Propädeutische Übung im Bürgerlichen Recht. Dr. Georgios Zagouras Wintersemester 2008/2009
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1 Propädeutische Übung im Bürgerlichen Recht Dr. Georgios Zagouras Wintersemester 2008/2009
2 Gutachtenstil Gutachtenstil ist eine juristische Arbeitstechnik, die sicherstellen soll, dass alle relevanten rechtlichen Fragen berücksichtigt wurden ein neuer Aspekt des Falles an der richtigen Stelle diskutiert wird Detailfragen nacheinander und damit systematisch abgeprüft werden.
3 Gutachtenstil Gutachtenstil ist das Gegenteil vom Urteilsstil! Gedankliche Ausgangssituation: Jemand kommt zu Ihnen und begehrt Rechtsauskunft: BSP: Autounfall mit mehreren Beteiligten
4 Gutachtentechnik Systematik: 1. OBERSATZ 2. KONKRETISIERUNG/DEFINITION 3. SUBSUMTION 4. ERGEBNIS
5 Gutachtentechnik Eine juristische Falllösung besteht im Prinzip aus einer ganzen Kette von Obersätzen, Definitionen, Subsumtionen und Ergebnissätzen Wichtig: vollständig und in richtiger Reihenfolge
6 1. Obersatz Der richtige Obersatz oder einleitende Prüfungssatz : Die fünf W s: Wer Will Was von Wem Woraus?
7 1. Obersatz WER will was von wem woraus? Immer genau angeben wessen Ansprüche geprüft werden Häufig gibt es viele Beteiligte: Bsp: Autounfall Der Leser muss immer schon im ersten Satz erkennen, um wessen Ansprüche es gerade geht!
8 1. Obersatz Wer WILL WAS von wem woraus? Immer genau angeben, um welchen Anspruch es gerade geht Bsp: Herausgabe eines Gegenstandes, Unterlassung, Schadensersatz Niemals die Ansprüche durcheinander prüfen! Vor Gericht später sehr wichtig, damit der Richter ein Urteil fällen kann und der Gerichtsvollzieher dieses dann durchsetzt
9 1. Obersatz Wer will was von WEM woraus? Es können mehrere Anspruchsgegner in Betracht kommen: Bsp: Mehrere Unfallverursacher kommen in Betracht
10 1. Obersatz Wer will was von Wem WORAUS? Das Zivilrecht kennt verschiedene Anspruchsgrundlagen: Um Verwirrung zu vermeiden müssen zivilrechtliche Ansprüche in der richtigen Reihenfolge und nacheinander geprüft werden. Dem Leser muss schon durch den einleitenden Prüfungssatz erkennbar sein, was gerade geprüft werden soll.
11 1. Obersatz TIPP: Jede Prüfung beginnt mit einem einleitenden Prüfungssatz, Dies gilt auch für Teilabschnitte Leser soll immer genau wissen, was gerade geprüft wird!
12 2. Konkretisierung 2. KONKRETISIERUNG DES OBERSATZES BZW. DEFINITION - Deduktion: Der Leser wird immer näher an das entscheidungserhebliche Merkmal herangeführt - Definition liefert eine prägnante Umschreibung eines bestimmten Sachverhalts o BSP: Eine Willenserklärung ist die Äußerung eines auf Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichteten Willens.
13 2. Konkretisierung - Zweck: Die wichtigsten Eigenschaften eines gesetzlichen Begriffs werden in einen Merksatz zusammengefasst, unter den man anschließend subsumieren kann o Man umschreibt prägnant, worauf es abstrakt ankommt
14 3. Subsumtion 3. SUBSUMTION - Subsumtion ist das Vergleichen des Lebenssachverhaltes mit dem gesetzlichen Normfall o Arbeitsanweisung: Stimmt der ausgeteilte Sachverhalt mit den Anforderungen des Gesetzes überein?
15 4. Ergebnis 4. ERGEBNISSATZ Im Ergebnissatz schließt die Klammer zum Obersatz wieder Muss inhaltlich mit dem Obersatz (5W s) übereinstimmen! (Punktefalle!)
16 Fall 1: Karten fürs Endspiel Fall 1: A schreibt an den DFB: Sehr geehrte Damen und Herren, Ich möchte Karten haben. Mit freundlichen Grüßen Stud. iur. A Kann A Karten für das Endspiel der Fußball-EM 2008 verlangen?
17 Fall 1: Karten fürs Endspiel I. Obersatz Leitfrage: WER WILL WAS von WEM WORAUS 1. WER? A 2. WILL WAS? Eintrittskarten 3. VON WEM? DFB 4. WORAUS? Mögliche Anspruchsgrundlage: 433 Abs. 1 S. 1 BGB
18 Fall 1: Karten fürs Endspiel Ausformulierter Obersatz: Zu untersuchen ist, ob dem A (1) ein Anspruch auf Übereignung der Eintrittskarten für das Endspiel der Fußball-EM 2008 (2) gegenüber dem DFB (3) aus 433 Abs. 1 S. 1 BGB (4) zusteht.
19 Fall 1: Karten fürs Endspiel II. Konkretisierung des Obersatzes Um zur Subsumtion zu gelangen, muss zunächst deduziert werden, worauf es im konkreten Fall ankommt. Deduktionsstufen 1. Dies setzt voraus, dass ein wirksamer Kaufvertrag nach 433 BGB geschlossen wurde. 2. Erforderlich sind zwei übereinstimmende und in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, die alle für den Kaufvertrag wesentlichen Vertragsbestandteile enthalten.
20 Fall 1: Karten fürs Endspiel 3. A müsste überhaupt ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages nach 145 BGB abgegeben haben.
21 Fall 1: Karten fürs Endspiel III. Definition 1. Ein solches Angebot definiert sich als erste, empfangsbedürftige Erklärung, mit der der Vertragspartei der Abschluss eines Vertrags so angetragen wird, dass der Vertrag allein durch sein Einverständnis zustande kommen kann. 2. Das Angebot muss inhaltlich so beschaffen sein, dass der andere diesen durch ein bloßes Ja annehmen könnte. 3. Es müssen daher die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentilia negotii) enthalten sein, zu denen im Falle von 433 BGB die Kaufsache, der Kaufpreis sowie die Vertragsparteien gehören.
22 Fall 1: Karten fürs Endspiel IV. Subsumtion Fraglich ist vorliegend bereits, ob das Schreiben des A überhaupt diese essentialia negotii enthält. A hat in lediglich zum Ausdruck gebracht, er wünsche Karten. Daraus ist weder ersichtlich für welche Veranstaltung, noch zu welchem Preis bzw. in welcher Kategorie.
23 Fall 1: Karten fürs Endspiel V. Ergebnis Hier müssen die Klammern wieder zugemacht werden: 1. Die wesentlichen Vertragsbestandteile eines Kaufvertrags sind damit nicht bestimmt. 2. Es liegt kein Angebot des A nach 145 BGB vor. 3. Ein Kaufvertrag zwischen dem DFB und A ist also nicht zustande gekommen. 4. Endergebnis: A hat damit keinen Anspruch auf Übereignung der Eintrittskarten für das Endspiel der Fußball-EM 2008 gegenüber dem DFB aus 433 Abs. 1 S. 1 BGB.
FALL 1 ARBEITSTECHNIKEN EINFÜHRUNGSFALL: DIE KOMPLEXITÄT DES ZEITSCHRIFTENKAUFS
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