Leukämie kann jeden treffen. Die
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- Herbert Melsbach
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1 NEWSLETTER FÜR TRANSFUSIONSMEDIZINISCHE FORSCHUNG UND PRAXIS NUMMER 25 / MÄRZ 2005 INHALT D Stammzellen-Transplantation D Leukämie-Therapie im Irak D Geschichte der Bluttransfusion D Anwenderfragen: Infektionen D Forschung aktuell: TRALI P.b.b. Verlagspostamt 1040 Wien; Zulassungsnummer 04Z M Freiwillige spenden Blut-Stammzellen. LEUKÄMIE IST HEILBAR Von Agathe Rosenmayr Stöcher Leukämie kann jeden treffen. Die Erkrankung tritt unvermutet auf und kann in vielen Fällen durch Chemotherapie geheilt werden. In manchen Fällen, in denen Chemotherapie allein nicht ausreicht, ist jedoch die Transplantation von Blut bildenden Stammzellen die einzige Möglichkeit einer vollständig kurativen Therapie. Abgesehen von der Leukämie bietet die Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen auch Patienten mit anderen Erkrankungen die Chance auf Heilung: Einige wenige Tumorerkrankungen, einige erbliche Stoffwechselerkrankungen und auch manche Autoim munerkrankungen können damit behan delt werden. Der richtige Spender Erste Voraussetzung für die Transplantation von Blut bildenden Stammzellen ist die vollkommene Übereinstimmung der menschlichen Gewebemerkmale (= HLA-Antigene) zwischen Patient und Spender. Der opti male Spender ist ein gewebeverträgliches ( HLA-identes ) Geschwister. Aufgrund der Kleinheit der österreichischen Familien k Fortsetzung auf S. 2 KOMMENTAR EINE ANDERE WELT WOLFGANG R. MAYR Heuer jährt sich die Gründung des Österreichischen Roten Kreuzes zum 125. Mal. Wir stellen die Entwicklung der Bluttransfusionen in dieser Zeit dar. Die erste Ausgabe von Blut.at in diesem Jahr steht aber auch im Zeichen des Fortschritts, zu lesen in der Titelgeschichte über Stammzell-Transplantationen. Ein Fortschritt, an dem nicht alle teilha ben: Treichl-Preisträgerin Eva-Maria Hobiger berichtet, unter wel chen Umständen im Irak die Behandlung leukämiekranker Kinder stattfinden muss. Die BSZ für Wien, NÖ und Burgenland hat das Engagement dieser Wiener Onkologin von Anfang an unterstützt. Über ihre Erfolge, aber auch Schwierigkeiten in dieser anderen Welt lesen Sie in dieser Ausgabe. Medizinisches Engagement endet nicht an Staatsgrenzen. Das Jubiläumsjahr ist ein guter Anlass, sich daran zu erinnern. 1
2 k TITELGESCHICHTE ist aber nur für ein Viertel der österreichischen Leukämiepatienten ein solcher Spender vorhanden. In allen anderen Fällen muss der Patient beim Österreichischen Stammzellregister zur internationalen Spendersuche angemeldet werden. Nach einer detaillierten Gewebetypisierung beginnt die internationale Suche. Diese läuft über zwei weltumspannende Computernetzwerke. Innerhalb weniger Sekunden ist der passende Spender im Computernetzwerk gefunden. Bis zur tatsächlichen Spende dauert es allerdings oft mehrere Wochen. Der Spender der fast immer aus dem Ausland kommt muss nochmals HLA-typisiert werden, die Übereinstimmung der Gewebemerkmale mit dem Patienten und die Infektionsfreiheit und Spendetauglichkeit des Spenders müssen sichergestellt werden. In Österreich gelingt es, für etwa 85 % der Patienten einen geeigneten Spender zu identifizieren. 649 Patienten haben seit 1989 durch die Transplantation von Knochenmark- oder Blut- Stammzellen eines nicht verwandten Spenders eine Chance auf Heilung ihrer Blutkrankheit erhalten. Weltweite Kooperation International stehen derzeit 9,5 Millionen Knochenmark- und Blutstammzellspender zur Verfügung. Alle Spender sind bereit, jedem Patienten auf der ganzen Welt, der es benötigt, eine Spende zu leisten. Die meisten Spender sind bislang in der so genannten Ersten Welt, in Europa und in Nordamerika, rekrutiert worden. 