Verständigung, Planungsverfahren und Akzeptanz bei der Trassenplanung
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- Sophie Wolf
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1 Verständigung, Planungsverfahren und Akzeptanz bei der Trassenplanung Prof. Dr. Bernd Holznagel, LL.M. Marius Stracke Prof. Dr. Bernd Holznagel, LL.M. Institut für Informations-, Telekommunikationsund Medienrecht (ITM)
2 2 > Überblick I. Konfliktursachen beim Trassenausbau (tatsächlich/rechtlich) II. Gesetzgeberische Bewältigungsstrategien 1. Öffentlichkeitsbeteiligung und Transparenz a) Einführung in die Arten der Öffentlichkeitsbeteiligung b) NABEG, EnWG-Novelle und EnLAG c) Planungsvereinheitlichungsgesetz d) EU-Verordnung zu Leitlinien für die transeuropäische Infrastruktur 2. Erdverkabelung 3. Finanzielle Beteiligungsmodelle und Kompensationen 4. Mediation III. Schlussbemerkung
3 3 > Konfliktursachen beim Trassenausbau (tatsächlicher Art) Dezentrale regenerative Energieerzeugung und Atomausstieg führen zu erheblichem Ausbaubedarf für das Energie-Übertragungsnetz (laut NEP km in neuen Trassen, 2900 km in bestehenden Trassen) Konsequenzen des Trassenausbaus: Ökologisch: Einschränkung des Vogelflugs / Auftrennung landschaftlicher und ökologischer Kulturräume / Beeinträchtigung des Landschaftsbildes Lebensführung: gestörtes Sichtfeld / Emissionen Verringerte Immobilienwerte Weitere Aspekte: Furcht vor neuen Technologien Misstrauen gegenüber Politik, Verwaltung und Vorhabenträgern Gestiegene Protestbereitschaft (Stuttgart 21, Asse, BER-Flughafen)
4 4 > Konfliktursachen beim Trassenausbau (tatsächlicher Art) Dennoch vorhandene Grundakzeptanz in der Bevölkerung: 94 % der Bevölkerung halten Ausbau erneuerbarer Energien für wichtig* 63 % akzeptieren neue Leitungen, sofern diese für die Energiewende erforderlich sind* Problem des NIMBY-Prinzips ( not in my backyard ) Asymmetrische Verteilung zwischen Kosten (konzentriert) und Nutzen (gesamtwirtschaftlich) Grundakzeptanz sowie individuelle/einzelfallbezogene Akzeptanz erforderlich * TNS Infratest-Studie von 2012
5 5 > Konfliktursachen beim Trassenausbau (rechtlicher Art) 68% der Bevölkerung erachteten zuletzt ein ordnungsgemäßes Genehmigungsverfahren nicht als ausreichende Legitimierung eines Großprojektes und hießen deshalb anschließende Proteste gut* Komplexität des Planungsrechts Sechs unterschiedliche Regelungssysteme für den Energieleitungsausbau (davon drei für das Übertragungsnetz) Planungsverantwortlichkeit der Netzbetreiber auf der einen Seite, Netzentgeltregulierung durch die BNetzA auf der anderen Mangelnde Transparenz und Mitsprache Informelle Vorfestlegungen auf gesetzlicher und planerischer Ebene Mangelnde Bürgerbeteiligung in frühem Stadium, kein Spielraum mehr in späteren Verfahrensabschnitten ( Partizipationsparadoxon ) * Allensbach-Umfrage von 2011
6 6 > Öffentlichkeitsbeteiligung Netzausbau vorherige Rechtslage Zweistufiges Verfahren (Raumordnungsverfahren, Planfeststellung) (Frühe) Öffentlichkeitsbeteiligung während des Raumordnungsverfahrens hing von landesrechtlichen Vorschriften ab Planfeststellungsverfahren enthielt Öffentlichkeitsbeteiligung in Form eines Anhörungsverfahrens, Keine übergreifende Bedarfsplanung, Bedarfsprüfung erfolgte erst i.r.d. Planrechtfertigung auf der letzten Stufe ( rechtliche Angreifbarkeit) 1. Stufe 2. Stufe Raumordnungsverfahren nach dem ROG (Bund/Länder) Planfeststellung nach den 43 ff. EnWG * RWE-Akzeptanz- Studie von 2012
