Arbeitsrecht Ausgabe 3/2006
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- Wilhelmine Monika Beutel
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1 Arbeitsrecht Ausgabe 3/2006 I. Neue Entscheidungen 1. Antidiskriminierungsrichtlinie erfasst auch Kündigungen; Krankheit ist keine Behinderung EuGH vom 11. Juli 2006, Rs C-13/05 Die Antidiskriminierungsrichtlinie 2000/78/EG gilt grundsätzlich auch für Kündigungen. Diese dürfen daher nicht an einen verbotenen Diskriminierungsgrund anknüpfen (z.b. Alter, Behinderung). Nicht verboten ist jedoch eine Kündigung wegen Krankheit, weil eine Erkrankung kein verbotener Diskriminierungsgrund ist. Sie ist insbesondere keine Behinderung. Eine Behinderung ist eine Einschränkung, die insbesondere auf physischen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen beruht und ein Hindernis für die Teilhabe des Betroffenen am Berufsleben ist. Die Einschränkung muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von langer Dauer sein. Dieses Kriterium unterscheidet die Behinderung von der Krankheit. Die Kündigung wegen einer Behinderung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Einschränkungen für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen seines Arbeitsplatzes nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist. Insoweit ist der Arbeitgeber verpflichtet, angemessene Vorkehrungen für Menschen mit einer Behinderung zu treffen. Bislang war ungeklärt, ob die Antidiskriminierungsrichtlinie auch krankheitsbedingte Kündigungen verbietet. Der EuGH hat nunmehr Rechtsklarheit geschaffen. Das BAG muss seine Rechtsprechung zur krankheitsbedingten Kündigung nicht ändern. Sie verstößt nicht gegen die Antidiskriminierungsrichtlinie. Noch ungeklärt ist allerdings, ob und ggf. wann eine dauerhafte Erkrankung in eine Behinderung im Sinne der Rechtswendung des EuGH umschlagen kann. Angesichts der eindeutigen Regelung in der Antidiskriminierungsrichtlinie ist die Feststellung des EuGH keine Überraschung, die Richtlinie gelte auch für Kündigungen. 2 Abs. 4 AGG (deutsche Umsetzung der Antidiskriminierungsrichtlinie) regelt für Kündigungen a- ber, dass ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz Anwendung finden. Das AGG hätte also für Kündigungen keine Bedeutung. In der juristischen Literatur wird insoweit vertreten, diese sogenannte Bereichsausnahme ist europarechtswidrig. Als Folge der EuGH-Entscheidung ist 2 Abs. 4 AGG europa- 1
2 rechtskonform auszulegen. Welche konkreten rechtlichen Konsequenzen hieraus folgen, ist streitig (vgl. im Einzelnen Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, 887). 2. Vertrauensschutz bei Massenentlassungen, Änderung der Rechtsauffassung der Arbeitsverwaltung als maßgeblicher Stichtag BAG vom 13. Juli 2006, 6 AZR 198/06, PM Nr. 49/06 Nach dem Urteil des EuGH vom 27. Januar 2005 (Junk) Rs C-188/03 und der darauf folgenden Entscheidung des 2. Senats des BAG vom 23. März AZR 343/05 steht fest, dass Entlassung i.s.v. 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG die Kündigungserklärung ist. Die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit muss daher rechtzeitig vor Ausspruch der Kündigungen erstattet werden. Die langjährige deutsche Praxis stand hierzu im Widerspruch, weil sie auf den Zeitpunkt der Beendigung der Arbeitsverhältnisse abstellte. Nach den Entscheidungen des EuGH und BAG war offen, wie lange Arbeitgeber auf die bisherige Handhabung vertrauen durften. Zunächst gewährte der 2. Senat am 23. März 2006 (2 AZR 343/05) Vertrauensschutz bis zum Bekanntwerden des EuGH- Urteils. Der 6. Senat hat diesen