Marken - Bildung. Wolfgang Schindler. Gütesiegel. Die Marketingaufgabe. MaC* - Reloaded: Perspektiven aus der Skepsis
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- Irma Böhmer
- vor 7 Jahren
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1 Wolfgang Schindler Marken - Bildung Gütesiegel Wer Qualitätskriterien entwickelt, tut dies aus gutem Grund und findet bisweilen auch noch einen aussagekräftigen Begriff, der die Sache auf den Punkt bringt, der sich als Gütesiegel nutzen lässt, um den Unterschied zu Produkten der Konkurrenz zu betonen und das eigene Produkt besser zu verkaufen. Fleisch aus biologischem Anbau oder so ähnlich heißt das dann. Wer nun dennoch seine hormongefütterten Schweine als Biosau vermarktet, riskiert dann Ärger mit allen Gütesiegel-Betrieben und ggf. sogar mit dem Gesetzgeber. Verhält es sich mit der Computermedienpädagogik ähnlich? Im Prinzip: ja. Und auch die Probleme der Computermedienpädagog/inn/en ähneln strukturell denen der Bio-Sau-Produzenten: Deren potenzielle Kunden wollen qualitätsvolles Essen möglichst billig und haben wenig Detailkenntnis, was denn Qualität eigentlich ausmacht. Und nicht immer lässt sich die Quelle der Übelkeit nach dem Konsum genau orten, nicht bei Pseudo-Bioschweinen und noch weniger bei schwarzer Pädagogik. Die Marketingaufgabe lautet also, den Mehrwert hinter den Mehrkosten so zu verdeutlichen, dass die Entscheidung für das teurere Produkt fällt, im Bewusstsein, sich und der eigenen Familie damit etwas Gutes getan zu haben, gerade weil man sich dem Schnäppchen-Angebot des Discounters verweigert hat. Die Marketingaufgabe Ähnlich die Kunden der Computermedienpädagog/inn/en, Eltern und Institutionen: Erst wenn sich bei ihnen herumgesprochen hat, dass eine Computer-Schulung für den Nachwuchs nicht notwendig ihre Ängste um die Gefährdung der Jugend durch das Internet beseitigt, dass traditionell erworbenes schulisches Wissen nur eine durchschnittliche Halbwertszeit bis zur nächsten Prüfung hat und dass Computer in der Schule erst in Verbindung mit neuen Bildungskonzeptionen sinnvoll sind, dann erst entsteht eine zumindest latente Bereitschaft zuzuhören, was ein computermedienpädagogisch qualifiziertes Angebot denn bringen könnte. Ähnlich ist auch die Beziehung zur Konkurrenz: im Falle der Computermedienpädagogik also u. a. alle, die schon mal jemandem erklärt haben, was Word macht, 234
2 Spielend lernen wenn man die F1-Taste drückt, oder die Informatik studieren oder aber schon aktive Videoarbeit erfolgreich praktiziert haben, als die heute neu in den Markt drückenden Computermedienpädagog/inn/en noch lustvoll im Kinderzimmer am C64 oder ST1040 herumfummelten. Aus dieser Ecke kam dann auch die gequälte Frage, wozu denn eine weitere Spiegelstrichpädagogik gut sein solle. Man habe Mühe genug, den eigenen Status im Markt stabil zu halten und sei für die Neuen Medien (die zwanzig Jahre nach dem ersten Homecomputer noch immer so genannt werden) natürlich kompetent. All die Jahre, in denen sich diese Kompetenz vor allem im Warnen vor den Euphorikern, digitaler Verblödung und dem Appell zum Warten auf bessere Software ausdrückte, seien daher freundlich vergessen. Also, es dürfte klar sein, es geht um Marktanteile, für Autor/inn/en, Kritiker/innen und Praktiker/innen, auch im Bildungsgeschäft, in dem nach wie vor skandalös wenig Geld umgesetzt wird, in dem Lateinlehrer/innen wie auch Computermedienpädagog/inn/en ihr jeweiliges Produkt als Heilmittel gegen PISA-Krisen anpreisen. Die Kund/inn/en können beiden ausweichen, können wählen was ansonsten für Schule ja weniger gilt. Hier liegt denn auch die Chance der Computermedienpädagogik: begeisterte