Perspektiven M+E: Wettbewerbsfähige Betriebe sichere und gesunde Arbeit

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1 Perspektiven M+E: Wettbewerbsfähige Betriebe sichere und gesunde Arbeit Donnerstag, um 09:30 Uhr hbw I Haus der Bayerischen Wirtschaft, Europasaal Max-Joseph-Straße 5, München Begrüßung Bertram Brossardt Hauptgeschäftsführer bayme Bayerischer Unternehmensverband Metall und Elektro e. V. vbm Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie e. V. Es gilt das gesprochene Wort.

2 1 Sehr geehrte Damen und Herren, herzlich willkommen zu unserem diesjährigen Arbeitswissenschaftskongress, der unter dem Motto Wettbewerbsfähige Betriebe sichere und gesunde Arbeit steht. Bayerische M+E-Betriebe agieren vorbildlich Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz wird in der bayerischen M+E-Industrie groß geschrieben. Die Betriebe befolgen nicht nur selbstverständlich die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes. In vielen Fällen geht ihr Engagement weit über das rechtlich Notwendige hinaus. Immer mehr Betriebe bieten ihren Mitarbeitern zusätzlich umfangreiche Programme zur betrieblichen Gesundheitsförderung an. Die bayerischen M+E-Betriebe begreifen den Arbeitsschutz als Daueraufgabe. Sie investieren kontinuierlich in die ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen und verbessern ständig Abläufe, Führungssysteme und das Informationsmanagement, um Belastungen so gering wie möglich zu halten.

3 2 Die Konsequenz: Die Arbeitsplätze in der bayerischen M+E-Industrie sind gut geschützt und sehr unfallsicher: - Die Zahl der Arbeitsunfälle sinkt seit Jahren. Von 2000 bis 2013 sind deutschlandweit die meldepflichtigen Arbeitsunfälle in den gewerblichen Berufsgenossenschaften um 18 Prozent zurückgegangen. Und das, obwohl die Zahl der Versicherten im gleichen Zeitraum um 17 Prozent zugenommen hat. - Zudem liegt die Zahl der Fehltage auf konstant niedrigem Niveau. Die Krankenstandquote in der bayerischen M+E-Industrie liegt seit fast 20 Jahren stets in dem Bereich zwischen vier und fünf Prozent. Das große Engagement der Unternehmen liegt dabei in ihrem eigenen Interesse. Je länger Mitarbeiter gesund und leistungsfähig bleiben, desto länger können die Unternehmen von ihrer Kompetenz, ihrer Erfahrung und ihren Fähigkeiten profitieren. Das zahlt sich aus gerade in Zeiten des demografischen Wandels und des

4 3 Fachkräftemangels. Bis ins Alter gesunde und fitte Mitarbeiter werden zu einem immer wichtiger werdenden Wettbewerbsfaktor. Vor dem Hintergrund des großen Engagements der Firmen und der sinkenden Zahl an Arbeitsunfällen ist es völlig unverständlich, dass im Arbeitsschutz die Regulierungsdichte kontinuierlich weiter erhöht wird. Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung Ein besonders prominentes Beispiel ist die Klarstellung im Arbeitsschutzgesetz, dass jedes Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung durchführen muss. Das macht den Unternehmen schwer zu schaffen. Bei vielen Firmen herrscht immer noch große Ratlosigkeit, wie sie das Thema anpacken sollen. Dabei müssen die Unternehmen schnell aktiv werden: Allein von 2015 bis 2017 sind bundesweit Betriebsbesichtigungen mit Schwerpunkt psychische Belastung geplant, davon in Bayern. Wir haben deshalb einen Leitfaden erstellt, der Ihnen das Erstellen einer solchen Gefährdungsbeurteilung erleichtern soll.

5 4 Zudem wird Ihnen später Herr Stüber von ZF Friedrichshafen praktische Hinweise im Umgang mit der Gefährdungsbeurteilung Psychische Belastung geben. Anti-Stress-Verordnung nicht zielführend Hartnäckig hält sich zudem die Idee einer Anti- Stress-Verordnung. Die Gewerkschaften fordern sie. Die Bundesarbeitsministerin zeigt sich offen. Zum Glück scheint die Kanzlerin kein besonderer Fan davon zu sein. Die Befürworter einer Anti-Stress-Verordnung begründen ihre Forderung mit dem starken Anstieg der Krankschreibungen mit der Diagnose psychische Erkrankung in den letzten Jahren. Laut BKK Gesundheitsreport gab es von 2006 bis 2013 hier einen Zuwachs in Höhe von 110 Prozent. Diese statistischen Feststellungen sind aber für die Frage eines tatsächlichen Anstiegs der psychischen Erkrankungen nicht tragfähig. - Das Wissen der Ärzte über die psychischen Erkrankungen ist in den letzten Jahren gestiegen. Sie sind heute gleichzeitig viel stärker