Schutz nun erweitert. Er endet erst, wenn die zuständige Arbeitsverwaltung ihre Verwaltungspraxis an die neue Rechtsprechung angepasst hat und dies dem Arbeitgeber bekannt sein musste. Die Entscheidung ist zu begrüßen, da sie der Praxis weitere Rechtsklarheit bringt. Sie bestätigt und erweitert den Vertrauensschutz mit überzeugender Begründung. Der EuGH traf lediglich eine Entscheidung zur europäischen Rechtslage. Die Auswirkungen für das nationale Recht waren bis zum Urteil des BAG vom 23. März 2006 offen. Solange selbst die Arbeitsverwaltung keinen Anlass sah, ihre ständige Praxis umzustellen, kann das erst recht nicht vom Arbeitgeber verlangt werden (dazu Bauer/Krieger/Powietzka, BB 2006, 2023, 2024). 3. Anforderungen an Unterrichtungsschreiben bei einem Betriebsübergang BAG vom 13. Juli 2006, 8 AZR 305/05 und 8 AZR 303/05, PM Nr. 50/06 Die Entscheidung betrifft die Informationspflichten im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang ( 613a Abs. 5 BGB). Inhaltlich muss das Unterrichtungsschreiben neben den in 613a Abs. 5 Nr. 1 bis 4 BGB ausdrücklich genannten Punkten auch den Betriebserwerber mit Adresse identifizieren und den Gegenstand des Betriebsübergangs genau angeben. Alle erteilten Informationen müssen richtig sein. Der Arbeitgeber muss sorgfältig über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs informieren. Genügt die Information nicht den gesetzlichen Anforderungen, ist sie unwirksam und die Monatsfrist für den Widerspruch gegen den Übergang der Arbeitsverhältnisse ( 613a Abs. 6 BGB) wird nicht in Gang gesetzt. Ein Widerspruch ist dann grundsätzlich auch nach dem vermeintlichen Ablauf der Monatsfrist möglich. 2
3 In dieser Entscheidung befasst sich das BAG erstmals mit den inhaltlichen Anforderungen an die Information nach 613a Abs. 5 BGB. Sie hat für die Praxis große Bedeutung und verdeutlicht, dass bei der Formulierung der Unterrichtungsschreiben besondere Sorgfalt geboten ist. Beginnt die Widerspruchsfrist wegen einer mangelhaften Information nicht zu laufen, können die Mitarbeiter dem Betriebsübergang grundsätzlich unbefristet widersprechen. Es gibt keine absolute Höchstfrist. Die bisher in der rechtswissenschaftlichen Literatur diskutierte Möglichkeit einer Verwirkung des Widerspruchsrechts erwähnt das BAG zumindest in der Pressemitteilung nicht; insoweit sind die Entscheidungsgründe abzuwarten. Der Betriebsveräußerer muss spätestens ab dem Widerspruch die mit dem Arbeitsverhältnis und seiner etwaigen Beendigung verbundenen Kosten tragen. Eine rechtzeitige und ordnungsgemäße Information ist also erforderlich, um ggf. erhebliche wirtschaftliche Nachteile zu verhindern. 4. Sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag: Wirksame Verlängerung nur ohne Veränderung der übrigen Arbeitsbedingungen BAG vom 23. August 2006, 7 AZR 12/06, PM Nr. 54/06 Nach 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG kann ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren höchstens dreimal verlängert werden. Die Verlängerung können Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur während der Laufzeit, also vor dem Ende der Befristung vereinbaren. Im Zusammenhang mit der Verlängerung dürfen sie andere Arbeitsbedingungen nicht ändern, auch nicht zugunsten des Arbeitnehmers. Es handelt sich ansonsten um den Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrags. Fehlt für die weitere Befristung ein Sachgrund, ist sie unwirksam und es kommt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande ( 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG). Diese Rechtsfolge tritt nicht