Aarau, 24. Juni
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- Gudrun Winter
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1 Regierungsrat Interpellation der SP-Fraktion vom 5. Mai 2009 betreffend Bewilligungspraxis des Departements Bildung, Kultur und Sport (BKS) für Privatschulen und betreffend Ausbreitung des kreationistischen Gedankenguts im Schulbereich; Beantwortung Aarau, 24. Juni I. Text und Begründung der Interpellation wurden den Mitgliedern des Grossen Rats unmittelbar nach der Einreichung zugestellt. II. Der Regierungsrat antwortet wie folgt: Zur Frage 1 "Hat der Regierungsrat Kenntnis von einem Betriebsbewilligungsgesuch einer Privatschule in Gränichen?" Der Trägerverein "schulalternative aargau/solothurn" hat dem Erziehungsrat am 17. April 2009 ein Gesuch zur Führung der Privatschule "salta" für die Primarschule in Gränichen eingereicht. Zur Frage 2 "Gemäss 58 Abs. 2 des Schulgesetzes vom 17. März 1981 legt der Regierungsrat für Privatschulen "zur Sicherung einer den öffentlichen Schulen gleichwertigen Ausbildung" die Bewilligungsvoraussetzungen fest. Welche Bewilligungsvoraussetzungen gelten zur Zeit der Einreichung dieses Vorstosses, und haben diese in den letzten Jahren massgebliche Änderungen erfahren? Wenn ja, welche?" Die Bewilligung zur Führung einer Privatschule gestützt auf 58 des Schulgesetzes vom 17. März 1981 (SchulG; SAR ) und 44a der Verordnung über die Volksschule vom 29. April 1985 (V Volksschule; SAR ) setzt voraus, dass eine Privatschule, in denen Kinder und Jugendliche ihre Schulpflicht erfüllen, in Bezug auf die Bildungsziele, den Lehrplan, die Ausbildung der Lehrpersonen und die räumlichen Anforderungen den öffentlichen Schulen zu entsprechen hat. Zudem muss die jeweilige Trägerschaft vertrauenswürdig sein
2 - 2 - und Gewähr dafür bieten, dass die Schülerinnen und Schüler nicht Einflüssen ausgesetzt werden, die denjenigen Zielen der öffentlichen Schulen zuwiderlaufen, die sich aus der Präambel des Schulgesetzes ergeben. Zweck der Bewilligung ist, dass private und öffentliche Schulen in grösstmöglichem Mass durchlässig und gegenseitig kompatibel sind, damit den Schülerinnen und Schülern Wechsel und Übertritte grundsätzlich jederzeit möglich sind. Diese gesetzlich verankerten Bewilligungsvoraussetzungen gelten seit dem 1. August Zur Frage 3 "Gemäss Schulgesetz bedürfen Privatschulen, in denen Kinder ihre Schulpflicht erfüllen, der Bewilligung des Erziehungsrats. Erfüllt die erwähnte Privatschule aus Sicht des Regierungsrates die erforderlichen Kriterien zur Erteilung einer entsprechenden Bewilligung?" Im vorliegenden Fall wurde das eingereichte schulische und pädagogische Konzept des Gesuchstellers hinsichtlich der vorerwähnten Bewilligungsvoraussetzungen überprüft. Der Erziehungsrat ist an seiner Sitzung vom 15. Mai 2009 zum Schluss gelangt, dass die Voraussetzungen erfüllt sind und die Bewilligung erteilt wird mit den folgenden üblichen Auflagen: Die Bewilligung wird vorerst befristet für die Schuljahre 2009/10 bis 2011/12 erteilt. Zudem wird die Privatschule der Aufsicht des Inspektorats Volksschule des Kantons Aargau unterstellt. Das Gesuch des Vereins "schulalternative aargau/solothurn" hat während der letzten Wochen eine breite öffentliche Diskussion ausgelöst bezüglich Vermittlung der Schöpfungslehre an öffentlichen und privaten Schulen. Um die Entwicklungen an der Schule genauer zu beobachten, hat der Erziehungsrat die Abteilung Volksschule respektive das Inspektorat beauftragt, die Startphase der Privatschule aufmerksam zu begleiten. Für das 1. Quartal des Schuljahrs 2009/10 sind Besuche durch den zuständigen Erziehungsrat und die Leiterin der Sektion Aufsicht und Beratung der Abteilung Volksschule geplant. Diese beinhalten Unterrichtsbesuche und Gespräche mit der Trägerschaft, der Schulleitung und den Lehrpersonen. Während des Schuljahrs wird die Schule mehrmals durch die für Privatschulen zuständige Inspektoratsperson besucht. Am Ende des Schuljahrs verfasst sie zuhanden des Erziehungsrats einen Bericht.
