OFFENER BRIEF: Kritische Anmerkungen zum Interview des neuen SOZA- Studiengangsleiters in den OBDS-News 1/2014. Einleitende Anmerkungen
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- Jens Raske
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1 AutorInnen-Team: POPP Reinhold, Univ.-Prof. Dr. (Gründer und ehem. Leiter mehrerer SOZA(K)-Studiengänge und des Zentrums für Zukunftsstudien; ) SCHWAB Marianne, FH-Prof. Dr. (ehem. Stv. Leiterin der Akademie für Sozialarbeit und des FH-Magister-Studiengangs für Soziale Arbeit) THIEL Felicitas, Mag. Dr. (ehem. Stv. Leiterin des FH-Bachelor- und Magister-Studiengangs für Soziale Arbeit) WILHELMSTÄTTER Karl, FH-Prof. DSA Mag. Dr. (ehem. Professor an der Akademie für Sozialarbeit und Leiter des FH- Magister-Studiengangs für Soziale Arbeit) OFFENER BRIEF: Kritische Anmerkungen zum Interview des neuen SOZA- Studiengangsleiters in den OBDS-News 1/2014 Einleitende Anmerkungen Wir, das AutorInnen-Team des vorliegenden Artikels, haben in den knapp 3 Jahrzehnten seit dem Start der ersten akademischen Ausbildung für Soziale Arbeit im Land Salzburg (September 1984) bis zur Übergabe der Leitung des neuen SOZA-Masterstudiengangs (Februar 2013), die aufeinander folgenden Studiengänge (von der Akademie für Sozialarbeit über den FH-Magister-Studiengang bis hin zum FH-Bachelor- und Master-Studium) in leitenden Funktionen maßgeblich gestaltet und geprägt. Die im Interview mit dem neuen SOZA-Studiengangsleiter (OBDS-News 1/2014) veröffentlichten Pläne für die Zukunftsentwicklung dieses traditionsreichen Studiums bereiten uns große Sorgen. Aus Gesprächen mit vielen SozialarbeiterInnen im Bundesland Salzburg wissen wir, dass wir mit unseren Bedenken nicht allein stehen. Auch viele SOZA-Studierende sind verunsichert! Die wichtigsten Kritiken fassen wir in den folgenden 5 Punkten zusammen.
2 2 5 kritische Anmerkungen zur geplanten Zukunft der SOZA- Ausbildung an der FH-Salzburg Im Sommersemester 2012 wurde an der FH-Salzburg die SOZA- Studiengangsleitung neu ausgeschrieben. Ab Oktober 2012 übernahm Dr. Hendrik Reismann die Leitung des ausgezeichnet aufgestellten Bachelor-Studiengangs für Soziale Arbeit und ab März 2013 auch die Leitung des österreichweit einzigartig konzipierten und mit dem Zentrum für Zukunftsstudien eng vernetzten Master-Studiengangs. Bereits nach wenigen Wochen zeichnete sich ab, dass Dr. Reismann vor allem das Konzept des FH-Bachelor-Studiums für Soziale Arbeit, also der eigentlichen sozialarbeiterischen Berufsausbildung, radikal in Frage stellte; warum auch immer? Die folgenden 3 Aspekte der von uns kritisierten Zukunftsentwicklungen der FH-SozialarbeiterInnen-Ausbildung erwähnt Hendrik Reismann im OBDS-Interview explizit: Erstens: Dr. Reismann will AbsolventInnen des SOZA-Studiums den Aufstieg in Leitungsfunktionen von Sozialeinrichtungen nur über den Umweg einer zusätzlichen SOZIALMANAGEMENT-Ausbildung zugestehen. Derartige willkürliche Karriere-Hürden würden sich die RepräsentantInnen vieler anderer FH- bzw. UNI-Studien selbstverständlich niemals bieten lassen! Empirisch betrachtet spricht übrigens gegen Reismann s bedenkliche Sichtweise das Faktum, dass eine Vielzahl von Salzburger Sozialeinrichtungen von SOZAK- und FH- SOZA-AbsolventInnen seit vielen Jahren sehr erfolgreich geleitet werden! Zweitens: Dr. Reismann plant offensichtlich eine auch berufspolitisch äußerst problematische Engführung des bisher berücksichtigten weiten Spektrums der Sozialen Arbeit auf die Handlungsfelder Kinder- und Jugendhilfe! Laut der von der Sozialplanung des Landes Salzburg eigens für den FH- Bachelor-Studiengang für Soziale Arbeit 2004 erstellten und 2009