ein, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anpassung der Arbeitsbedingungen vor der Verlängerung vereinbart haben oder der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Verlängerung einen Anspruch auf die Vertragsänderung hat, beispielsweise weil der Arbeitgeber allen anderen Arbeitnehmern eine erhöhte Arbeitsvergütung gewährt und den betroffenen Mitarbeiter von der Erhöhung nicht ausnehmen darf. Grund für diese Ausnahmen ist, dass in beiden Fällen die Vertragsänderung auf dem bisherigen Arbeitsvertrag beruht. Werden die neuen Arbeitsbedingungen zeitlich getrennt von der Verlängerung vereinbart, ergeben sich keine befristungsrechtlichen Probleme. Das BAG ergänzt seine sehr formale Rechtsprechung zur sachgrundlosen Befristung. Die Unterscheidung zwischen einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nach 14 Abs. 2 TzBfG und dem Abschluss eines neuen befristeten Arbeitsvertrags hängt allein davon ab, ob zugleich andere Arbeitsbedingungen geändert werden. Daher sollten Arbeitgeber jede zeitlich unmittelbar mit der Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags verbundene Anpassung der Vertragsmodalitäten vermeiden. Sie laufen sonst Gefahr, dass ein Sachgrund für die weitere Befristung erforderlich ist. Fehlt er, kommt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande. 3
4 5. Vertretung als Sachgrund der Befristung erfordert Kausalzusammenhang, aber keine Übernahme der Stelle BAG vom 24. Mai 2006, 7 AZR 640/05 Nach 14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für eine Befristung vor, wenn ein Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Nicht erforderlich ist, dass der Vertreter die Aufgaben des ausfallenden Mitarbeiters übernimmt. Der Arbeitgeber hat insoweit eine Versetzungs- und Umsetzungsbefugnis. Er kann z.b. Tätigkeiten des ausfallenden Stammarbeitnehmers auf andere verteilen und die dadurch freiwerdenden Aufgaben dem Vertreter zuweisen. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Befristung ist aber ein Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall eines Mitarbeiters und der Einstellung des Vertreters. Überträgt der Arbeitgeber dem Vertreter Aufgaben, die der zeitweise fehlende Mitarbeiter zu keiner Zeit erledigt hat, besteht der Kausalzusammenhang, wenn diese Tätigkeiten vom Vertretenen nach dessen Rückkehr übernommen werden könnten. Dabei ist eine zumindest gedankliche Zuordnung der Aufgaben erforderlich. Diese muss erkennbar sein, z.b. durch eine Angabe im Arbeitsvertrag oder durch Informationen im Rahmen der Beteiligung der Arbeitnehmervertretung bei der Einstellung. Das BAG führt seine Rechtsprechung zum Sachgrund der Vertretung fort und eröffnet einen gewissen Gestaltungsspielraum. Der Arbeitgeber kann die Arbeitsabläufe ändern und dem Vertreter andere Aufgaben zuweisen als dem ausfallenden Mitarbeiter. In der Praxis können sich aber Schwierigkeiten bei der Darlegung des Kausalzusammenhangs zwischen der Einstellung des befristet beschäftigten Arbeitnehmers und dem vorübergehenden Ausfall eines Stammmitarbeiters ergeben. Arbeitgeber sollten daher klare Anhaltspunkte für die gewählte Vertretungsstruktur schaffen. 