Welche Medikamente sollte ich bei dementiell erkrankten Patienten vermeiden?
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- Hella Schuler
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1 Welche Medikamente sollte ich bei dementiell erkrankten Patienten vermeiden? Petra A. Thürmann Philipp Klee-Institut für Klinische Pharmakologie HELIOS Klinikum Wuppertal Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie Universität Witten/Herdecke HELIOS Klinikum Wuppertal
2 Interessenskonflikte Angestellt: bei HELIOS; keine leistungsbezogenen Gehaltsanteile Beratungstätigkeit: Biotest Pharma AG; MYR Honorare: rottapharm Maddaus Finanzierung wissenschaftlicher Untersuchungen: Biotest Pharma AG (Phase I Studien); Bayer Healthcare AG (Phase I und II Studien), BMBF, BMG Aktienbesitz: keine 1
3 Pharmakotherapie der Demenz was gilt es zu beachten? Therapie häufiger Komorbiditäten - Kardiovaskuläre Erkrankungen, Schmerzen, Inkontinenz, Arzneimittelnebenwirkungen mit negativer Auswirkung auf die Kognition - Anticholinerge Effekte Schlafstörungen und Demenz Einsatz von Neuroleptika Arzneimittel und Sturzgefahr 2
4 Komorbiditäten bei Patienten mit Demenz Patienten (> ambulant) mit Demenz, über 65 Jahre 2,4 chronische Krankheiten 5,1 verschiedene Medikamente/Tag Vergleichbar zu Alters-/Geschlechts-gematchten Kontrollpatienten Schubert CC et al, JAGS
5 Multimorbidität älterer Hausarztpatienten H. van den Bussche,
6 Zusammenhang zwischen NTproBNP, Blutdruck und Kognition MMSE MMSE Patienten mit hohem NTproBNP und niedrigem systolischen Blutdruck wiesen die niedrigsten MMSE-Werte auf und hatten den steilsten Abfall über 5 Jahre Van Vliet et al, Neurology
7 NVL Herzinsuffizienz 6
8 Fit for The Aged (FORTA) - Herzinsuffizienz A B C D Nutzen im Alter belegt, vorzugsweise RCT Nachgewiesene Wirksamkeit, aber z.b. erhöhte Risiken im Alter Ungünstiges Nutzen/Risiko- Verhältnis; bei Multimedikation am ehesten verzichtbar Arzneistoffe, die man fast immer vermeiden sollte, da Kategorie C + geeignete Alternativen vorhanden ACE-Hemmer, AT1-Blocker, ggf. Betablocker Diuretika, Betablocker bei Alter > 80 J, Spironolacton Digoxin, Digitoxin HELIOS Klinik Hüls 2011 Kuhn-Thiel et al, Drugs Aging
9 Unerwünschte Effekte einer Diuretikatherapie im Alter Mindestens jeder 4. Senior > 75 Jahre erhält ein Diuretikum (ArzneiverordnungsReport 2012; Szymanski et al, BJCP 2010) Bei schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen (Krankenhausaufnahme, Tod) stehen Diuretika als Auslöser an 1. Stelle bei Senioren (Pirmohamed et al, BMJ 2004; Davies et al, PLoS One, 2009; Michenot et al, Pharmacoepidemiol Drug Saf 2006; Onder et al, JAGS 2002) 8
10 Komorbiditäten bei Patienten mit Demenz Patienten (> ambulant) mit Demenz, über 65 Jahre 2,4 chronische Krankheiten 5,1 verschiedene Medikamente/Tag Vergleichbar zu Alters-/Geschlechts-gematchten Kontrollpatienten 50 % der Patienten erhalten mindestens ein Medikament mit anticholinergen Effekten 20 % der Patienten erhalten mindestens ein Psychopharmakon Schubert CC et al, JAGS
11 Anticholinerge Beeinträchtigungen Mundtrockenheit Mydriasis Vermindertes Schwitzen Schläfrigkeit Amnesie Obstipation M1-M5-Rezeptoren: Botenstoff Acetylcholin Gehirn, Herz, glatte Muskulatur 10 10
12 Anticholinerge Beeinträchtigungen Mundtrockenheit Mydriasis Vermindertes Schwitzen Schläfrigkeit Amnesie Sprachprobleme, Appetit Sehstörungen, Schwindel Temperatur Apathie Verwirrtheit Depression, Mangelernährung Stürze, Glaukomanfälle Hyperthermie Koma Delir, Halluzinationen Dipl. pharm. Frank Hanke 11
13 Anticholinerge und sedierende Arzneimittel-Belastung TBD = Total Drug Burden = Arzneimittel-Belastung = B AC (anticholinergic burden) + B (sedative burden) Bewertung der Stoffe nach pharmakologischen Prinzipien Hilmer et al, Arch Intern Med
14 Arzneimittel mit anticholinerger Wirkung Anticholinerge Wirkstoffe Amitriptylin, Doxepin, Clomipramin Oxybutynin (nichtretardiert und retardiert), Tolterodin (nichtretardiert) Hydroxyzin, Clemastin, Chlorphenamin, Dimetinden, Doxylamin Dimenhydrinat Levomepromazin, Thioridazin Alternative Amitriptylin sehr niedrig dosieren, ggf. Nortriptylin oder SSRI Trospium, nichtmedikamentöse Therapien, ggf. Darifenacin Cetirizin bzw. als Sedativa niedrig dosiert Z- Substanzen (z.b. Zolpidem) Domperidon, ggf. MCP Melperon, Pipamperon Holt et al, Deutsch Ärztebl
