Vorteile der raumakustischen Simulation bei der Gestaltung von Aufnahme-, Regie-, und Bearbeitungsräumen
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- Erwin Fischer
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1 Vorteile der raumakustischen Simulation bei der Gestaltung von Aufnahme-, Regie-, und Bearbeitungsräumen (Advantages of room acoustical simulation for the design of recording and control rooms) Sebastian Goossens Institut für Rundfunktechnik Kurzfassung Anhand des Umbaus einer Tonregie werden die Leistungsfähigkeit und die Vorteile der raumakustischen Simulation vorgeführt. Mit ihrer Hilfe konnte die optimale Anordnung der Lautsprecher und der Abhörposition im umgebauten Raum bestimmt werden. Durch gezielte raumakustische Maßnahmen wurde das Übertragungsverhalten der Lautsprecher gerade bei tiefen Frequenzen optimiert. Vergleiche der berechneten Übertragungsmaße mit tatsächlich im Raum gemessenen Übertragungsmaßen belegen, dass der verwendete Simulationsalgorithmus die akustischen Verhältnisse im Raum auch bei tiefen Frequenzen sehr gut nachbildet. Neben dieser Planung nach objektiven Kriterien sind auch ein Hören im geplanten Raum (Auralisation) und damit eine subjektive Bewertung möglich. 1. Einleitung Bei der Gestaltung von Aufnahme-, Regie-, und Bearbeitungsräumen sollen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und physikalischen Randbedingungen optimale Aufnahme- bzw. Abhörbedingungen zur Beurteilung des Tonsignals erreicht werden Im Rahmen einer konventionellen akustischen Planung können mit Erfahrung und geeigneten Berechnungsmethoden gute Ergebnisse erreicht werden. Dabei wird vor allem darauf geachtet, einen der Nutzung des Raumes angemessenen Verlauf der Nachhallzeit entlang der Frequenz zu erreichen und schädliche Reflexionen zu vermeiden Die moderne raumakustische Computersimulation bietet darüber hinaus deutlich erweiterte Planungsmöglichkeiten. So können die künftigen Übertragungsmaße der Lautsprecher aus den in der Simulation berechneten Raumimpulsantworten bestimmt und optimiert werden. In einem weiteren Schritt können durch Faltung der Impulsantworten mit beliebigem Programmmaterial Hörbeispiele für Kopfhörerwiedergabe erzeugt werden. Diese Auralisationen vermitteln den Eindruck, man säße in dem betreffenden Raum und würde sich eben dieses Programm anhören. 1
2 Eine überzeugende Computersimulation setzt natürlich voraus, dass der Berechnungsalgorithmus in der Lage ist, die akustischen Verhältnisse in den vergleichsweise kleinen und stark bedämpften Aufnahme- und Bearbeitungsräumen realitätsnah zu berechnen. Hierin unterscheiden sich die verfügbaren Simulationsprogramme deutlich voneinander. 2. Die raumakustischen Simulation von Aufnahme-, Regie-, und Bearbeitungsräumen Über einen geeigneten Algorithmus zur Simulation von Aufnahme-, Regie-, und Bearbeitungsräumen, der auf dem Spiegelquellenmodell basiert, wurde an anderer Stelle schon ausführlich berichtet [1] [2] [3]. Daher sollen hier nur zwei wichtige Aspekte herausgegriffen werden Diffusität Die betrachteten Räume weisen eine vergleichsweise niedrige Nachhallzeit auf. Daher bildet sich kaum ein diffuses Schallfeld aus. Werden nun im Simulationsmodell Reflexionsfaktoren aus Messungen im Diffusfeld verwendet, kann es zu fehlerhaften Berechnungen kommen. Im hier verwendeten Simulationsprogramm (AUVIS) wird jeder Reflexionsfaktor nach einem passenden Absorbermodell berechnet Die Grenze der geometrischen Akustik Die Beschreibung der Schallausbreitung und Schallreflexion mit Hilfe der geometrischen Akustik (Spiegelquellenmodell und Schallstrahlen mit lokaler Reflexion) ist nur gültig unter der Vorraussetzung, dass die Raumabmessungen groß im Vergleich zur Wellenlänge sind (D >>l). Bei Räumen mit einem Volumen von ca.100 m 3 (typische Abmessungen 4.5 m) liegt nach unserer Erfahrung die Grenze bei ca. 250 Hz (Wellenlänge 1.4 m). Unterhalb dieser Grenzfrequenz müssen das modale Schallfeld und die Eigenschaften von Kugelwellen berücksichtigt werden. Ansätze zur exakten Berechnung scheitern bisher am Rechenaufwand. Im hier verwendeten Simulationsprogramm (AUVIS) wird mit einer leistungsfähigen Näherung das Reflexionsverhalten von Wänden bei tiefen Frequenzen berechnet [3] Ausgangslage vor dem Umbau 3. Umbau einer Tonregie Abbildung 1 zeigt den Grundriss der Tonregie die im Zuge einer studiotechnischen Erneuerung auch raumakustisch neu gestaltet werden soll. Es handelt sich um einen lang gestreckten Raum mit einer Länge von etwa 10 m und einer Breite von etwa 4,5 m. In der Mitte befindet sich eine Säule, die aus statischen Gründen nicht durch einen Unterzug ersetzt oder entfernt werden konnte. Die Wand hinter den Lautsprechern besteht aus einem großen Fenster, das einen Blick in das angrenzende große Studio bietet. Mit der Akustik des Raumes ist man seit Jahren unzufrieden. Die Abhörbedingungen am Platz des Toningenieurs und des Tonmeisters unterscheiden sich stark voneinander. Die Basswiedergabe wird insgesamt als schwach, unausgeglichen, verschwommen und zu wenig prägnant bezeichnet. Dies kann anhand der gemessenen Übertragungsmaße des linken und 2
3 rechten Lautsprechers (Abb. 2) am Platz des Toningenieurs durchaus nachvollzogen werden. Sie schwanken in einem Bereich von 14,5 db. Fenster zum Saal Säule Toningenieur Tonmeister Abb. 1: Grundriss der Tonregie vor dem Umbau 14.5dB Abb. 2: Die gemessenen Übertragungsmaße des linken und rechten Lautsprechers am Platz des Toningenieurs 3
4 3.2. Computersimulation der Ausgangssituation und Vergleich mit Messungen Bei einem Umbau ist es sinnvoll, den betreffenden Raum in seiner Ausgangslage zu simulieren. An der Übereinstimmung der simulierten Übertragungsmaße mit tatsächlich gemessenen Übertragungsmaßen (am selben Ort) kann abgelesen werden, ob das Computermodell alle wesentlichen akustischen Eigenschaften des Raumes erfasst. Außerdem können sich daraus bereits erste Hinweise ergeben, welche Ursachen den Beanstandungen zugrunde liegen. Die Abbildungen 3 bis 6 zeigen jeweils ein simuliertes und ein am selben Ort gemessenes Übertragungsmaß im Vergleich. An der sehr guten Übereinstimmung kann abgelesen werden, dass die Computersimulation die Verhältnisse im Raum auch bei tiefen Frequenzen hervorragend erfasst. Abb. 3: Gemessenes und simuliertes Übertragungsmaß vor dem Umbau im Vergleich Abb. 4: Gemessenes und simuliertes Übertragungsmaß vor dem Umbau im Vergleich 4
5 Abb. 5: Gemessenes und simuliertes Übertragungsmaß vor dem Umbau im Vergleich Abb. 6: Gemessenes und simuliertes Übertragungsmaß vor dem Umbau im Vergleich 3.3. Computersimulation zur Ermittlung der besten Umbauvariante Im Computermodell wurden nun mehrere Varianten durchgerechnet um einerseits die optimale Anordnung der Lautsprecher und der Abhörposition zu ermitteln und andererseits das beste raumakustische Konzept für den Umbau zu entwickeln. Folgende Vorgehensweise hat sich als sinnvoll erwiesen: 5
