Kleine Übersicht zum Sammelgebiet Russland/Sowjetunion Teil 2 RSFSR - Abschnitt 4: Bürgerkriegs- und Lokal-Ausgaben

Transkript

1 4) Post der Bürgerkriegsparteien RSFSR Nach der Oktoberrevolution 1917, der Absetzung der bürgerlichen Regierung und der Ermordung der Zarenfamilie nach Ausrufung der Sowjet-Republik ging der Machtübergang keinesfalls reibungslos von statten. In vielen Teilgebieten des weiten Landes wehrten sich örtliche Autoritäten und konterrevolutionäre Kräfte gegen die neuen Machthaber, vor allem zarentreue Generäle versuchten, die Lage noch zu ändern und setzten ihre weißgardistischen Armeen für den Kampf gegen die Sowjet- Regierung in Moskau ein. Zeitweise beherrschten sie weite Teile Russlands, gründeten staatsähnliche Gebilde und übten in ihrem Einflussbereich auch die Posthoheit aus, wofür sie auch eigene Marken auflegten. Drei Schwerpunkte hatten sich gebildet: Im Norden und Westen, in Weißrussland und im Baltikum mit den Generälen Awaloff-Bermondt, Miller und Judenitsch. Im Süden im Don-Gebiet um Rostow, auf der Krim und im Kuban-Gebiet mit den Generälen Denikin und Wrangel. Im europäischen Teil endete der Bürgerkrieg schließlich im Nov mit der Räumung der Krim durch General Wrangel. In Sibirien wurden große Gebiete vom Amur bis nach Wladiwostok durch die weißrussischen Generäle Koltschak, Semenov und Diederichs besetzt und gegen die Bolschewisten verteidigt. In Wladiwostok bestand erst eine bürgerliche Republik, später dann eine sowjetisch abhängige Republik des Fernen Ostens, die dann in der RSFSR aufging. Gleichzeitig lösten sich viele Länder von Russland und gründeten eigene bürgerliche Republiken, insbesondere im Kaukasus Länder wie Armenien, Aserbeidschan, Batum und Georgien, auf die ich aber nicht näher eingehe. Im Lauf des Jahres 1922 wurden sie wieder als Sowjetrepubliken eingegliedert. A) Baltikum und Weißrussland Nord-Armee (General Miller), 1919 Kontrollierte Gebiete am weißen Meer und an der Barentssee. Mi.-Nr. I-VII Die Marken für die Nord-Armee kamen nicht mehr zur Ausgabe. Nordwest-Armee (General Judenitsch), 1919 Operierte östlich von Petrograd im Abschnitt Narwa und Pskow. Mi.-Nr. 11 Mi.-Nr. 12 Mi.-Nr. 13 Mi.-Nr. VII (postalisch nicht mehr verwendet) Mi.-Nr (auch Kehrdruckpaare bekannt) Ausgegeben wurden insgesamt 19 Werte, schwarzer oder roter zweizeiliger Aufdruck Nordwest-Armee auf der letzten Dauerserie des Zarenreiches. Die Bürgerkriegsausgaben sind sicherlich kein einfaches Sammelgebiet, von allen Gebieten gibt es Fälschungen, es empfiehlt sich in jedem Falle eine Prüfung, insbesondere bei teuren Ausgaben! Ob alle Ausgaben echten Bedarf entsprechen ist fraglich, manche der Ausgaben sind auch propagandistisch gefärbt oder spekulativ beeinflusst. Seite 1 Ü2-RSFSR/Abschnitt 4 - Bürgerkrieg/Lokalausgaben :59 WW 2005/04

