Mit allen Sinnen in den Alltag finden

Transkript

1 Mit allen Sinnen in den Alltag finden

2 Die Ergotherapie verfolgt die grundlegende Zielsetzung der bestmöglichen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben Für den Alltag des Kindes bedeutet dies: Teilhabe am Familienleben Soziale Kontakte eingehen und aufrecht erhalten können Teilhabe an sportlichen und anderen Freizeitaktivitäten Teilhabe am Schulalltag einschließlich des Erreichens eines begabungsgerechten Schulabschlusses

3 Körperliche und geistige Behinderungen Autistische Störungen Entwicklungsstörungen Verhaltensauffälligkeiten Konzentrationsstörungen Funktionelle Störungen der Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung Z.B. im Rahmen von AD(H)S, Schulschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten

4 Im Mittelpunkt der Therapie steht das Kind in seiner sensomotorischen Entwicklung verbesserte Selbstwahrnehmung verbesserte Situationswahrnehmung Fein- und grobmotorische Fertigkeiten Verhaltenssteuerung Optimierung kognitiver Funktionen

5 Am Beginn der Behandlung steht eine eingehende Befunderhebung, um den Therapieverlauf effizient gestalten zu können Prüfung der sensomotorischen Leistungen Grobmotorik und Haltungskontrolle Proprioception, Kinästhesie, und taktile Wahrnehmung Gleichgewichtsregulierung Fein- und Graphomotorik Handlungsplanung Problemlösungsstrategien

6 Prüfung der Wahrnehmungsverarbeitung in den Bereichen Hören und Sehen, z.b. Visuelle und auditive Figurgrundwahrnehmung Visuelle und auditive Ordnungsschwelle (Maß für die zeitliche Verarbeitung von Reizen) Mustererkennung Blicktüchtigkeit Richtungshören Prüfung der Konzentrationsfähigkeit Fokussierte und geteilte Aufmerksamkeit Daueraufmerksamkeit Fähigkeit zum Fokuswechsel Impulskontrolle

7 Sensomotorisch perceptive Therapie Orientierung sowohl an der ontogenetischen als auch an der phylogenetischen Entwicklung Die funktionelle Architektur unseres Gehirns entscheidet darüber, wie wir uns und unsere Umwelt wahrnehmen und bildet somit die Grundlage für unser Verhalten Da das Gehirn in den ersten Lebensjahren sehr stark durch die angelegten frühkindlichen Bewegungsmuster strukturell geprägt wird, dienen diese Bewegungsabläufe, wie z.b. das Krabbeln sehr häufig als Basis für die sensomotorische Therapie

8 Sensomotorisch perceptive Therapie Phylogenese: Auch durch die phylogenetische Entwicklung ist die Gehirnphysiologie stark geprägt Orientierung an phylogenetischen Bewegungsmustern, vor allem kriechen, klettern und werfen In der sensomotorisch- perceptiven Therapie werden also gezielte Bewegungsangebote gemacht, die die funktionelle Gehirnentwicklung günstig beeinflussen und somit sowohl motorische als auch kognitive und psychologische Funktionen verbessern können.

9 Sensomotorisch perceptive Therapie Ontogenetischer Ansatz auf der Schaukel Stufen der frühkindlichen Entwicklung mit Beschleunigung: Von der Bauch- über die Rückenlage zum Sitzen Vierfüßlerstand Kniestand - Stand Tonusregulierung Gleichgewichtsregulierung Augenfolgebewegungen Dissoziierte Bewegungen

10 Sensomotorisch perceptive Therapie Ontogenetischer Ansatz auf dem Rollbrett Auch hier werden nacheinander die Positionen der frühkindlichen Entwicklung eingenommen und über Beschleunigung verstärkt. Das Ziehen am Reifen bringt ein phylogenetisches Element ein Schulter- Arm-Hand-Dissoziation als Voraussetzung für Fein- und Graphomotorik

11 Sensomotorisch perceptive Therapie Auf dem Trampolin gibt es viele proprioceptive Reize, der Tonus erhöht sich und durch die Beschleunigung ständig aktivierte Massenbewegungen müssen gehemmt werden Dissoziierte Bewegungen und Stabilität Als Voraussetzung für Fein- und Graphomotorik

12 Sensomotorisch perceptive Therapie Gleichgewichtsautomatisierungstraining auf dem Wippbrett: das Gleichgewicht auf einem Wippbrett halten können, während man gleichzeitig ein Ballspiel macht, erfordert automatisierte Gleichgewichtsregulation

13 Sensomotorisch perceptive Therapie Automatisierung Durch Wiederholung und Variation Präferenzen und Muster stärken Effizienz

14 bewusst / teilbewusst variabel ungenau und mit Fehlern behaftet Hoher Energieverbrauch unbewusst immer gleich exakt und fehlerfrei niedriger Energieverbrauch Effizienz Kontrollierte Leistung Automatisierte Leistung

15 Gezieltes Training der auditiven Wahrnehmungsverarbeitung Es werden mithilfe eines Trainingsgerätes die sog. Low- Level- Funktionen trainiert z.b. auditive Ordnungsschwelle, Mustererkennung, Tonhöhenunterscheidung etc

16 Gezieltes Training der visuellen Wahrnehmungsverarbeitung Es werden mithilfe verschiedener Übungsmaterialien, z.b. Nikitin die Grundfunktionen trainiert, z.b. Raum- Lage- Wahrnehmung, räumliche Beziehung etc.

