Arbeitsgemeinschaft zum Schuldrecht, allgemeiner Teil im SS 2007 Beatrice Brunner, Thomas Habbe, Henry Posselt
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- Hansi Krämer
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1 Fall 6 c: Briefmarkensammler A und B sind Briefmarkensammler. Dem A gehört eine Briefmarke, die gut in die Sammlung des B passt; umgekehrt gehört dem B eine Briefmarke, die A gern hätte. Deshalb beschließen A und B zu tauschen. B bekommt die Briefmarke von A sofort und nimmt sie mit. Die für A bestimmte Briefmarke soll B gut verpackt bei A in den Briefkasten werfen. Beim Verpacken ist B unaufmerksam, so dass die für A bestimmte Briefmarke zerstört wird. 1. Die Briefmarke, die B erhalten hat, ist 100 wert; die Briefmarke, die A bekommen sollte, hatte hingegen einen Wert von 120. Welche Ansprüche hat A gegen B? 2. A tauscht seine Briefmarke gegen zwei Briefmarken im Werte von je 60 des B, und B zerstört beim Verpacken eine davon; trotzdem wirft er die andere Briefmarke bei A in der Hoffnung ein, man werde sich schon einigen. Die für B bestimmte Briefmarke will A gar nicht zurückhaben; mit der einen für ihn bestimmten Briefmarke allein kann A allerdings nichts anfangen. Welche Ansprüche hat A nunmehr gegen B? Bearbeiter: Henry Posselt 1
2 I. Anspruch A gegen B auf Übergabe und Übereignung der für A bestimmten Briefmarke aus 480, 433 Abs. 1 BGB 1) Anspruch entstanden Plus. 2) Anspruch untergegangen? Plus, 275 Abs. 1 Var. 2 BGB. 3) Zwischenergebnis Ein Anspruch A gegen B aus 480, 433 Abs. 1 BGB besteht nicht. II. Anspruch A gegen B auf Rückgabe und Rückübereignung der dem B überlassenen Briefmarke aus 326 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB 1) Befreiung von der Gegenleistungspflicht, 326 Abs. 1 S. 1 BGB a) Synallagma Plus: Die Pflicht des A zur Übereignung der Briefmarke an B steht im Synallagma mit der Pflicht des B zur Übereignung der Briefmarke an A. b) Unmöglichkeit der anderen Leistung aus dem Synallagma Plus: Der Anspruch des A gegen B ist ausgeschlossen, siehe oben. c) Kein Ausschluss der Befreiung Plus: Ausnahmetatbestände sind nicht ersichtlich. 2) Gegenleistung trotzdem erbracht Plus. 3) Zwischenergebnis A hat gegen B Anspruch auf Rückgabe und Rückübereignung der überlassenen Briefmarke. III. Anspruch A gegen B auf Schadensersatz statt Leistung aus 280 Abs. 1 u. 3, 283 BGB In Betracht kommt ein Anspruch auf Schadensersatz statt Leistung, weil ein Schaden des A erst entsteht, als die Leistungspflicht erlischt (Vorüberlegung). 1) Schuldverhältnis Plus. 2) Pflichtverletzung Plus: B hat sich wirksam zur Leistung verpflichtet, hat aber nicht geleistet. Hier liegt die Weiche zur anfänglichen Unmöglichkeit; bei der anfänglichen Unmöglichkeit bestand nie eine Leistungspflicht, die der Schuldner hätte verletzen können. Deshalb ist es entbehrlich, bei den zusätzlichen Voraussetzungen zu prüfen, ob es sich um einen Fall nachträglicher Unmöglichkeit handelt. 3) Vertretenmüssen Plus: B hat gemäß 276 Abs. 1 Var. 2 u. Abs. 2 BGB fahrlässig gehandelt. Bearbeiter: Henry Posselt 2
3 4) Schaden a) Differenzhypothese Hätte B geleistet, hätte A für eine Briefmarke eine andere erhalten (Differenzhypothese); er kann daher gemäß 251 Abs. 1 BGB Ersatz in Geld verlangen. Die Höhe des Schadensersatzes hängt davon ab, ob A dem B die überlassene Briefmarke dort belässt. aa) Surrogationsmethode Der Gläubiger geht nach der Surrogationsmethode vor, wenn er seine Leistung trotz der Befreiung erbringt bzw. beim Schuldner belässt; sein Schaden entspricht dann dem Wert der nicht erbrachten Leistung. Belässt A die Briefmarke bei B, beträgt der Schaden des A 120. Dass der Gläubiger unter Umständen gemäß 326 Abs. 1 S. 1 BGB befreit ist, hindert ihn nicht daran, die Gegenleistung zu erbringen; der Gläubiger muss dann nicht