Ergebnisse der Studie Günstigerer Umgang mit Abi-Stress des Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL)
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- Victor Ulrich Pohl
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1 Ergebnisse der Studie Günstigerer Umgang mit Abi-Stress des Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) Die Phase zwischen Abschluss der Schule und Eintritt ins Berufsleben ist im Leben eines jungen Erwachsenen ein einschneidender Übergang, der von vielen Veränderungen und neuen Herausforderungen geprägt ist. Bei manchen Personen ist diese Phase mit Stresserleben verbunden. Günstig mit diesem emotionalen Stress umgehen zu können, ist hierbei wichtig, um psychische und physische Gesundheit zu erhalten und eine Vorraussetzung für optimale Lernbedingungen für die Abschlussprüfung. Erfolgreicher Umgang mit emotionalisierenden Situationen hat sich in vielen Studien mit guten Schulleistungen und günstiger psychosozialer Anpassung verbunden erwiesen. Das Ziel der Studie war es, angehende Abiturienten, die sich selbst als übermäßig gestresst und angespannt in Prüfungssituationen allgemein und besonders in Hinblick auf das bevorstehende Abitur einschätzten, im letzten Schuljahr mit Fragebögen zu begleiten. Es sollte erfasst werden, wie sich die Symptombelastung (selbst eingeschätzte Depressivität, ungewollte Gedanken, etc.) im Verlauf der 13. Jahrgangsstufe im Hinblick auf das immer näher rückende Abitur entwickeln. Zusätzlich wurde auch ein kurzes Training angeboten, das ihnen helfen sollte, besser mit ihrem erlebten Stress und Anspannung umzugehen. Der Hintergrund dafür ist, dass sich Schreiben über belastende Situationen als hilfreich für eine günstige Verarbeitung derartiger Erlebnisse erwiesen hat. Darüber hinaus nahm ein Teil der Jugendlichen an zwei Messungen im Kernspintomographen (Abb. 1) teil (vor und nach dem Training). Die Hirnaktivität wurde gemessen während sich die Teilnehmer mit prüfungsbezogenen, emotional negativen Wörtern gedanklich auseinandersetzten. Es interessierte hierbei die neuronale Aktivierung während der Beschäftigung mit emotional negativen Wörtern und ob eine unterschiedliche neuronale Aktivierung vor und nach dem Training beobachtet werden kann. Dabei kann aufgrund des Ortes der Aktivierung unterschieden werden, ob eher rationalgedankliche oder emotionale Vorgänge vorherrschen und wie diese unter unterschiedlichen Bedingungen variieren. Fehler! Universität Ulm ZNL, Beim Alten Fritz 2, Ulm Katja Ehrhard, Dipl. Psych. Hanna Lo, Dipl. Psych. Abteilung Psychiatrie III OA Dr. Roberto Viviani Universität Fribourg, Schweiz Abteilung Klinische Psychologie Dr. Andrea B. Horn, Dipl. Psych. Abbildung 1: Kernspintomograph
2 Teilgenommen haben 48 SchülerInnen (15 Jungen, 33 Mädchen; im Schnitt 18 Jahre) aus 7 Ulmer und Neu-Ulmer Gymnasien, die im Schuljahr 2005/2006 die 13. Jahrgangsstufe besuchten. Das Training Bei dem Training wurden die Teilnehmer gebeten, an vier aufeinander folgenden Tagen (Montag bis Donnerstag) immer zur selben Zeit im Transferzentrum 20 Minuten am Stück anonym in einer abgeschirmten Ecke am PC zu schreiben. Es wurden 2 unterschiedliche Arten des Trainings durchgeführt: Expressives Schreiben und Zeitmanagement. Bei ersterem wurden die Teilnehmer gebeten, sich mit ihren Gedanken und Gefühle in Bezug auf das Abitur auseinanderzusetzen und darüber zu schreiben. Beim Zeitmanagement schrieb die andere Hälfte der Teilnehmer über den Umgang mit der Zeit und das persönliche Zeitmanagement im Hinblick auf die Prüfungsvorbereitung. Alle Teilnehmer wurden den Gruppen zufällig zugeteilt. Befragungen zu allgemeinem Wohlbefinden, Stimmung, Sorgen und Gedanken fanden an vier Terminen statt: vor und nach dem Training, ein Viertel Jahr später sowie direkt nach dem Abitur (siehe Abb. 2). Damit sollte das Wohlbefinden und Symptombelastung der Schülerinnen und Schüler im Verlauf erfasst werden. Graphischer Überblick über den Ablauf der Studie Gesamtstichprobe N=48 T1 Direkt nach Sommerferien T2 Anfang Schuljahr 05/06 Herbst Messzeitpunkt 1 Informationsgespräch 1. Kernspinmessung 1. Fragebögen T3 Vor Herbstferien Training N = 48 Expressives Schreiben N = 23 Zeitmanagement N = 25 T4 Vor Weihnachten bis Anfang Februar T5 März ABITUR T6 Nach Abitur Sommer 2006 Messzeitpunkt 2 Messzeitpunkt 3 Messzeitpunkt 4 2. Kernspinmessung 2. Fragebögen 3. Fragebögen 4. Fragebögen Abbildung 2: Studiendesign/zeitlicher Verlauf