6. Abschluss eines Aufhebungsvertrags führt nicht zwingend zu einer Sperrzeit BSG vom 12. Juli 2006, B 11a AL 47/05 R, MI Nr. 24/06 Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund, kann die Arbeitsverwaltung eine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld verhängen. Typischer Fall des Lösens des Beschäftigungsverhältnisses ist die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung (Aufhebungsvertrag). Droht dem Arbeitnehmer allerdings eine rechtmäßige Arbeitgeberkündigung und schließt er deswegen einen Aufhebungsvertrag, ist ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben. Eine Sperrzeit ist nicht zu verhängen. Das Gericht deutet an wenn auch nicht ganz klar, dass regelmäßig keine Sperrzeit eintritt, wenn die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung im Rahmen des 1a KSchG bleibt, also 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht übersteigt. Auf die Rechtswirksamkeit der potentiellen Kündigung soll es dann nicht zwingend ankommen. Diese Aussage gehört aber nicht zu den tragenden Gründen der Entscheidung, da der 4
5 Aufhebungsvertrag im konkreten Fall vor Inkrafttreten des 1a KSchG abgeschlossen wurde. Die Entscheidung unterstreicht, dass ein Mitarbeiter gegen die Verhängung einer Sperrzeit argumentieren kann, ihm habe eine rechtmäßige Kündigung gedroht. Sollte das BSG bestätigen, dass bei Vereinbarung einer Abfindung im Rahmen des 1a Abs. 2 KSchG keine Sperrfrist droht, ergibt sich eine Möglichkeit zum Abschluss von Aufhebungsverträgen ohne Nachteile beim Bezug von Arbeitslosengeld. Das dürfte die Einigungsbereitschaft der betroffenen Mitarbeiter erhöhen. Wegen der etwas kryptischen Formulierung der Pressemitteilung sind aber die Entscheidungsgründe und die zukünftige Entwicklung abzuwarten. 7. Kein Betriebsübergang bei reiner Auftragsfortführung BAG vom 24. August 2006, 8 AZR 317/05, PM Nr. 55/06 Allein die Fortführung bestimmter Funktionen begründet keinen Betriebsübergang nach 613a BGB. Im entschiedenen Fall hat das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen die vereinigungsbedingten Aufgaben der Vermögenszuordnung (ehemals Treuhandanstalt) und sämtliche Verfahrensakten übernommen. Nach Ansicht des BAG begründet das keinen Betriebsübergang. Das BAG ergänzt seine Kasuistik zur Funktionsnachfolge in Abgrenzung zum Betriebsübergang (vgl. hierzu bereits Newsletter 1/2006, Nr. 1, 7, Newsletter 2/2006 Nr. 2, 3 sowie BAG vom 6. April AZR 249/04). Allein die Fortführung bestimmter Aufgaben (Funktionsnachfolge) ist weiterhin kein Betriebsübergang. Offenbar will das BAG nicht jede Auftragsneuvergabe als Betriebsübergang qualifizieren. Es scheint einen Gegenpol zum EuGH bilden zu wollen, der einen Betriebsübergang wieder großzügiger zu bejahen scheint. In der Praxis ist aber zu berücksichtigen, dass sichere Kriterien für die Unterscheidung zwischen einer Funktionsnachfolge und einem Betriebsübergang fehlen. Jeder Einzelfall muss sehr sorgfältig geprüft werden. 8. Gesetzliche Frist auch für vorbehaltlose Annahme eines Änderungsangebots BAG vom 18. Mai 2006, 2 AZR 230/05 Eine Änderungskündigung (Kündigung verbunden mit dem Angebot geänderter Arbeitsbedingungen) kann der Mitarbeiter u.a. unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist ( 2 KSchG). Er kann dann die Rechtswirksamkeit der Änderung gerichtlich prüfen lassen. Den Vorbehalt muss er innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens aber innerhalb von drei Wochen erklären ( 2 Satz 2 KSchG). Im konkreten Fall setzte der Arbeitgeber eine Frist von zwei Wochen für die Annahme des Angebots. Diese Frist verstößt gegen 2 Satz 2 KSchG, weil die Vorschrift für die Annahme unter Vorbehalt eine Überlegensfrist von drei Wochen gewährt. Die Zwei-Wochenfrist ist aber auch zu kurz im Hinblick auf eine vorbehaltlose Annahme 5
