Das SOK-Modell: Selektion, Optimierung, Kompensation
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- Helge Diefenbach
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1 Das SOK-Modell: Selektion, Optimierung, Kompensation (Baltes & Baltes, 1990; Freund & Baltes, 1998; Baltes, Lindenberger & Staudinger, 2006) Selektion, Optimierung und Kompensation als Grundprozesse der Erhaltung von Handlungskompetenz und Lebensqualität auch bei Funktionsverlusten und Einschränkungen (Rahmenmodell mit bereichsspezifischen theoretischen Ausgestaltungen) Selektion: Auswahl von Zielen in Lebens-, Funktions- oder Handlungsbereichen Abstimmung von Zielen auf Rollen- und Lebenskontexte (Varianten: elektive S., verlustbasierte S.) Selektion und Kanalisierungsprozesse (Eröffnung neuer Entwicklungsmöglichkeiten) Optimierung: Steigerung und Erweiterung von Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten durch Optimierung von Mitteln der Zielerreichung (z.b. Übung von Fertigkeiten, verbesserte Nutzung von Ressourcen, Investition von Zeit und Anstrengung)
2 Kompensation: Maßnahmen zur Aufrechterhaltung von Zielen und Funktionsniveaus gegenüber Verlusten: Aktivierung, Einsatz und Erwerb geeigneter Mittel und Techniken zum Ausgleich von Funktionsund Ressourcenverlusten, Behinderungen und dgl. ( externe und interne Kompensationsmittel; z.b. Hörgeräte, mnemotechnische Hilfen) Anwendungsbeispiele: Intelligenz, Expertise; soziale Beziehungen; Gestaltung von alternsgerechten Umwelten; Aufteilung von Aufmerksamkeitsressourcen bei gleichzeitiger Beanspruchung durch verschiedene Aufgaben ( dual task - Situationen) (s. z.b. Baltes, Lindenberger & Staudinger, 2006; Freund, 2007)
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4 Theorie der Sozioemotionalen Selektivität - Grundannahmen (Carstensen, 1991, 1999) (a) Unterscheidung von zwei grundlegenden Zielorientierungen: - Wissenserwerb, Kompetenzaufbau - Emotionale Nähe und Sicherheit (b) Abhängigkeit dieser Zielorientierung von der Lebenszeitperspektive: - im Übergang zum höheren Alter mit bzw. abnehmender Restlebenszeit treten auf Wissenserwerb und Kompetenzerweiterung gerichtete Ziele in den Hintergrund - zunehmend betont werden dagegen emotionsbezogene Ziele - diese alters- bzw. lebenszeitbezogenen Verschiebungen in Ziel- und Motivationssystemen manifestieren sich z.b. in der sozialen Interaktion (Auswahl bevorzugter Interaktionspartner), in sozialen Netzwerken (Reduzierung oberflächlicher Kontakte, Konzentration auf emotional nahestehende Personen) - exemplarische Studien hierzu: In zeitbegrenzten Situationen werden nahestehende Personen bevorzugt (z.b. Fung et al., 1999)
5 (Sozioemotionale Selektivität - Fortsetzung) (c) Korrespondierende Veränderungen in der Emotionsregulation: - Dauer und Häufigkeit negativer Emotionen sinken mit zunehmendem Alter, positive Emotionen nehmen dagegen nicht ab; dies verweist auf andere bzw. effektivere Formen der Emotionsregulation - zunehmende Komplexität und Differenziertheit der Emotionen (größere Häufigkeit gemischter Gefühle im Alter) - Aufnahme eines Positivitätsbias in der Informationsverarbeitung älterer Menschen - exemplarische Studien hierzu: Schnelleres Erkennen und besseres Erinnern positiver Informationen (z.b. Mather & Carstensen, 2003)
6 Das Modell assimilativer und akkommodativer Prozesse (Brandtstädter & Renner, 1990; Brandtstädter & Rothermund, 2002; Brandtstädter, 2007) I. Grundlinien des Zwei-Prozess-Modells - Unterscheidung von zwei z.t. antagonistischen adaptiven Grundprozessen: - Assimilative Aktivitäten richten sich darauf, die eigenen Lebens- und Entwicklungsumstände persönlichen Zielen und Ansprüchen entsprechend zu gestalten bzw. zu modifizieren - Durch akkommodative Prozesse werden Ziele und Ansprüche an gegebene Umstände und Beschränkungen angepasst - Beide adaptiven Modi beseitigen - auf unterschiedliche Weise - Diskrepanzen zwischen faktischer und gewünschter Situation - Das Wechselspiel von assimilativen und akkommodativen Prozessen ist eine wesentliche Quelle subjektiver Lebensqualität und Resilienz (insbesondere auch im höheren Alter)
7 II. Kernannahmen des Zwei-Prozess-Modells (1) Facetten und Funktionen - Lösung des Stabilitäts-Flexibilitäts-Dilemmas in der Handlungsregulation (Stabilisierung gesetzter Ziele gegen Ablenkungen, zugleich Vermeiden unproduktiver Persistenz) - Assimilative und akkommodative Prozesse stehen in einer antagonistischen, zugleich jedoch komplementären Relation - Aspekte der assimilativen Funktionslage: zielgerichtete Anstrengung; reaktante Anstrengungssteigerung beim Auftreten von Hindernissen; korrektive und kompensatorische Anstrengungen; aktiv-problemfokussierte Bewältigungsbemühungen - Aspekte der akkommodativen Funktionslage: Ablösung von blockierten Zielen; Akzeptieren irreversibler Verluste; Erzeugung entlastender Kognitionen; Umleitung von Handlungsressourcen auf neue Ziele - Konflikte zwischen beiden Prozessen treten auf, wenn zielgerichtete Anstrengungen an Ressourcengrenzen gelangen