2 West-Armee (General Awaloff-Bermondt), 1919 Die West-Armee war im Baltikum aktiv. Mi.-Nr. 13,15,17, ppi Krim (Sewastopol), 1919 Eine nationalistische Tartarenregierung unter deutscher Schirmherrschaft wurde im November 1918 gestürzt und durch eine provisorische Regierung ersetzt. Im April 1919 besetzten sowjetische Verbände die Krim, sie wurden im Juni wieder durch die Denikin-Armee vertrieben. Es sind nur die zwei abgebildeten Marken erschienen, Mi.-Nr. 2 fungierte als Notgeld und als Marke. aus Mi.-Nr Dauermarken Lettlands mit Überdruck des russisch-orthodoxen Kreuzes und З А (Sapadnanja Armija - Westarmee), insgesamt wurden 22 Marken ausgegeben. Bei nachstehenden Marken (insgesamt fünf Werte) handelt es sich um private Machwerke: Mi.-Nr. 1 Mi.-Nr. 2 mit braunem Aufdruck auf der Rückseite: Verkehrt auch als Geld Kuban-Gebiet (Jekaterinodar), 1918/1920 Außerdem sind acht Werte von 1919 mit Adlerzeichnung im Handel, die nicht mehr ausgegeben wurden. B) Südrussland Don-Gebiet (Rostow am Don), 1918 Im Januar 1918 proklamierten die Donkosaken eine unabhängige Republik, sie wurde von General Denikin anerkannt und bestand bis Februar 1920, dem Abzug seiner Armee aus Rostow. Erschienen sind sechs Werte. Im Oktober 1917 wurde die Kuban-Republik ausgerufen, die im Frühjahr 1918 ihre Unabhängigkeit von Russland erklärte. Die Autonomie der Kuban-Kosaken wurde von General Denikin anerkannt, sie endete erst mit dem Abzug seiner Armee aus Noworossisk im März Mi.-Nr. 2A 1A Die Aufdrucke erfolgten auf russischen Marken, es gibt deshalb auch bei den verschiedenen Bürgerkriegsgebieten waagerechte und senkrechte Zwischenstege sowie Herzstücke. Mi.-Nr. 1B 1A 2A 3A 4A 5A Mi.-Nr. 2B 3B 4B I 4BII 8B 50 Kop mit Abklatsch, 1 Rubel dünne und fette Schrift Mi.-Nr. 6 Notgeld als Freimarke verwendet, Bild des Donkosaken Jermak, rückseitiger Text: Tauschmarke herausgegeben vom Kontor Rostow am Don der Staatl. Bank Neben den Marken wurde eine Postkarte mit Aufdruck 10 Kopeken auf 3 Kopeken (Russland P21) ausgegeben. In der Don-Republik waren auch die Marken der Denikin-Armee gültig. Mi.-Nr. 14, 15 (Aufdruck auf Postsparmarken) Auch im Kuban waren auch die Marken der Denikin-Armee zugelassen. Seite 2 Ü2-RSFSR/Abschnitt 4 - Bürgerkrieg/Lokalausgaben :59 WW 2005/04

3 Mariupol-Ausgabe, 1919 Mariupol (Мариуполь) ist eine Stadt in der Oblast Donezk in der Ukraine am Ufer des Asowschen Meeres. Mi.-Nr. 1 Es wurden zwei Werte ausgegeben, Aufdruck 35K und 70K auf ukrainischen Marken. Wrangel-Armee a) Wrangel-Regierung Krim 1920; Auf der Krim reorganisierte Wrangel die Freiwilligen-Armee und eroberte von Juni bis Oktober 1920 das gesamte Gouvernement Taurien zurück. Nach der Niederlage bei Kachowka (Taurien) verließ er im November 1920 über Sewastopol die Krim und zog sich nach Konstantinopel zurück. Mi.-Nr. 1A 2 3 (auf Denikin Nr.4) Denikin-Armee, 1919 Im Oktober 1918 wurde General Denikin Oberbefehlshaber der anti-bolschewistischen Freiwilligenarmee. Bis Oktober 1919 hatten seine Truppen Kiew, Orel, Woronesch und Zarizyn eingenommen. Nach dem Gegenangriff der Roten Armee zog sich Denikin auf die Halbinsel Krim zurück. Im April 1920 übergab er sein Kommando an General Wrangel. Mi.-Nr. 6-9B b) Wrangel-Armee Lagerpost 1920 in Gallipolli 5-zeiliger / 4-zeiliger Aufdrucke schwarz/blau/rot Aufdruck kopfstehend Nach ihrer Niederlage wurde die Armee in verschiedenen Zweiglagern in der Türkei, in Bulgarien, Serbien und Griechenland interniert. Für die Verbindung der Lager wurde vom Dezember 1920 bis zur Auflösung der Denikin- Wrangel-Armee am ein eigener Postdienst errichtet. Ausgegeben wurden insgesamt 192 verschiedene Aufdruckmarken. Briefe mit diesen Marken sind selten. Mi.-Nr. 5K, 70Kop im Kehrdruck-Paar Ausgegeben wurden 11 Werte. Seite 3 Ü2-RSFSR/Abschnitt 4 - Bürgerkrieg/Lokalausgaben :59 WW 2005/04