leisten, kann dies aber trotzdem tun. bb) Differenzmethode Der Gläubiger geht nach der Differenzmethode vor, wenn er seine Leistung mit Blick auf die Befreiung behält bzw. vom Schuldner zurückverlangt; sein Schaden entspricht dann dem Betrag, mit dem der Wert der Leistung den Wert der Gegenleistung übersteigt. Holt sich A die Briefmarke von B zurück, beträgt der Schaden des A 20. Ob der Gläubiger jenseits von 326 Abs. 1 S. 1 BGB zurücktreten muss, um nach der Differenzmethode vorgehen zu können, ist umstritten; hält man einen Rücktritt für erforderlich, liegt dieser konkludent im Schadensersatzverlangen, vgl. Palandt/Heinrichs (2006) 281 BGB Rz. 20. Damit korrespondiert die Frage, wie jenseits von 326 Abs. 1 S. 1 BGB die Gegenleistungspflicht erlischt; entweder man verlangt wiederum einen Rücktritt, oder man wendet 281 Abs. 4 BGB entsprechend an. b) Zusätzliche Voraussetzungen, 283 BGB Es bedarf zusätzlicher Voraussetzungen, weil es sich um Schadensersatz statt Leistung handelt. aa) bb) Unmöglichkeit Plus: Die Nichtleistung beruht auf Unmöglichkeit, siehe oben. Erheblichkeit Nicht erforderlich; es handelt sich weder um eine Teil- noch um eine Schlechtleistung. c) Haftungsausfüllender Tatbestand Der Anspruch ist gemäß 251 Abs. 1 BGB auf Zahlung gerichtet. IV. Ergebnis A hat Anspruch gegen B auf Schadensersatz statt Leistung; da als Gegenleistung eine Sachleistung geschuldet ist, kann er zwischen der Differenz- und Surrogationsmethode wählen. Bearbeiter: Henry Posselt 3
4 Frage 2: Ist die Gegenleistung auf Zahlung gerichtet und noch nicht erbracht, bleibt nur Schadensersatz nach der Differenzmethode; es macht keinen Sinn, wenn bspw. der Käufer darauf besteht, den Kaufpreis zu zahlen, damit die volle Lieferverpflichtung in Geld erbracht wird. Ist die Gegenleistung auf Zahlung gerichtet und schon erbracht, bleibt nur Schadensersatz nach der Surrogationsmethode; es macht keinen Sinn, dass bspw. der Käufer auf Rückzahlung des Kaufpreises besteht, um dann ausschließlich die Wertdifferenz geltend zu machen. I. Anspruch A gegen B auf Lieferung der Briefmarken Minus: Die Lieferung ist gemäß 480, 434 Abs. 3 Var. 2 BGB mangelhaft. Dadurch wird aus dem ursprünglichen Lieferanspruch aus 480, 433 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Nacherfüllung aus 480, 439 Abs. 1 Var. 2 BGB. Diese Nacherfüllung ist jedoch nicht möglich, so dass der Anspruch gemäß 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist. A will die Einzelmarke nicht behalten, weshalb zum einen kein Anspruch aus Minderung gemäß 441 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB zu prüfen ist; die Minderung führt zu einer Anpassung der Gegenleistung unter Berücksichtigung des Mangels. Würde A die Marke behalten wollen, könnte er mindern und Erstattung der Wertdifferenz in Geld verlangen, vgl. Palandt/Heinrichs (2006) 480 BGB Rz. 8. Deshalb sind zum anderen keine Ansprüche auf Rückgabe und Rückübereignung der dem B überlassenen Briefmarke zu prüfen. Würde A die Briefmarke zurückhaben wollen, bestünde kein Anspruch aus 326 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB, weil der Gläubiger im Falle unmöglicher Nacherfüllung gemäß 326 Abs. 1 S. 2 BGB nicht automatisch von der Gegenleistungspflicht befreit wird. 326 Abs. 1 S. 2 BGB sichert ab, dass die Minderung auch dann hier gemäß 441 Abs. 1 BGB ein Gestaltungsrecht bleibt, wenn eine Beseitigung des Mangels unmöglich ist; ohne diese Absicherung würde die Anpassung gemäß 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB automatisch erfolgen, weil sich die Schlecht- stets auch als Teilleistung begreifen lässt. Würde A die Briefmarke zurückhaben wollen, könnte er aber gemäß 480, 437 Nr. 2 Var. 1, 326 Abs. 5 BGB vom Vertrag zurücktreten und gemäß 346 Abs. 1 BGB Rückgabe und Rückübereignung verlangen. II. Anspruch