ensemble magazin 2 / 2007 Ausgabe 2 / 2007 Â Inhalt bestellen Â Powered by Joomla! Generiert: 1 July, 2016, 00:53

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2 Leseprobe: Altmodisch und modern PRAZÃ K QUARTETT Von: Robert Nemecek Die Karriere des vor nunmehr 35 Jahren gegrã¼ndeten PrazÃ k Quartetts gleicht einem Leben auf der Ãœberholspur. Von den renommiertesten Musikern der ehemaligen Tschechoslowakei ausgebildet, erwarb sich das Quartett schon frã¼h den Ruf, eines der besten Nachwuchs-Ensembles des Landes zu sein. Seit seinem Sieg beim Streichquartett- Wettbewerb in Evian 1978 genoss das PrazÃ k Quartett alle Privilegien, die man als KÃ¼nstler in der sozialistisch regierten Tschechoslowakei nur haben konnte. RegelmÃ ÃŸige Auftritte im Ausland sowie Schallplattenaufnahmen festigten alsbald sein internationales RenommÃ. Heute zã hlt das PrazÃ k Quartett, das beim Label Praga Digitals unter Vertrag steht, zu den international fã¼hrenden Streichquartettformationen. Starker Beginn Eigentlich fing alles ganz unspektakulã r an. Unter FederfÃ¼hrung des jungen, hochbegabten Cellisten Josef PrazÃ k taten sich im Jahre 1972 vier junge Musikstudenten des berã¼hmten Prager Konservatoriums zusammen, um ein paar Streichquartette einzuã¼ben. Das klappte so gut, dass man sich dazu entschloss, zusammen zubleiben und die Einstudierung von Streichquartetten fortzusetzen. Das Vorhaben wurde sogleich von prominenten ReprÃ sentanten der tschechischen Quartettkunst, dem Vlach Quartett und dem Prager Quartett, nach KrÃ ften unterstã¼tzt und zeigte schon bald erste Erfolge. â žwir hatten einen richtig guten Startâ œ, erinnert sich Josef Kluson, der Bratschist des Ensembles. Als krã nenden Abschluss ihres Studiums im Jahre 1974 gewann das Quartett den 1. Preis des Kammermusikwettbewerbs des Prager Konservatoriums. Kurz darauf flatterte schon die erste Einladung zu einem Auftritt beim Prager FrÃ¼hling 1975 ins Haus. Ihm folgten zahlreiche Einladungen ins Ausland. Nur drei Jahre spã ter, 1978, kam dann mit dem 1. Preis beim Concours Evian und dem Spezialpreis von Radio France fã¼r die beste Wettbewerbsaufnahme der definitive internationale Durchbruch. Jetzt konnte die internationale Konzertkarriere beginnen.

3 Gleichzeitig setzten die Musiker ihre Ausbildung an der Prager Akademie fort. Dort war es vor allem AntonÃ n Kohout, der Cellist des berã¼hmten Smetana-Quartetts (bis 1989), der sich der jungen Musiker annahm. Ãœbereinstimmend bezeichnen ihn die PrazÃ k-mannen als eine der prã genden KÃ¼nstlerpersÃ nlichkeiten ihrer Laufbahn. â žes warâ œ, so Kluson, â ždie beste Ausbildung, die man in der damaligen Tschechoslowakei Ã¼berhaupt bekommen konnte.â œ 1979 konnte das Quartett endgã¼ltig als selbstã ndiges Ensemble ins internationale Musikleben entlassen werden, und mit dem Gewinn des Prager-FrÃ¼hling-Preises 1979 stellte es noch im selben Jahr unter Beweis, dass es fã¼r diese Aufgabe gut gerã¼stet war. Zu jener Zeit war auch die Personenfrage praktisch gelã st. VÃ clav Remes, 1. Violine, Vlastimil Holek, 2. Violine, Josef Kluson, Viola, und Josef PrazÃ k, Violoncello, bildeten ein hervorragend aufeinander abgestimmtes Team, bei dem auch menschlich alles stimmte. Es wã re wohl auch bis heute bei dieser Konstellation geblieben, hã tte nicht Josef PrazÃ k 1986 aus gesundheitlichen GrÃ¼nden aufhã ren mã¼ssen. Die Suche nach einem gleichwertigen Ersatz gestaltete sich zum GlÃ¼ck unproblematischer als gedacht. Die Musiker waren noch im selben Jahr auf einen jungen Cellisten namens Michal Kanka aufmerksam geworden, der als Gewinner eines groãÿen Wettbewerbs von sich reden gemacht hatte. Schon nach den ersten Minuten des Probespiels wussten sie, dass sie fã¼r Josef PrazÃ k einen wã¼rdigen Nachfolger gefunden hatten. Seitdem hat sich an der Besetzung nichts mehr geã ndert. Reisen und Privilegien Seit seinem fulminanten DebÃ¼t beim Prager FrÃ¼hling 1975 genoss das Ensemble in der sozialistisch regierten Tschechoslowakei Privilegien, von denen andere nur trã umen konnten. Das grã ÃŸte Privileg war zweifellos die Reisefreiheit. Schon