6 der neuen Arbeitsbedingungen. Zwar erfasst 2 KSchG diesen Fall nach seinem Wortlaut nicht, er enthält aber auch insoweit eine gesetzliche Mindestfrist. Die zu kurze Annahmefrist führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Vielmehr wird nur die Frist des 2 Satz 2 KSchG in Gang gesetzt. Hält der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Setzen einer zu kurzen Frist aber von der Erklärung des Vorbehalts innerhalb der gesetzlichen Frist ab, kann er sich unter den Voraussetzungen des 242 BGB (Treu und Glauben) nicht auf den Fristablauf berufen. Die Entscheidung ist eine Rechtsprechungsänderung. Derselbe Senat hatte am 6. Februar 2003 (2 AZR 674/01) entschieden, die Frist des 2 Satz 2 KSchG gelte nicht für die vorbehaltlose Annahme. Dem schloss sich das LAG Düsseldorf am 20. Oktober 2005 an (5 (15) Sa 904/05). Erfreulicherweise führt eine zu kurze Annahmefrist aber nicht zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung, vielmehr gilt grundsätzlich die gesetzliche Frist. 9. Schriftform eines befristeten Arbeitsvertrags: Unterzeichnung beider Vertragsparteien auf derselben Urkunde BAG vom 26. Juli 2006, 7 AZR 514/05, PM Nr. 53/06 Die Befristung eines Arbeitsvertrags bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform ( 14 Abs. 4 TzBfG). Die Schriftform ist in 126 BGB geregelt. Danach muss der Vertragstext durch beide Parteien eigenhändig auf derselben Urkunde unterschrieben werden. Die Schriftform ist aber auch gewahrt, wenn der Arbeitgeber in einem Brief den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags anbietet und der Arbeitnehmer das Angebot annimmt, in dem er das Schreiben ebenfalls unterzeichnet. Mit dieser Entscheidung hat sich das BAG der Rechtsprechung des BGH zum Schriftformerfordernis für langfristige Mietverträge in 566 Satz 1 BGB a.f. angeschlossen (BGH vom 14. Juli 2004 XII ZR 68/02, NJW 2004, 2962). Bislang war zweifelhaft, ob die Schriftform eingehalten ist, wenn der Mitarbeiter ein in Briefform gehaltenes Angebot einfach unterzeichnet. Diese Praxis ist zulässig. Der ausdrückliche Hinweis auf die BGH- Entscheidung deutet weiter darauf hin, dass die Schriftform auch gewahrt ist, wenn der Mitarbeiter ein schriftliches Angebot durch Unterschrift unter dem Zusatz einverstanden annimmt. 10. Grundsätzlich keine Vergütungspflicht für Dienstreisezeiten im öffentlichen Dienst BAG vom 11. Juli 2006, 9 AZR 519/05, PM Nr. 48/06 Nach den Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes ist Reisezeit grundsätzlich keine vergütungspflichtige Arbeitszeit. Es zählt nur die Zeit der dienstlichen Inanspruchnahme am auswärtigen Geschäftsort. 17 Abs. 2 BAT stellte sicher, dass dem Arbeitnehmer mindestens die regelmäßige tägliche Arbeitzeit vergütet wird, selbst wenn er am Ge- 6
7 schäftsort weniger gearbeitet hat. Daran ändert 44 Abs. 2 TVöD grundsätzlich nichts. Nach dieser Vorschrift gilt etwas anderes lediglich dann, wenn nicht anrechenbare Reisezeiten insgesamt 15 Stunden im Monat überschreiten. Auf Antrag sind 25 % dieser Zeiten auf die Arbeitzeit anzurechnen und gegebenenfalls durch Gewähren von Freizeit auszugleichen. In dieser Entscheidung stellt das BAG erstmals fest, dass die Regelungen des BAT und TVöD über die Vergütung von Dienstreisen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Auch nach dem Arbeitszeitgesetz sind beispielsweise Fahrtzeiten keine Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber nicht die Benutzung eines selbst zu lenkenden Fahrzeugs vorschreibt und der Mitarbeiter die Fahrt nicht zur Arbeit nutzt (etwa Aktenstudium). 