Stellungnahme der SP Baselland zum Änderungsentwurf zum Kinder- und Jugendzahnpflegegesetz
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- Lorenz Bäcker
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1 Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion Kanton Basel-Landschaft Bahnhofstrasse Liestal Liestal, 4. Mai 2006 Stellungnahme der SP Baselland zum Änderungsentwurf zum Kinder- und Jugendzahnpflegegesetz Sehr geehrte Damen und Herren Für die Gelegenheit zur Vernehmlassung danken wir bestens. Die SP Baselland lehnt das Kinder- und Jugendzahnpflegegesetz in der vorliegenden Form ab. Die SP kann der Vorlage deshalb nur dann zustimmen, wenn in wesentlichen Punkten Verbesserungen vorgenommen werden. Zu den einzelnen Punkten nehmen wir weiter unten Stellung. Allgemeine Bemerkungen Die SP Baselland hat das Entlastungspaket aus der generellen Aufgabenprüfung (GAP) nicht gutgeheissen. Etliche der vorgesehenen Massnahmen waren aus unserer Sicht mit wenig Weitblick geplant und generieren möglicherweise auf einer anderen Ebene (zum Beispiel in der Sozialhilfe) Kosten, welche die erhofften Einsparungen übersteigen. Entsprechend skeptisch war auch unsere Haltung zu den im GAP-Paket vorgeschlagenen Massnahmen in der Kinder- und Jugendzahnpflege. Die Rückweisung an den Regierungsrat haben wir im Parlament unterstützt. Grundsätzlich vertreten wir die Auffassung, dass die Gesundheitsversorgung auch im Bereich der Zahnmedizin für alle Personen in unserer Gesellschaft gleichermassen zugänglich sein soll. Eine Zweiklassenmedizin lehnen wir ab. Eine durch den Kanton und die Gemeinden finanzierte zahnmedizinische Versorgung für Kinder und Jugendliche ist unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit ideal. Die Kinder- und Jugendzahnpflege zur Entlastung des Staates in den privaten Bereich zu verlagern, erscheint uns nicht sinnvoll. Wir unterstützen deshalb die Revisionspunkte, welche eine klarere Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden bringen und die administrativen Abläufe vereinfachen. Insbesondere begrüssen wir die einheitliche Regelung für die Bemessung der Beiträge durch den Kanton in einer Verordnung sowie die Abstufung der Beiträge nach finanzieller Leistungskraft und Kinderzahl der Familie. Wir lehnen
2 hingegen alle sozialpolitischen Kürzungsmassnahmen (wie Tarifänderung, Hol- Prinzip, Streichung der kieferorthopädischen Behandlungen aus der Liste der beitragsberechtigten Leistungen) ab. Die erkennbare Strategie, die Kinder- und Jugendzahnpflege auf eine Informationsarbeit des Staates zu reduzieren, greift eindeutig zu kurz. Im Rahmen der Gesetzesrevision ist sicherzustellen, dass der erreichte Gesundheitszustand bei Kindern und Jugendlichen keine Einbussen erleidet. Ein Rückbau der zahnmedizinischen Versorgung bei Kindern und Jugendlichen aus Kostengründen scheint uns angesichts des Wohlstandes in unserer Gesellschaft nicht vertretbar. Als solchen Rückschritt würden wir es betrachten, wenn kinderreiche Familien, Personen mit geringem Einkommen oder Migrantenfamilien aus finanziellen Gründen nicht in der Lage wäre, gebotene kieferorthopädische Behandlungen der Kinder vornehmen zu lassen. Darunter verstehen wir nicht nur medizinisch schwerwiegende Fälle, die von der IV übernommen würden, sondern auch solche, die für eine integrierte und diskriminierungsfreie Teilnahme an unserer Gesellschaft selbstverständlich geworden