88 % der Spender für österreichische Patienten kamen aus dem Ausland. Als Spenderland steht an erster Stelle Deutschland, gefolgt von den USA und Großbritannien. Voraussetzungen Jeder gesunde Mensch zwischen 18 und 50 Jahren kann Knochenmark- oder Blutstammzellspender werden. Voraussetzung ist, dass Spender oder Spenderin die drei Grundvoraussetzungen des Erfolg der Spendersuche für österreichische PatientInnen Abmeldungen 1991 bis Dezember 2004 Spendens akzeptieren: die Freiwilligkeit, die Unentgeltlichkeit und die Anonymität der Spende. Ein österreichischer Spender wird den Patienten, für den er gespendet hat, vermutlich nie persönlich kennen lernen. Spender werden GROSSARTIGE DINGE Sonja B. berichtet von ihrer Spende. Knochenmarkspender zu werden, ist eine wichtige Entscheidung. Daher muss sie auch gut vorbereitet werden. Der Beginn ist ein telefonischer Kontakt mit dem Spenderzentrum z. B. der Blutbank, in der der Spender aufgenommen werden möchte. Nach einem ausführlichen Informationsgespräch in der Blutbank wird der Spender oder die Spenderin über die Spende selbst, die möglichen Nebenwirkungen, Risken und alle anderen Details aufgeklärt. Anschließend erfolgt eine Blutabnahme. Aus dem Blut wird der Gewebetyp des Spenders/der Spenderin erhoben. Dieser wird anonym unter Verwendung eines anonymen Zifferncodes über das nationale Computersystem in die beiden internationalen Computersysteme eingespeichert. Wenn dies erfolgt ist, kann es jederzeit sein, dass der Spender/die Spenderin benötigt wird. Dann ist es unbedingt wichtig, dass diese Person auch tatsächlich zur Verfügung steht. Rechtlich gesehen kann jeder Spender zu jeder Zeit von der Spende zurücktreten. Aber: Wenn ein Spender zu einem sehr späten Zeitpunkt zurücktritt, kann es sein, dass er das Leben eines Patienten dadurch gefährdet. Seit 1989 wurden in Österreich Knochenmark- und Stammzellspender rekrutiert. Mit dieser Spenderzahl verfügt Österreich in Europa über die siebtgrößte Spenderdatei. Alle ös- Sonja B. spendete Blut-Stammzellen am Zellseparator Ich habe in meinem Leben zwei großartige Dinge getan, auf die ich wirklich stolz bin: Ich habe ein Kind geboren, und ich habe Stammzellen gespendet. Ich würde es jederzeit wieder tun. Ich habe erstklassige und kompetente Betreuung erlebt auch im Vorfeld und während der Spende, wie ich sie nur jedem wünschen kann. Vor einigen Monaten habe ich erfahren, dass es meiner Patientin gut geht, und das hat mich sehr gefreut. Ich denke oft an sie, obwohl ich sie persönlich nicht kenne. 2 Nr. 25 / März 2005
3 Herkunftsland der internationalen Spender für österreichische Patienten TITELGESCHICHTE Das Spender-Computersystem steht in Verbindung mit den internationalen Systemen terreichischen Spender stehen für alle Patienten auf der ganzen Welt zur Verfügung. 