7 7 > Öffentlichkeitsbeteiligung im Netzausbau EnLAG 2009 Verabschiedung des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG) als gesetzliche Bedarfsplanung, somit nunmehr zwei Regelungssysteme Gesetzliche Bestimmung des vordinglichen energiepolitischen Bedarfs an i.r.d. Energieversorgung für eine bestimmte Auswahl von Trassen, 1 Abs. 2 EnLAG Problematik der informellen Auswahl besonders bedeutsamer Projekte Keine zusätzliche Öffentlichkeitbeteiligung 1. Stufe 2. Stufe 3. Stufe Bedarfsplanung nach EnLAG Raumordnungsverfahren nach ROG (Bund/Länder) Planfeststellung nach 43 ff. EnWG EnLAG-Trassen 1. Stufe 2. Stufe Raumordnungsverfahren nach dem ROG (Bund/Länder) Planfeststellung nach den 43 ff. EnWG Übrige Trassen
8 8 > NABEG, EnWG und EnLAG Energiewende im Überblick Inkrafttreten von NABEG und EnWG-Novelle im Jahr 2011 Nunmehr drei Regelungssysteme mit bis zu fünf Stufen inklusive umfangreicher Öffentlichkeitsbeteiligung (u.a. Einführung der Antragskonferenz) 1. Stufe Szenariorahmen, 12a EnWG 1. Stufe Bedarfsplanung nach EnLAG 1. Stufe Raumordnungsverfahren nach ROG (Bund/Länder) 2. Stufe Netzentwicklungsplan, 12b ff. EnWG 2. Stufe Raumordnungsverfahren nach ROG (Bund/Länder) 2. Stufe Planfeststellung. 43 ff. EnWG 3. Stufe 4. Stufe Bundesbedarfsplan, 12e EnWG Bundesfachplanung, 4 ff. NABEG 3. Stufe Planfeststellung, 43 ff. EnWG EnLAG-Trassen Übrige Trassen 5. Stufe Planfeststellung, 18 ff. NABEG Länderübergreifende oder grenzüberschreitende Trassen
9 9 > Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem neuen Planungsrecht Bundesbedarfsplanung 1. Szenariorahmen, 12a EnWG Veröffentlichung des Entwurfs im Internet durch BNetzA Öffentlichkeit erhält Gelegenheit zur Äußerung 2. NEP-Entwurf, 12b EnWG Veröffentlichung des Entwurfs im Internet durch Vorhabenträger Äußerungen durch Öffentlichkeit (insb. auch nachgelagerte Netzbetreiber, TÖB, Energieaufsichtsbehörden der Länder) 3. NEP-Bestätigung durch BNetzA, 12c EnWG (Anhörungsverfahren) Zuleitung von Entwurf (ggf. auch Umweltbericht) an betroffene Behörden Öffentliche Auslegung / Veröffentlichung im Internet Äußerungen durch betroffene Bevölkerung und Vereinigungen 4. Bundesbedarfsplangesetz, 12e EnWG Enthält Liste der Leitungen, Anfang- und Endpunkt der Trassen, Feststellung der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit und des vordringlichen Bedarfs
10 10 > Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem neuen Planungsrecht Bundesfachplanung (Festlegung der Trassenkorridore) 1. Öffentliche Antragskonferenz, 7 NABEG Erörterung von Gegenstand und Umfang der Bundesfachplanung Vorhabenträger, Träger öffentlicher Belange (TÖB) und Vereinigungen werden geladen; Öffentlichkeit wird unterrichtet und kann ebenfalls teilnehmen 2. Information über das Vorhaben Entwurfsübermittlung und Einholung von Stellungnahmen bei betroffenen Behörden und TÖB Öffentliche Auslegung der Unterlagen sowie Veröffentlichung per amtlicher Verkündung, Internet und Tageszeitungen 3. Einwendungen, 9 NABEG Jedermann (!) kann Einwendungen erheben, 9 Abs. 6 S. 1 NABEG 4. Erörterungstermin, 10 NABEG Mündliche Erörterung der Einwendungen mit Betroffenen und Vorhabenträgern