17 Psychisch- funktionelle Therapie Ziele: Verbesserung der Verhaltenssteuerung Verbesserung von Selbstwahrnehmung und Selbstwertgefühl Methoden: Sensomotorisches Training Künstlerische und gestalterische Medien Sozialkompetenztraining Neurofeedback

18 Erfolgserlebnisse und Möglichkeiten des Selbstausdrucks durch kreatives und gestalterisches Arbeiten Konfliktverarbeitung Selbstwertgefühl

19 Stufen feinmotorischer Kompetenz Dissoziierte Bewegungen Finger und Hand Visuomotorische Koordination Überwinden von Massenbewegungen Low- Level- Funktionen der visuellen Wahrnehmungsverarbeitung Haltungsstabilität Gleichgewichtskontrolle Mittellinienstabilität Angemessene Muskelspannung

20 Möglichkeiten des Konzentrationstrainings in der Ergotherapie Gruppentrainingsprogramme Marburger Konzentrationstraining Attentioner Sensomotorisch-perzeptive Übungsbehandlung Neurofeedback EEG- basiertes Trainingsverfahren zur Selbstregulation bei Aufmerksamkeitsstörungen

21 Neurofeedback Kontinuierliche und unmittelbare Rückmeldung der Gehirnaktivität bildet die Grundlage für einen Lernprozess Konzentration kann als erfahrbarer und reproduzierbarer Zustand erlernt werden Auch Hyperaktivität und depressive Zustände zeigen sich in quantitativen Veränderungen des EEG und können mit Neurofeedback behandelt werden Training ist möglich über die Aktivität in den einzelnen Frequenzbändern des EEG, über Hämoencephalographie oder die Rückmeldung der langsamen kortikalen Potenziale

22 Neurofeedback Beim Training der sog. langsamen kortikalen Potenziale lernt der Patient, gezielt die neuroelektrischen Grundvoraussetzungen für Konzentration zu steuern

23 Legasthenie und Dyskalkulie Ergotherapie kann helfen, wenn die Ursache im Bereich der Wahrnehmungsverarbeitung oder der Konzentration zu finden ist Visuelle oder auditive Wahrnehmungsverarbeitung Automatisierungsstörungen zentraler Funktionen Störungen serialer Leistungen Motorische Unruhe Störungen der Selbstorganisation

24 Ursachen häufig im Bereich Wahrnehmung und Wahrnehmungsverarbeitung Wie wir uns verhalten ist davon abhängig, wie wir uns selbst und unsere Umwelt wahrnehmen und miteinander in Beziehung setzen Psychomotoriktraining sensomotorisch- perzeptive Therapie Gruppentherapiekonzepte EST Ergotherapeutisches Sozialkompetenztraining Lauth & Schlottke Neurofeedback

25 In den letzten Jahren haben sich in der Ergotherapie spezielle Gruppentherapiekonzepte bewährt Konzentrationstraining Hier geht es bei den meisten Konzepten vor allem darum, Problemlösungsstrategien zu entwickeln und eine strukturierte Arbeitsweise zu erlernen Kompensationsmöglichkeiten werden gezeigt und geübt Sozialkompetenztraining Angepasstes Verhalten in einer Gruppe wird gezeigt und geübt Oft mit Einsatz von Videoaufzeichnungen, die gemeinsam mit Kindern und Eltern analysiert werden Achtung: die meisten Gruppenkonzepte benötigen eine stabile Basis, die in den meisten Fällen durch vorhergehende Einzeltherapie erzielt werden kann!

26 Gerade bei Verhaltensstörungen ist es unerlässlich, die Eltern zu unterstützen und anzuleiten Gemeinsame Analyse und Organisation alltäglicher Situationen Information über das Krankheitsbild, daraus erwachsender Probleme und Lösungsmöglichkeiten Häusliche Übungsprogramme zur Optimierung der Therapieeffizienz Möglichkeiten zum Austausch der Eltern untereinander

27 Beratung von Lehrern und Erziehern Gemeinsame Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten für Probleme in der Schule oder im Kindergarten Information über störungsbildspezifische Besonderheiten Möglichkeiten, Bewegungsdrang nachzukommen Mangelnde Tonusregulierung kompensieren können Defizite in der Automatisierung visueller und auditiver Leistungen kompensieren Regeln einhalten können Diskriminierung entgegen wirken

28 Die Reifung des Nervensystems ist ein störanfälliger Prozess. Funktionelle Störungen der Wahrnehmungsverarbeitung nehmen infolge vieler gesellschaftlicher Probleme stark zu. Erziehungsprobleme Erziehung auf Augenhöhe Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen Fehlende emotionale Stabilität Medienkonsum Reizüberflutung ohne tatsächliche Reizsituation Leben in virtuellen Welten Kommunikationsverlust Fast Food Zunehmende Entfremdung

29 Jede Stufe der Bildung fängt mit Kindheit an (Novalis)