181 dieser Spender haben bereits eine Knochenmark- oder Blut- Stammzellspende geleistet. In den Jahren zwischen 1989 und 1996 wurden Stammzellen lediglich dadurch gespendet, dass sie aus dem Knochenmark abpunktiert wurden. Es war dies eine Operation unter Vollnarkose SPENDERZENTREN auf dem Operationstisch wurden die Stammzellen abpunktiert. Neue Form der Spende In den letzten Jahren wurde eine leichtere Form der Spende möglich gemacht. Vor der Spende wird dem Spender an vier aufeinander folgenden Tagen das Medikament G-CSF WO KANN MAN SICH ALS SPENDER MELDEN? WIEN: Österreichisches Stammzell-Register, Tel.: 01/ GRAZ: Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, Tel.: 0316/ LINZ: Blutzentrale Linz, Tel.: 0732/ WELS: Klinikum der Kreuzschwestern GmbH Wels, Labor II, Tel.: 07242/ SALZBURG: Blutzentrale Salzburg, Tel.: 0662/ INNSBRUCK: Blutbank der Klinik Innsbruck, Tel.: 0512/ KLAGENFURT: Blutzentrale Klagenfurt, Tel.: 0463/ verabreicht. Dadurch vermehren sich die Blut-Stammzellen und werden in das periphere Blut ausgeschwemmt. Im Zuge einer mehrstündigen Sitzung an einem Zellseparator können die Blutstammzellen dann leicht in der entnehmenden Blutbank dem Spender entnommen werden. Blut-Stammzellenspende in der Klinischen Abteilung für Transfusionsmedizin im Wiener AKH Transport Transport der gespendeten Blut-Stammzellen vom Spender zum Patienten: Die Spende von Blut-Stammzellen erfolgt immer in dem für den Spender am nächsten gelegenen Krankenhaus mit den notwendigen Infrastrukturen. Ein Kurier transportiert die gespendeten Zellen nach der Spende unverzüglich zum Patienten, damit sie diesem so schnell wie möglich verabreicht werden können. AGATHE ROSENMAYR 1 ZUR PERSON UNIV.-PROF. DR. AGATHE ROSENMAYR, Professorin an der Klinischen Abteilung für Blutgruppenserologie, AKH Wien, und ärztliche Leiterin des Österreichischen Stammzell- Registers. Fotos: Stöcher Nr. 25 / März
4 INTERVIEW Blutbank Basra: Blutbeutel von der BSZ gespendet Fotos: Hobiger DIE KINDER VON BASRA Eine Wiener Ärztin behandelt Leukämie-Kinder im Irak. Bericht aus einer anderen medizinischen Wirklichkeit. Die Ärztin Eva-Maria Hobiger behandelt in der südirakischen Stadt Basra Kinder mit Leukämie- und Krebserkrankungen, kämpft für eine Verbesserung der medizinischen Versorgung und organisiert notwendige Medikamente und Geräte. BLUT.AT: In Mitteleuropa werden fast 90 Prozent der kindlichen Leukämiefälle geheilt. Wie ist die Situation solcher Kinder im Irak? EVA MARIA HOBIGER: Leukämie und einige andere Krebsarten wie Lymphdrüsenkrebs und Neuroblastom sind nach Auskunft der Ärzte in Basra in den letzten 15 Jahren auf das Siebenfache gestiegen. In Österreich erkranken pro Monat 5 7 Kinder an Leukämie, in Basra sehe ich 8 10 Neuerkrankungen bei einem Viertel der Einwohner.? Wie groß ist die onkologische Kinderabteilung, wie werden die Patienten behandelt? Im letzten Jahr wurden 836 Patienten behandelt. Die medizinische Versorgung funktioniert nach wie vor nicht, z. B. gibt es in Basra keine Strahlentherapie. Vieles, was in unseren Spitälern selbstverständlich ist, gilt dort als unvorstellbarer Luxus.? Wie ging es den Patienten, als Sie zum ersten Mal in das Spital kamen? Das Personal tut sein Möglichstes, aber wenn die Mittel fehlen, kommt es zu Krankheitsstadien, die wir bei uns seit 50 Jahren nicht mehr gesehen haben. Ich habe mehrmals Kinder gesehen, bei denen der Krebs beide Augenhöhlen auswucherte und die Augen weit hinausstülpte.? Was hat Ihre Arbeit im Irak bewirkt? Die Erkrankung bedeutete in Basra ein sicheres Todesurteil. Seit unsere Hilfe begonnen hat, ist die Sterblichkeit von 100 % auf ca. 30 % gesunken. Diese Station ist jedoch vollständig von unserer Hilfe abhängig.? Gab es im Irak nicht einmal eine gute Krankenversorgung? Eine vorbildliche! Die Ärzte wurden im Ausland ausgebildet. Auch aus den umliegenden Staaten sind die Patienten gekommen.? Gibt es im Spital eine Blutbank? Ja. Bevor unsere Hilfe begonnen hat, 4 Nr. 25 / März 2005
