Winterdienst im Stadtgebiet - organisatorische Anpassungen
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- Norbert Keller
- vor 7 Jahren
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1 Gemeinderat TOP 6 Winterdienst im Stadtgebiet - organisatorische Anpassungen ös I. Zu beraten ist: über organisatorische Anpassungen des städtischen Winterdienstes zur Erfüllung gesetzlicher und tariflicher Bestimmungen im Organisationsbereich des städt. Baubetriebshofs (ohne Ortschaften). II. Zum Sachverhalt: Die Pflicht, Winterdienst zu erbringen, ist in vielfältiger Weise ausgestaltet. Wesentliche Rechtsquellen sind die Straßengesetze und die von der Rechtsprechung entwickelte Verkehrssicherungspflicht, die den Umfang und die Art des Winterdienstes bestimmen. Die Verkehrssicherungspflicht ist jedoch nicht allumfassend und grenzenlos, sondern sie unterliegt räumlichen und zeitlichen Beschränkungen, die sich aus der Winterdienstsatzung der Stadt Bad Waldsee ergeben. Innerhalb dieser räumlichen und zeitlichen Begrenzung sind jedoch weitere allgemein gültige Gesetze und Regelungen für die Ausführung zu beachten, wie z. Bsp. das Arbeitsschutzgesetz, das Arbeitszeitgesetz oder tarifliche Bestimmungen. Aufgrund der jährlich angebotenen Fortbildungen zum Winterdienst, insbesondere auch von Kommunalversicherungen, wurden die bestehenden organisatorischen Regelungen zum Winterdienst überprüft. Dabei musste festgestellt werden, dass es Anpassungsbedarf bezüglich der Organisation des Winterdienstes gibt und diese auch aus rechtlichen Gründen umgesetzt werden müssen. Die bisherige Organisation des Winterdienstes basiert auf einer Schichtplanung mit insgesamt 36 Mitarbeitern. Diese werden in zwei Schichten mit jeweils 18 Mitarbeitern eingeplant. Eine Schicht dauert jeweils eine Woche. Mit der bisherigen Organisationsform können die gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit nicht eingehalten werden. Die Obergrenzen der werktäglichen Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz belaufen sich auf max. 8 Stunden pro Tag. Sie können auf 10 Stunden am Tag und max. 50 Stunden in der Woche verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Die Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz kann über tarifrechtliche Öffnungsklauseln mit einer Betriebsvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und örtlichem Personalrat auf max. 12 Stunden am Tag und
2 70 Stunden in der Woche erhöht werden. In der Betriebsvereinbarung ist jedoch zwingend der erforderliche Ausgleich der Mehrzeiten für den Arbeitnehmer zu regeln, da die tarifliche Arbeitszeit nach dem TvöD nur 39 Stunden in der Woche beträgt. Die erforderliche Dienstvereinbarung wird derzeit erarbeitet. Bisher gibt es keine Anhaltspunkt oder Signale des Personalrats, dass diese nicht zustande kommt. Im Rahmen der Neuplanung der Organisation des Winterdienstes müssen zusätzlich zur Anpassung der Arbeitszeit auch weitere organisatorische Maßnahmen verändert werden. Davon sind folgende Positionen betroffen: Schichtleitung für Fahrzeugeinsatz Winterdienst: Die bisherige Schichtleitung erfolgte durch Personal, welches in den Schichtdienst integriert war. Die Schichtleiter waren somit selbst als Fahrer im operativen Einsatz. Die Disposition für den Fahrzeugeinsatz wird künftig nicht mehr im Schichtplan für den Winterdienst berücksichtigt. Werkstattdienst: Das Werkstattpersonal, welches zur Reparatur defekter Geräte eingeplant ist, ist bisher ebenfalls im Schichtdienst integriert und als Fahrer im operativen Einsatz. Das Werkstattpersonal wird künftig nicht mehr im Schichtplan für den Winterdienst berücksichtigt und ausschließlich für Werkstattaufgaben