Jugendliche und Erwachsene, zufriedene Bildungsträger, deren Angebot angenommen wird, weil es Bedarf und Bedürfnis trifft. Um dieses Ziel immer wieder zu erreichen, erweist es sich als vorteilhaft, das eigene Produkt klar beschreiben zu können, es unterscheidbar zu machen von anderen Angeboten. Computermedienpädagogik Der Begriff Computermedienpädagogik tauchte in der veröffentlichten Fachliteratur erstmals 1995 auf: Computermedienpädagogik bezieht ihre grundlegenden Annahmen und Denkfiguren aus der generellen Debatte um Bedingungen, Chancen und Grenzen pädagogischen Handelns, hat ihre Wurzeln in einer emanzipatorischen Konzeption von Bildungs- und Jugendarbeit. Computerpädagogik hat das Aufkommen der EDV von Anfang an begleitet, Schulungen allerorten beherrschten das Bild und machten eine Zeitlang auch in der Jugendarbeit Schule. Dabei werden PCs als bloßes Werkzeug verstanden, dessen Gebrauch zu trainieren ist: Computerpädagogik ist berufliche Anpassungssozialisation an das neue Produktionsmittel und hat so durchaus ihre Berechtigung. Die Mehrheit aller Kursangebote fällt in diese Kategorie und prägt das Bild vom Computerkurs. Medienpädagogische Konzepte des Computergebrauchs werden notwendig, weil PCs darüber hinaus auch Medium geworden sind, wie die anschwellende Flut von Multi- 235
3 media-produkten, Infotainment zeigt. Durch die Digitalisierung sind zudem Schrift, Ton, Bild und Film editierbar, d. h. beliebig veränderbar geworden Grund genug, sich mit dem Verhältnis von (Ab-) Bild und Wirklichkeit, Sein und Schein medienpädagogisch zu beschäftigen. Neue Berufs- und Ausbildungszweige sind im Entstehen. Doch würde der Begriff Medienpädagogik dem Umgang mit Querschnittsmedium Computer nicht hinreichend gerecht, zum einen ob seines universellen Werkzeugcharakters, zum andern ob der Rolle, die Computer als Kommunikationsmittel und als informationsverarbeitende und interaktionelle Systeme des Menschen und neben dem Menschen spielen. Computer sind mehr als ein Medium, eine anthropologische Herausforderung. Sie tangieren Menschen in nahezu allen Daseinsbereichen und spiegeln die Strukturen, die sie hervorgebracht haben. Für diese umfassende und zugleich spezialisierte pädagogische Disziplin halte ich den Begriff Computermedienpädagogik angemessen und aussagekräftig. Dazu gehören technisches wie gesellschaftspolitisches, psychologisches wie anthropologisches, pädagogisches und medienpädagogisches Wissen und Handlungskompetenz. In der kirchlichen Jugendarbeit ist zudem ein angemessener Platz, die naheliegenden theologischen Bezüge aufzugreifen. Entscheidend und unterscheidend ist dabei die prinzipiell ganzheitliche Sichtweise, mit der Menschen am Computer sich und ihre Zielgruppen wahrnehmen und annehmen. Die resultierende pädagogische Praxis ist ebenso ganzheitlich: exemplarische Anleitung zum Gebrauch der Technologie, Reflexion dieses Prozesses und seiner (Wechsel-) Wirkungen im individuellen Erleben von Menschen am Computer und seiner gesellschaftlichen Auswirkungen. Computermedienpädagogik ist gelingende Selbstbehauptung gegen die technisch-funktionale Vereinnahmung, der Jugendliche und Erwachsene, der Menschen am Computer derzeit allzu oft ausgesetzt sind. Jugendarbeit hat hier nach wie vor eine besondere Chance, aus ihrer Tradition und in ihren Rahmenbedingungen. Sie muss dies mit aller gebotenen konzeptionellen Bescheidenheit tun und kann dabei zunehmend auf dafür spezialisierte Mitarbeiter/innen zurückgreifen. Schritte zur Operationalisierung Soweit der O-Ton von Trotz der Tatsache, dass das Lesen von Fachliteratur im Kampf um knappe Zeitressourcen des beruflichen Alltags meist verliert, hat sich der Begriff seitdem so weit etabliert, dass vereinzelt sogar schon kommerzielle Schulungs- 236