sind. Den vorgeschlagenen Systemwechsel unterstützen wir nicht, da unseres Erachtens das bisherige System dem Anliegen einer qualitativ guten Versorgung für alle Bevölkerungsgruppen besser gerecht wird. Sollte sich eine Systemerneuerung durchsetzen, ist eine lückenlose Information aller Eltern, insbesondere auch der Migrationsbevölkerung, zu garantieren. Sowohl die Möglichkeit zur Behandlung im Rahmen der Kinder- und Jugendzahnpflege wie auch die Vorteile einer zu bescheidenen Prämien erhältlichen privaten Zusatzversicherung müssen klar verständlich dargelegt werden. Personen mit geringem Einkommen, insbesondere sozialhilfeberechtigte Eltern, müssen dazu angehalten werden, eine zahnmedizinische Zusatzversicherung für ihre Kinder abzuschliessen; damit keine Deckungslücken entstehen, sind die Prämien für Sozialhilfe Empfangende zusammen mit denjenigen für die Grundversicherung der Krankenkassen von der Sozialhilfe zu übernehmen. Bezüglich der Anforderungen für eine Beitragsberechtigung wie auch der Durchführung von kieferorthopädischen Behandlungen ist ausserdem im Gesetz wie auch in den Übergangsbestimmungen klar zu regeln, was für Kinder gelten soll, die im schulpflichtigen Alter aus dem Ausland zuziehen und bisher keine adäquate zahnmedizinische Versorgung genossen haben. Eine Reduktion des administrativen Aufwandes der Gemeinden ist nur insoweit sinnvoll, als nicht stattdessen eine unübersichtliche Situation für die Beitragsberechtigten respektive ihren gesetzlichen Vertretern entsteht (Hol-System, Abdeckung durch Privatversicherungen, Rechnungsstellung an die gesetzlichen Vertreter etc.). Versäumnisse seitens von Personen mit geringen Sprach- und Systemkenntnissen können neben administrativen Leerläufen und Doppelspurigkeiten schwerwiegende Kostenfolgen haben, die von der Sozialhilfe abzudecken sind. In manchen Fällen kann auf diese Weise sogar eine Sozialhilfeabhängigkeit begründet werden. Ein Systemwechsel zur Verringerung des administrativen Aufwandes der Gemeinden darf nicht zu einer blossen Verlagerung gleich bleibender Kosten in die Sozialhilfe verkommen. Mit dem Gesetzesentwurf hat sich der Regierungsrat zum Ziel gesetzt, den Leistungsabbau aus Spargründen sozial verträglich zu gestalten. Da der Systemwechsel zur Folge hat, dass nicht nur einzelne Kinder und Jugendliche in unserem Kanton, sondern ganze Gruppen aus finanziellen Gründen auf zahnmedizinische oder kieferorthopädische Behandlungen verzichten müssen, ist diese Vorgabe nicht erfüllt.
3 Bemerkungen zu einzelnen Gesetzesparagraphen 1 Geltungsbereich Wir teilen die Auffassung des Regierungsrates, dass die Zahnärztinnen und Zahnärzte auch in den Gesetzeswortlaut mit eingebunden gehören. 3 Aufgaben des Kantons Dass die Gemeinden und Schulheime von der Organisationspflicht entbunden werden, gehört zum Systemwechsel. Uns erscheint es aber wesentlich, dass hier eine allgemeine Zuständigkeit des Kantons, auf den ersten Blick erkennbar, statuiert wird, weil die Gemeindestufe wegfällt. Formulierungsvorschlag für Absatz 1: Der Kanton koordiniert und beaufsichtigt die Kinder- und Jugendzahnpflege. Absätze 2 und 3 wie bisher. 