Prof. Dr. Reinhard Singer Wintersemester 2009/2010 ( , 5/T2) Grundkurs im Bürgerlichen Recht
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- Emma Hermann
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1 Prof. Dr. Reinhard Singer Wintersemester 2009/2010 ( , 5/T2) Grundkurs im Bürgerlichen Recht 4. Bindung an das Angebot a) 145 BGB: der Anbietende ist an das Angebot gebunden. Bindung = Widerruf ausgeschlossen Voraussetzung: Zugang eines wirksamen Angebots ( 130 I BGB). Geht gleichzeitig oder sogar vorher ein Widerruf zu, ist der Anbietende nicht gebunden. b) Ausschluss der Bindung Angebot unter Vorbehalt, z.b. durch Klauseln wie Angebot freibleibend oder ohne obligo c) Erlöschen des Angebots aa) Durch Ablehnung ( 146, 1. Alt.) 150 Abs. 2 BGB: als Ablehnung gelten auch Annahme unter - Erweiterungen - Einschränkungen oder - sonstigen Abänderungen sowie - die verspätete Annahme ( 150 I). Beispiel: K schreibt V, er biete für ein bestimmtes Gemälde V schreibt zurück, K könne es für haben. K unternimmt nichts. - Angebot K - Annahme V unter Abänderungen =Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag ( 150 Abs. 2 BGB) - Rechtsfolgen: Erlöschen des Antrags des K gem. 146 BGB (= K nicht mehr gebunden); K kann aber Antrag des V ( ) annehmen. bb) Verspätete Annahme ( 150 Abs. 1) (1) Zeitliche Annahmefähigkeit Der Antragende kann eine Frist für die Annahme bestimmen. Annahme nur innerhalb der Frist ( 148 BGB). Gegenüber Anwesenden kann nur sofort angenommen werden ( 147 Abs. 1 Satz 1). 1
2 Als Antrag unter Anwesenden gilt auch das telefonische Angebot ( 147 Abs. 1 Satz 2). Antrag gegenüber Abwesenden: Bis zu dem Zeitpunkt annahmefähig, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf ( 147 Abs. 2 BGB). (2) Beispiel: Antrag, 2-3 Tage Frist für Zugang beim Empfänger, 2-3 Tage Zeit zur Überlegung und Antwort, 2-3 Tage Zeit für Zugang der Antwort. Insgesamt - je nach Schwierigkeit - 6 bis höchstens 9 Tage Zeit für die Antwort. Unsicherheit? - schadet nicht, weil der Anbietende ja eine Frist setzen kann ( 148 BGB). (3) Verspätete Antwort gilt gemäß 150 Abs. 2 BGB als neuer Antrag. Annahme = Vertragsdurchführung 5. Annahme gemäß 151 BGB a) Annahme ist grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärung, muss also zugehen ( 130 BGB). b) Ausnahmsweise ist Zugang entbehrlich gemäß 151 BGB, wenn - eine Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder - der Antragende auf sie verzichtet hat. aa) 151 BGB verzichtet nicht auf Annahme, sondern lediglich auf Zugang der Annahmeerklärung. Βegründung: Würde man auf Erklärung verzichten, käme ohne übereinstimmende Willenserklärungen ein Vertrag zustande (= Verstoß gegen Privatautonomie!). Betonung 151 BGB:...dem Antragenden gegenüber erklärt.... bb) Verzichtserklärung Verzicht auf Zugang selten ausdrücklich, im Regelfall konkludent Grenze zwischen konkludentem Verzicht und Verkehrssitte fließend; Konkludenzurteil beruht meist auf Verkehrssitte. 2