5 INTERVIEW Zentrifuge: Mitarbeiter der Blutbank an von der BSZ gespendeten Geräten Eva-Maria Hobiger, Patienten der Kinderkrebsstation in Basra war sie feucht und verwahrlost, es hat praktisch keine Geräte gegeben. Selbst die Blutbeutel waren auf 45 Stück pro Tag rationiert, in einem Einzugsgebiet von 2,5 Millionen Menschen. Da es nur Schmalspurchirurgie gibt, ist der Bedarf zwar viel geringer als bei uns. Im Fall von Engpässen, die es immer wieder gibt, werden Transfusionen nochmals auf das absolute Minimum beschränkt.? Welchen Bedarf hat die Blutbank? Die Blutbank war unser erster Ansatzpunkt. Um die Kinder zu behandeln, war eine funktionierende Blutbank Voraussetzung. Blutbeutel gibt es inzwischen, aber nur die einfachen. Wir haben aber vom ÖRK Mehrfachbeutel für Plättchenherstellung bekommen, mehrere Geräte gebracht, und wir haben zwei Räume renoviert.? Wie wird im Irak Blut gespendet? Wenn jemand eine Blutspende braucht, muss die Familie einen Spender zur Verfügung stellen, damit der Pool aufgefüllt wird. Wenn niemand kommt, dann gibt es keine Transfusion. Wir hatten eine Familie, deren Kind zwei Transfusionen pro Woche brauchte, da wurde diese Regelung zu einem großen Problem. Eine freiwillige Blutspende wie bei uns gibt es nicht.? Mit welchen Problemen sind Sie außerdem konfrontiert? Die ständigen Stromausfälle ruinieren auf Dauer die Geräte. Sie hängen zwar am Generator, aber das ständige Umschalten tut ihnen nicht gut. Ein Riesenproblem ist auch das Wasser: 40% kommt aus der Leitung, der Rest wird aus dem Fluss geholt und ist schmutzig. Kein Wunder, dass es viele Durchfallerkrankungen gibt. Wir haben nun eine Trinkwasseraufbereitungsanlage für das Spital mitgebracht, die deckt die Versorgung für das ganze Spital ab.? Welchen Anteil hatten die internationalen Sanktionen gegen die Regierung am Niedergang der Versorgung? Es hat mehrere Gründe gegeben, aber die Sanktionen waren sicher der Hauptgrund! Ich habe selbst erlebt, wie eine von der BSZ gespendete Zentrifuge und ein Plasma-Gefrierschrank als militärisch nutzbar bezeichnet und deshalb monatelang blockiert wurden. Im Rahmen der Sanktionen waren ja selbst medizinische Fortbildung und Literatur verboten. Wir sind immer wieder angesprochen worden, ob wir nicht Fachzeitschriften mitbringen können.? War das Spital im Krieg bedroht? Ja, es wäre wohl ausgeplündert worden. Aber die Ärzte haben sich bewaffnet und das Spital und die Blutbank rund um die Uhr bewacht.? Was haben Sie als Nächstes vor? Diese Kinderkrebsabteilung hat seit Kriegsbeginn ausschließlich von uns Unterstützung bekommen. Wenn Sie einmal dort waren, wird das zur Verpflichtung, die Hilfe weiterzuführen. Denn wer spendet heute schon noch für den Irak? INTERVIEW: THOMAS AISTLEITNER 1 Spendenkonto: BA-CA (BLZ ), Nr , Kinder im Irak ZUR PERSON DR. EVA MARIA HOBIGER, geboren 1952, ist Fachärztin für Radioonkologie und arbeitete wissenschaftlich an der Behandlung von Brustkrebs und HNO- Tumoren. Von 1993 bis 1998 organisierte sie Hilfstransporte nach Bosnien wurde ihr dafür der Humanitätspreis des Österreichischen Roten Kreuzes verliehen. Auf eigenen Wunsch vom Krankenhausdienst freigestellt, gründete sie 2001 im Rahmen der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen das Projekt Aladins Wunderlampe für krebskranke Kinder in Basra. Bisher hat Hobiger im Rahmen des Projektes elf Reisen in den Irak unternommen. Nr. 25 / März