4 Zahnärzte und Zahnärztinnen Mit dem Grundsatz der freien Zahnarztwahl schlecht vereinbar ist, dass es den Zahnärztinnen und Zahnärzte überlassen bleiben soll, ob sie sich an der Kinder- und Jugendzahnpflege, die sie gemäss 1 explizit mittragen, beteiligen wollen oder nicht. Wir empfehlen für Absatz 1 die Beibehaltung der Meldepflicht an Kanton und Gemeinden, damit diese verbindlich Auskunft darüber geben können, wer nach Standards der Jugend- und Zahnpflege behandelt und wer nicht. Wer sich lieber direkt an die gewünschte Ärztin oder den gewünschten Arzt wendet, kann das noch immer tun. Die Kompetenz, Zahnärztinnen und Zahnärzte zu verpflichten, sollte zusammen mit derjenigen zum Ausschluss nicht geeigneter Zahnärztinnen und Zahnärzte der Direktion übertragen werden. So bleibt die Versorgung sichergestellt. Darauf zu verzichten, ist unnötig. Die Ausübung der kantonalen Koordinations- und Aufsichtsfunktionen durch die Direktion heissen wir gut. 6 Berechtigte Kinder und Jugendliche Bezüglich Absatz 3 ist zu betonen, dass die Information allgemein verständlich und vor allem auch für fremdsprachige Personen zugänglich sein muss. Eine explizite Erklärung der gesetzlichen Vertretung ob positiv oder negativ ist zwingend einzufordern. Versäumnisse wegen administrativer Überforderung könnten erhebliche Kosten in der Sozialhilfe generieren. Absatz 4 macht nur Sinn, wenn die betreffenden Zahnärztinnen und Zahnärzte der Gemeinde bekannt sind und entspricht unserer Anregung betreffend Meldepflicht in 4 Absatz 1. 7 Freie Zahnarztwahl Die Regelung findet bezüglich ausserkantonalen und ausländischen Zahnärztinnen und Zahnärzten unsere Zustimmung. Was die im Kanton praxisberechtigten Zahnärztinnen und Zahnärzte betrifft, lässt die gewählte Formulierung genau wie diejenige in 4 Absatz 1 offen, ob mit gegenüber der gesetzlichen Vertretung des Patienten oder der Patientin bereit erklären eine allgemeine und verbindliche Bereitschaft gemeint ist, Kinder und Jugendliche nach
4 dem Tarif der Kinder- und Jugendzahnpflege zu behandeln, oder ob es sich auch um eine individuelle Zusage für den Einzelfall handeln kann, wobei bereits Bonitätsüberlegungen eine Rolle spielen. Letzteres bedeutet eine Verlagerung auf die privatvertragliche Ebene, die wir in diesem Umfang nicht unterstützen. 10 Beitragsberechtigte Leistungen Die Beibehaltung der bisherigen Regelung für Kariesprophylaxe und konservierende Behandlungen ist in unserem Sinne. Die Streichung der kieferorthopädischen Behandlungen aus der Liste der beitragsberechtigten Leistungen lehnen wir hingegen ab. Zahnmedizinisch erforderliche kieferorthopädische Behandlungen sollen beitragsberechtigt bleiben. Mittels blosser Information der Eltern und gesetzlichen Vertretungen lässt sich wohl kaum gewährleisten, dass sämtliche Personen mit geringem Einkommen für ihre Kinder tatsächlich rechtzeitig private Zusatzversicherungen abschliessen. Für Sozialhilfeberechtigte wäre es zudem angebracht, die Zusatzversicherung obligatorisch zu verlangen und die Prämie wie diejenigen für die obligatorische Grundversicherung über die Unterstützung abzudecken. Wäre die Versicherung eines bereits älteren Kindes lückenhaft oder gar nicht erst möglich, müsste mangels Beitragsberechtigung die Sozialhilfe die Kosten übernehmen. 10a Subsidiarität der Beiträge Wir begrüssen die ausdrückliche Regelung der Subsidiarität, insbesondere auch die Ausnahme zugunsten der Sozialhilfe. 