Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gem. 2, 74 BetrVG
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1 IG Metall Informationstagung Grundsätze der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber gem. 2, 74 BetrVG am 7. April 2010 Referentin: Larissa Wocken Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht Mönckebergstraße Hamburg Tel: ,
2 2 Abs. 1 BetrVG lautet: Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes zusammen. 74 Abs. 1 BetrVG lautet: Arbeitgeber und Betriebsrat sollen mindestens einmal im Monat zu einer Besprechung zusammentreten. Sie haben über strittige Fragen mit dem ersten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu machen. 2
3 Gliederung: 1. Generalklausel 2. Ziele a) Wohl des Betriebes b) Wohl der Arbeitnehmer 3. Systematik a) Mitwirkung und Mitbestimmung b) Allgemeiner Teil 4. Rechtsprechung 5. Durchsetzbarkeit 3
4 1. Generalklausel Die Vorschrift des 2 BetrVG trifft Regelungen über die allgemeine Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Sie enthält in 74 BetrVG ergänzend die grundlegenden Gesichtspunkte der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Bei 2 Abs. 1 BetrVG handelt es sich nicht um eine generalklauselartige Kompetenznorm. Diese Vorschrift begründet kein Mitbestimmungsrecht, schränkt aber ein solches auch nicht ein. 2 Abs. 1 BetrVG konkretisiert für die Betriebsverfassung das Gebot von Treu und Glauben ( 242 BGB), welches für jedweden Rechtsverkehr gilt. 2 Abs. 1 BetrVG ist bei der Auslegung von Gesetzten zu beachten und wirkt so direkt auf den Inhalt aller einzelnen Rechte und Pflichten der Betriebspartner ein. 4
5 Adressat des Gebotes sind in erster Linie die Betriebspartner. Es regelt also weder die Zusammenarbeit im Betriebsrat, noch das Verhältnis vom Arbeitgeber zu den einzelnen Arbeitnehmern oder gar der Arbeitnehmer untereinander. Die Vorschrift gilt für alle betriebsfassungsrechtlichen Gremien, also den Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat, die Jugend- und Auszubildendenvertretung, die Schwerbehindertenvertretung sowie die Ausschüsse des Betriebsrates, soweit ihnen Aufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen wurden. Ausgangspunkt für das Zusammenwirken ist die grundsätzliche Trennung von - Betriebsrat und Arbeitgeber - einerseits und Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen anderseits. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht bestehende Interessengegensätze und vereinbart ein Prinzip, nach dem die Wahrnehmung gegensätzlicher Interessen erfolgen soll. 5
6 2. Ziele a) Wohl des Betriebes Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten zum Wohl des Betriebes zusammen. Die Betriebsparteien dürfen nicht ausschließlich egoistische Eigeninteressen verfolgen. Jeder ist verpflichtet, auch die Interessen seines Gegenübers zu berücksichtigen. Grundtendenz des Gesetzes ist es, Konflikte zu vermeiden und die entstandenen Konflikte gemeinsam zu lösen. Für den Arbeitgeber bedeutet dies, die Wünsche des Betriebsrates unverzüglich und ernsthaft zu prüfen. Für den Betriebsrat, bedeutet dies das Wohl des Betriebes eher zu fördern als vordergründige kurzfristige Interessen. 6
7 b) Wohl der Arbeitnehmer Die 2, 74 BetrVG sind auch hier die Generalklauseln für die Grundsätze nach denen die Arbeitnehmer im Betrieb behandelt werden sollen. Näher ausgestaltet wird dieses Recht durch das Beschwerderecht sowie durch 75 BetrVG als Grundsatz für die Behandlung der Betriebsangehörigen. 75 BetrVG mit der Verpflichtung für Arbeitgeber und Betriebsrat, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern, konkretisiert das Wohl der Arbeitnehmer im Betrieb. 7
8 3. Systematik a) allgemeiner Teil 2 BetrVG eröffnet den allgemeinen Teil des Betriebsverfassungsgesetzes. Diese Stelle am Beginn des Betriebsverfassungsgesetzes soll hervorheben, dass die Grundsätze der Zusammenarbeit, die in der Generalklausel des 2 Abs. 1 BetrVG enthalten sind, für das gesamte Betriebsverfassungsgesetz gelten. 2 Abs. 1 BetrVG wird von der Rechtsprechung immer dann herangezogen, wenn es darum geht, Pflichten des Arbeitgebers und Rechte des Betriebsrates genauer zu beschreiben und ihre Ausgestaltung festzulegen. 8
9 Die Informationspflichten des Klägers sind zum Beispiel im Hinblick auf 2 BetrVG weit auszulegen. Ein vertrauensvolles Miteinander kann nur bei gleichberechtigten Partnern erfolgen, so dass hinsichtlich der Informationen eine Gleichberechtigung durch Herausgabe aller notwendigen Informationen an den Betriebsrat herzustellen ist. 9
