 Referent Prof. Dr. Jens M. Schmittmann - Rechtsanwalt Steuerberater - Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Wirtschafts- und Steuerrecht - FOM Hochschule für Oekonomie und Management Essen - Sigsfeldstr Essen - STS Schulz Tegtmeyer Sozien Rechtsanwälte Notare Fachanwälte Steuerberater - Zweigertstr. 28/ Essen Jens M. Schmittmann 21 11
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