Zeugnisse richtig lesen.

Transkript

1 Zeugnisse richtig lesen. Für den Arbeitnehmer hat das Zeugnis essentielle Bedeutung hinsichtlich seiner beruflichen Zukunft. Zwar werden Bewerber in vielen grossen Unternehmen in sog. Assessement-Centern ausgesucht und viele Personalleiter gehen dazu über, im Internet Informationen über Bewerber zu suchen. Achtung: Deshalb darauf achten, was man selbst über sich ins Internet stellt darauf hat man ja wenigstens Einfluss. Dennoch ist und bleibt das Zeugnis ein wichtiger Baustein im Bewerbungsdschungel. Der Arbeitnehmer kann zwischen einem einfachen und qualifizierten Zeugnis wählen. Im einfachen Zeugnis wird nur die Tätigkeit beschrieben und der Zeitraum der Beschäftigung festgehalten. Im qualifizierten Zeugnis dagegen wird zusätzlich auch über die Leistung und das Führungsverhalten eine Aussage gemacht. Form Das Zeugnis ist maschinenschriftlich und in deutscher Sprache zu verfassen. Bei der Unterschrift muss erkennbar sein, dass die Person unterschriftsberechtigt ist. Zu verwenden ist der übliche Firmenbogen. Das Datum ist das tatsächliche Ausstellungsdatum, das nicht zu weit vom tatsächlichen Beendigungsdatum entfernt liegen sollte. Achtung: Bei Rechtsschreibfehlern, Schreibfehlern, Radierungen, Einfügen oder Kaffee- oder Schokoladenresten kann der Arbeitnehmer ein neues Zeugnis fordern. Inhalt Das Zeugnis soll einen Gesamteindruck der Person vermitteln. Es ist deshalb als einheitliches Ganzes zu sehen, in dem alle vier Punkte (Tätigkeit, Dauer, Leistung und Führung am besten in der Reihenfolge) Eingang finden müssen. Widersprüchlichkeiten und Auslassungen führen zu Fragen beim Dritten und sind damit negativ. Die im Laufe der Betriebszugehörigkeit ausgeübten Tätigkeiten müssen beschrieben werden, wobei die zeitliche Reihenfolge einzuhalten ist und die letzte Tätigkeit ausführlicher beschrieben sein sollte als die vor 20 Jahren. Niemand hat Anspruch auf Formulierungen, die den Schluss nahe legen, dass nach dem Weggang des Arbeitnehmers das ehemalige Unternehmen ruiniert sein wird, weil der eigene Weggang nicht zu verkraften ist.

2 2 Allerdings muss das Zeugnis wohlwollend und berufsfördernd geschrieben sein, wobei der Arbeitgeber aber bei der Wahrheit bleiben muss. Der Arbeitgeber ist in seinen Formulierungen frei und hat auch bei der Bewertung der Leistung einen Beurteilungsspielraum, der allerdings von den Arbeitsgerichten überprüft werden kann. Wer in den letzten zwei Jahren drei wirksame Abmahnungen erhalten hat, hat eben keinen Anspruch auf die Bewertung seiner Leistung als sehr gut. Achtung: Nicht in Zeugnis gehören Anmerkungen zum Privatleben, Betriebrats- oder Gewerkschaftstätigkeiten, einzelne zufällige Vorkomnisse oder Parteizugehörigkeiten. Zeugnissprache Es hat sich eingebürgert, eine Benotungsskala vergleichbar der üblichen Schulnoten zu verwenden und bestimmte Formulierungen bedeuten eine bestimmte Benotung. Aus Gründen der Klarheit und Eindeutigkeit sollte man den Arbeitgeber bitten, sich an diese gebräuchlichen Formulierungen zu halten. Notenskala Leistungsbeurteilung 1= sehr gut stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt. 2= gut stets zu unserer vollen Zufriedenheit erfüllt. 3= befriedigend zu unserer vollen Zufriedenheit erfüllt. 4= ausreichend zu unserer Zufriedenheit erfüllt. 5= mangelhaft im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit erfüllt. 6= unzureichend Er bemühte sich, die ihm zu erledigen.

3 3 Notenskala Führungsbeurteilung 1= sehr gut stets einwandfrei. 2= gut einwandfrei. 3= befriedigend in Ordnung. war dem Dienst angemessen. Im Umgang mit Kollegen/Vorgesetzten war er freundlich. Bei seinen Kollegen galt er als toleranter Mitarbeiter. Wir lernten ihn als umgänglichen Kollegen kennen. Verschlüsselungen Der von Arbeitgebern geforderte Spagat zwischen berufsfördernden, wohlwollenden und dennoch wahren Äußerungen im Zeugnistext hat in der Praxis dazu geführt, dass zwar alles ziemlich positiv klingt, aber nicht alles positiv ist. Besondere Andeutungen Alkohol Er hat zur Verbesserung des Betriebsklimas beigetragen. Beendigung

4 4 Wir haben uns von Herrn H. im gegenseitigen Einvernehmen getrennt. (Was steckte wirklich dahinter?) Betriebsratstätigkeit Herr H. trat sowohl innerhalb wie auch außerhalb unseres Unternehmens engagiert für die Interessen der Arbeitnehmer auf. Erfindungen Herr H. zeichnete sich insbesondere dadurch aus, dass er viele Verbesserungsvorschläge zur Arbeitsvereinfachung machte. (Nörgelnder, fauler Besserwisser) Pünktlichkeit Herr H. war wegen seiner Pünktlichkeit stets ein gutes Vorbild. (Gibt es nichts anderes zu sagen?) Die Trickkiste Folgende Anmerkungen im Zeugnis haben grundsätzlich eine negative Bedeutung: - Weglassen bestimmter Einzelmerkmale beim Leitenden Angestellten: Sozialverhalten - Einfügung von Allgemeinplätzen im Allgemeinen, im Wesentlichen - Geheimzeichen Streitig, ob es sie überhaupt gibt. - Positive Sätze ohne Adjektive oder Adverbien Er hatte die Jahresabschlüsse zu erstellen. - Doppeldeutige Worte Gesellig, mutig - Falsche Reihenfolge gegenüber Kollegen und Vorgesetzten war stets Einwandfrei. - Fehlende oder kurze Schlussformel Er verlässt uns auf eigenen Wunsch. Schlussformel Mittlerweile haben auch die letzten Sätze im Zeugnis eine besondere Bedeutung erlangt. Es reicht nicht mehr aus, dem Arbeitnehmer alles Gute für die Zukunft zu wünschen, wenn man es wirklich gut mit ihm meint. Wir bedauern sein Ausscheiden und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute oder noch besser : Bedauern, danken und gute Zukunftswünsche. Der Arbeitnehmer hat aber keinen Anspruch auf eine bestimmte Schlussformulierung. Beendigungsgründe sind nur aufzunehmen, wenn der Arbeitnehmer es ausdrücklich wünscht.

5 5 Achtung: Je herzlicher und freundlicher die Schlussformel, desto besser ist die Gesamtbewertung des Arbeitnehmers.