4 C) Sibirien Koltschak-Armee In Sibirien stellte Admiral Koltschak eine antibolschewistische Armee auf und erklärte sich im November 1918 zum Reichsverweser von ganz Russland mit der Hauptstadt Omsk. Die Gegenoffensive der Roten Armee führte zur Einnahme von Omsk, im Januar 1920 trat er zurück und wurde am in Irkutsk erschossen. Mi.-Nr. 3B Plattennummer B Mi.-Nr. 1A mit Bogenrand-Zudruck und Zwischensteg waagerecht Tschita-Regierung (Transbaikal-Gebiet) Ataman Semjonow Nach der Erschießung Admiral Koltschaks durch die Bolschewisten errichtete General Semjonow in Tschita eine neue Regierung. Im Herbst 1921 besetzten die Bolschewisten Tschita und errichteten dort die Fernost- Republik. Ausgegeben wurden vier Marken mit senkrechten schwarzen Aufdruck der neuen Werte. Mi.-Nr. 3B Bogen mit Herzstück und Zwischenstegen Amur-Gebiet 1920 Mi.-Nr. 1A mit Abklatsch, 2A 3A 6A Im Februar 1920 wurde durch ein revolutionäres Volkskomitee in Blagoweschtschensk eine kommunistische Regierung errichtet, im Sommer 1920 erkannte sie die Republik des Fernen Ostens an. Mi.-Nr. 2B Zwischensteg waagerecht Mi.-Nr. 1-5 Restbestände nicht verbrauchter Marken wurden mit Strichen entwertet. Von der Mi.-Nr. 3 und 5 gibt es auch Kehrdruckpaare. Seite 4 Ü2-RSFSR/Abschnitt 4 - Bürgerkrieg/Lokalausgaben :59 WW 2005/04

5 Republik des Fernen Ostens Die Republik des Fernen Ostens wurde als Pufferstaat zwischen der RSFSR und Japan gebildet. Sie umfasste das Gebiet zwischen dem Baikalsee und Wladiwostok. I.) - Bürgerliche Republik Regierungssitz Wladiwostok. Im Frühjahr 1922 wurde die Fernost-Republik von den Truppen des General Diederichs besetzt und dem Priamurgebiet eingegliedert. Mi.-Nr. 15A mit ZW Mi.-Nr. 25 im Viererblock Mi.-Nr. 43 Herzstück Ausgabe 28. Juli 1923: Marken für den Flugpostdienst Wladiwostok Nikolsk-Ussurjisk-Spassk. Sie waren nur einen Tag im Verkehr und zählen zu den teuersten Seltenheiten dieses Gebietes. Aufdruck auf diversen Wappenmarken Zarenreich, gezähnt und ungezähnt, kopf stehende Aufdrucke; Auflagen zwischen 25 und 300 Stück. : Aufdruck Д.В.Р. für Dalne Wostotschnaja Respublika II.) - Regierung des Fernen Ostens in Tschita Dezember 1921, Ausgabe 10 Werte Mi.-Nr. 50A 52A 45B Aufdruck des neuen Nennwertes 20 Kopeken und Doppeldecker Analog zur RSFRS wurden in der Republik des Fernen Ostens auch Tausch-Kontrollmarken ausgegeben: Mi.-Nr. 28 mit Zwischensteg III.) - Sowjetrepublik 1922/1923, 22 Werte Mi.-Nr Mi.-Nr. I-V Im Sommer 1923 ging die Fernost-Sowjet- Republik in der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken auf. IV.) Priamurgebiet (Nikolajewsk/Amur), 1921 Nach der Zerstörung der Stadt Nikolajewsk durch bolschewistische Truppen im Jahr 1921 besetzten die Japaner 1921 das Gebiet und richteten eine neue Verwaltung unter japanischer Oberhoheit ein. Mi.-Nr. 19 Handstempelaufdruck der neuen Werte in Goldwährung Seite 5 Ü2-RSFSR/Abschnitt 4 - Bürgerkrieg/Lokalausgaben :59 WW 2005/04

6 Anfänglich besaß Nikolajewsk keinen Entwertungsstempel, Briefe wurden daher erst am Ankunftsort, meistens Wladiwostok gestempelt. Nach Illustriertem Briefmarken-Journal Gebr. Senf 1922 liegen die Auflagen dieser Marken zwischen 29 und 300 Stück, von Mi.-Nr. 8 gibt es nur 9 Stück. Ganzsachen: In der Fernost-Republik wurden 1919/20 auch vier Streifbänder von Russland (S3-S6) sowie vier Postkarten (P21, P26, P39 und P30) mit schwarzem Überdruck ДВР versehen. Mi.-Nr (Marken mit rückseitigem Stempel S.P. sind Aufdruckfälschungen eines Händlers aus Nikolajewsk). Im Frühjahr 1922 besetzten Truppen des Amurgebietes das Gebiet der Republik des Fernen Ostens und General Diederich verwaltete als Vertreter des Zarenhauses (fünf Jahre nach der Revolution!) das gesamte Gebiet. P2, Aufdruck auf P26 4 Kopeken V.)Ausgaben der Regierung des General Diederichs für das gesamte Verwaltungsgebiet des Priamurje, 1922 Freimarken des bürgerlichen Republik bzw. russische Marken mit Aufdruck. Mi.-Nr. 33b Im Laufe des Herbstes 1922 besetzten die Bolschewisten das ganze Amurgebiet und eroberten am Wladiwostok. Dadurch ging das ganze Amurgebiet in der Fernostrepublik auf. Seite 6 Ü2-RSFSR/Abschnitt 4 - Bürgerkrieg/Lokalausgaben :59 WW 2005/04