3 - 3 - Zur Frage 4 "Hat der Regierungsrat Kenntnis davon, ob die in den Medienberichten erwähnten Aussagen, in der Privatschule würde "neben der Evolutions- auch die Schöpfungsgeschichte auf dem Lehrplan" stehen, den Tatsachen entsprechen?" Die in den Medienberichten erwähnten Aussagen decken sich nicht mit dem eingereichten pädagogischen Konzept der "salta", welches sich nach dem Lehrplan der Primarschule des Kantons Aargau richtet. Zur Frage 5 "Bestehen Hinweise darauf, dass in der Privatschule die Evolutionstheorie und die Schöpfungsgeschichte gleichberechtigt im Fach Biologie unterrichtet werden sollen?" Der Regierungsrat hat keine Hinweise darauf. Die Evolutionslehre ist kein Lerninhalt der Primarschule. Dementsprechend erscheint sie auch nicht im vorgelegten Konzept. Hingegen sieht der Lehrplan für die Klasse aber vor, dass im Fach Ethik und Religionen die Schöpfungslehre vermittelt wird. Zur Frage 6 "Lässt sich der Eindruck, dass sich der Kreationismus immer stärker ausbreitet und nun auch das Aargauer Bildungswesen zu erreichen scheint, bestätigen? Wie stellt sich der Regierungsrat grundsätzlich zu dieser Entwicklung?" Der Regierungsrat wertet die Tatsache, dass ein christlich orientierter Trägerverein um die Bewilligung zur Führung einer Privatschule ersucht, nicht als Bestätigung für die Ausbreitung des Kreationismus im Bildungswesen. Er verfolgt die Entwicklung sowohl der Privatschule "salta" wie auch die des Kreationismus aber aufmerksam. Zur Frage 7 "Kann nach Ansicht des Regierungsrats eine Schule, die induktiv erschlossene, naturwissenschaftliche Theorien nicht von deduktiv, aus Dogmen abgeleiteten religiösen Glaubenssätzen unterscheiden kann, die wissenschaftliche Ausbildung der Kinder und Jugendlichen garantieren?" Die Volksschule hat die Aufgabe, die Kinder und Jugendlichen gemäss ihren Fähigkeiten zu fördern und zu unterstützen sowie ihnen die Grundausbildung zu vermitteln. Es geht also auf dieser Stufe nicht um eine wissenschaftliche Ausbildung.
4 - 4 - Das Konzept der Privatschule "salta" richtet sich nach dem Lehrplan der Primarschule des Kantons Aargau. Deshalb ist der Regierungsrat der Ansicht, dass die Privatschule den Auftrag der Volksschule erfüllen kann. Zur Frage 8 "Der Europarat (Doc vom 8. Juni 2007) nimmt die Ausbreitung kreationistischen Gedankenguts in europäischen Schulen besorgt zur Kenntnis. Teilt der Regierungsrat die Einschätzung, dass kreationistische Konzepte nur im Religionsunterricht, nicht aber in anderen Fächern besprochen werden sollten, und teilt er die Besorgnis des Europarats?" Der Regierungsrat ist der Meinung, dass kreationistische Konzepte im Fach Ethik und Religionen besprochen werden sollen. Der Lehrplan in diesem Fach sieht vor, dass Schülerinnen und Schüler sich mit anderen Werten und Normen auseinandersetzen und diese als gleichwertig achten. Zugleich sollen sie aber eine kritische Haltung gegenüber totalitärem und fundamentalistischem Gedankengut erwerben. Der Regierungsrat teilt die Einschätzung des Europarats und verfolgt die Entwicklung des Kreationismus aufmerksam. Es gibt aber zurzeit keine konkreten Hinweise darauf, dass dieser in die Aargauer Volksschule vordringt. Zur Frage 9 "Falls ja, hat diese Einschätzung Auswirkungen auf die Beurteilung von Gesuchen zur Erteilung einer Betriebsbewilligung? Welche wären dies? Falls nein: Weshalb nicht resp. welche gesetzlichen Vorgaben müssten entsprechend geändert werden?" Der