eingesetzt. Puffer für krankheitsbedingte Ausfallzeiten: Erfahrungsgemäß muss von krankheitsbedingten Ausfällen in der kalten Jahreszeit ausgegangen werden. In der Regel wird von 5 % bis 10 % der Arbeitszeit in den Wintermonaten ausgegangen. In der bisherigen Personalbemessung des Winterdienstes gibt es für diese Fälle keinen vorhandenen Puffer. Daher soll in der Neuorganisation des Winterdienstes entsprechende Pufferzeiten berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der Arbeitszeit sowie der dargestellten organisatorischen Veränderungen ergibt sich ein zusätzlicher Personalbedarf von 4 Vollzeitstellen für die Umsetzung des Winterdienstes in bisherigem Umfang. Bei der Berechnung der Vollzeitstellen wurde bereits berücksichtigt, dass der Winterdienst nur für die Monate November bis März erforderlich ist. Umgerechnet bedeuten vier weitere Vollzeitstellen für den Winterdienst einen jährlichen Aufwand von zusätzlich ca Die organisatorische Anpassung des Winterdienstes bezüglich der maximalen Arbeitszeiten nach dem Arbeitszeitgesetz müsste auch die Ortschaften (ohne Mittelurbach) betreffen. Auf-
3 grund der Zuständigkeit und Eigenverantwortlichkeiten der Ortschaften kann hier keine Aussage zu den zu erwartenden Auswirkungen getroffen werden. Die Ortschaften überprüfen derzeit den notwendigen Bedarf. Die Umsetzung der organisatorischen Anpassung im Baubetriebshof kann über eigenes Personal oder über externe Dienstleister jeweils ganz oder teilweise erfolgen. Allerdings stellt sich in diesem Zusammenhang die berechtigte Frage, ob externe Dienstleister für eine sichere Aufgabenerfüllung in starken Winterdienstzeiten überhaupt ausreichend zur Verfügung stehen. III. weitere Überlegungen: Der unter II. dargestellte Sachverhalt würde einen zusätzlichen Aufwand von ca pro Jahr erfordern, um den Status Quo des Winterdienstes, also den bisherigen Umfang, abzudecken. Eine weitere Möglichkeit wäre die Anpassung und damit verbunden eine Reduzierung des Winterdienstes auf den rechtlich zulässigen Rahmen im weitest gehenden Fall oder eine Lösung dazwischen. Rechtliche Regelungen zum Umfang des Winterdienstes Vor einer Bewertung dieser weiteren Handlungsmöglichkeit sollen nachfolgend zunächst die rechtlichen Vorgaben zum Umfang der städtischen Winterdienstverpflichtungen aufgezeigt werden. Hierzu gibt es aus der umfangreichen Literatur wichtige Aussagen zur rechtlichen Verpflichtung des Winterdienstes bezüglich: Fahrverkehr und Personen-, Fußgängerverkehr Rechtliche Regelungen zum Umfang des Winterdienstes für den Fahrverkehr Zwei Aussagen des Bundesgerichtshofes (BGH) sind von genereller Bedeutung: Jeder, der einen Verkehr eröffnet oder zulässt hat dafür zu sorgen, dass die Verkehrsteilnehmer nicht zu Schaden kommen, d.h. er muss zumutbare Vorkehrungen treffen, um die aus einer Gefahrenquelle resultierenden Schäden zu verhindern (BGH, VersR 1985, 568). Die Fahrbahnen der öffentlichen Straßen innerhalb geschlossener Ortslage sind lediglich an verkehrswichtigen und gleichzeitig gefährlichen Stellen bei Schnee- und Eisglätte zu räumen und zu streuen (BGH, VersR 1990, 1148). Zum Begriff geschlossene Ortslage
