wurde. Er wollte nicht heiraten, und er wollte auch das Kind nicht. Ich hab es trotzdem bekommen. Melanie ist jetzt zwölf Monate alt.

Transkript

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2 wurde. Er wollte nicht heiraten, und er wollte auch das Kind nicht. Ich hab es trotzdem bekommen. Melanie ist jetzt zwölf Monate alt. Babynahrung kostet ein Vermögen. Und an diesen Boris kann man nicht rankommen, damit er Unterhalt für das Kind zahlt? Sie lächelte mutlos. Er ist professioneller Pokerspieler. Immer unterwegs. Ich glaube, zurzeit ist er in Amerika. Und ich habe sowieso kein Geld für einen Anwalt. Die Spirale der Armut dreht sich immer nur nach unten. Ich blickte mich in der Küche um, während ich meine Hände an der Teetasse wärmte. Alles sehr einfach eingerichtet, es sah nach Secondhandmöbeln aus. Darf ich mich in der Wohnung umschauen? Adele B. nickte. Ich stand auf und ging in das große Zimmer neben der Küche. Ein Doppelbett stand darin, eine verschlissene

3 Couch, ein Sessel und ein Holzregal mit Büchern und Schallplatten. Ein alter Plattenspieler, doch Adele B. hatte weder Fernsehapparat noch Stereoanlage. Die Kleider hingen an einer Stange, die an eine Wand montiert war. Eine Kommode und ein Spiegel vervollständigten die Einrichtung ihrer Wohnung. Sie kostete 650 Euro im Monat, und Adele B. war zwei Mieten im Rückstand. Sie war mir gefolgt und stand jetzt neben mir. Der Vermieter hat angeboten, mir die Schulden zu erlassen, wenn ich ausziehe. Aber wo soll ich hin mit einem Kind und ohne Job? Ohne Geld. Boris hat das bisschen, das ich gespart hatte, mitgenommen, als er verschwand. Oder besser gesagt, ich war so blöd, es ihm zu leihen. Nun weinte sie. Zwei dicke Tränen liefen über die blassen Wangen in den braunen

4 Strickschal. Ich fühlte mich schlecht und schlechter. Melanie wachte auf und begann zu schreien. Ich muss sie jetzt füttern. Kommen Sie mit in die Küche? Wir setzten uns wieder an den Tisch, und sie erwärmte ein Gläschen mit Brei. Wo schläft Melanie? Bei mir im Bett. Ich hatte kein Geld für Es gab für vieles Zuschüsse vom Sozialamt, das sagte ich ihr und auch, dass wir einen Finanzplan erstellen müssten, damit sie eine Chance hatte, aus der Schuldenfalle herauszukommen. So leicht kann der Vermieter Sie nicht rauswerfen in Ihrer Situation. Und er darf die Heizung nicht abdrehen, das müssen Sie ihm sagen. Er bestreitet ja, dass er sie abgestellt hat. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich noch

5 machen kann Adele B. weinte jetzt lautlos, und ich begann, vor Mitleid innerlich zu zerfließen. Doch das half ihr ja nicht. Also erstellte ich einen Plan über mögliche Zuschüsse des Sozialamts, Adele B.s Einkommen, ihre Ausgaben und ihre Schulden. Wenn das Sozialamt mitspielt und Sie ganz vorsichtig wirtschaften, könnten Sie 50 Euro im Monat an Schulden abtragen. Was ist eigentlich mit den Geräten passiert, die Sie auf Kredit gekauft haben: TV-Gerät, Stereoanlage, eine Mikrowelle, Computer und Staubsauger? Sie sah mich erstaunt an. Die hat Boris verkauft, um seine Spielschulden zu zahlen. Sonst hätte man ihm ins Knie geschossen. Mein Mitleid mit Boris hielt sich in Grenzen. Ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, dass ein Pokerspieler kein guter Vater für Ihr Kind ist?

6 Adele B. lächelte zum ersten Mal. Doch. Aber ich habe ihn geliebt. Liebe macht blind, dachte ich, und dass sie wunderschöne Augen hatte, selbst wenn sie weinte. Verflucht sollte dieser Boris sein, der sie in diesen Schlamassel gebracht hatte. Wollen wir es so machen mit dem Finanzplan? Und morgen gehen Sie zum Sozialamt und beantragen die Beihilfen. Es dauert vielleicht ein paar Wochen, aber es wird Ihre finanzielle Situation ganz sicher verbessern. Adele B. fütterte das Baby mit Brei. Kindernahrung ist auch so teuer. Ich weiß wirklich nicht, wie ich klarkommen kann. Habe ich denn eine Chance? Ihr flehender Blick rührte mein Herz. Ja, das verspreche ich. Wenn Sie alles befolgen, was ich Ihnen vorgeschlagen habe, kommen wir vorerst auch um den Offenbarungseid