11 Voraussetzungen für die Ausrichtung von Beiträgen Die Verbindlichkeit der zahnärztlichen Weisungen für Patientinnen, Patienten und ihre gesetzliche Vertretung stellen wir nicht in Frage. Bezüglich der Anforderung, sich ab Eintritt in den Kindergarten einer Zahnkontrolle zu unterziehen, vermissen wir eine ergänzende Regelung für zugezogene Kinder und Jugendliche. Eventuell lässt sich diese einfach durch eine Ergänzung in Absatz 1 Buchstabe a bewerkstelligen: sich seit dem Eintritt in den Kindergarten bzw. seit dem Zuzug jährlich einer Zahnkontrolle unterzogen hat,. 13 Tarif Der einheitliche eidgnössische Schulzahnpflege-Tarif bietet mehr Sicherheit für die Patientinnen und Patienten als ein dem Markt überlassener Tarif. Ist letzterer erwartungsgemäss deutlich höher als der Sozialversicherungstarif, kürzt die Gemeinde den Beitrag zulasten der Eltern der behandelten Kinder, weil diese ja die Rechnung des Zahnarztes erhalten und so ist es zumindest gedacht begleichen sollen. Welchem Missbrauch soll hier entgegengewirkt werden? Der Anreiz, einen günstigen Leistungserbringer zu wählen ist eine weitere Belastung der betroffenen Familien. Einerseits sollen Delkredere-Risiko und Inkassoaufwand über den Preis der Behandlung abgegolten werden können, andererseits wird Druck auf die Patientinnen und Patienten ausgeübt, Leistungserbringende zu wählen, die das gerade nicht tun. Eine widersprüchliche Regelung, die wir nicht unterstützen. Wir empfehlen dem Regierungsrat, sich weiterhin am Eidgenössischen Schulpflege-Tarif zu orientieren und den zusätzlichen administrativen Aufwand der Zahnärztinnen und Zahnärzte bei der Festlegung des Taxpunktwertes zu berücksichtigen.
5 14 Rechnungsstellung Das angestrebte Ziel ist klar. Tatsächlich dürfte der Systemwechsel aber eher dazu führen, dass bei knappen finanziellen Verhältnissen die Zahnarztrechnungen offen bleiben, bis die Beiträge der Gemeinde geflossen sind. Das wiederum wirkt sich auf die Preise der Behandlungen aus. Die alte Regelung bietet für alle Beteiligten mehr Sicherheit und gewährleistet eine rasche Abwicklung: Zahlung innert 60 Tagen. Es ist zu befürchten, dass dies mit dem neuen System zur Ausnahme werden wird. 15 Höhe der Beiträge Die Abstufung der Beiträge nach der finanziellen Leistungskraft und der Kinderzahl der Familie halten wir für richtig. Ebenso begrüssen wir, dass seitens des Kantons die Grundlagen für eine einheitliche Bemessung geschaffen werden. 16 Ausrichtung der Beiträge An die Stelle eines für die Gemeinden etwas aufwändigen Verfahrens soll ein für die betroffenen Familien kompliziertes Prozedere treten. Die voraussehbaren Verzögerungen durch unvollständige Belege, Nachfragen, Nachdokumentationen etc. dürften Gemeinden, Patientinnen und Patienten nebst gesetzlichen Vertretungen sowie Zahnärztinnen und Zahnärzte gleichermassen verärgern. Wir legen Ihnen aus den zu 14 und 16 dargelegten Gründen nahe, auf den Wechsel zu einem Hol-Prinzip zu verzichten. 23a Übergangsbestimmungen Wie in 11 fehlen hier in Absatz 4 Übergangsbestimmungen für Kinder und Jugendliche, die neu aus dem Ausland zuziehen. Es dürfte für diese Personen schwierig sein, nachträglich kostengünstig private Versicherungen abzuschliessen. Hier müssen Wege gefunden werden, um zu vermeiden, dass die kieferorthopädische Behandlung eines Kindes bei geringem Einkommen fast zwangsläufig zur Sozialhilfe führt. Eine solche Lücke offen zu lassen, widerspricht dem so klaren Bekenntnis zum Subsidiaritätsprinzip in 10a. Für den Einbezug unserer Überlegungen danken wir Ihnen im Voraus bestens. Mit freundlichen Grüssen SP Baselland Regulas Meschberger Präsidentin
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