4 Dies ist der Teil des Gemeindegebietes, der zusammenhängend bebaut ist. Somit sind innerhalb des Gemeindegebietes nur der Ort selber und die einzelnen Ortsteile im Winterdienst zu berücksichtigen. Zum Begriff verkehrswichtig Die Verkehrswichtigkeit einer Straße ergibt sich aus deren Verkehrsbelastung. Verkehrswichtig sind Straßen, wenn sie im Verhältnis zu allen anderen Straßen den meisten Fahrverkehr haben. Bei klassifizierten Straßen reicht allein die Tatsache der Klassifizierung, unabhängig von der Verkehrsmenge, für die Verkehrswichtigkeit aus. Zum Begriff gefährlich Gefährlich sind Stellen, an denen ein Kraftfahrer trotz der im Winter zu beobachtenden besonderen Sorgfalt nicht in der Lage ist, die Gefahr rechtzeitig zu erkennen oder sich nicht rechtzeitig auf sie einstellen kann. Dazu gehören Straßenstellen, an denen Kraftfahrer erfahrungsgemäß bremsen, ausweichen, oder ihre Fahrtrichtung oder Geschwindigkeit ändern und dadurch bei Schnee- oder Eisglätte ins Schleudern oder Rutschen kommen können. Beispiele hierfür sind: unübersichtliche Kurven und Kreuzungen, starke Gefällstrecken, Verengungen, etc.. Wesentlich ist aber immer, dass es sich um unvermutete Gefahrenstellen handelt, die selbst mit sorgfältiger Fahrweise nicht zu meistern wären. Beispiel Schneeglätte. Diese allein macht eine Straße nicht gefährlich. Denn dann wären alle schneebedeckten Straßen gefährlich mit der Folge, dass sie alle zu räumen und zu streuen wären. Die Räum- und Streupflicht (Winterdienstpflicht) innerhalb geschlossener Ortschaften entsteht also erst, wenn die Straße sowohl verkehrswichtig als auch gefährlich ist. Die beiden Kriterien verkehrswichtig und gefährlich müssen gleichzeitig vorliegen. Diese Grundsätze gelten auch für Radwege (BGH, VersR 2004, 213). Bei gemeinsamen Geh- und Radwegen, die nach der StVO, Verkehrszeichen 240 gekennzeichnet sind, ist die Rechtslage anders. Sie sind wie Gehwege zu behandeln, der Radfahrer nimmt am Schutz des Fußgängers teil. Nun ist es jedoch unmöglich, jeden von Schaden zu bewahren. Daher schränken die Gesetze und die Rechtsprechung die Verkehrssicherungspflicht auf das Zumutbare ein. Insbesondere wird auch die Leistungsfähigkeit der einzelnen Kommunen berücksichtigt. Hier gilt der Grundsatz, dass zunächst der Verkehrsteilnehmer selbst für sich die Verantwortung trägt, er muss sein Verhalten dem Straßenzustand anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet (OLG Frankfurt, OLGR 2002, 115). Erst dann, wenn der Verkehrsteilnehmer nicht mehr selbst in der Lage ist, die Situation trotz der im Winter zu beobachtenden besonderen Sorgfalt zu beherrschen, tritt die Verkehrssicherungspflicht der Kommune ein. Diese Pflicht ist nicht grenzenlos, sondern unterliegt räumlichen und zeit-
5 lichen Einschränkungen. In zeitlicher Hinsicht ist der Hauptberufsverkehr zu schützen, üblicherweise ist der Winterdienst zwischen Uhr und Uhr zu erbringen. Für Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften gilt im Wesentlich dasselbe, Verkehrswichtigkeit und gleichzeitige besondere Gefährlichkeit sind die wichtigen Kriterien. Rechtliche Regelungen zum Umfang des Winterdienstes für den Personen- und Fußgängerverkehr Die Anforderungen an den Winterdienst zugunsten der Fußgänger sind wesentlich höher als gegenüber den Kraftfahrern, da die betroffenen Schutzgüter (Leben des Fußgängers) höher anzusetzen sind. Der Umfang der Räum- und Streupflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls,; zu berücksichtigen sind insbesondere die örtlichen Verhältnisse, z.b. die Gefährlichkeit des Verkehrsweges, Art und Wichtigkeit, Stärke des Verkehrs und Zumutbarkeit der einzelnen Maßnahmen (OLG Jena, NZV 2006, 578), insbesondere die Leistungsfähigkeit des Verkehrssicherungspflichtigen (BGH, NJW 2003, 3622). Die Kommunen sind grundsätzlich verpflichtet, die wichtigen Gehbahnen innerhalb geschlossener Ortschaften zu räumen und streuen. Der Gesetzgeber jedoch hat den Kommunen ermöglicht, die Räum- und Streupflicht auf die Straßenanlieger abzuwälzen. Dies erfolgt im Rahmen der Räum- und Streupflichtsatzung. Unabhängig davon verbleibt jedoch bei der Kommune ein Rest ihrer Verkehrssicherungspflicht sowie