8 (2) Grundlegende Mechanismen - Assimilative Funktionslage: konvergente, zielfokussierte Informationsverarbeitung; erhöhte Verfügbarkeit von Kognitionen, welche die Zielverfolgung unterstützen; Abschirmung gegen konkurrierende Handlungstendenzen und preference reversals - Akkommodative Funktionslage: divergent-holistische Informationsverarbeitung; Ausweitung des Aufmerksamkeitsfeldes; erhöhte Verfügbarkeit von Kognitionen, welche die Ablösung von einem blockierten Ziel unterstützen - der Wechsel von assimilativen zu akkommodativen Bewältigungsformen geht also mit einer radikalen Veränderung der Informationsverarbeitung einher - mögliche dysfunktionale Nebeneffekte assimilativer Persistenz: eskalierende Zielbindung, Festhalten an blockierten Lebensentwürfen, Erschöpfung von Handlungsressourcen, Andauern kontrafaktischer Emotionen (Ärger, Reue) - mögliche dysfunktionale Nebeneffekte akkommodativer Flexibilität: unstabile Zielbindung, verfrühtes Aufgaben von Anstrengungen, mangelnde Nutzung von Handlungsreserven - moderierende Einflussfaktoren: individuelle Handlungspotentiale, Kontrollüberzeugungen; Wichtigkeit des Zieles; Ersetzbarkeit des Zieles; Selbst-Komplexität
9 (3) Dispositionelle Unterschiede - Skalen: Hartnäckige Zielverfolgung (HZ) und Flexible Zielanpassung (FZ) - HZ und FZ als orthogonale Facetten der Bewältigungskompetenz - beide Skalen korrelieren positiv mit subjektiver Lebensqualität etc. - beide Skalen zeigen gegenläufige Zusammenhänge mit der Altersvariable - mit abnehmenden Handlungsressourcen werden akkommodative Bewältigungsformen bedeutsamer - Bedeutung akkommodativer Flexibilität für die Bewältigung alterstypischer Verluste und Behinderungen: Puffereffekte von FZ - Akkommodative Flexibilität und Zufriedenheitsparadoxien : Abschirmung von Lebenszufriedenheit gegen Unzufriedenheit in spezifischen Lebensbereichen - Bedeutung akkommodativer Flexibilität für die Bewahrung von personaler Kontrolle
10 (4) Befunde aus Experimenten und Interviewstudien - Öffnung des Aufmerksamkeitsfeldes im akkommodativen Modus - Flexibilität begünstigt die Erzeugung entlastender Kognitionen - Personen mit hoher akkommodativer Flexibilität sind eher geneigt, alt mit positiven Bedeutungen zu verbinden - Befunde aus Interviewstudien: Häufigkeit akkommodativer Äußerungen geht mit höherer Lebenszufriedenheit, positiven Einstellungen zum Altern einher; flexible Personen finden mehr Kontinuität und Bedeutung in ihrem Leben (5) Reichweite des Modells - Depression - Rumination - dysfunktionale Persistenz, entrapment - benefit finding, post-traumatischer Gewinn - Reue, kontrafaktische Emotionen* - Kompensation - Sinnperspektiven, Weisheit
11 Zieldiskrepanzen, Entwicklungsverluste ASSIMILATIVER MODUS zielgerichtetes Handeln reaktive Anstrengungssteigerung bei Behinderungen korrektive und kompensatorische Interventionen Selbstregulation, Selbstoptimierung Zielpersistenz, Aufrechterhaltung selbstevaluativer Standards AKKOMMODATIVER MODUS Ablösung von blockierten Plänen und Zielen Akzeptieren irreversibler Verluste Generierung entlastender Kognitionen Umleitung von Ressourcen auf erreichbare Ziele Flexible Anpassung von Zielen und selbstevaluativen Standards Kognitive Funktionslage konvergente, zielfokussierte Informationsverarbeitung Ausblendung konkurrierender Handlungstendenzen Erhöhte Verfügbarkeit von Kognitionen, welche die Zielverfolgung unterstützen Akzentuierung der Valenz und Erreichbarkeit des Zieles Inhibition akkommodativer Funktionslagen Kognitive Funktionslage Divergent-holistische Informationsverarbeitung Öffnung des Aufmerksamkeitsfeldes Erhöhte Verfügbarkeit von Kognitionen, welche die Zielablösung unterstützen Ausblenden unlösbarer Probleme Neutralisierung der assimilativen Funktionslage Dysfunktionale Nebenwirkungen eskalierende Zielbindung, entrapment Effekte Ressourcenerschöpfung Überbetonung von Nutzen- gegenüber Kostenaspekten kontrafaktische Emotionen aufgrund persistierender Zielbindung (Reue, Ärger) Dysfunktionale Nebenwirkungen instabile Zielbindung verfrühte Zielablösung mangelnde Ausnutzung von Handlungsmöglichkeiten Überbetonung von Kosten- gegenüber Nutzenaspekten Moderierende Bedingungen Handlungsressourcen, perzipierte Kontrolle Substituierbarkeit von Zielen Selbstkomplexität
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