Masern über Impfung und Kontaktabklärungen zur Elimination
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- Damian Sommer
- vor 7 Jahren
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1 Masern über Impfung und Kontaktabklärungen zur Elimination Seit mehr als 40 Jahren gibt es eine Impfung gegen Masern. Trotzdem ist die ehemalige Kinderkrankheit noch nicht ausgerottet und fordert weiterhin Todesopfer, vor allem in der dritten Welt. Im ersten Beitrag einer Reihe von drei Artikeln werden die Epidemiologie und die Bekämpfungsmassnahmen auf Bevölkerungsebene gegen die Masern vorgestellt. In den folgenden Ausgaben werden Philip Tarr und Peter Graber, die leitenden Infektiologen der Standorte Bruderholz und Liestal des Kantonsspitals Baselland, die klinischen Aspekte der Krankheit darstellen sowie Karin Seibold und Claudia Wandt, Ko-Präsidentinnen der Schulgesundheitskommission Baselland, sie aus kinderärztlicher und schulärztlicher Sicht beschreiben. Praktisch alle heute über 50-Jährigen haben die Masern mit Fieber und Hautausschlag während ihrer Kindheit durchgemacht. Seit der Verfügbarkeit der entsprechenden Impfung ist die hochansteckende Krankheit erfreulicherweise deutlich seltener geworden, tritt aber in allen Altersgruppen auf. Medikamente, die nach einer Erkrankung direkt gegen das verursachende Virus wirken, gibt es noch heute nicht. Ernsthafte Komplikationen können auftreten, vor allem Entzündungen von Lunge, Mittelohr und Gehirn. 23 Prozent der seit 2014 in der Schweiz an Masern Erkrankten mussten sich in Spitalpflege begeben, noch heute sterben trotz Behandlung in entwickelten Ländern bis zu 3 von Erkrankten, in Entwicklungsländern gar bis zu 500, also jeder 20. Masernpatient. Wirksame und sichere Impfung seit mehr als 40 Jahren Seit den 1960er-Jahren gibt es Masernimpfstoffe, seit 1985 wird in der Schweiz eine kombinierte Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln empfohlen. Der verwendete Masernimpfstoff, der auch einzeln erhältlich ist, bietet nach zwei Impfdosen einen lebenslang anhaltenden Impfschutz von etwa 95 Prozent. Nebenwirkungen der Impfungen werden streng überwacht. Am häufigsten sind Schwellungen und Schmerzen an der Einstichstelle und leichtes Fieber. Vorübergehende Hautausschläge treten etwa bei zwei Prozent auf, ernsthaftere Beschwerden sehr selten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hält in ihrer entsprechenden Stellungnahme insbesondere fest, dass auch nach umfangreichen Untersuchungen keinerlei Zusammenhang mit neurologischen Dauerschäden, dem Guillain- Barré-Syndrom, Autismus oder auch entzündlichen Darmerkrankungen gefunden werden konnte. Die WHO bietet auf ihrer Website einen Überblick über den Anteil der mindestens einmal Geimpften im Alter von einem Jahr. 30 der 53 Länder in der Region Europa haben dabei gemäss den Daten für 2013 eine < 50% 50% 79% 80% 89% > 90% Not applicable No data Juni 2015