Überwachungs- und Kontrollpflichten. Aus den geltenden rechtlichen Bestimmungen heraus ergeben sich für die Stadt damit Winterdienstverpflichtungen für folgende Bereiche zur Sicherung des Fahrverkehrs: alle Ortsdurchfahrten im Zuge von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen Gemeindestraßen, die verkehrswichtig und gleichzeitig gefährlich sind wie die Schützenstraße, die Bahnhofstraße etc., um nur einige zu nennen Personen- und Fußgängerverkehrs Fußgängerüberwege Fußgängerzonen (angemessener breiter Streifen) belebte öffentliche Parkplätze (nur zum Schutz des Fußgängers, nicht Fahrverkehr) Anlagen des öffentlichen Nahverkehrs Gehwege entlang städtischer Grundstücke als Anlieger
6 Hauptwege auf Friedhöfen und Parkanlagen Auf Gehwegen außerhalb geschlossener Ortschaften ist der Personenverkehr nicht besonders zu schützen, dies gilt auch auf gemeinsamen Geh- und Radwegen. Die oben genannten Ausführen zeigen auf, welche Anforderungen aus den gesetzlichen Vorgaben sowie aus der Rechtsprechung an den kommunalen Winterdienst gestellt werden. IV. Derzeitige Praxis im Winterdienst der Stadt Bad Waldsee im a) innerörtlicher Fahrverkehr in der Stadt und den Ortschaften Es werden nach Prioritäten gestaffelt weitgehend alle öffentlichen Straßen geräumt. b) innerörtlicher kombinierte Geh- und Radverkehr Es werden alle innerörtlichen kombinierten Geh- und Radwege durch die Stadt betreut. Grundlage dieser Regelung ist ein Beschluss des Gemeinderats aus dem Jahr Damals wurde festgelegt, dass an kombinierten Geh- und Radwegen die Stadt den Winterdienst wahrnimmt und nicht den Anliegern auferlegt werden soll. c) außerörtlicher kombinierter Geh- und Radverkehr Es werden alle außerörtlichen Geh- und Radwege durch die Stadt betreut. Die Stadt hat hier zum Teil über Vereinbarungen mit den Baulastträgern der Straße (Bund, Land und Landkreis Ravensburg) die Winterdienstverpflichtung übernommen. Diese Vereinbarungen zielen aber aus unserer Sicht nur auf den gesetzlichen Mindeststandard ab. d) innerörtlicher Personen- und Fußgängerverkehr Es werden Parkanlagen, Erholungswege, Fußgängerzonen etc. im Winterdienst geräumt. Im Rahmen des Winterdienstes übernimmt der Baubetriebshof auch Winterdienstverpflichtungen der Stadt als Grundstückseigentümer. Fazit: Die bisherige Praxis der Stadt Bad Waldsee im Bereich des Winterdienstes übersteigt die gesetzlichen und aus der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an den Winterdienst in erkennbarem Maße. Einsparpotential wäre somit vorhanden. Inwieweit dieses umgesetzt werden soll, entzieht sich jedoch der Entscheidung der Verwaltung, sondern muss vom Gemeinderat als zuständigem Organ im Grundsatz entschieden werden.
7 V. Beschlussvorschlag an den Gemeinderat: Der Ausschuss für Umwelt und Technik schlägt dem Gemeinderat vor: 1. die dargelegten Gründe für die Anpassung der notwendigen Personalkapazitäten unter II. werden zur Kenntnis genommen 2. die Verwaltung wird beauftragt, die gesetzlichen und tarifrechtlichen Bestimmungen einzuhalten und umzusetzen 3. der zusätzlich entstehende Personalbedarf in Höhe von 4 Vollzeitstellen wird überplanmäßig genehmigt, der Stellenplan wird entsprechend angepasst 4. die Finanzierung der überplanmäßigen Ausgaben (üpla) in Höhe von für das Jahr 2014 wird genehmigt. Die Finanzierung der üpla erfolgt über Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer. 5. die Finanzierung der zusätzlichen Personalkosten in Höhe von ca für das Haushaltsjahr 2015 erfolgt über den Haushaltsplan 2015 Bad Waldsee, gez. Manz Verteiler: BM Schriftführer 1. Beigeord (2x) / Fr. Denzel 60 / H. Natterer Reg.
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