11 11 > Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem neuen Planungsrecht Planfeststellung 1. Öffentliche Antragskonferenz, 20 NABEG Öffentliche Erörterung des Untersuchungsrahmens für die Planfeststellung sowie der notwendigen Unterlagen für die Umweltprüfung Im Gegensatz zur Antragskonferenz i.r.d. Bundesfachplanung strikte Bindung an den Antrag des Vorhabenträgers und somit auf die gem. 19 S. 4 Nr. 1 NABEG vorgeschlagene Leitungstrasse 2. Information über das Vorhaben, 22 Abs. 1-4 NABEG Unterlagenübermittlung an betr. TÖB und Vereinigungen, Einholung von Stellungnahmen bei TÖB (insb. Raumordnungsbehörden der Länder) Öffentliche Auslegung der Unterlagen sowie Veröffentlichung per amtlicher Verkündung, Internet und Tageszeitungen 3. Einwendungen, 22 Abs. 6 NABEG Hier nur durch Betroffene 4. Erörterungstermin, 22 Abs. 7 S. 2 NABEG Wiederum mündliche Erörterung der erhobenen Einwendungen
12 12 > Zusammenfassung Drei Öffentlichkeitsbeteiligungen bis Erlass des Bundesbedarfsplangesetzes Einflussmöglichkeiten beschränken sich hier allerdings noch auf ggf. zu berücksichtigende Äußerungen Bis zu drei weitere Beteiligungselemente i.r.d. Bundesfachplanung Konstruktive frühzeitige Mitwirkungsrechte der TÖB und Vereinigungen i.r.d. Antragskonferenz aufgrund fehlender Antragsbindung Stark erweiterte Beteiligung durch Einwendungsmöglichkeit für jedermann Erörterungstermin als mediatives Element für den Dialog auf Augenhöhe Ebenfalls bis zu drei Öffentlichkeitsbeteiligungen bei der Planfeststellung Erneute Antragskonferenz als frühe Beteiligung, dieses Mal jedoch gebunden an den Antrag Einwendungen und Erörterungstermin enger gezogen im Vergleich zur Bundesfachplanung Bewertung erhöhte Mitwirkung, Transparenz und möglicherweise höhere Akzeptanz
13 13 > PlVereinhG und EU-Verordnung Nr. 347/2013 Planungsvereinheitlichungsgesetz Neuer 25 Abs. 3 VwVfG, nach welchem die zuständige Behörde bei Großvorhaben auf eine frühzeitige Unterrichtung der Öffentlichkeit durch den Vorhabenträger hinzuwirken hat Greift das im Rahmen der Energiewende bereits bestehende Konzept der frühzeitigen Beteiligung auf Aufgrund seines unverbindlichen Wortlauts und Anwendungsbereichs kritisiert, Relevanz für den Übertragungsnetzausbau insofern eingeschränkt EU-Verordnung zu Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur Netzinfrastruktur Europas soll im Hinblick auf Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit optimiert werden Hierzu die Einführung sog. Vorhaben von gemeinsamem Interesse inklusive früher Öffentlichkeitsbeteiligung Umsetzung in deutsches Recht wird derzeit noch unterschiedlich beurteilt
14 14 > Erdverkabelung 77 % der Bundesbürger stimmen dem Ausbau von Stromtrassen zu, sofern diese unterirdisch verlaufen* Erdverkabelungspflicht für Hochspannungstrassen Eine entsprechende Pflicht besteht bereits, jedoch zahlreiche Ausnahmen Komplexität und Uneindeutigkeit der Regelungen wirft zusätzliche Probleme auf Erdverkabelung für das Übertragungsnetz Derzeit existieren lediglich einzelne Pilotstrecken Generelle Erdverkabelung auf der Höchstspannungsebene wird aufgrund der hohen Kosten (3-13fach) und ungewisser Umweltauswirkungen bisher abgelehnt Bewertung: Erdverkabelung besitzt vermutlich Akzeptanzpotenzial, jedoch stehen wirtschaftliche, technologische und ökologische Hindernisse einer flächendeckenden Anwendung entgegen * TNS Infratest-Studie von 2012
