Schlossmühle Frauenfeld in der Schweiz: Volle Wasserkraft voraus!

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1 2 Wasserkraft & Energie 4/2013 Martin Böni, Frauenfeld/Schweiz Schlossmühle Frauenfeld in der Schweiz: Volle Wasserkraft voraus! Das Kleinwasserkraftwerk Schlossmühle im ostschweizerischen Frauenfeld hat nach neunmonatiger Ausbauzeit im Sommer 2012 den Betrieb wieder aufgenommen. Der Ostschweizer Unternehmer Peter Tobler investierte 3 Mio. sfr. in die verbesserte Nutzung erneuerbarer Energien. Mit der Realisierung des Projektes wurde die nutzbare Wassermenge ausgebaut, die Maschinenleistung verdoppelt und die Betriebssicherheit weiter erhöht. Die Wasserkraft ist in der Schweiz eine wichtige Energiequelle mit langer Tradition. So sind der Schlossmühlekanal und seine Kraftwerkanlagen maßgebliche Bestandteile der Industriegeschichte von Frauenfeld, der Hauptstadt des Ostschweizer Kantons Thurgau. Auf dem Stadtgebiet erzeugen heute noch fünf Wasserkraftwerke elektrische Energie. Die Nutzung der Wasserkraft an der Murg geht Jahrhunderte zurück, die Mühle unter dem Turm wurde bereits 1343 zum ersten Mal schriftlich erwähnt. 100 Jahre elektrische Energie aus der Schlossmühle Am Stadteingang beim Königswuhr führt die Murg Wasser aus einem Einzugsgebiet von 207 km 2 mit sich und fällt über eine rund 5 m hohe Felsstufe aus Nagelfluh eine ideale Stelle für die Wasserentnahme. Die Wehranlagen dort leiteten einst an beiden Uferseiten Wasser in Ausleitkanäle zur Nutzung durch mehrere anliegende Industrieund Wasserkraftanlagen. Seit 1968 besteht nur noch der rechtsufrige Schlossmühlekanal mit einem letzten verbleibenden Kleinwasserkraftwerk. In diesem Abb. 1: Blick auf die wieder in Betrieb genommene Kleinwasserkraftanlage Schlossmühle im ostschweizerischen Frauenfeld mit Wasserfassung, Wehranlagen und Restwasserkraftwerk

2 Wasserkraft & Energie 4/ wurde vor rund 100 Jahren zum ersten Mal elektrische Energie produziert. Während viele Kleinwasserkraftwerke in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts vernachlässigt oder gar eingestellt wurden, setzte sich der damalige Besitzer mit Weitsicht für den Erhalt und die Modernisierung der Schlossmühleanlagen ein. In den 60er- und 70er-Jahren wurde der 700 m lange Oberwasserkanal vergrößert und ausgebessert ersetzte eine leistungsstärkere Ossberger-Durchströmturbine eine über 60-jährige Francis-Turbine erwarb der Thurgauer Unternehmer Peter Tobler das Schlossmühleareal einschließlich der Kraftwerkanlagen. Auch er versteht den Erhalt und Ausbau bestehender Kleinwasserkraftwerke als umweltpolitisch sinnvoll und dank der Einspeisevergütung durch den Schweizerischen Bund heute auch als wirtschaftlich wieder interessant. Höhere Ausbaumenge und Restwassernutzung Nach mehrjähriger Planung schien 2011 für Tobler die Zeit reif, um mit fachmännischer Unterstützung die Pläne für ein modernes und effizientes Wasserkraftwerk umzusetzen. Der Kanton Thurgau erteilte für die Anlage Schlossmühle eine neue Konzession, die den Ausbau der nutzbaren Wassermenge von 2300 auf insgesamt 5500 l/s erlaubte. Die neue Konzession wurde für 60 Jahre erteilt und sieht auch die Erhöhung der minimalen Restwassermenge in der Murg von 250 auf 404 l/s vor. Für den Ausbau musste die Wasserfassung am Königswuhr erneuert und verbreitert werden. Es entstanden neue Streichwehrmauern, Hochwasserverbauungen, neue Rechenanlagen und Schwemmgutsperren sowie eine neue Kiesspüle. Zum Ausbauprojekt gehört auch das neue Dotierkraftwerk, das nun die Restwassermenge zur Energiegewinnung nutzen kann. Die Durchströmturbine am Wehr verarbeitet bis zu 1000 l/s. Sie leistet maximal 43,4 kw und arbeitet mit einem Wirkungsgrad von 82%. Durch den Einsatz des Wehrkraftwerkes kann die Restwassermenge der Murg bis zu 1000 l/s betragen und liegt damit oft deutlich über dem gesetzlichen Minimum. Abb. 2: Streichwehr am Kanalende zum Überlaufkanal