10 b) Wirkung und Mitbestimmung 74 BetrVG leitet den vierten Teil des Betriebsverfassungsgesetzes, in dem die Mitbestimmung der Arbeitnehmer geregelt ist, ein. In diesem allgemeinen Teil von Mitwirkung und Mitbestimmung wird der allgemeine Grundsatz, nach dem die Betriebspartner zusammen arbeiten sollen, wiederholt. Hieraus leitet die Rechtsprechung her, dass eine Nebenpflicht des Arbeitgebers nicht nur darin besteht, nur die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu beachten, sondern auch alles zu unterlassen, was der Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten entgegensteht. Der Betriebsrat kann einen entsprechenden Unterlassungs- anspruch bei der Verletzung von Mitbestimmungsrechten aus 87 BetrVG darauf stützten, dass der Arbeitgeber das Gebot einer fairen, jede Schikane ausschließenden Verfahrensweise, nicht beachtet hat. 10
11 4. Rechtsprechung Aus 2 Abs. 1 BetrVG können weder vom Arbeitgeber noch vom Betriebsrat eigenständige Ansprüche hergeleitet werden (LAG Berlin, 24. Oktober 1995, 4 Ta BV 2/95). Die einseitige ohne Zustimmung der anderen Seite Bekanntgabe des laufenden Schriftwechsels zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sowie von Schriftsätzen aus anhängigen Beschlussverfahren verletzt das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und den Betriebsfrieden (ArbG Trier, 14. Juni 1989, 3 BV 2/89). Das Bundesarbeitsgericht hat deutlich gemacht, dass die Bekanntgabe der Betriebsratskosten in der vom Arbeitgeber gewählten Art betriebsverfassungswidrig sei und den Betriebsrat in der Ausübung seines Amtes behindere. Deutlicher kann man eigentlich nicht auf 119 Abs. 1 Ziffer 2 BetrVG (Straftat gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder) hinweisen. 11
12 Dem Arbeitgeber ist es grundsätzlich untersagt, die Kosten, die der Betriebsrat verursacht hat oder verursacht haben soll, öffentlich im Betrieb einschließlich vor Betriebsversammlungen bekannt zu geben oder ihm vorzuwerfen, er gefährde die Sicherheit der Arbeitsplätze (LAG Düsseldorf 26. November 1993, 17 Ta BV 71/93). Aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit folgt die Pflicht des Betriebsrates bei der Ausübung von Mitbestimmungsrechten allein diejenigen Überlegungen anzustellen und zur Grundlage der Entscheidung zu machen, die im Rahmen des konkreten Mitbestimmungsrechts geboten sind. Dies bedeutet auch, dass es dem Betriebsrat im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit verwehrt ist, seine von der Sache her möglicherweise gebotene Zustimmung von Zugeständnissen des Arbeitgebers abhängig zu machen, die der Betriebsrat ansonsten im Rahmen der Mitbestimmung nicht bewirken könnte (LAG Köln 14. Juni 1989, 2 Ta BV 17/89). 12
13 Es stellt einen Verstoß gegen 2 BetrVG dar, wenn ein freigestelltes Betriebsratsmitglied falsche Angaben über den Zweck seiner Tätigkeit außerhalb des Betriebes macht und trotz wiederholter Nachfragen/ Vorhaltungen der Geschäftsleitung bei seinen falschenangaben bleibt. Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied unterliegt zwar hinsichtlich der Erfüllung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers, es ist jedoch verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers nachzuweisen, dass es sich der Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben gewidmet hat, soweit es Aufgaben außerhalb des Betriebes durchgeführt hat (Bundesarbeitsgericht, 21. Februar 1978, 1 ABR 54/76). Der Arbeitgeber kann vom Betriebsrat sowie der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Beachtung des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach 2 Abs. 1 BetrVG verlangen. Verstößt eine Betriebspartei gegen dieses Gebot, so kann die andere Partei ein diesem Gebot entsprechendes Handeln bzw. eine Unterlassung verlangen. 2 Abs. 1 BetrVG kann somit auch die Anspruchsgrundlage für einen Anspruch der hier geltend gemachten Art, sein (ArbG Paderborn 29. Januar 1998, 1 BV 35/97). 13
14 5. Durchsetzbarkeit 119 Abs. 1 BetrVG sieht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor, wenn jemand die im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Wahlen behindert oder rechtswidrig beeinflusst, die Tätigkeit des Betriebsrates stört oder hindert und die Mitglieder des Betriebsrates benachteiligt oder begünstigt. 23 Abs. 3 BetrVG begründet einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Zur Definition des unbestimmten Begriffes grob werden 2 und 74 BetrVG herangezogen. 23 Abs. 3 BetrVG und der damit verbundene Unterlassungsanspruch sind im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen. 14
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