4 Spielend lernen anbieter damit werben. Die Suchmaschine Google berichtet auf Anfrage im August 2005: Das Web wurde nach Computermedienpädagogik durchsucht. Resultate von ungefähr 737. Suchdauer: 0.81 Sekunden. Blendet man die Josefstaler Website aus dieser Suche aus, dann wird deutlich, dass der Begriff Eingang in die Fachdiskussion gefunden hat: Das Web wurde nach Computermedienpädagogik -site: tal.de durchsucht. Resultate von ungefähr 568. Suchdauer: 0.81 Sekunden So gab es also Gründe genug, einen ersten Schritt zur Operationalisierung des Begriffs zu tun, dem weitere folgen müssen. Eine Expert/inn/engruppe praktizierender Computermedienpädagog/inn/en widmete ihre jährliche Fachtagung dieser Aufgabe. Heraus kam zunächst ein Kriterienkatalog, auf den mittlerweile zunehmend Bezug genommen wird, um die Seriosität computermedienpädagogischer Projekte zu belegen ganz im Sinne der Autor/inn/en, die formulierten: Diese Kriterien beschreiben Anforderungen, denen computermedienpädagogische Angebote notwendigerweise genügen müssen, um diese Bezeichnung zu Recht zu tragen. Sie wurden im Rahmen der jährlich in Josefstal stattfindenden Expertentagung Didaktik der Computermedienpädagogik erarbeitet und am in der vorliegenden Fassung verabschiedet. Um fachlichen Diskurs werbend finden sich diese Kriterien auch im Internet, unter : In computermedienpädagogischen Angeboten sind Computer Thema, Medium und Werkzeug. Der Fokus liegt auf den Menschen. Die Teilnehmenden sind in adäquater Weise in Zielentwicklung, inhaltliche und methodische Gestaltung eingebunden. Die Angebote beziehen sich auf die Lebenswirklichkeit der Teilnehmer/innen. Hard- und Software wird zielgruppenadäquat eingesetzt. Das Lernen erfolgt handlungs-, prozess- und zielorientiert. Computermedienpädagogische Angebote fördern die Entwicklung von Kompetenzen an den Schnittstellen von Mensch, Gruppe und Computertechnologien in der Gesellschaft. Sie sind Teil des gesellschaftlichen Diskurses um diese Technologien. Computermedienpädagogische Angebote fördern Medienkompetenz und weiter reichende soziale und kommunikative Kompetenzen. In computermedienpädagogischen Angeboten werden soziale Lernprozesse gestaltet, die Basis einer Vernetzung sind. Computermedienpädagogische Angebote bieten pädagogische und technischhandwerkliche Leitungskompetenzen. Sie nutzen bedarfsweise weitere Fachkompetenz. Computermedienpädagogische Angebote integrieren Computertechnologien in 237
5 Lernumgebungen. Sie bieten neue Bildungsformen und selbstgesteuerte Lernprozesse. Sie führen zu transferierbarem Wissen. Computermedienpädagogische Angebote sind fachlich vernetzt. Sie werden dokumentiert, evaluiert und präsentiert. ComputermedienpädagogInnen beteiligen sich am fachlichen Diskurs. Sie entwickeln innovative Ansätze medienpädagogischer Arbeit. Marken-Bildung Dass überall, wo Computermedienpädagogik draufsteht, auch Computermedienpädagogik drin ist, ist bislang noch unumstritten, ebenso wie die Notwendigkeit, die Praxis hinter diesem Begriff immer wieder den aktuellen Herausforderungen anzupassen, die eine rapide wandelnde, computergestützte Wissensgesellschaft ständig neu produziert. Nur dann besteht Hoffnung, in der Konkurrenz um eine Ressource zu bestehen, die eher noch knapper als Geld ist: Aufmerksamkeit. Erstveröffentlichung unter: Qualitätskriterien für Computermedienpädagogik?! In: Medienbildung. Beiträge aus Theorie und Praxis von Schule und Jugendarbeit. Hrsg: Albert Fußmann/Hans-Jürgen Palme/Annette Sunderer; emwe-verlag, Nürnberg
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