Regierungsrat sieht zurzeit keinen Bedarf, die rechtlichen Grundlagen bezüglich Bewilligungsvoraussetzungen zur Führung einer Privatschule zu ändern. Zur Frage 10 "Befürwortet der Regierungsrat die grundsätzliche Trennung von Kirche und Staat? Ist das laizistische Prinzip im Aargau gültig? Falls ja, wie kann diesem Prinzip in diesem konkreten Fall Nachachtung verschafft werden?" a) Art. 72 der Schweizerischen Bundesverfassung vom 18. April 1999 überlässt die Regelung des Verhältnisses von Kirche und Staat im Grundsatz den Kantonen, was eine Vielfalt bei der kantonalen Ausgestaltung der Beziehung zwischen Kirche und Staat zur Folge hat. Gemäss den der Verfassung des Kantons Aargau vom 25. Juni 1980 hat sich das Stimmvolk des Kantons Aargau wie die meisten Kantone für ein System entschieden, das
5 - 5 - keine strikte Trennung (wie beispielsweise in den USA nach dem "First Amendment") zwischen Kirche und Staat vorsieht. Selbst im Kanton Neuenburg, der in seiner Verfassung die Trennung von Kirche und Staat verankert hat, wird unter anderem die römisch-katholische Kirche als "Institution öffentlichen Interesses" anerkannt, wobei der Staat nicht nur Kirchensteuern einziehen, sondern auch die von anerkannten Kirchen erbrachten Leistungen mit staatlichen Beiträgen unterstützen kann. Auch wenn sich mit den jüngeren Verfassungsrevisionen generell eine starke Angleichung der kantonalen Regelungen in Richtung einer Entflechtung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat abzeichnet, erscheint die geltende Religionsverfassung des Kantons Aargau nach wie vor als zeitgemäss, im Sinne des öffentlichen Interesses und ausgewogen, sehen doch die einschlägigen Verfassungsnormen, trotz verfassungsunmittelbarer Anerkennung der evangelisch-reformierten, der römisch-katholischen und der christkatholischen Kirche als Landeskirchen, von einer organisatorischen Vermischung kirchlicher und staatlicher Institutionen ab. Der Regierungsrat sieht daher weder einen Handlungsbedarf bezüglich einer weiter gehenden Trennung von Kirche und Staat noch einen Handlungsbedarf in umgekehrter Richtung. b) Soweit die Interpellantin mit dem Begriff des "Laizismus" von der vom französischen Pädagogen und Friedensnobelpreisträger Ferdinand Buisson geprägten Wortschöpfung ausgeht und damit über die Frage nach der Trennung von Kirche und Staat hinaus konkret den religionsfreien Schulunterricht anspricht, kann die Frage nach der Gültigkeit dieses Prinzips im Kanton Aargau für den Bereich der öffentlichen Schule insoweit bejaht werden, als der Lehrplan mit dem Fach "Ethik und Religionen" einen konfessionell und religiös neutralen Unterricht gebietet (im Sinne der Ausführungen des Bundesgerichts in BGE 118 Ia 46, 58). Demgegenüber verbietet die aargauische Gesetzgebung nicht per se religiös ausgerichtete Privatschulen ( 33 Kantonsverfassung [KV]; 58 Abs. 2 SchulG in Verbindung mit 44a der Verordnung über die Volksschule vom 29. April 1985 [SAR ]). Zentraler Punkt für die Bewilligung einer Privatschule ist denn auch weder deren konkrete religiöse, politische oder weltanschauliche Ausrichtung (im Rahmen von Verfassung und Gesetz), sondern vielmehr die diesbezügliche Transparenz gegenüber den interessierten Schülerinnen und Schülern beziehungsweise deren Eltern. Die Kosten für die Beantwortung dieses Vorstosses betragen Fr REGIERUNGSRAT AARGAU
Aarau, 24. Juni 2009 09.158
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