2 Durchimpfung von 95 Prozent erreicht. Die Schweiz liegt auf Rang 36 mit 93 Prozent. Schlusslichter in Europa sind die Ukraine, Österreich und San Marino mit Werten zwischen 79 Prozent und 74 Prozent, weltweit der Südsudan mit 30 Prozent und die Zentralafrikanische Republik mit 25 Prozent. Gemäss den letzten nationalen Zahlen aus dem Jahr 2012 lag die Durchimpfung mit zwei Dosen in der Schweiz bei 89 Prozent bei den 2-Jährigen, 92 Prozent bei den 3- bis 8-Jährigen sowie 89 Prozent bei den 9- bis 16-Jährigen. Die entsprechenden Baselbieter Daten aus dem Jahr 2011 waren 86 Prozent, 87 Prozent und 84 Prozent. Auch aus dem Jahr 2014 liegen inzwischen die kantonalen Angaben vor: Sie sind 89 Prozent, 92 Prozent und 91 Prozent. Impfschutz vorhanden, so sind keine weiteren Massnahmen notwendig. Ist dies nicht der Fall, so ist bis 72 Stunden nach der mutmasslichen Ansteckungsgefahr, der sogenannten potenziellen Exposition, noch eine Nachimpfung möglich. Speziell gefährdeten Personen, also Älteren, Schwangeren und Immunsupprimierten, wird zudem bis sechs Tage nach der Exposition eine Behandlung mit Immunoglobulinen angeboten. Falls dies nicht möglich ist, müssen potenziell Exponierte bis zur maximalen Dauer Familie, sondern ist auch ein Akt der Solidarität auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. PD Dr. med. Brian Martin, Kantonsarzt Baselland; Dr. med. Gabrielle Schmid, stellvertretende Kantonsärztin Masernelimination als Ziel der nationalen Strategie Die Weltgesundheitsorganisation WHO ebenso wie unser eigenes Land haben sich die Ausrottung der Masern zum Ziel gesetzt. Die wichtigste Massnahme dazu ist sicher die konsequente Impfung. Da Masernviren nur in Menschen überleben und durch diese weitergegeben werden können, kann eine kollektive Immunität oder sogenannte Herdenimmunität erreicht werden, sobald 95 Prozent der Bevölkerung entweder zwei Impfdosen erhalten oder die Krankheit durchgemacht haben. Bis dies erreicht ist, können aber Ausbrüche immer wieder vorkommen. Im Jahr 2008 wurden deshalb die Massnahmen zur Bekämpfung von Masern und Masernausbrüchen bei behandelnden Ärztinnen und Ärzten, den Gesundheitsbehörden von Kantonen und Bund sowie weiteren Partnern wie den Schulgesundheitsdiensten verstärkt. Dazu gehört, dass nach Bekanntwerden eines Masernfalles alle Personen kontaktiert werden, die während der potenziell ansteckenden Phase mit ihm Kontakt gehabt haben. Ist ein Maserndurchimpfung weltweit im ersten Lebensjahr mit mindestens einer Impfdosis gemäss Website der Weltgesundheitsorganisation WHO ( int/topics/measles) der Inkubationszeit, also dem zeitlichen Abstand zwischen Exposition und Auftreten der Symptome von 21 Tagen, zuhause bleiben, um eine weitere Verbreitung zu verhindern. Masernimpfung im eigenen Interesse und als Akt der Solidarität Die beschriebenen Massnahmen haben auch in der Schweiz zu einer deutlichen Abnahme der Masernfälle geführt. Seit 1999 sind Masern meldepflichtig, im Jahr 2014 gab es noch 23 Fälle, von Januar bis Mitte März des laufenden Jahres deren acht. Seit Oktober 2013 gab es keine Ausbrüche mit mehr als zwei Erkrankungen. Bis das Eliminationsziel einer Durchimpfung von 95 Prozent erreicht ist, werden aber aufwendige Eindämmungsmassnahmen notwendig bleiben und grosse Ausbrüche wie 2003, 2007 bis 2009 sowie 2011 mit jeweils zwischen 600 und mehr als 2200 Erkrankten jährlich sind ebenso wenig auszuschliessen wie die Verschleppung der Krankheit bis in Länder mit schlechterer Gesundheitsversorgung als der unseren. Wichtigste Massnahme zur Bekämpfung der Masern bleibt die Impfung mit zwei Dosen. Diese dient nicht nur dem Schutz der Gesundheit des Einzelnen und der eigenen Zeitlicher Verlauf einer Masernerkankung gemäss Richtlinien des Bundesamts für Gesundheit BAG Schwerpunkt Masernstrategie 2015: Impflücken