6 BLUT IM WANDEL Vom Experiment zur ISO-Zertifizierung. BLUT IM WANDEL DER ZEIT Vor 125 Jahren konnte sich angesichts der deprimierenden Ergebnisse von Blutübertragungen, Transplantationen und Serumtherapie wohl niemand die heutige Entwicklung vorstellen. Aus einer 1875 publizierten Statistik geht hervor, dass 180 von 347 Übertragungen menschlichen Blutes einen ungünstigen Ausgang nahmen gestand der renom mierte Chirurg Ernst v. Bergmann ( ) der Transfusion nur im äußersten Notfall eine Berech tigung zu. Etwa zur gleichen Zeit transplantierte Emerich Ullmann ( ) in Wien erstmals solide Organe. Es war damals nicht absehbar, wie eng Trans fusionsund Transplantations medizin in Zukunft verbunden sein würden. Experimente in dieser Pionierphase der modernen Medizin waren häufig lebensgefährlich. Wegen der stark schwanken- den Qualität und Wirksamkeit des Diphtherieserums Emil von Behrings wurde im Juni 1896 das Institut für Serumforschung und Serumprüfung in Steglitz bei Berlin als Prüfungs- und Forschungs- stätte gegründet. Der erste Direktor, Paul Ehrlich, erhielt 1908 den Nobelpreis für Medizin. Die heutigen Aufgaben des nach ihm benannten Instituts (PEI) sind u. a. die Chargenprüfung immunbiologischer und hämatologischer Arzneimittel. Es ist damit für das Arzneimittel Blut (AMG) zuständig und hat bei der Gestaltung der EU-weiten Vorschriften, die die Transfusionsmedizin betreffen, entscheidendes Gewicht. Die von Bergmann geforderte entschei dende Wissenserweiterung gelang 1901 Karl Landsteiner, der mit der Entdeckung des AB0-Systems die Grundlage der Transfusionsmedizin schuf wurde er dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet entdeckte er mit A. S. Wiener und Ph. Levine den Rhesusfaktor. Die in der Folge entdeckten verschiedenen Blutgruppensysteme füllen mittlerweile dicke Lehrbücher. Erster Blutspendedienst 1921 wurde in London der erste Blut transfusionsdienst gegründet. Aufgrund der Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg emp fahl die Liga der Rotkreuz-Gesellschaften 1946 ihren nationalen Gesellschaften einen frei wil ligen Blutspendedienst, was in Österreich 1947 umgesetzt wurde. Dominierten zunächst heroische Chirurgen, für die Blutgerinnung und rascher Blutersatz Priorität hatten, so weitete sich die Indikation für Blutprodukte rasch aus. Das Verfahren von E. Cohn ermöglichte die Herstellung von Albumin, Gammaglobulinen und Fibrinogen. Hämophiliepatienten konnten ab 1962 durch die Substitution von Faktor VIII bzw. IX ein fast normales Leben führen. Ab 1967 war Rh-Immunglobulin kommerziell zur Prophylaxe der M. haemolytikus neonatorum verfügbar. Etwa zur selben Zeit wurden Plasma- und Zellaphereseverfahren entwickelt. Durch neue Chemotherapeutika und durch 6 Nr. 25 / März 2005
7 PCR: Blut wurde zur äußerst sicheren Arznei die H ämo therapie nach Maß sind Organtransplantationen und kurative Krebs therapien heute Routine geworden. Die Stammzelltherapie eröf fnet Per spektiven, deren Auswirkungen noch gar nicht abschätzbar sind. Rückschläge Bereits 1943 publizierte P. Beeson seine klassische Beschreibung der Transfusionshepatitis. Erst 1971 stand ein Screeningtest zur Verfügung. In einen Boom des Blutersatzes der steigende Bedarf wurde auch durch bezahlte Plasmaspen der unter kommerziellen Gesichtspunkten gedeckt fiel 1981 der erste Fall eines durch Blutprodukte über tragenen er wor benen Immundefektsyndroms (Aids). Nach anfänglichem Wegschauen war die Katastrophe bald nicht zu leugnen. Es begann ein wissenschaftlicher Wettlauf: 1984 wurde der Erreger isoliert war der erste HIV-Screening-Test auf dem Markt. Blutsicherheit wurde zum öffentlichen Thema. Thema Sicherheit Neue Methoden (PCR) und die rigorose Verschärfung der Sicherheitsbestimmungen machten Blut zum sichersten