zu Studienzeiten durften die PrazÃ ks reisen, wohin sie wollten â jedenfalls sofern eine Einladung vorlag. Allerdings war jede Reise an Bedingungen geknã¼pft, die vor allem den Umgang mit Geld betrafen. So wurden die Musiker verpflichtet, das verdiente Geld zurã¼ckzubringen und bei der allmã chtigen â und einzigen â Agentur Pragokoncert abzugeben. Daraus wurde ein bestimmter prozentualer Anteil ausgerechnet, den man in sogenannten Bons ausgezahlt bekam, mit denen man in LÃ den mit westlicher Ware einkaufen durfte. AuÃŸerdem wurde verlangt, sich bei EinkÃ ufen im Ausland auf das NÃ tigste zu beschrã nken. AmÃ¼siert berichtet Michal Kanka von einem Fall, bei dem man den Erwerb einer Hose bemã ngelte. Den Gedanken, einfach im Ausland zu bleiben, haben die PrazÃ k-musiker Ã¼brigens nie ernsthaft in ErwÃ gung gezogen. Wozu auch? â žuns ging es ja nicht schlecht, und in den Westen reisen konnten wir auchâ œ, gibt Josef Kluson zu bedenken. Besonders beliebt waren Frankreich, Deutschland und Amerika. Deutschland fã¼hlen sich die Musiker nicht zuletzt deshalb besonders verbunden, weil sie schon kurz nach ihrem ersten Gastspiel von einer KÃ lner Agentur unter Vertrag genommen wurden, und weil sie hier meis-tens sehr gute Kritiken bekamen. DafÃ¼r sind die Musiker bis heute dankbar. An Frankreich schã tzen sie neben dem â žsavoir vivreâ œ die Offenheit des Publikums, das auch ungewohntes und schwieriges Repertoire goutiert. WÃ hrend man sowohl in Tschechien als auch in den USA mit einem Quartett von SchÃ nberg noch heute auf UnverstÃ ndnis stã ÃŸt, gibt es damit in Frankreich Ã¼berhaupt keine Probleme. Durch die vor wenigen Jahren geknã¼pfte Verbindung zum franzã sischen Label Harmonia Mundi, das den Vertrieb von Praga Ã¼bernahm, sind die Kontakte zu diesem Land noch enger geworden. Das Quartett hat dort derzeit auch die meisten Konzerte und sobald eine neue CD erscheint, wird sie sogleich in mehreren Zeitschriften besprochen. Auch Amerika zã hlt seit jeher zu den bevorzugten ReiselÃ ndern. Die Musiker kennen das Land seit den frã¼hen achtziger Jahren und kã nnen dort auf eine feste Fangemeinde zã hlen. Mittlerweile fahren sie nur noch alle zwei Jahre nach Ãœbersee, dann allerdings gleich zweimal hintereinander. Insgesamt absolviert das Ensemble derzeit 80 Konzerte pro Jahr, davon fã¼nf in Tschechien. Man wolle sich in Prag, wo etwa 10 Quartette beheimatet sind, â žnicht gegenseitig auf die FÃ¼ÃŸe tretenâ œ, erlã utert VÃ clav Remes die ZurÃ¼ckhaltung. Aufnahmen Der privilegierte Status umfasste natã¼rlich auch die MÃ glichkeit, Aufnahmen zu machen. Immer wieder, wenn das Quartett einen Preis eingeheimst hatte, wurde in Zusammenarbeit mit Panton oder Supraphon eine LP mit den beim Wettbewerb vorgetragenen Werken produziert. Seitdem sind die Musiker unzã hlige Male ins Studio gegangen und entsprechend umfangreich ist die Diskografie. Nachdem das Ensemble vor einigen Jahren bei dem von Frankreich aus

4 gefã¼hrten Label Praga Digitals/Harmonia Mundi vor Anker gegangen ist, hat sich die Produktionsfrequenz sogar noch erhã ht. Zurzeit entstehen jedes Jahr im Durchschnitt drei neue CDs. â ždas ist viel Arbeitâ œ, seufzt Michal Kanka. Aber der SpaÃŸ daran Ã¼berwiegt, zumal fã¼r die Aufnahmen ein erfahrenes Technikerteam zur VerfÃ¼gung steht, mit dem die Musiker seit vielen Jahren zusammenarbeiten. In dieser Zeit ist das gegenseitige Vertrauen gewachsen, die Kooperation funktioniert reibungslos, und die Resultate kã nnen sich hã ren lassen â kaum eine CD, die nicht mindestens einen renommierten Preis erhalten hã tte. Bei der Gesamtaufnahme aller Streichquartette von Beethoven vor drei Jahren ist man auf die SACD-Technik umgestiegen, die ein viel intensiveres Raumerlebnis sowie eine grã ÃŸere Transparenz bietet. Wenn Josef Kluson davon erzã hlt, kommt er ins SchwÃ rmen: â žda hã rt man jetzt aber auch wirklich alles!