6 Zunächst wird mit der Formel nach Eyring und mit Hilfe von Diffusfeld-Absorptionsgraden die Nachhallzeit optimiert. Die ungefähre Menge der benötigten äquivalenten Absorptionsfläche für den Raum ist damit vorgegeben. Dann werden an den in Frage kommenden Abhörpositionen die Übertragungsmaße mit Hilfe der Computersimulation berechnet. Durch wiederholte Variation der Raumgeometrie, der Schallabsorption und der Schallstreuung werden die Übertragungsmaße für bestimmte Raumpositionen linearisiert. Die äquivalente Absorptionsfläche sollte dabei erhalten bleiben. Die praktischen Randbedingungen müssen natürlich berücksichtigt werden: Die grundsätzlichen Raumabmessungen sind meistens vorgegeben. Auch die Abhörpositionen können nicht völlig frei gewählt werden. Die Schallabsorber und Schalldiffusoren können in ihren Abmessungen nicht beliebig gestaltet werden. Hier setzt der für Raumakustik zu Verfügung stehende Platz z.b. der Dicke der Absorber enge Grenzen. Neben dieser Planung nach objektiven Kriterien sind auch ein Hören im geplanten Raum (Auralisation) und damit eine subjektive Bewertung möglich Ergebnisse der Computersimulation für die beste Umbauvariante Die Abbildung 7 zeigt den Grundriss mit der schließlich empfohlenen und dann auch realisierten Anordnung der Lautsprecher und der Abhörposition. Mit der Erneuerung der Studiotechnik war auch die Aufrüstung der Lautsprecherkanäle für Mehrkanalproduktionen verbunden. Zur besseren Vergleichbarkeit werden im Folgenden wie zuvor die simulierten und gemessenen Übertragungsmaße des linken und rechten Lautsprechers dargestellt. Fenster zum Saal Säule Tonmeister Toningenieur Abb. 7: Grundriss der Tonregie nach dem Umbau Die in der Computersimulation berechneten Übertragungsmaße des linken und rechten Lautsprechers am Platz des Toningenieurs und am Platz des Tonmeisters werden in Abbildung 8 und 9 dargestellt. Das Übertragungsverhalten der Lautsprecher konnte vor allem im unteren Frequenzbereich erheblich verbessert werden. Die Welligkeit konnte von über 14 db (vgl. Abb. 2) auf 8 db am Platz des Toningenieurs und auf 7 db am Platz des Tonmeisters reduziert werden. Das sind sehr gute Ergebnisse vor dem Hintergrund, dass der Lautsprecher auf seiner Hauptachse ohne Raumeinfluss bereits eine Welligkeit des gemessenen Übertragungsmaßes von 4 db (Abb. 10) aufweist. 6
7 8dB Abb. 8: Simuliertes Übertragungsmaß für den empfohlenen Umbau der Raumakustik am Platz des Toningenieurs 7dB Abb. 9: Simuliertes Übertragungsmaß für den empfohlenen Umbau der Raumakustik am Platz des Tonmeisters 7
8 4dB Abb. 10: Gemessenes Übertragungsmaß des Lautsprechers auf seiner Hauptachse 3.5. Die aus der Computersimulation abgeleiteten raumakustischen Maßnahmen Um die Abhörsituation in der Tonregie zu verbessern, wird ein gegenüber der alten Raumakustik völlig neues Konzept realisiert. Die Simulation führt zu drei wesentlichen Erneuerungen: 1) Die Erhöhung der Tiefenabsorption durch andere Absorbertypen und günstigere Anordnung im Raum. Wirkung: Stärkere Bedämpfung der Raummoden, geringere Nachhallzeit und Linearisierung des Übertragungsmaßes. 