A gegen B auf Schadensersatz statt Leistung aus 437 Ziff. 3 Var. 1, 280 Abs. 1 u. 3, 283 BGB a) Schuldverhältnis Plus, siehe oben. b) Pflichtverletzung Plus, siehe oben. c) Vertretenmüssen Plus: B hat gemäß 276 Abs. 1 S. 1 Var. 2 u. Abs. 2 BGB fahrlässig gehandelt. d) Schaden aa) Differenzhypothese Hätte B geleistet, hätte A für eine Briefmarke zwei andere erhalten (Differenzhypothese); er kann daher gemäß 251 Abs. 1 BGB Ersatz in Geld verlangen. Die Höhe des Schadensersatzes hängt davon ab, ob A die erhaltene Briefmarke behält und ob A die dem B überlassene Briefmarke dort belässt. (1) Erhaltene Briefmarke (a) Großer Schadensersatz Der Gläubiger kann die erhaltene Briefmarke zurückgeben; sein Schaden entspricht dann dem Wert der gesamten Leistung. Gibt A die Bearbeiter: Henry Posselt 4
5 erhaltenen Einzelmarke zurück, sind bei der weiteren Schadensberechnung 120 zu berücksichtigen. (b) Kleiner Schadensersatz Der Gläubiger kann die erhaltene Briefmarke behalten; sein Schaden entspricht dann dem Wert des nicht erbrachten Teils der Leistung. Behält A die Einzelmarke, sind bei der weiteren Schadensberechnung 60 zu berücksichtigen. Ist die Pflichtverletzung nicht erheblich im Sinne 281 Abs. 1 S. 2 u. 3 BGB, kann der Gläubiger nicht den großen Schadensersatz verlangen. Anderenfalls kann er wählen; dem A steht es bspw. frei, sein fehlendes Interesse darzulegen und den großen Schadensersatz zu verlangen oder davon abzusehen und sich auf den kleinen Schadensersatz zu beschränken. (2) Dem B überlassene Briefmarke (a) (b) Surrogationsmethode A kann die dem B überlassene Briefmarke dort belassen; gibt er zudem die erhaltene Einzelmarke an B zurück (großer Schadensersatz), beträgt der Schaden des A 120, anderenfalls (kleiner Schadensersatz) beträgt Schaden des A lediglich 60. Differenzmethode A kann die dem B überlassene Briefmarke zurückverlangen, siehe oben; dann muss er aber auch die erhaltene Einzelmarke an B zurückgeben (großer Schadensersatz), und der Schaden des A beträgt 20. Tritt also der Gläubiger vom Vertrag zurück, bleibt ihm nur der große Schadensersatz, weil der Schuldner die erbrachte Teilleistung dann gemäß 346 Abs. 1 BGB zurückfordern kann; letzteres gilt gemäß 281 Abs. 5 BGB im reziproken Fall, wenn der Gläubiger großen Schadensersatz verlangt. bb) Zusätzliche Voraussetzungen (1) Unmöglichkeit Plus, siehe oben. (2) Erheblichkeit Plus: Es handelt sich um eine teilbare Leistung, so dass 281 Abs. 1 S. 2 BGB gilt; dem A nutzt die eine Briefmarke nichts. cc) dd) Haftungsausfüllender Tatbestand Der Anspruch ist wiederum gemäß 251 Abs. 1 BGB auf Zahlung gerichtet. Zwischenergebnis In Betracht kommen also der große Schadensersatz nach der Surrogationsmethode, der große Schadensersatz nach der Differenzmethode und der kleine Schadensersatz nach der Surrogationsmethode; da A an der eigenen Leistung festhalten, die erhaltene Marke aber zurückgeben will, wird er sich für den großen Schadensersatz nach der Surrogationsmethode entscheiden. Bearbeiter: Henry Posselt 5
6 Ein kleiner Schadensersatz nach der Differenzmethode ist nur im Rahmen von 326 Abs. 1 S. 1 BGB denkbar; bspw. der Käufer kann eine vereinbarte Teilleistung behalten, den gemäß 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, 441 Abs. 3 BGB herabgesetzten Kaufpreis bezahlen und im Übrigen Schadensersatz nach der Differenzmethode verlangen. III. Ergebnis A hat Anspruch gegen B auf Schadensersatz statt Leistung und kann sich hier für den großen Schadensersatz nach der Surrogationsmethode entscheiden; B hat dann aber ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß 281 Abs. 5, 348, 320 Abs. 1, 322 BGB, da B von A gemäß 281 Abs. 5, 346 Abs. 1 BGB Rückgabe der Einzelmarke verlangen kann. Bearbeiter: Henry Posselt 6
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