schliessen Die Schweiz verfolgt das Ziel einer Elimination der Masern. Im Jahr 2015 ist der Schwerpunkt der entsprechenden Strategie, Impflücken zu schliessen. Allen Personen mit Jahrgang 1964 und jünger, die nicht die Masern durchgemacht haben und die nicht mit zwei Dosen geimpft worden sind, wird deshalb empfohlen, sich nachimpfen zu lassen. Individuelle Beratung und die entsprechenden Impfungen werden bei allen Hausärztinnen und Hausärzten angeboten. Die Impfung erfolgt zulasten der obligatorischen Krankenversicherung, bis Ende 2015 ist sie auch von der Franchise befreit. Weitere Informationen zum Thema Masern sind auf der Website des Bundesamts für Gesundheit BAG sowie beim kantonsärztlichen Dienst Baselland erhältlich. Juni
3 Masern klinische Aspekte und Komplikationen In der Schweiz hat die Häufigkeit der Masern durch die in den Sechzigerjahren eingeführte Impfung stark abgenommen. Die Krankheit ist daher nicht mehr so gut bekannt. Vor allem jüngere Ärzte haben noch nie einen Fall gesehen. Dieser Artikel beinhaltet die klinischen Aspekte der Masern sowie die Masernkomplikationen. Der bereits erschienene erste Beitrag der Serie hat die Epidemiologie und die Bekämpfungsmassnahmen auf Bevölkerungsebene abgehandelt, der dritte noch erscheinende Artikel wird sich den kinderärztlichen und schulärztlichen Aspekten widmen. Tag 1 Einzelne Flecken Abbildung 1: Bindehautentzündung bei Masern. Die sonst weissen Skleren sind deutlich gerötet und können juckend und schmerzhaft sein. Die Masern sind hochansteckend Die Masern gehören zu den höchst ansteckenden Viruskrankheiten. Tritt in einer Familie ein Masernfall auf, so werden etwa 75 bis 90 Prozent der nicht immunen Haushaltsmitglieder erkranken. Man nimmt an, dass in einer nicht immunen Population jeder Masernkranke im Durchschnitt 12 bis 18 weitere Individuen anstecken kann. Die Ansteckung erfolgt über Atemwegssekretionen, durch kleinste infektiöse Tröpfchen. Die klinischen Aspekte der Masernerkrankung Die klassische Masernerkrankung verläuft in mehreren Phasen. Acht bis zwölf Tage nach Ansteckung kommt es zur Prodromalphase mit hohem Fieber, ausgeprägtem Krankheitsgefühl, Apathie, Lichtscheu und Appetitlosigkeit, gefolgt von Schnupfen, Halsschmerzen, trockenem Reizhusten sowie einer eindrücklichen Bindehautentzündung der Augen (Abbildung 1). Nach zwei bis vier Tagen treten an der Wangenschleimhaut die sogenannten Koplik schen Flecken auf (Abbildung 2). Es handelt sich hierbei um ein bis drei Millimeter grosse, weissliche, stippchenartige Flecken auf der Schleimhaut, meist den Stockzähnen gegenüberliegend. Die Suche nach Koplik schen Flecken ist sehr wichtig für die frühe klinische Diagnose, weil sie hochgradig typisch für die Maserninfektion sind. Halsschmerzen und einer Bindehautentzündung der Augen begleitet. Die einzelnen Flecken des Ausschlags können nach einigen Tagen zusammenfliessen und werden dann fälschlicherweise als diffuse Rötung der Haut wahrgenommen die aufmerksame Ärztin wird aber an Armen oder Beinen immer noch maserntypische, einzelne rote Flecken finden (Abbildung 3). Etwa 48 bis 72 Stunden nach Ausbruch des Ausschlags kommt es allmählich zur Abheilung mit Abblassen des Hautausschlags und Nachlassen des Fiebers sowie der Atemwegssymptome. Häufig kommt es zu einer Schuppung der Haut. Diagnosestellung Während einer Masernepidemie und entsprechendem