Arzneimittel. In Österreich sind das Blut sicherheitsgesetz 1999, das Hämovigilanzregister vom und die ISO-Zertifizierung mit laufender Überprüfung in strengen Audits wichtige Meilensteine. Aber die freiwillige, unbezahlte Blutspende ist nach wie vor der wichtigste Sicherheitsgarant. Trotz wachsenden Kostendrucks erfüllt das Rote Kreuz unter Einsatz modernster Technologien, mit zahlreichen geschulten MitarbeiterInnen und vor allem durch die Hilfe hoch motivierter Blutspender und Blutspenderinnen seinen 1947 übernommenen Auftrag, die Versorgung mit sicherem Blut rund um die Uhr sicherzustellen. RENATE HEINZ 1 Fotos: ÖRK ÖRK/Anna Stöcher ZUR PER SON DR. EVA MENICHETTI, operative Leiterin Medizin der Blutspendezentrale des ÖRK für Wien, NÖ und Bgld. Stöcher ANWENDERFRAGE FENSTERSPENDE Welche Infektionen durch Blutprodukte sind problematisch?? Was versteht man unter einer Fensterspende? Fensterspenden sind Blutspenden, die im so genannten diagnostischen Fenster dem Zeitraum zwischen Infektion und ihrer diagnostischen Erfassbarkeit geleistet werden. Problematisch sind dabei jene Infektionen, die kaum klinische Symptome verursachen, die durch Blutprodukte übertragbar sind und bei denen die Antikörper erst spät nachweisbar sind.? Wie lange dauert die Fensterperiode bei den transfusionsrelevanten Viren? Vor Einführung der routinemäßigen PCR betrug die Fensterperiode für HIV im Mittel 22 Tage, für HBV 56 Tage und für HCV 82 Tage. In Österreich wurde deshalb schon im Frühjahr 1999 per Erlass verfügt, dass alle Erythro-, Thrombo- und Leukozytenkonzentrate sowie Plasma mittels NAT (PCR) auf HCV zu testen sind. Das Österreichische Rote Kreuz testet seit nicht nur wie vorgeschrieben auf HCV, sondern auch auf HBV und HIV, HAV und Parvo B19. Mittels PCR wurde eine Verkürzung des diagnostischen Fensters um 50 % bei HIV und um ca. 80 % bei HCV erreicht.? Wie oft wird eine transfusionsrelevante Infektion nur durch PCR diagnostiziert? Vor der Einführung der PCR-Testung wurde eine Häufigkeit von Fensterspenden mit 1 : für HCV und 1 : für HIV angegeben. Seit der NAT-Testung konnten in einer fünfjährigen Beobachtungsperiode durch PCR-Testung zweimal HIV- und zweimal HCV-positive Proben gefunden werden, die in der ELISA-Testung unauffällig waren. Erkrankungen von Patienten wurden uns keine gemeldet.? Welche weiteren Möglichkeiten zur Prophylaxe von Fensterspenden gibt es? Eine besondere Bedeutung kommt der sorgfältigen Spenderauswahl zu. Ausführliche Fragebögen, die laufend aktualisiert werden, der freiwillige Selbstausschluss und die ärztliche Untersuchung sind wichtige Glieder in der Sicherheitskette. Da aber immer mit dem Auftreten neuer Infektionskrankheiten (BSE 1996, Westnilvirus 1999, SARS 2002) gerechnet werden muss, ist im Zeitalter der Globalisierung natürlich auch die weltweite rasche Informationsübertragung notwendig, um rechtzeitig Gefahren zu erkennen und spezifische Maßnahmen treffen zu können. DR. EVA MENICHETTI 1 IMPRESSUM Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Direktorium für das Blutspendewesen des ÖRK. Tel.: 01/ Fax: DW 219. Für den Inhalt verantwortlich: Univ.- Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang R. Mayr (Vorsitzender), Univ.- Doz. Dr. Diether Schö nitzer (stv. Vorsitzender). Redaktion: Thomas Aist leit ner (Lei tung), Univ.-Prof. Dr. Renate Heinz, Dr. Eva Meni chetti, Dr. Maya Winter. Layout & Satz: Mag. Andrea Chadt. Fotos: Anna Stö cher. Lektorat: Mag. Florian Praxmarer. Produktion: Wortbild GmbH, 1010 Wien. Druck: Typo Druck Sares, 1190 Wien. Namentlich ge zeich ne te Beiträge geben die Meinung des Autors wieder. Nr. 25 / März