2) Die Verringerung der akustisch wirksamen Raumhöhe durch eine absorbierende Decke mit schweren Gipskartonplatten. Wirkung: Günstigere Verteilung der Raummoden und Linearisierung des Übertragungsmaßes 3) Verschiebung der Abhörposition in den hinteren Raumbereich. Wirkung: Da die hintere Wand absorbierend gestaltet werden kann, ist der Einfluss auf das Übertragungsmaß etwas günstiger als bei der Anordnung der Lautsprecher vor dem Fenster zum Saal Vergleich zwischen Simulation und Messung nach dem Umbau Das neue Konzept wurde schließlich in Zusammenarbeit mit dem Architekt, den Fachplanern und der Innenausbaufirma realisiert. Der Vergleich in Abbildung 11 zeigt eine sehr gute Übereinstimmung der gemessenen und der simulierten Übertragungsmaße am Platz des Toningenieurs. Die Abweichung bei hohen 8
9 Frequenzen (ab 5 khz) ist auf eine ungenügende Ausrichtung des Messmikrofons auf den jeweiligen Lautsprecher zurückzuführen. Damit wurde nochmals bestätigt, dass der verwendete Simulationsalgorithmus die akustischen Verhältnisse auch bei tiefen Frequenzen sehr gut im Voraus berechnen konnte. Die akustischen Eigenschaften der umgebauten Tonregie stießen nach der Übergabe an den Betrieb auf große Zustimmung. Mit der Wiedergabe der tiefen Frequenzen ist man nach dem Umbau äußerst zufrieden. db Berechneter Toleranzbereich 8dB (Toning.) Berechneter Toleranzbereich 8dB (Toning.) Hz Abb. 11: Gemessene Übertragungsmaße im Vergleich zu berechneten Übertragungsmaßen am Platz des Toningenieurs 4. Die Vorteile der raumakustischen Simulation Am beschriebenen Beispiel des Umbaus einer Tonregie zeigen sich die Vorteile der raumakustischen Simulation: 1. Bereits vor Beginn der Baumaßnahmen besteht Sicherheit darüber, dass eine deutliche Verbesserung der akustischen Situation erreicht wird. 2. Es wird nur in die baulichen Maßnahmen investiert, die zur Erfüllung der raumakustischen Vorgaben nötig sind. 3. Von mehreren möglichen Umbauvarianten wurde in der Computersimulation die beste Variante ausgewählt. 4. Neben der Auswahl nach objektiven Kriterien (Übertragungsmaße) ist auch ein Hören im geplanten Raum (Auralisation) und damit eine subjektive Bewertung möglich. 5. Zusammenfassung In der praktischen Anwendung hat die raumakustische Simulation ihre Wirtschaftlichkeit bewiesen. Der anfängliche Mehraufwand in der Planungsphase wird dadurch mehr als 9
10 kompensiert, dass nur die baulichen Maßnahmen umgesetzt werden, die zur Erfüllung der raumakustischen Vorgaben nötig sind. In der Regel werden bei einer Planung mit Unterstützung der raumakustischen Simulation deutlich bessere Ergebnisse erzielt als bei einer konventionellen Planung. 6. Quellenverzeichnis [1] Stumpner, R.; Goossens, S.: About the influence of the reflection coefficient on simulation in room acoustics Fortschritte der Akustik CFA/DAGA 04 <30, 2004, Straßburg>. Deutsche Gesellschaft für Akustik e.v., Oldenburg 2004 [2] Goossens, S.; Stumpner, R.: Auralization of room acoustics - A tool for planning broadcast production rooms? Fortschritte der Akustik CFA/DAGA 04 <30, 2004, Straßburg>. Deutsche Gesellschaft für Akustik e.v., Oldenburg 2004 [3] Stumpner, R.: Berechnung des tieffrequenten Schallfeldes in Rundfunkproduktionsräumen Fortschritte der Akustik DAGA 05 <31, 2005, München>. Deutsche Gesellschaft für Akustik e.v.,
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