3 3 aktualisierten Bedarfsstudie gibt es einen nachhaltigen Bedarf an zusätzlichen SozialarbeiterInnen (einschließlich Karenzvertretungen u. ä.) in den folgenden 6 sozialberuflichen Praxisbereichen: Kinder-, Jugend- und Familienhilfe: 12 SozialarbeiterInnen pro Jahr Körperlich, geistig und sinnesbeeinträchtigte Personen: 10 SozialarbeiterInnen pro Jahr Psychisch bzw. psychosomatisch beeinträchtigte Personen: 10 SozialarbeiterInnen pro Jahr Pflegebedürftige Personen (m. b. B. der sozialen Altenhilfe): 10 SozialarbeiterInnen pro Jahr Integrationsgefährdete Personen: 2 3 SozialarbeiterInnen pro Jahr Soziokulturelle Gemeinwesenarbeit & integrative Beratungsstellen in den Bezirken: 3-4 SozialarbeiterInnen pro Jahr Selbst wenn man den in den vergangenen Jahren leicht gestiegenen Personalbedarf in der Kinder- und Jugendhilfe berücksichtigt, gibt es pro Jahr für höchstens 20 der insgesamt rund 50 SOZA-AbsolventInnen geeignete Arbeitsplätze in kinder- und jugendspezifischen Handlungsfeldern! Die übrigen 30 (!) SOZA-AbsolventInnen finden nur dann die angestrebten sozialberuflichen Arbeitsplätze, wenn sie auch für die weiteren 5 Einsatzbereiche der Sozialen Arbeit in der Ausbildung angemessen vorbereitet wurden. Dies erfordert übrigens auch handlungsfeldspezifische psychologische und medizinische Wissensbestände, die Dr. Reismann laut Interview für entbehrlich hält. Die mangelnde Berücksichtigung der sehr fundierten Bedarfsanalyse des Landes Salzburg könnte in letzter Konsequenz zu einer Reduktion der SOZA-Studienplätze führen. Wir halten die von Dr. Reismann im Interview angedeutete Vernachlässigung von psychologischem und medizinischem Basiswissen in der Sozialarbeiter-Ausbildung allerdings auch weit über diese berufspolitischen Erwägungen hinaus für äußerst problematisch! Dies gilt sinngemäß auch für psychologisch und gruppendynamisch fundierte Selbsterfahrung, der in bisherigen Curricula ein angemessener Stellenwert zugeschrieben wurde. Übrigens ist es auch für den von Hendrik Reismann einseitig hervorgehobenen Praxisbereich der Kinderund Jugendhilfe nicht nachvollziehbar, dass eine bedarfsgerechte
4 4 Qualifizierung ohne umfassende (entwicklungs)psychologische und kinder- und jugendpsychiatrische Kenntnisse gelingen könnte. Drittens: Nicht zuletzt im Hinblick auf seine oben erwähnten Bedenken gegenüber den bisher angemessen berücksichtigten psychologischen und medizinischen Studieninhalten hat Dr. Reismann die seit Anfang der 1990er-Jahre sehr erfolgreich laufende Kooperationvereinbarung mit dem Psychotherapeutischen Propädeutikum des BfI einseitig beendet! Dadurch verliert das Salzburger SOZA-Studium ein sehr lukratives und österreichweit viel beachtetes Alleinstellungsmerkmal. Außerdem müssen die zukünftigen SOZA-AbsolventInnen auf einen wichtigen Wettbewerbsvorteil am sozialberuflichen Arbeitsmarkt (m. b. B. der psycho-sozialen Praxisfelder) verzichten. In diesen Praxisfeldern konkurrieren bekanntlich BewerberInnen mit SOZA- Abschluss häufig mit AbsolventInnen eines universitären Psychologiestudiums. Dabei erwies sich bisher der zusätzliche Propädeutikums-Abschluss als echter Plus-Punkt für SOZA- AbsolventInnen. Hendrik Reismann hat sicher Recht, wenn er im Interview darauf hinweist, dass Soziale Arbeit und Psychotherapie zwei unterschiedliche Berufsfelder sind. Er versteht aber offensichtlich nicht, dass es beim Psychotherapeutischen Propädeutikum gar nicht in erster Linie um die Ausbildung von PsychotherapeutInnen geht. Dies ist ja bekanntlich erst die Aufgabe des Psychotherapeutischen Fachspezifikums. Beim Propädeutikum geht es vielmehr um die beachtliche Schnittmenge zwischen den Lehrangeboten des SOZA-Studiums und dem Curriculum der propädeutischen Vorbildung für einen PSY-Beruf. In diesem Sinne ist es auch nicht verwunderlich, dass laut Erlass des Gesundheitsministeriums eine Reihe von Modulen des Studiums für Soziale Arbeit für das Psychotherapeutische Propädeutikum angerechnet wird. Die nicht anrechenbaren Module wurden bisher in Form von Freigegenständen angeboten, die aus dem FH-Budget finanziert wurden. Dies ermöglichte entsprechend interessierten SOZA-StudentInnen zusätzliche Anrechnungen und damit einen sehr kostengünstigen Propädeutikums-Abschluss. Auch auf diese Freigegenstände hat Dr. Reismann verzichtet! Der Besuch dieser Vertiefungsmodule war