8 Science Photo Library/Contrast FORSCHUNG Wis sen schaft in Kür ze und online. Auf For schung ak tuell bie tet eine kur ze Zu sam men fas sung ak tuel ler Ver öf fent lichun gen, die für das Blut trans fu sions we sen in te res sant sind. For schung ak tuell er scheint 12-mal jähr lich zu Mo nats be ginn auf tes kreuz.at/50.html. LESEN SIE ONLINE WEITER: BLUT FÜR KARDIOLOGISCHE PATIENTEN (DEZEMBER 04) MAJOR-HISTO-KOMPATIBILITÄTSKOMPLEX (JÄNNER 05) TRALI (FEBRUAR 05) ZOONOSE/PRIONEN (MÄRZ 05) TRALI Die wichtigsten Fragestellungen. AKTUELL Unter TRALI (Transfusion Related Acute Lung Injury) versteht man eine neu auftretende Episode eines akuten Lungenschadens innerhalb von sechs Stunden nach Ende der Transfusion, wenn keine anderen Ursachen eines akuten Lungenversagens vorliegen (wie z. B. Flüssigkeitsüberladung, allergische Reaktion, Sepsis, Herzinsuffizienz, Lungenembolie, Pneumonie u. a.). Das klinische Syndrom äußert sich durch das akute Auftreten von Symptomen wie z. B. Dyspnoe, Fieber, Blutdruckabfall, Tachypnoe, Tachykardie, Hypoxie. Im Lungenröntgen sind bilaterale Infiltrate nachweisbar. Da TRALI von anderen Formen des akuten Lungenversagens differenzialdiagnostisch nur schwer abzugrenzen ist, fehlen bisher genaue Daten zur Inzidenz. Im vergangenen Jahr wurde der Versuch unternommen, auf Basis bisher publizierter Daten die wichtigsten Fragestellungen zu definieren. Ein vorläufiger Bericht wurde im Dezember 2004 in Transfusion publiziert und sei hier in Kurzform dargestellt: Kleinman St. et al.: Towards an understanding of transfusion-related acute lung injury: statement of a consensus panel. Transfusion 2004; 44: ( Eine Ergänzung wird demnächst erscheinen: Goldman M. et al.: Proceedings of a consensus conference: towards an understanding of TRALI. Trans fus Med Rev 2005; 19 (in Druck). Je nach Diagnosesicherung wird zwischen möglichen, wahrscheinlichen und definitiven TRALI unterschieden. Probleme bei der Erfassung der Inzidenz von TRALI für einzelne Blutprodukte sind aber auch bei einem ausgezeichneten Meldesystem zu erwarten, weil viele Empfänger mehrere verschiedene Präparationen (Plasma, Plättchen, Erythrozyten) erhalten. Laboruntersuchungen Da die infrage kommenden Methoden teuer und aufwändig sind, müssen im Verdachtsfall alle anderen möglichen Ursachen (akute hämolytische Transfusionsreaktion, Sepsis, Pankreatitis u. a.) ausgeschlossen werden. Erst dann sind die HLA-Typisierung (Klasse-I- und -II- Antigene) und die Bestimmung von neutrophilen Antigenen in Erwägung zu ziehen. Unter den fünf derzeit bekannten humanen neutrophilen Antikörpern scheint HNA-3a (früherer Name: Anti- 5b) mit besonders schweren Verläufen assoziiert zu sein. Darüber hinaus sind auch Fälle von TRALI ohne Antikörpernachweis bekannt. Alle in der Transfusionsmedizin Tätigen sollten bei Auftreten pulmonaler Symptome TRALI in ihre differenzialdiagnostischen Überlegungen mit einbeziehen. Nachgewiesene Fälle akuter trans fusionsassoziierter Lungenerkrankungen müssen nach österreichischer Gesetzeslage dem Hämovigilanzregister einmal jährlich gemeldet werden ( siehe Informationsbroschüre S. 20). RENATE HEINZ 1 Informationen zu den Forschungsschwerpunkten bei TRALI finden Sie in der Langfassung dieses Artikels auf www. blut.at unter Forschung aktuell. 8 Nr. 25 / März 2005
Diese Broschüre fasst die wichtigsten Informationen zusammen, damit Sie einen Entscheid treffen können.
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