Kontakt mit einem Masernkranken gibt es kaum Schwierigkeiten, die Masern zu diagnostizieren. Ausserhalb einer Epidemie kann die Danach folgt das Stadium des Hautausschlags. Auf der Haut zeigen sich drei bis acht Millimeter grosse, rote, zum Teil erhabene Flecken, die typischerweise zuerst hinter den Ohren und im Gesicht auftreten und sich allmählich von oben nach unten über den Hals, Oberkörper, Stamm und die Arme und Beine ausbreiten. Der Ausschlag wird von hohem Fieber, geschwollenen Lymphknoten, Husten, Masernkomplikationen und ihre Häufigkeit Komplikation Häufigkeit Spitalbedürftigkeit alle Altersklassen 8% Spitalbedürftigkeit > 16 jährige 28% Sterblichkeit an Masern 1:3000 Lungenentzündung 1:200 Masernenzephalitis (Hirnentzündung) 1: Oktober 2015
4 Masern Ausschlag Tag 3 bis 4 Zusammenfliessende Flecken Einzelne Flecken Diagnose schwieriger zu stellen sein, denn Fieber und Ausschlag können auch durch andere Erreger bedingt sein. Die Sicherung der Diagnose erfolgt mittels Masern-Antikörpernachweis im Blut oder mittels Nachweis des Masernvirus aus einem Nasen-Rachen-Abstrich. Es gibt keine gezielte Behandlung gegen das Masernvirus Eine gezielte, gegen das Masernvirus gerichtete Therapie existiert nicht. Die Behandlung der Masern ist unterstützend, d.h. sie besteht vorwiegend in der Linderung der Symptome sowie der Behandlung allfälliger Komplikationen. Die Masern-Komplikationen: gefürchtet und gar nicht so selten Masern sind keine so harmlose Kinderkrankheit, wie oft vermutet wird. Tabelle 1 zeigt eine Übersicht über die häufigsten Komplikationen. In der Schweiz stirbt zirka eine pro 3000 an Masern erkrankte Personen. Ungefähr acht Prozent aller Masernfälle müssen hospitali- siert werden oder die Notfallstation aufsuchen. Bei den über 16-Jährigen sind es bereits 28 Prozent, die im Spital behandelt werden müssen. Komplikationen treten also bei Erwachsenen gehäuft auf. Die Maserninfektion führt zu einer vorübergehenden Immunschwäche von etwa sechs Komplikationen der Masern-Mumps-Rötelnimpfung Anaphylaxie (schwere allergische Reaktion): 1-10 pro Mio. Geimpfte Fieberkrämpfe: ca. 1 pro 1500 Geimpfte Konvulsionen: 3 bis 385 pro Mio. Geimpfte verglichen mit 5000 bis 7000 pro Mio. Masernerkrankte Abfall der Blutplättchen: 25 bis 40 pro Mio. Geimpfte vs. 330 pro Mio. Masernerkrankte Wochen Dauer, was die Empfänglichkeit für zusätzliche bakterielle Infektionen begünstigt (z.b. Mittelohrentzündung, vor allem bei Kleinkindern, welche zu bleibendem Hörverlust führen kann). Durchfall tritt bei bis zu 30 Prozent der hospitalisierten Patienten auf, ebenso Leber- und Blinddarmentzündung. Die Masern können auch die Lungen anstecken, mit einer Häufigkeit von 1:200. Die Masern-Lungenentzündung kann schwer verlaufen und ist eine der häufigsten masernbedingten Todesursachen bei Kleinkindern. Sehr gefürchtet ist die sogenannte Masernenzephalitis, die Entzündung des Hirns (Häufigkeit 1:1000). Innerhalb von wenigen Tagen nach Auftreten des Hautausschlags kommt es dabei zu starken Kopfschmerzen, Lichtscheu und Verwirrung. Es können Krampfanfälle auftreten bis hin zu Koma und Tod. 25 Prozent der Kinder leiden nach einer durchgemachten Masernenzephalitis an einer bleibenden Behinderung. Eine sehr seltene Komplikation (vier bis elf Fälle / Masernerkrankte) ist die sogenannte subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE). Dabei