11. Gewerkschaft muss Tarifvertrag nach verbindlichem Verhandlungsergebnis unterzeichnen BAG vom 5. Juli 2006, 4 AZR 381/05, PM Nr. 46/06 Ein von den Tarifvertragsparteien verbindlich festgehaltenes Verhandlungsergebnis, das von den jeweils zuständigen Gremien ausdrücklich gebilligt ist, kann ein Vorvertrag sein. Aus diesem Vorvertrag kann sich ein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf Unterzeichnung eines entsprechenden Tarifvertrags ergeben. Bei versehentlicher unvollständiger Umsetzung einer solchen Einigung kann ein Anspruch auf Ergänzung vereinbarter Tarifverträge bestehen. Ein solcher ergänzender Tarifvertrag kann rückwirkend in Kraft treten. Das BAG hat erstmals entschieden, dass eine Gewerkschaft einen Tarifvertrag unterzeichnen muss, wenn die Verhandlungskommissionen beider Seiten eine schriftliche Einigung erzielt und die zuständigen Gremien beider Seiten dem Ergebnis zugestimmt haben. In diesem Moment kommt ein Vorvertrag zustande, der die Parteien zum Abschluss des Tarifvertrags zwingt. Für einen Arbeitgeberverband kann insoweit nichts anderes gelten. II. Gesetzesänderungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Mit etwas Verspätung ist am 18. August 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft getreten. Nach der ursprünglichen Planung sollten die Neuregelungen bereits zum 1. August 2006 wirksam werden. Die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten verzögerte sich jedoch, weil diesem das Gesetz erst Ende Juli zur Prüfung zugeleitet wurde (vgl. zum AGG Newsletter 2/2006, Bauer/Thüsing/Schunder, NZA 2006, 774 ff., Röder/Krieger, FA 2006, 199 ff., Löwisch, DB 2006, 1729 ff., Diller/Krieger/Arnold, NZA 2006, 887 ff., Bauer/Evers, NZA 2006, 893 ff., Göpfert/Siegrist, ZIP 2006, 1710 ff.). 7
8 AGG-Archiv Mit Inkrafttreten des AGG haben wir unter ein AGG-Archiv frei geschaltet. Dieses bundesweite Archiv soll Arbeitgebern die Verteidigung gegen missbräuchliche Diskriminierungsklagen erleichtern. Dabei geht es um missbräuchliche Entschädigungsklagen professioneller Bewerber, die sich gezielt und serienmäßig auf Stellenanzeigen mit diskriminierendem Inhalt bewerben, um nach Ablehnung die Arbeitgeber auf Entschädigung zu verklagen. Dieses Phänomen ist aus dem Anwendungsbereich des 611a BGB als 611a-Hopping bekannt. Es ist zu erwarten, dass es mit Inkrafttreten des AGG auch zu einem AGG-Hopping kommen wird. Unser Archiv hat bereits den ersten Fall eines AGG-Hoppers nachgewiesen. Beim AGG-Archiv kann jeder Arbeitgeber, der auf Entschädigung wegen Diskriminierung bei Einstellung in Anspruch genommen wird und den Verdacht hat, dass es sich um einen Serientäter handelt, anfragen, ob der betreffende Kläger mit solchen Klagen schon in der Vergangenheit aufgefallen ist. Dies kann für den Beweis eines Missbrauchs entscheidend sein. Nach der bisherigen Rechtsprechung zu 611a BGB trifft den Arbeitgeber die volle Beweislast für die Missbräuchlichkeit des Vorgehens. Soweit der Nachweis einer offensichtlichen Scheinbewerbung aber gelingt, wurde die Entschädigungsklage in der Vergangenheit abgewiesen. Die Auskünfte sind kostenfrei und werden unverzüglich bearbeitet. Den Anfragen muss eine Kopie der schriftlichen Entschädigungsforderung bzw. der Klageschrift per , Post oder Fax beigefügt sein. Das AGG-Archiv sammelt des weiteren Gerichtsurteile und Materialien zum Themenkreis 611a-Hopping / AGG-Hopping. Einschlägige Dokumente bitten wir uns zu schicken (vgl. zum AGG-Archiv Diller, BB 2006, 1968 ff.). Sollten Sie den Newsletter Arbeitsrecht bestellen, abbestellen oder weiterempfehlen wollen, können Sie sich gerne per an arbeitsrecht@gleisslutz.com wenden. Für weitere Fragen und Informationen stehen Ihnen Ihre Ansprechpartner in den Gleiss Lutz Büros jederzeit zur Verfügung: 8
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