3 Beispiele: (1) Lehrbücher: bei kurzfristiger Hotelreservierung oder Aufträgen zum Abdruck einer Zeitungsannonce würde Annahmeerklärung den Antragenden oft nicht mehr rechtzeitig erreichen. kurzfristiger Wunsch enthält konkludent Verzicht auf Zugang der Annahme Beispiele etwas antiquiert, da heutzutage auch kurzfristige Bestellungen über Fax, E- Mail bestätigt werden können und müssen. (2) Bestellung von Waren zum Versand Lieferung als Annahmeerklärung? nicht interessengerecht, wenn erst Zugang dieser Annahmeerklärung den Vertrag zustande brächte Versandhändler würde sonst entgegen 447 BGB die Gefahr des zufälligen Untergangs tragen und nicht der Käufer (beachte: 447 gilt nicht bei Verbrauchsgüterkauf gem. 474 II 2 und hat daher an Bedeutung verloren). (3) Angebote, die lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Argument: Annahme durch Angebotsempfänger bei rechtlich vorteilhaften Geschäften zu vermuten. (4) Früher: Zusendung unbestellter Waren Falls sich Empfänger die unbestellte Ware einverleibt hat (z.b. Buch aufgeschnitten oder Wein ausgetrunken), nahm man früher an, dass vertragliche Bindung des Käufers im Interesse des Lieferanten liege (= konkludenter Verzicht) Seit (Art. 229 EGBGB 2) gilt jedoch 241a BGB. Danach sind bei Zusendung unbestellter Ware sämtliche Ansprüche gegen Empfänger ausgeschlossen, auch gesetzliche gem. 985 oder 812 I 1 BGB, so dass Aneignung nicht mehr als Annahme i.s.d. 151 BGB gewertet werden darf (Palandt/Heinrichs, 241a Rn. 6). Grund: Schutz des Verbrauchers vor lästigen Vertriebsformen. Vertrag kommt nur zustande, wenn Verbraucher ausdrücklich Annahme erklärt oder Kaufpreis zahlt. (5) Automatischer Vertragsschluss am Warenautomaten Verzicht auf Zugang für Verkäufer wichtig, weil nur so Vertrag zustande kommt (konkludenter Verzicht). (6) Abschluss eines Beförderungsvertrages durch Einsteigen in ein schaffnerloses Transportmittel. 3
4 Zugangsverzicht notwendig, um Vertrag zustande zu bringen (konkludenter Verzicht). (7) Spektakulär: Scheckeinlösungs-Fälle (sog. Erlass-Falle) - BGHZ 111, 97; OLG Dresden WM 1999, 487 ff.; BGH NJW 2001, 2324 G Fo S Scheck Abfindungsangebot Begleitschreiben G: Scheck darf nur eingelöst werden, wenn Empfänger mit Abfindungsangebot einverstanden Lösung: Forderung G S erloschen, wenn wirksamer Erlassvertrag ( 397): Voraussetzung: übereinstimmende Willenserklärungen 1. Angebot: Abfindungsangebot durch S, falls G Scheck einlöst 2. Annahme: 151 Manifestation des Annahmewillens [= Scheckeinlösung] Auslegung des Empfängerverhaltens (~ 133, 157) aus der Perspektive eines objektiven Dritten a) Für Annahmewillen spricht: Vermutung redlichen Verhaltens b) Dagegen spricht: - krasses Missverhältnis zwischen Abfindung und ursprünglicher Gesamtforderung - Erlass ohne Grundlage in vorangegangenen Verhandlungen (Ablehnung von Abfindungsangeboten durch G) - was redlich ist, darf nicht von einer Partei festgelegt werden ( 311 Abs. 1 BGB!) c) Voraussetzungen des 151 BGB: Verzicht auf Zugang, nicht auf Annahmeerklärung. Diese erfordert jedenfalls Manifestation des Annahmewillens 4
5 Beispiele: Ausführungs-, Aneignungs- und Gebrauchshandlungen: Absenden des bestellten Buches, Annahme der geschuldeten Leistung; Benutzen des der Öffentlichkeit bereit gestellten Verkehrsmittels c) Rechtsfolgen: Falls Angebotsempfänger trotz Manifestation des Annahmewillens keinen Annahmewillen hatte, kann dieser seine Willenserklärung gemäß 119 ff BGB anfechten. 5
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