3 Ergebnisse Symptombelastung Betrachtet man sich die Symptombelastung der Abiturienten im zeitlichen Verlauf fällt auf, dass die Belastung hin zum Abitur deutlich ansteigt. Dies ist ein Phänomen, dass sich in verschiedenen Symptombereichten zeigt: Hin zum Abitur wurden die Jugendlichen im Schnitt ängstlicher, zeigen mehr depressive Symptome, sorgen sich mehr, müssen öfter ungewollt an die Prüfungen denken und versuchen gleichzeitig mehr die Gedanken daran zu meiden (siehe Abbildung 3) Abitur Abb. 3a) Verlauf der ungewollten Gedanken an das Abitur bei allen Teilnehmern Abitur Abb. 3b) Verlauf der Vermeidung von Gedanken an die Prüfungen bei allen Teilnehmern Messzeitpunkte: 1: 6 Monate; 2: 3 Monate; 3: wenige Wochen vor Abitur; 4: nach Abitur
4 6 Monate vor dem Abitur berichteten 10 % der teilnehmenden Abiturienten einen klinisch auffälligen Wert an selbst berichteten depressiven Symptomen, dieser Anteil steigt auf 20% kurz vor dem Abitur, um dann auf null nach dem Abitur zu sinken. Gleichzeitig geben die Abiturienten im Schnitt mit steigender zeitlicher Nähe auf das Abitur an, weniger über positive Umdeutung denn über aktive Bewältigung mit der Situation umzugehen. Effekte der beiden Arten des Schreibtrainings Noten und Fehlzeiten Die Jugendlichen, die über die emotionalen Aspekte des Abiturs schrieben, zeigen im Schnitt unter Kontrolle der Ausgangswerte bessere Noten und weniger Fehlzeiten als die Schüler, die zu ihrem Zeitmanagement unter denselben Bedingen geschrieben hatten. Diese Ergebnisse erreichen allerdings im Hinblick auf die kleine Anzahl der teilnehmenden Schüler und Schülerinnen plausibel keine statistische Signifikanz (siehe Abbildungen 4 und 5) und sind somit mit Vorsicht zu interpretieren. Abbildung 4: Notendurchschnitt der Hauptfächer in 12/13 und die Abiturdurchschnittsnote aufgeteilt auf die jeweilige Trainingsart Abbildung 5: durchschnittliche Fehlzeiten (in Stunden) von 12 zu 13 aufgeteilt auf die jeweilige Trainingsart
5 Ergebnisse auf neurowissenschaftlicher Ebene Auf neurowissenschaftlicher Ebene sollte untersucht werden, ob der Umgang mit emotional negativ besetzten selbstwertbedrohlichen Inhalten im Kontext des Abiturs beeinflusst werden kann. Den Studienergebnisse zu Folge ist die Reaktion weniger emotionalisiert, wenn versucht wurde, gedanklich eine weniger bedrohliche Perspektive einzunehmen. Ein Beispiel für eine solche gedankliche Umbewertung der Situation wäre Gedanken von Ich werde bestimmt versagen zu Ich bin vielleicht aufgeregt, aber bisher habe ich es immer noch geschafft umzuformulieren. Der Effekt der gedanklichen Umbewertung zeigt sich auch in der neuronalen Aktivierung bestimmter Hirnregionen und zwar im so genannten limbischen System, einem System das mit schnellen, automatischen emotionalen Reaktionen zusammenhängt (siehe Abbildung 6 a). Tatsächlich zeigen sich Unterschiede in der neuronalen Aktivierung zwischen den Jugendlichen, die über die emotionalisierenden Aspekte des Abiturs geschrieben haben und der Gruppe, die über ihr Zeitmanagement schrieb. Beim Versuch des Betrachten von selbstwertbedrohlichen Wörtern gedanklich eine andere, hilfreichere Perspektive einzunehmen, sind nach dem Schreiben über die Gedanken und Gefühle zum Abitur bestimmte Hirnregionen weniger aktiviert, die mit automatischen emotionalen Reaktionen und der Verbindung mit eigenen emotionalen Erinnerungen in der Vergangenheit zusammenhängen (siehe Abbildung 6 b). Abbildung 6 a): Hippocampus, Teil des limbischen Systems wichtig beim Abruf persönlicher und emotionaler Gedächtnisinhalte Aktivierung bei allen Teilnehmern vor dem Training Abbildung 6 b): Hippocampusregion, die bei Teilnehmern, die über Gedanken und Gefühle geschrieben haben bei der zweiten Messung weniger aktiviert wird, als bei den Teilnehmern, die über ihr Zeitmanagement geschrieben haben
6 Fazit: Das Abitur ist ein massiver Stressor und man muss mit erheblicher Symptombelastung insbesondere bei zu Prüfungsängstlichkeit neigenden Jugendlichen rechnen. Einen konfrontativen, positiven gedanklichen Umgang mit der Belastung zu finden ist gut investierte Energie, denn es zeigt sich, dass das Einnehmen einer hilfreicheren Perspektive schon auf neuronaler Ebene Effekte zeigt. Diese Effekte können noch verstärkt werden, wenn man sich schriftlich mit den Gedanken und Gefühlen zur bevorstehenden Prüfung auseinandersetzt.
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