3 4 Wasserkraft & Energie 4/2013 Abb. 3: Einbau des neuen Einfallrohres für die Hauptturbine

4 Wasserkraft & Energie 4/ Abb. 4: Einbau der neuen Hauptturbine im Maschinenraum

5 6 Wasserkraft & Energie 4/2013 Verdoppelung der Leistung durch neue Hauptturbine Im bestehenden Maschinenraum am Ende des Schlossmühlekanals wurde die 25-jährige Ossberger-Durchströmturbine durch eine neue, größere Maschine des selben Herstellers ersetzt. Damit erhöhte sich die nutzbare Wassermenge der Hauptturbine von 2300 auf 4500 l/s die Leistung stieg von 140 auf 263 kw. In der Folge musste auch der Einlaufbereich neu erstellt werden. Das drei Tonnen schwere, neue Einlaufrohr misst ganze 2 m im Durchmesser. Um bei einer Notabstellung die anfallende, größere Wassermenge sicher abführen zu können, musste der zumeist unterirdisch verlaufende Überlaufkanal ebenfalls angepasst werden. Dazu wurden die Kanalsohle zwischen 30 und 70 cm abgesenkt und die Seitenmauern entsprechend neu unterfangen. Der Maschinenraum der Hauptturbine liegt im Untergeschoss eines Fabrikgebäudes, das heute Büros beherbergt. Um Schallimmissionen durch Übertragung von Vibrationen der Maschinen auf die Gebäudestruktur zu minimieren, wurde die Hauptturbine auf eine neue Betondecke montiert, die auf einer Isolationsschicht schwimmt. Zum neuen Einlaufbereich gehören auch eine neue Rechenanlage, ein 12 m langes Streichwehr zum Überlaufkanal sowie ein neuer Ablaufschütz. Am Schlossmühlekanal selbst mussten nur kleinere Ausbesserungsarbeiten ausgeführt werden. Vollautomatisierte Anlage für optimierte Wassernutzung Die Wassermenge der Murg unterliegt großen Schwankungen, weshalb der Einsatz von zweizelligen Durchströmturbinen ideal ist. Das Wasser wird je nach Menge über die kleinere Zelle, die größere Zelle oder über beide Zellen geführt, womit bei jedem Wasservolumen schnell ein hoher Wirkungsgrad erzielt wird. In langen Trockenperioden kann die Wassermenge auf bis zu 500 l/s sinken. Während eines heftigen Gewitters steigt sie aber auch schnell auf oder gar l/s. Gemessen über mehrere Jahre fließen in der Murg im Durchschnitt rund 4000 l Wasser pro Sekunde ab. An durchschnittlich 90 Tagen im Jahr beträgt die mitgeführte Wassermenge 5500 l/s oder mehr. Abb. 5: Vergrößerungsarbeiten im unterirdischen Überlaufkanal

6 Wasserkraft & Energie 4/ Fallen weniger als 1000 l/s an, wird nur das Wehrkraftwerk betrieben. Führt die Murg mehr Wasser, öffnet und reguliert der Kanalschütz den Wasserabfluss zum Hauptkraftwerk. Während die Hauptturbine bis zur maximal nutzbaren Wassermenge belastet wird, stellt die Wehrturbine stets die minimale Restwassermenge für den Flusslauf sicher. Elektronische Systeme steuern und überwachen die voll automatisierte Anlage und ermöglichen so eine optimierte Wassernutzung. Videokameras bei den Schiebern und Rechenanlagen erleichtern weiter die Fernwartung durch die Firma Ecowatt. Versorgung von 600 Haushalten bei Vollauslastung Im Mai 2012 nahm die Tobler Immobilien Treuhand AG die Betreiberin des Wasserkraftwerkes Schlossmühle die neuen Anlagen in Betrieb. Die Schlossmühle ist heute mit einer Leistung von insgesamt 306,4 kw das zweitgrößte von insgesamt acht stromproduzierenden Wasserkraftwerken an der Murg. Die zu erwartende durchschnitt- liche Jahresleistung der Maschinen beträgt kwh. Bei voller Auslastung produzieren die beiden Turbinen elektrische Energie für rund 600 Haushaltungen. Der Strom wird an Swissgrid verkauft. Swissgrid betreibt das schweizerische Hochspannungsnetz und garantiert als nationales Unternehmen die Abnahme der in der Schlossmühle produzierten Energiemenge zu einem festen Preis. Die Einspeisung erfolgt über das Stromnetz der Stadtwerke Frauenfeld. Der Ausbau des Wasserkraftwerkes Schlossmühle erfolgte ohne größere Eingriffe in die Natur. Der Oberwasserkanal schafft eine wertvolle Naherholungszone für Menschen und bietet zusätzlichen Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Die verbesserten Wehranlagen bieten Schutz bei Hochwasser, regulieren den Fluss und nehmen Rücksicht auf die Gewässerökologie. Die Fische im Schlossmühlekanal erhalten auch bei geschlossenem Kanal-Regulierschütz durch eine permanente Öffnung Abb. 6 und 7: Die neue Hauptturbine im Maschinenraum