6 5 für diese Krankheuten sensibilisiert und stellen deshalb häufiger diese Diagnose als früher. - Menschen, die unter psychischen Erkrankungen leiden, gehen mit diesen Symptomen heute eher zum Arzt als früher. - Psychische Erkrankungen sind in der Gesellschaft weniger tabuisiert als früher und sind heute als, einfach gesagt, normale Krankheiten anerkannt, die sie tatsächlich auch sind. Das alles ist positiv, denn nur wenn die Krankheit erkannt ist, kann sie gut behandelt werden. Statistiken der Krankenkassen und platte Behauptungen, dass die Ursachen für psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt liegen, leisten keinen Beitrag zur Lösung des Problems. Wir wollen die Diskussion versachlichen. Deshalb haben wir Herrn Professor Holsboer, der über 25 Jahre das Max-Planck-Institut für Psychatrie in München geleitet hat, mit Erstellung einer Studie beauftragt, die den Zusammenhang zwischen Psychischen Erkrankungen und Arbeitswelt untersucht. Die Studie, die Sie in Ihrer Tagungsmappe finden, ist druckfrisch.

7 6 Die Erkenntnisse, die in diese Studie eingeflossen sind, beruhen auf Erhebungen über Studienteilnehmer seit nunmehr 20 Jahren. Mit dieser umfassenden Langzeitanalyse durch das Max-Planck-Institut schaffen wir ein wissenschaftliches Diskussionsfundament. Knapp zusammengefasst lauten die wichtigsten Kernergebnisse der Studie: - Arbeit ist kein besonderer Risikofaktor für psychische Erkrankungen. - In der beobachteten Gruppe gab es keine Zunahme der psychischen Erkrankungen. Es handelt sich um eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe, die 1994 im Alter von 14 bis 24 Jahren per Zufallsprinzip ausgewählt wurde. - Psychische Erkrankungen haben überwiegend personenbezogene, biografische Ursachen etwa traumatische Erfahrungen in Kindheit und Jugend oder Temperamentfaktoren. Was bedeutet das konkret? Erstens: Schon allein aufgrund des fehlenden direkten Zusammenhangs zwischen Arbeit und

8 7 psychischen Krankheiten ist eine Anti-Stress- Verordnung, die ja nur das Arbeitsumfeld betrachtet, nicht zielführend. Zweitens: An dem gleichen Punkt setzt auch unsere Kritik an der Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung an: Die Gefährdungsbeurteilung muss rechtlich zwingend vor Gefahren schützen, die von der Arbeit ausgehen, nicht aber vor Gefahren und zwar objektiv! Die psychische Gesundheit des einzelnen Mitarbeiters darf nicht Gegenstand der rechtlich verpflichtenden Gefährdungsbeurteilung des Arbeitgebers sein. Herr Prof. Holsboer wird Ihnen die Studie später im Detail vorstellen. Arbeitsschutz ist nicht auf die Arbeitswelt 4.0 ausgerichtet Meine Damen und Herren, statt zu versuchen, psychische Gesundheit durch neue Vorschriften im Arbeitsschutzgesetz zu verschreiben, sollte sich der Gesetzgeber lieber um die wirklich wichtigen Herausforderungen kümmern. Fest steht: Die aktuelle Arbeitsschutzgesetzgebung passt in vielen Bereichen nicht zu der kommenden digitalen Arbeitswelt.

9 8 Der Arbeitsschutz muss pragmatische, an die neue Arbeitsrealität der digitalen Welt angepasste Lösungen finden. Handlungsbedarf gibt es an vielen Stellen. Lassen Sie mich drei Punkte herausgreifen: Erstens: Die Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung muss ausdrücklich auf den Bereich beschränkt werden, der dem Einflussbereich des Arbeitgebers unterliegt. Die Digitalisierung ermöglicht mobiles orts- und zeitunabhängiges Arbeiten. Allerdings muss der Arbeitgeber laut Arbeitsschutzgesetz für jeden Arbeitsplatz eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen. Das betrifft auch solche Beschäftigte, die ständig abseits des Betriebsgeländes an ständig wechselnden Orten tätig sind. Damit ist der Arbeitsschutz eine echte Bremse auf dem Weg zur Wirtschaft 4.0. Das darf nicht sein! Das mobile, freie Arbeiten, das in der Zukunft immer mehr dominieren wird, muss zwangsläufig einhergehen mit einer größeren Eigenverantwortung der Mitarbeiter für ihre eigene Gesundheit. Eine ständige Überwachung des mobilen Arbeitnehmers

10 9 durch den Arbeitgeber ist weder sinnvoll noch machbar. Zweitens: Kurze Unterbrechungen der elfstündigen Ruhezeiten für Arbeitnehmer pro Tag müssen möglich sein. Die Ruhezeit darf nicht von neuem von vorne beginnen, wenn der Arbeitnehmer abends zu Hause noch einmal einen kurzen Blick auf seine dienstlichen s wirft. Drittens: Wenn der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz eigene mobile Geräte nutzt, müssen die Risiken, die dem Arbeitgeber dadurch entstehen, minimiert werden. Nach aktueller Rechtslage können den Arbeitgeber Haftungsrisiken treffen, wenn der Arbeitnehmer durch die Nutzung eigener Geräte Gesundheitsschäden erleidet. Es muss rechtlich klargestellt werden, dass für solche Risiken künftig allein der Arbeitnehmer die Verantwortung trägt. Services der Verbände Meine Damen und Herren,