7 Tschechische Legion Neben verschiedenen anderen Nationen war auch eine Tschechische Legion in Sibirien im Einsatz und gab dafür eigene Marken aus. Diese werden unter der Tschechoslowakei katalogisiert und zählen nicht mit zu den russischen Bürgerkriegsausgaben. Charkow, ) Lokalausgaben RSFSR Bedingt durch die Inflation erfolgte im März 1920 eine Verfügung der Sowjetregierung, die Nominale von noch verfügbaren Kopeken- Werten aus der Zarenzeit auf das 100fache zu erhöhen, um den Markenmangel zu beheben. Die Kennzeichnung dieser Aufwertung durch entsprechende Aufdrucke wurde nur von einigen Postämtern lokal durchgeführt. Im Michelkatalog werden ca. 90 Orte von Achtyrka bis Wysokow-Njekrasino mit Lokal- Ausgaben aufgeführt. Viele nur mit einer bis einigen wenigen Marken, andere wie das Gebiet von Charkow mit fast 20 verschiedenen Katalognummern. Alle Lokalausgaben sind relativ selten und durch die einfachen Aufdrucke natürlich stark fälschungsgefährdet. Mi.-Nr. 2IIA 6IIA 5 I A Aufdruck Rub abwärts Rub aufwärts Kiew, 1922: Mi.-Nr. 1 I Rubel aufwärts Handstempel-Aufdruck (mit Numeratorstempel) Serafino-Diwjejewskoje, 1922 (Gouv. Nischnij-Nowgorod) Mi.-Nr.1a Dauermarke RSFSR Nr. 156 mit violetten Aufdruck neuer Wert Rubel Seite 7 Ü2-RSFSR/Abschnitt 4 - Bürgerkrieg/Lokalausgaben :59 WW 2005/04

8 Quellen: -Michel-Russland Spezial-Katalog -Artikel aus der Zeitschrift der ArGe Russland: (Auszug aus dem Gesamt-Inhaltsverzeichnis) Titel: Verfasser Heft Seite Amurgebiet (aus Ill. Briefmarkenjournal Nr. 4 v ) Schieck W Die Post der Wrangel-Armee Zimmer G Ferner Osten Rosselevitsch A: Der Bürgerkrieg in Sibirien und im fernen Osten Blechmann im Spiegel der Philatelie ( ) Der Bürgerkrieg in Sibirien und im fernen Osten Blechmann im Spiegel der Philatelie (Teil 2) Zeittafel zur Geschichte der Stadt Kiew im Bürgerkrieg Red Ein Kampf um Kiew, Auszug aus Von der Wolga zum Amur Schneider J Radio de Filintern, Nachdruck/Auszug aus Nr. 6 u. 8, diverse Abhandlungen über Bürgerkriegs- und Revolutionsausgaben Radio de Filintern, Nachdruck/Auszug aus Nr Die Briefmarken von Kuban, Die tschechische Legion in Sibirien Taitl H Die Post der Wrangel-Armee in Gallipoli Geier W Radio de Filintern Nachdruck/Auszug aus Nr. 9, Fälschungen russischer Marken aus der Periode des Bürgerkrieges Die sibirische Expedition der Amerikaner Taitl H Die Post der Wrangel-Armee in Gallipoli Freese J Die Post der Wrangel-Armee in Gallipoli (Fortsetzung) Freese J Die Post der Wrangel-Armee in Gallipoli (Fortsetzung) Freese J Bürgerkrieg und Intervention in Sowjetrußland, Stollberg A Historisches und Postalisches aus der Zeit zwischen 1918 und 1922 Was ist die Mariupol-Ausgabe? Epstein A Seite 8 Ü2-RSFSR/Abschnitt 4 - Bürgerkrieg/Lokalausgaben :59 WW 2005/04