15 15 > Finanzielle Kompensationen (Gemeinden) Naturschutzrechtliche Kompensationen, 15 BNatSchG Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen bei unvermeidbaren Eingriffen in Natur und Landschaft, bei Unmöglichkeit tatsächlichen Ausgleichs oder Ersatzes auch Ersatzgelder, (bei Freileitungen naturgemäß oftmals der Fall) Gelder werden ortsnah von den zuständigen Naturschutzbehörden für Maßnahmen des Naturschutzes und Landschaftspflege verwendet Ausgleichszahlungen an Kommunen Möglichkeit der Geltendmachung Ausgleichszahlungen an Gemeinden i.h.v. von bis zu pro Kilometer Freileitung gegenüber der Bundesnetzagentur als Netzkosten gem. 5 StromNEV Möglichkeit zusätzlicher vertraglicher Vereinbarungen von Kompensationen (Bergkamen-Urteil BGH) Bewertung: Problem, wenn Akzeptanz erkauft wird, aber es müssen mit dem Instrument erst Erfahrungen gesammelt werden
16 16 > Beteiligungsmodelle und Ausgleichszahlungen (Bürger) Bürgerbeteiligungsmodelle Bzgl. der sogenannten Bürgerdividende (finanzielle Beteiligung an der Rendite über Genossenschaftsmodelle etc. ) sind erste bundesweite Vorstöße im letzten Jahr im Sande verlaufen In Einzelfällen existieren dennoch bereits Bürgerleitungen (etwa in SH) Enteignung und Besitzeinweisung Das Enteignungsverfahren und mithin die Entschädigungen richten sich gemäß 45 Abs. 3 EnWG nach Landesrecht Frühzeitige Besitzeinweisung möglich (gegebenenfalls von erfolgreichen Mediationsverfahren abhängig machen) Diskussion um die Entschädigungshöhe (Bauernverbände fordern jährliche Entschädigung angepasst an die Rendite der Netznutzung)
17 17 > Mediation Mediation Ein gesetzlich etabliertes Mediationsverfahren ist für den Netzausbau nicht vorgesehen Vorschläge für eine gesetzliche Rahmenregelung liegen vor (Holznagel/Ramsauer, Förderung der Mediation in Planungsverfahren Vorschläge zur Überwindung praktischer Probleme, Verwaltungsarchiv 2013, im Erscheinen) Derzeit kann allenfalls gem. 29 NABEG und 43g EnWG ein Projektmanager entsprechende Funktionen übernehmen; Zweck dieser Regelungen ist aber die Entlastung der Behörden und weniger die Konfliktvermittlung durch neutrale Dritte
18 18 > Schlussbemerkungen Ausbau der Übertragungsnetze ist nicht ohne Akzeptanz in der Bevölkerung zu bewältigen Angesichts der zahlreichen Konfliktherde beim Trassenbau in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ist eine vielgestaltige Herangehensweise erforderlich: Gesetzliche Beteiligungsinflation stellt einen entsprechenden Ansatz dar, insbesondere die frühzeitige Bürgerbeteiligung und der Dialog auf Augenhöhe Im Hinblick auf Transparenz erscheinen das nochmal verkomplizierte Regelungsgeflecht und die komplexen Zuständigkeiten von Vorhabenträgern, Bundesnetzagentur und Landesbehörden allerdings kontraproduktiv Erdverkabelung erweist sich als noch nicht reif für den flächendeckenden Einsatz Kompensationslösungen gegenüber Bürger und Gemeinde zum Ausgleich des NIMBY-Phänomens stecken noch in den Kinderschuhen
19 19 > Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Prof. Dr. Bernd Holznagel, LL.M. Leonardo-Campus 9 D Münster Tel: +(49) Fax: +(49) holznagel@uni-muenster.de
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