7 8 Wasserkraft & Energie 4/2013 Kenndaten des Wasserkraftwerkes Schlossmühle in Frauenfeld/Schweiz Ausbauwassermenge 5500 l/s Anlagenleistung 306,4 kw max. Tagesproduktion 7350 kwh durchschnittliche Jahresproduktion 1,4 GWh Hauptturbine Ossberger-Durchströmturbine nutzbare Wassermenge 4500 l/s nutzbare Fallhöhe 7,1 m Wirkungsgrad 84% Maschinenleistung 263 kw Laufrad/Durchmesser zweizellig, 80 cm Drehzahl der Turbine 127 min 1 Leistung Synchron-Generator 261 kw Wehrturbine Ossberger-Durchströmturbine nutzbare Wassermenge 1000 l/s nutzbare Fallhöhe 5,4 m Wirkungsgrad 82% Maschinenleistung 43,4 kw Laufrad/Durchmesser zweizellig, 40 cm Drehzahl der Turbine 217 min 1 Leistung Asynchron-Generator 38 kw Abflussmenge der Murg (Jahresmittel) 4090 l/s gesetzliche Mindest-Restwassermenge 404 l/s Erneuerung und Ausbau der Anlage August 2011 bis Mai 2012 Betreiberin Tobler Immobilien Treuhand AG Wartung Ecowatt AG mindestens 100 l Frischwasser pro Sekunde. Da die Felsstufe mit dem Wasserfall auch ohne Wehranlagen bereits ein natürliches, unüberwindbares Hindernis für die Fische darstellt, durfte am Königswuhr auf eine Fischtreppe verzichtet werden. Naherholungsgebiet mit Panoramaweg und Informationstafeln Knapp 1000 Gäste nutzten Anfang Juni 2012 den Tag der offenen Tür und interessierten sich für das eindrucksvolle Zusammenspiel von Natur und Technik. Besitzer Peter Tobler freut sich über den kleinen aber wertvollen Beitrag zur umweltfreundlichen Energiegewinnung und auch über die bei dem Ausbau neu geschaffenen Mehrwerte. Der neue Panoramaweg entlang dem Schlossmühlekanal ist Teil des städtischen Naherholungsgebietes am Königswuhr und ermöglicht einen imposanten Ausblick auf den Wasserfall, die Wehranlagen und das Dotierkraftwerk. Übersichtstafeln erläutern die Funktion der verschiedenen Anlageteile. Der neu angelegte Energieplatz zwischen Murg und Oberwasserkanal präsentiert die alte Durchströmturbine und bietet Passanten interessante Informationen zu Wasser, Kraftwerk und Energie auf hochwertigen Schautafeln. Panoramaweg und Energieplatz sind täglich frei zugänglich. Bei Interesse sind weitere Informationen zum Wasserkraftwerk Schlossmühle und zum Ausbau 2012 im Internet unter www. schlossmühle.ch zu finden. Für eine Führung durch die Betriebsanlagen durch die Betreiberin wenden sich interessierte Gruppen an die Tobler Immobilien Treuhand AG telefonisch unter +41 (0) oder über info@toblerimmobilien.ch.

8 Wasserkraft & Energie 4/ Abb. 8: Die wertvolle Naherholungszone am Oberwasserkanal für Menschen bietet auch zusätzlichen Lebensraum für Pflanzen und Tiere.

9 10 Wasserkraft & Energie 4/2013 Abb. 9: Der neue Panoramaweg entlang dem Schlossmühlekanal ist Teil des städtischen Naherholungsgebietes am Königswuhr. Fakten aus der Bauausführung Für die Kanalverbreiterung bei der Wasserfassung wurde eine Waldfläche von 225 m 2 gerodet und andernorts wieder aufgeforstet. Der Gesamtaushub für die neuen Bauwerke betrug 2000 m m 2 Armierungsgitter, Spritzbeton und 100 Nägel von 25 mm Durchmesser und 6 m Länge wurden für die Sicherung des angeschnittenen Hanges benötigt. Für die neuen Mauern und Anlagen wurden eine Fläche von 2000 m 2 verschalt, rund kg Eisenarmierung verlegt und 600 m 3 Beton verarbeitet.