handelt es sich um eine chronische Gehirnentzündung, deren Symptome sieben bis zehn Jahre nach einer Maserninfektion auftreten und die fast immer tödlich endet. Die SSPE tritt nur nach einer Maserninfektion auf und nicht nach einer Masernimpfung. Die Gefahren einer Maserninfektion können durch die Masernimpfung wirksam und sicher vermieden werden. Nach zwei Impfdosen wird ein lebenslang anhaltender Impfschutz von etwa 95 Prozent erreicht. Die Masernimpfung ist eine sehr sichere Impfung und Impfkomplikationen sind sehr selten (Tabelle 2). Leichte Symptome wie Schwellung und Schmerzen an der Einstichstelle und leichtes Fieber können auftreten. Die Impfung enthält ein stark abgeschwächtes, aber lebendiges (vermehrungsfähiges) Virus daher dürfen immungeschwächte Personen nicht geimpft werden. Weitere Informationen sind auf der Website erhältlich. Peter Graber, Philip Tarr, leitende Ärzte, Infektiologie und Spitalhygiene, Kantonsspital Baselland Abbildung 3: Masern Ausschlag. Abbildung 2: Koplik sche Flecken. Die aufmerksame Ärztin wird bei Masernverdacht immer einen Blick auf die Wangenschleimhaut werfen. Denn die Koplik schen Flecken kommen fast ausschliesslich bei Masern vor. Illustrationen abgebildet mit freundlicher Genehmigung von Bettina Rigoli, Basel Oktober
5 Masern aus kinder- und schulärztlicher Sicht Masern sind in Mitteleuropa seit der Einführung der Masernschutzimpfung selten geworden. In Afrika, Asien sowie in der Region östliches Mittelmeer gehören die Masern zu den häufigen Infektionskrankheiten. Aufgrund der grossen Flüchtlingsströme aus diesen Regionen erhöht sich die Gefahr neuer Masernausbrüche auch in Mitteleuropa. Nur durch die vollständige Impfung der gesamten Bevölkerung können Masernepidemien verhindert werden. Der dritte Artikel dieser Serie befasst sich mit der Masernerkrankung aus kinder- und schulärztlicher Sicht. Zur täglichen Routine gehört in der Kinderarztpraxis die Durchführung der Schutzimpfung gegen Masern. Für einen vollständigen Impfschutz sind zwei Impfungen erforderlich. Die erste Impfung wird in der Regel im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen im Alter von zwölf Monaten und die zweite Impfung mit Monaten mit einem kombinierten Masern-Mumps-Röteln-Impfstoff (MMR- Impfstoff) durchgeführt. Für Säuglinge mit einem erhöhten Risiko einer frühen MMR-Infektion, d.h. Frühgeborene und Kinder in Tagesbetreuung, wird die erste Impfung bereits im Alter von 9 11 Monaten empfohlen. Erfreulicherweise sind seit der Einführung der Masernschutzimpfung Kinder mit einer akuten Masernerkrankung in der täglichen Sprechstunde zu einer Rarität geworden. Umso wichtiger ist es bei potenziell erkrankten Kindern mit verdächtigen Symptomen, die Verdachtsdiagnose Masern rasch in Betracht zu ziehen. Am günstigsten ist es, wenn bereits bei telefonischer Anmeldung der Masernverdacht erkannt wird, um das möglicherweise masernkranke Kind von Anfang an konsequent zu isolieren, bis die Diagnose gesichert oder ausgeschlossen werden kann. Da die Masernsymptome zu Beginn einer Erkältung ähnlich sein können, müssen ungeimpfte Kinder beim geringsten Verdacht ärztlich untersucht werden. Nur frühzeitige Identifikation und Isolation von Masernkranken verhindern die weitere Ausbreitung. Typischer Krankheitsverlauf Sieben bis 18 Tage nach der Infektion mit dem Masernvirus beginnt das sogenannte