5 5 selbstverständlich immer freiwillig. Falls SOZA-Studierende bzw. - AbsolventInnen zukünftig das Psychotherapeutische Propädeutikum bei einem der Lehrgangsanbieter inskribieren wollen, müssen sie mit Zusatzkosten von mindestens Euro (!) rechnen. Die zuständigen ExpertInnen des Gesundheitsministerium hielten übrigens die Kooperation der Salzburger SOZA-Ausbildung mit dem Psychotherapeutischen Propädeutikum des BfI seit jeher für außerordentlich attraktiv und können die einsame Entscheidung von Dr. Reismann sachlich und fachlich nicht nachvollziehen. Im Folgenden weisen wir noch auf 2 weitere äußerst problematische Entwicklungen hin, die Dr. Reismann jedoch im OBDS-Interview leider verschweigt: Erstens: Dr. Reismann erwähnt im OBDS-Interview leider nicht, dass er das von der Universität Innsbruck (Institut für psychosoziale Intervention) unterbreitete Angebot der Fortsetzung der bewährten Doktorats- Kooperation ohne Angabe von Gründen abgelehnt hat! Damit verliert das Salzburger SOZA-Studium ein weiteres wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Außerdem verlieren die zukünftigen Master-AbsolventInnen ein österreichweit einzigartiges Studien- und Forschungsangebot auf Doktorats- bzw. PhD-Niveau! Zweitens: Dr. Reismann erwähnt leider auch nicht, dass sich in den ersten 15 Monaten seiner Leitungstätigkeit alle 5 (!) bisherigen MitarbeiterInnen des langjährig sehr erfolgreich engagierten SOZA-Lehrteams aus dem Studiengang zurückzogen haben; 3 haben gekündigt, 2 haben Bildungskarenz beantragt! 3 dieser 5 MitarbeiterInnen sind übrigens SozialarbeiterInnen, die an der SOZAK bzw. an der FH in Salzburg ausgebildet wurden, über zusätzliche universitäre Abschlüsse verfügen und ihre beruflichen Erfahrungen in Salzburger Sozialeinrichtungen sammeln konnten. Im neuen SOZA-Lehrteam, das wir übrigens durchaus für sehr qualitätsvoll halten, gibt es keine einzige Person aus der großen Zahl der Salzburger SOZAK- bzw. SOZA-AbsolventInnen, obwohl gerade
6 6 in Salzburg eine überdurchschnittlich große Zahl von SozialarbeiterInnen über die Kombination einer sozialarbeiterischen Berufausbildung mit einem UNI-Studium auf Magister- bzw. Doktoratsniveau verfügt. So gesehen ist es auffällig, dass gut qualifizierte Salzburger BewerberInnen offensichtlich nicht berücksichtigt wurden! Abschließende Anmerkungen Auf dem Hintergrund unserer in knapp 3 Jahrzehnten gesammelten Erfahrungen mit der Qualitätsentwicklung der Akademie für Sozialarbeit und der FH-Studiengänge für Soziale Arbeit sowie auf der Basis unserer wissenschaftlichen Analysen und unserer sozialberuflichen Praxis warnen wir in aller gebotenen Deutlichkeit vor den offensichtlich geplanten Änderungen des FH-SOZA-Studienkonzepts. Wenn dieses Konzept realisiert wird, befürchten wir für zukünftige SOZA- AbsolventInnen eine folgenreiche inhaltliche Engführung sowohl der Ausbildung als auch der Berufsfelder sowie eine fatale Einschränkung von Karrieremöglichkeiten. Dadurch könnte es kurz- bis mittelfristig zu einem nur mehr schwer sanierbaren Bedeutungsverlust und zur Marginalisierung der kleinen aber wichtigen Berufsgruppe der Salzburger SozialarbeiterInnen kommen. Im Hinblick auf die oben angesprochen Kritikpunkte gibt es daher unserer Meinung nach einen dringenden Handlungsbedarf sowohl auf der hochschulpolitischen als auch auf der berufspolitischen Ebene. Wir werden jedenfalls die weitere Entwicklung des Salzburger FH- Studiums für Soziale Arbeit mit kritischem Blick beobachten. Selbstverständlich stehen wir auch für sachliche und fachliche Diskussionen im Zusammenhang mit den im vorliegenden Beitrag präsentierten folgenschweren Entwicklungen gerne zur Verfügung.
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