11 10 wir kämpfen nicht nur für gute politische Rahmenbedingungen im Bereich Arbeitsschutz. Darüber hinaus bieten Ihnen bayme vbm eine ganze Reihe von Services und Unterstützungsleistungen für Ihre tägliche Arbeit. bayme vbm Servicepaket Psyche Einen besonderen Schwerpunkt legen wir dabei auf das Thema Psychische Gesundheit. Bereits im 2013 haben wir uns des Themas mit einem umfangreichen Servicepaket angenommen. Es besteht aus drei Säulen: 1. Wissenschaft 2. Beratung und 3. Weiterbildung Zu erstens - Wissenschaft. Mittelpunkt der Säule wissenschaftliche Forschung ist die bereits angesprochene Arbeit des Max-Planck- Instituts unter der Leitung von Herrn Professor Holsboer. Zu zweitens - Beratung. Der anonyme telefonische Beratungsservice für die Beschäftigten der Mitgliedsunternehmen ist ein

12 11 Kernbestandteil des Projekts. Das Angebot richtet sich sowohl an Mitarbeiter als auch an Führungskräfte. Ein Expertenteam aus Arbeitspsychologen und psychotherapeutisch tätigen Ärzten berät präventiv und hilft in Akut-Situationen. Seit September 2013 wurden über 400 Beratungsgespräche geführt. Das ist eine Erstberatung. Wir bieten über das Beratungssystem die Navigation in das bestehende Hilfssystem an. Deswegen haben wir eine umfangreiche Datenbank mit über Kontaktadressen, beispielsweise für stationäre und ambulante Behandlungsmöglichkeiten sowie weitere spezifische Beratungsstellen, etwa zum Thema Familie oder Sucht, aufgebaut. Zudem haben wir Kooperationen mit Krankenhäusern geschlossen, damit Betroffene schneller einen Behandlungsplatz erhalten können. Zu drittens - Weiterbildung. Zur Steigerung der arbeitspsychologischen Kompetenz in Unternehmen bieten bayme vbm Workshops an:

13 12 - Firmenübergreifende Workshops vermitteln Geschäftsführern, Führungskräften und Personalverantwortlichen vertiefendes Wissen zur Früherkennung psychischer Belastungen und geben konkrete Tipps zum Umgang mit psychisch erkrankten Mitarbeitern. Seit 2013 wurden so rund 160 Führungskräfte für psychische Erkrankungen bei Mitarbeitern sensibilisiert und weitergebildet. - Firmeninterne Inhouse-Trainings haben die gleiche Zielsetzung. An diesen haben bisher über 600 Personen teilgenommen. - Weitere Workshops werden für die Zielgruppe der Betriebsärzte angeboten, um die Diagnostik und Beratungskompetenz bei der frühzeitigen Erkennung von psychischen Belastungen zu erweitern und über weitergehende Behandlungsmöglichkeiten solcher Erkrankungen zu informieren. Weitere Services im Bereich Arbeitssicherheit von bayme vbm Unsere Services im Bereich Arbeitssicherheit beschränken sich allerdings bei weitem nicht nur auf das Thema Psychische Gesundheit :

14 13 - Wir informieren Sie über aushangpflichtige Arbeitsschutzgesetze. - Wir haben eine Beratungshotline eingerichtet, die durch die Vorschriften des Arbeitsschutzes führt und entsprechende Hilfeleistung bietet. - Wir bieten regelmäßig Veranstaltungen an, wie z. B. den Arbeitskreis Arbeitsschutz. - Auch haben wir einen umfassenden Leitfaden mit dem Titel Arbeitssicherheit eine Aufgabe für Führungskräfte veröffentlicht, den Sie an unserem Infostand im Foyer finden. Ich kann Sie nur auffordern: Nutzen Sie unser umfangreiches Serviceangebot! Ich freue mich auf eine interessante Veranstaltung! Fazit Meine Damen und Herren, die bayerischen M+E-Industrie ist beim Arbeitsschutz gut aufgestellt. Die Unternehmen haben nicht nur ihre Hausaufgaben gemacht, sondern leistet darüber hinaus freiwillig noch viel mehr, als gesetzlich erforderlich ist. bayme vbm unterstützen Sie dabei mit vielen Unterstützungsangeboten!

15 14 Allerdings muss jetzt Schluss sein mit Bestrebungen, den Arbeitsschutz gesetzlich weiter auszudehnen. Weitere Rechtsverordnungen zum Arbeitsschutz sind weder notwendig noch sinnvoll und damit ist insbesondere eine Anti-Stress-Verordnung gemeint. Ganz im Gegenteil: Um den Weg in die Arbeitswelt 4.0. nicht zu bremsen, muss der Arbeitsschutz flexibler gehandhabt werden. Je mehr Freiheiten die Mitarbeiter bei der Wahl ihres Arbeitsortes haben, desto mehr Eigenverantwortung muss man ihnen beim Arbeitsschutz überlassen! Ich wünsche uns allen eine interessante und aufschlussreiche Veranstaltung!