15 Anticholinerge Potenz: Fokus auf Opioide und Psychopharmaka Anticholinerge Potenz Hoch Mittel Schwach Wirkstoffe Amitriptylin, Doxepin, Imipramin, Nortriptylin, Perphenazin, Promethazin Amantadin, Olanzapin, Quetiapin, Clozapin, Methadon, Tramadol, Paroxetin Bupropion, Fluoxetin, Mirtazapin, Sertralin, Trazodon, Venlafaxin Haloperidol, Risperidon, Ziprasidon Alprazolam, Chlordiazepoxid, Diazepam Carbamazepin, Phenobarbital Codein, Morphin, Oxycodon Pramipexol Schmiedl et al, Angew Schmerzther Palliativmed
16 Auswahl von Urologika Penetration in das ZNS: tertiäre Amine penetrieren gut in das ZNS (Tolterodin, Oxybutynin, Fesoterodin, Darifenacin und Solifenacin) Trospium als quaternäres Amin dringt (kaum) in das ZNS, Darifenacin wird über pgp wieder ausgeschleust Tolterodin, Oxybutynin und Fesoterodin haben pharmakologisch aktive Metabolite Sehr hohe Bindungsaffinität zu M3-Rezeptoren haben Darifenacin und Solifenacin (Chancellor & Boone, CNS Neuroscience & Therapeutics 2012) Cochrane Review: Solifenacin > Tolterodin > Oxyutynin in Bezug auf Symptom-spezifische QoL, Unterschiede bei anticholinergen NW; Trospium nur begrenzte Vergleichsdaten, Darifenacin nicht enthalten (Madhuvrata et al, 2012) 15
17 Häufige Verordnungskaskaden Wirkstoff 1 Symptom 1 Wirkstoff 2 Symptom 2 Wirkstoff 3 Antibiotikum Übelkeit MCP Parkinsonoid L-Dopa Hydrochlorothiazid Tolterodin, Amitriptylin Kognitive Störung SSRI Agitiertheit Niedrig-pot. Neuroleptikum NSAR Hyperurikämie Allopurinol Exanthem Cortocosteroidsalbe, Antihistaminikum Blutdruckanstieg, obwohl dieser zuvor mit ACE- Hemmer gut eingestellt war Rivastigmin Agitiertheit Neuroleptikum Parkinsonoid Nach Absetzen des NSAR fällt Blutdruck Hypotension L-Dopa Zusätzliches Antihypertensivum Antihypotonikum oder Sturz mit allen Konsequenzen 16
18 Schlafstörungen: Benzodiazepineinnahme und Demenzrisiko Billioti de Gage, BMJ
19 Absetzen von Benzodiazepinen Ausschleichen von Benzodiazepinen bei älteren Patienten ist möglich, am besten mit psychotherapeutischer Unterstützung Es gibt jedoch keine Untersuchungen speziell bei Patienten mit Demenz Ggf. lohnt sich ein Ausschleichversuch, allein um die Sturzgefahr zu mindern Beste Prophylaxe: nicht mit der Verordnung beginnen Gould et al, Br J Psychiatry
20 Pharmakogenes Delir Insbes. Indometacin + Opioide Iglseder et al, WMW
21 Vergleich der Wirksamkeit atypischer Antipsychotika vs. Placebo bei Patienten mit Alzheimer-Demenz Schneider et al, NEJM
22 Vergleich der Verträglichkeit atypischer Antipsychotika vs. Placebo bei Patienten mit Alzheimer-Demenz Schneider et al, NEJM
23 Einfluss von Antipyschotika auf die Kognition bei Patienten mit Alzheimer Demenz Vigen et al, Amer J Psychiatry
24 Einnahme von Antipsychotika und Risiko für ischämischen Schlaganfall 511 Patienten mit Schlaganfall Einnahme von Antipyschotika erhöht das Schlaganfallrisiko signifikant Dieser Effekt wird durch Einnahme von Schleifendiuretika verstärkt Wang et al, Stroke
25 Typische und atypische Neuroleptika und assoziierte Risiken Jackson et al, PLoS One
26 Anwendungsdauer von Risperidon und Kombination mit Furosemid Anwendung von Antipsychotika bei Patienten mit Demenz: Ultima Ratio Definition eines Zielsysptoms Niedrigste Dosis Kontrolle nach einigen Wochen Gertz et al, Nervenarzt
27 Evidenz und Risikobewertung im Hinblick auf Sturzereignisse HELIOS Klinik Hüls 2011 Burkhardt H et al, Z Gerontol Geriat
28 Relevante Fragen vor einer Pharmakotherapie bei Patienten mit Demenz Welche der Beschwerden stehen im Vordergrund für den Patienten? - Ist es wirklich nötig zu behandeln? Was ist das Behandlungsziel für beide? - Verbessern sich Lebensqualität, Selbständigkeit, Funktion? - Bei Primär-/Sekundärprophylaxe: sind die Ziele innerhalb der geschätzten Lebenserwartung relevant und erreichbar? Welches der möglichen Medikamente ist am besten geeignet? Welche anderen Maßnahmen wären noch sinnvoll (auch Psychotherapie wirkt im Alter)? Kann ich Medikamente absetzen? 27
29 Arzneimitteltherapie bei Patienten mit Demenz Therapieziele, Adhärenz, Umfeld Vermeidung von Arzneistoffen mit delirogenem Potenzial - Trizyklische Antidepressiva - Cave urologische Spasmolytika - Opioide, andere Analgetika - Exsikkose unter Diuretika - Chinolonantibiotika Cave: Sturzfördernde Medikamente Begrenzter Einsatz von Neuroleptika 28
30 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 29
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