Prodromalstadium (Dauer 3 4 Tage). Es treten unspezifische Erkältungssymptome wie Schnupfen, Fieber, Halsschmerzen, Husten und gelegentlich auch Magen-Darmprobleme auf. In dieser frühen Phase der Erkrankung zeigen sich auch die maserntypischen Koplikflecken an der Wangenschleimhaut. Es handelt sich um leicht zu übersehende, kleine kalkspritzerartige Nekrosen an der Wangenschleimhaut, zumeist den Backenzähnen gegenüberliegend. Ausserdem leiden die betroffenen Kinder unter einer Bindehautentzündung mit deutlicher Rötung der Augen, begleitet von ausgeprägter Lichtscheu. Die Kinder fühlen sich daher in abgedunkelten Räumen besser. Diese für die Masernerkrankung typische Lichtscheu Was können Tageseinrichtungen, Kindergärten und Schulen zur Masernelimination beitragen? 1. Die Eltern werden bereits bei der Anmeldung über die Wichtigkeit der Masernimpfung (2 Impfdosen) informiert. 2. Alle Mitarbeiter (Lehrpersonen, Verwaltung, Technik und Reinigung) der Schule werden aufgefordert, ihren Impfschutz zu prüfen und bei Bedarf zu vervollständigen. 3. Information aller Schüler/innen und Mitarbeitenden, die keine Masernerkrankung durchgemacht haben und die Durchführung der Impfung verweigern, dass sie bei Kontakt mit einem Masernpatienten oder Masernverdachtfalles 3 Wochen nicht in die Schule kommen dürfen (Schulausschluss). 4. Bei Masernverdacht müssen die Gesundheitsdienste sofort informiert werden, damit die notwendigen Massnahmen zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung der Masern möglichst rasch eingeleitet werden können. (in Anlehnung an die Empfehlungen für Schulen des BAG/EDI) muss bei ungeimpften Kindern stets den Verdacht auf das Vorliegen einer Maserninfektion lenken. 3 7 Tage nach Auftreten der ersten Symptome kommt es zum charakteristischen Masernexanthem, das hinter den Ohren beginnt und sich dann im Gesicht zeigt, die weitere Ausbreitung erfolgt innerhalb von 2 Tagen über den Rumpf auf Arme und Beine. Dieses Exanthem besteht zunächst aus einzelnen 3 8 mm grossen hochroten Flecken, die im weiteren Verlauf zusammenfliessen. Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit, bei ca. 10 % der Patienten kommt es zu Komplikationen. Gefürchtete schwere Komplikationen sind die Lungenentzündung, die ca. 5 % der Erkrankten entwickeln, und die Masernencephalitis (1 Fall pro 1000 Erkrankte). Beide schwerwiegenden Erkrankungen können zu nachhaltigen Folgeschäden und im schlimmsten Fall sogar zum Tod des Patienten führen. Masernerkrankte in den letzten Jahren In der Schweiz traten in den letzten Jahren erfreulicherweise weniger Masernfälle auf. Kommt es zu einer akuten Masernerkrankung, muss der Schularzt rasch die erforderlichen Massnahmen zur Einschränkung der weiteren Verbreitung der Masernerkrankung einleiten. Masernfälle in der Schweiz Masernerkrankte Masernerkrankte Masernerkrankte 2015 (Jan-Sept.) 35 Masernerkrankte Um die Anzahl der Masernfälle weiter zu reduzieren und die Masern langfristig zu eliminieren, sollte jeder Schularzt sich für eine vollständige Durchimpfung aller Schüler/innen und Mitarbeitenden einsetzen. Dr. med. Karin Seibold-Weiger Dezember 2015