â œ Repertoire Wie zu erwarten, nimmt die tschechische Musik im Repertoire des PrazÃ k Quartetts breiten Raum ein. Die Kammermusik fã¼r Streicher von Smetana, DvorÃ k und JanÃ cek kã nnen die Musiker im Schlaf. Hinzu kommen Werke hierzulande weniger bekannter Komponisten wie RychlÃ k, KlusÃ k oder auch Jindrich Feld, der dem Ensemble sein sechstes Streichquartett gewidmet hat. Gleichwohl steht die tschechische Musik nicht mehr so im Mittelpunkt wie frã¼her. Schon wã hrend des Studiums setzten die Musiker des Quartetts auch andere Akzente, zum Beispiel die Zweite Wiener Schule. Als sie damit zum Unterricht kamen, habe man sie ausgelacht, erinnert sich Josef Kluson. Das hat die Musiker aber erst recht angespornt, das so gut wie unbekannte Wiener Terrain zu erforschen. Gemeinsam beschlossen sie, die KoryphÃ e in Sachen Zweite Wiener Schule schlechthin, Walter Levin, in Cincinnati aufzusuchen, um mit ihm an Bergs â žlyrischer Suiteâ œ zu arbeiten. Sie waren damit das erste tschechische Ensemble, das dieses Hauptwerk der Moderne einstudiert und Ã ffentlich gespielt hat. Das Ergebnis ist auf einer vor sieben Jahren bei Praga Digitals produzierten Aufnahme festgehalten und bietet eine Darstellung, die in ihrer Verbindung von staunenerregender SouverÃ nitã t, sonorer Klanglichkeit und hoher emotionaler Dichte den besten Interpretationen ebenbã¼rtig ist. Von Berg ausgehend haben sich die Musiker Schritt fã¼r Schritt auch den anderen drei Wienern genã hert: SchÃ nberg, Webern und Zemlinsky. So ganz ohne Blessuren ging das freilich nicht ab. Am meisten habe ihnen SchÃ nbergs 4. Streichquartett abverlangt. Aber da hã tten sie dann eben mittels Vibrato ein wenig nachgeholfen, es â žvermenschlichtâ œ, w Michal Kanka sich ausdrã¼ckt, und dann sei es â žwieder gutâ œ gewesen. Der PrzÃ k-stil Das sagt schon einiges Ã¼ber die PrazÃ kâ sche KlangÃ sthetik, die mit ihrem Beharren auf den schã nen Ton und das harmonische Zusammenwirken der vier Stimmen auf sympathische Weise altmodisch wirkt. Das Smetana- und das Vlach-Quartett haben hier zweifellos ihre Spuren hinterlassen. Dabei haben die Musiker lange nach einem charakteristischen Klang gesucht. â žman soll ja sofort erkennen, dass da das Prazak-Quartett spieltâ œ, meint VÃ clav Remes Auf der Suche nach dem unverwechselbaren Klang stieãÿen sie auf das Quartetto Italiano, das jedes Jahr einmal in Prag gastierte, und waren fasziniert. â ždie hatten so wunderbare Instrumente, von denen jedes einen ganz individuellen Klang hatte, und doch brachten sie zusammen einen so herrlichen Quartettklang hervor, dass wir uns daran nicht satt hã ren konntenâ œ (Kluson). Das zweite Vorbild war das Alban Berg Quartett, dessen â žhochexpressive, ungemein lebendige Musizierweiseâ œ (Remes) die Musiker auf Anhieb in ihren Bann schlug. All diese Ensembles haben die Musiker maãÿgeblich geprã gt und sind in den ganz eigenen, den PrazÃ k-stil eingegangen, der traditionell und modern zugleich ist, sonor und einschmeichelnd, aber auch schlank, rhythmisch pulsierend und biegsam. Am 9. Februar gastierte das Quartett im Neusser Zeughaus. Eine gute Gelegenheit, um zu Ã¼berprÃ¼fen, ob die Musiker live genauso gut sind wie auf CD. Sie sind es â und noch besser! Haydns D-Dur-Quartett op. 76 wurde so frisch und ungezwungen musiziert. â žpapa Haydnâ œ musste drauãÿen bleiben. In Smetanas 2. Streichquartett zeigten die Musiker dass sie mã¼helos zwischen extremen Ausdrucksbereichen vermitteln kã nnen. Heiter-beschwingte Polka-KlÃ nge im ersten, dã monische Wildheit im 3. Satz, nervã ses Changieren zwischen Hell und Dunkel im Final-Presto. NatÃ¼rlich hatten die Musiker diese Musik vorher schon unzã hlige Male gespielt, lieãÿen aber keine Sekunde lang das GefÃ¼hl von bloãÿer Routine aufkommen. Leos JanÃ ceks 2. Streichquartett geriet sogar noch eine Spur erregter, noch mitreiãÿender. VÃ clav Remes drehte sich bei besonders ausdrucksvollen Solopassagen manchmal zum Publikum, so als hã tte er sagen wollen: â žhã rt doch, welch eine wunderbare Musik!â œ Zum Schluss der erwartete Riesenapplaus, nach dem sich das PrazÃ Quartett gleichsam augenzwinkernd mit dem tã nzerischen Finalsatz aus DvorÃ ks 12. Quartett, dem â žamerikanischenâ œ, vom begeisterten Publikum verabschiedete.

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