6 roposophie. Steiners These geht davon aus, dass jede durchgemachte Kinderkrankheit einen Entwicklungsschub bewirke. Steiner lehnte Impfungen jedoch nicht grundsätzlich ab. Damals gab es keine Impfungen gegen Kinderkrankheiten. Dank der Impfungen überleben heute viel mehr Kinder die ersten Lebensjahre. Typisches Masernexanthem 4. Wie kann man die Masern behandeln? Eine spezifische Therapie gegen Masern gibt es nicht. Die Symptome lassen sich durch eine schmerz- und fiebersenkende Therapie lindern. Auch bei sofortiger medizinischer Behandlung kann es im Verlauf der Erkrankung zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen kommen. Masern häufige Fragen 1. Sind Masern nicht eine harmlose Kinderkrankheit, die früher jeder durchgemacht hat? Nein, Masern sind nicht harmlos, Komplikationen wie Mittelohrentzündung, Fieberkrämpfe, schwere Lungenentzündung (5 %) und Gehirnentzündungen mit schweren dauerhaften Schädigungen (0,1 %) und Tod sind möglich. 2. Ist das Durchmachen von Erkrankungen nicht wichtig für das Immunsystem des Kindes? Nein, eine durchgemachte Masernerkrankung stärkt das Immunsystem des Kindes nicht. Im Gegenteil, nach einer durchgemachten Maserninfektion ist das Immunsystem über lange Zeit geschwächt, dies macht den Körper anfällig für andere Infektionen. 3. Ist das Durchmachen von Infektionskrankheiten nicht wichtig für die normale Entwicklung des Kindes? Nein. Ein Kind hat dank einer durchgemachten Infektionskrankheit keine Vorteile für die weitere Entwicklung. Diese Idee hat ihren Ursprung in der von Rudolf Steiner begründeten Anth- 5. Wie kann man sich vor Masern schützen? Zuverlässig schützen kann man sich nur durch die 2 x Masernimpfung. Masern sind hochansteckend. Die Infektion erfolgt durch das Einatmen infektiöser Tröpfchen beim Sprechen, Niesen, Husten und durch Kontakt mit infektiösen Sekreten aus Nase und Rachen. Bereits bei kurzem Kontakt stecken sich nahezu alle nicht geimpften Personen an. Da die Erkrankung bereits vor dem Auftreten des typischen Masernexanthems sehr ansteckend ist, sind die Erkrankten noch nicht isoliert und eine Infektion durch Kontakt in der Öffentlichkeit (Tram, Bus, Geschäfte, Kindergarten) ist möglich. 6. Wie lange hält bei Säuglingen der Nestschutz an? Jede Mutter, die Masern durchgemacht hat oder geimpft ist, gibt während der Schwangerschaft Antikörper an ihr Baby weiter. Diese Antikörper schützen den Säugling in den ersten Lebensmonaten vor einer Maserninfektion. Dieser Nestschutz ist bei jedem Baby unterschiedlich lange wirksam (einige Wochen bis Monate). Schwerpunkt Masernstrategie 2015: Impflücken schliessen Die Schweiz verfolgt das Ziel einer Elimination der Masern. Im Jahr 2015 ist der Schwerpunkt der entsprechenden Strategie, Impflücken zu schliessen. Allen Personen mit Jahrgang 1964 und jünger, die nicht die Masern durchgemacht haben und die nicht mit zwei Dosen geimpft worden sind, wird deshalb empfohlen, sich nachimpfen zu lassen. Individuelle Beratung und die entsprechenden Impfungen werden bei allen Hausärztinnen und Hausärzten und Kinderärztinnen und Kinderärzten angeboten. Die Impfung erfolgt zu Lasten der obligatorischen Krankenversicherung, bis Ende 2015 ist sie auch von der Franchise befreit. Weitere Informationen zum Thema Masern sind auf der Website des Bundesamts für Gesundheit BAG sowie beim kantonsärztlichen Dienst Baselland erhältlich. Das Thema Masern wurde in einer dreiteiligen Serie vorgestellt: «Epidemiologie und Eliminationsstrategie» im Infoheft 183, «Das klinische Bild der Masern» in der Nummer 184. Dezember
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