Aphasie und Kurzzeitgedächtnis

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1 1 Aus der Neurologischen Klinik mit Poliklinik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Direktor: Prof. Dr. Stefan Schwab Aphasie und Kurzzeitgedächtnis Inaugural-Dissertation Zur Erlangung der Doktorwürde Der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vorgelegt von Andrea Quitz aus Cottbus

2 2 Gedruckt mit Erlaubnis der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Dekan: Referent: Korreferent: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Jürgen Schüttler Prof. Dr. med. Ch. Lang Prof. Dr. med. St. Schwab Tag der mündlichen Prüfung:

3 3 Im Gedenken an Erika Bär

4 4 Inhaltsverzeichnis 1 Zusammenfassung Zielsetzung Methoden Ergebnisse Schlussfolgerungen Abstract: Aphasia and short term memory Background and purpose Methods Results Conclusions Einleitung Das Gedächtnis Das Langzeitgedächtnis Das Kurzzeitgedächtnis Die Amnesie Aphasie und Aphasiologie Aphasie Aphasiologie Häufigkeit und Ursachen von Aphasien Einteilung der Aphasien Die globale Aphasie Die Wernicke-Aphasie Die Broca-Aphasie Die amnestische Aphasie Die Leitungsaphasie Die transkortikal-motorische Aphasie Die transkortikal-sensorische Aphasie Die transkortikal-gemischte Aphasie Die Restaphasie Literaturbesprechung und Forschungsstand Material und Methode Verfahren der Datenerhebung Beschreibung der Patientengruppe Alter- und Geschlechterverteilung Schulbildung... 34

5 Aphasietypen Diagnosen Läsionsorte Untersuchungsverfahren Kurze Aphasieprüfung Tests zur Erfassung kognitiver Teilfunktionen Statistische Datenanalyse Ergebnisse Das Kurzzeitgedächtnis Gesamtgedächtnisleistung Teilleistung: Zahlenspannen Teilleistung: Blockspannen Teilleistung: Gesichterspannen Die Korrelationen zwischen den Merkspannen Die Aphasiesyndrome Zahlenspannen Blockspannen Gesichterspannen Die Hauptsyndrome Teilleistungen: KAP Diskussion Das Kurzzeitgedächtnis und die Sprachareale Literaturverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Anhang Verwendete Testverfahren Test zum Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis Verwendetes Bildmaterial Kurze Aphasieprüfung (KAP) Arbeitsblätter zur KAP Danksagung Lebenslauf... 98

6 1 1 Zusammenfassung 1.1 Zielsetzung Die Intention der Dissertation bestand in der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Aphasie und Kurzzeitgedächtnis. Dabei interessierte insbesondere die Frage, ob und vor allem wie sich die Beeinträchtigung der für die Sprache notwendigen Hirnareale auf die Funktion verschiedener Aspekte des Kurzzeitgedächtnisses auswirkt. 1.2 Methoden Bei 50 aphasischen Patienten wurde anhand der Kurzen Aphasieprüfung (KAP) der Aphasietyp bestimmt. Mit ihnen und weiteren 51 Patienten, die die Kontrollgruppe bildeten, wurden Tests zum Kurzzeitgedächtnis durchgeführt, welche das verbale und das nonverbale, im Speziellen das räumlich-visuelle und das physiognomisch-visuelle Kurzzeitgedächtnis prüften. Patienten, bei denen der Aphasie-Test keine Aphasie feststellen konnte, wurden der Vergleichsgruppe zugeordnet. Der Test zum Kurzzeitgedächtnis bestand aus sechs Untertests, die sich jeweils in Merkspannen vorwärts und Merkspannen rückwärts gliederten, wobei die Rückwärtsvariante jeweils das Arbeitsgedächtnis überprüfte. 1.3 Ergebnisse Die Gesamtgedächtnisleistung korrelierte hochsignifikant mit der Gesamtleistung der KAP. Aphasiker und Nichtaphasiker unterschieden sich signifikant in ihren verbalen und nonverbalen Gedächtnisleistungen, wobei der Unterschied im verbalen Bereich überwiegt. In allen Untertests zum Kurzzeitgedächtnis konnte ein signifikanter Unterschied zwischen Aphasikern und Nichtaphasikern festgestellt werden. Die Patienten mit einer Restaphasie unterschieden sich nicht signifikant von der

7 2 Vergleichsgruppe in ihrer Merkfähigkeit. Innerhalb der jeweiligen Merkspannen, also zwischen Zahlenspannen vorwärts und Zahlenspannen rückwärts, korrelierten die Ergebnisse stärker miteinander als zwischen unterschiedlichen Untertests mit gleicher Aufgabenstellung, also die Vorwärtsaufgaben oder die Rückwärtsaufgaben untereinander, das betrifft analog die Blockspannen und die Gesichterspannen. Auch für die Broca-Aphasiker konnten Störungen der Merkfähigkeit gezeigt werden. Bei den Aphasikern stellte sich eine hohe Korrelation zwischen verbalem Kurzzeitgedächtnis und den Teilleistungen der KAP heraus. Patienten mit einer Aphasie zeigten stärkere Beeinträchtigungen der visuellen Merkfähigkeit als die Gruppe der Nichtaphasiker, bei denen Läsionen in der rechten Hemisphäre häufiger auftraten als bei den Aphasikern. 1.4 Schlussfolgerungen Erleidet ein Patient eine Läsion im Bereich der Sprachareale, ist sein Kurzzeitgedächtnis ebenfalls beeinträchtigt, insbesondere das verbale. Eine vielfältige Verschaltung zwischen Spracharealen und Kurzzeitgedächtnis, sei es verbal oder nonverbal, ist evident. Es besteht eine Korrelation zwischen dem Ausmaß der Gedächtnisstörung und dem Schweregrad der Aphasie. Kommt es zu einer Besserung der Aphasie, ist auch von einer Besserung des Kurzzeitgedächtnisses auszugehen. Patienten mit einer Restaphasie scheinen keine Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses mehr zu haben. Für die Verbindung zwischen Kurzzeitgedächtnis im engeren Sinne und Arbeitsgedächtnis ist eine sensotopische Vernetzung anzunehmen, die Verbindungen zu den unterschiedlichen Sinnen unterhält, die sich gegenseitig beeinflussen und so einen dynamischen Austausch gewährleisten. Für die Arbeitsweise des Kurzzeitgedächtnisses mit der exekutiven Funktion ist ein differenzierteres Modell notwendig. Die Läsion der Sprachbereiche der linken (dominanten) Hemisphäre scheint eine stärkere Beeinträchtigung des nonverbalen (visuellen) Gedächtnisses nach sich zu ziehen als eine Läsion der rechten Hemisphäre. Es bestätigte sich, dass das Arbeitsgedächtnis für derartige Störungen vulnerabler ist als der Kurzzeitspeicher.

8 2 Abstract: Aphasia and short term memory Background and purpose The aim of this dissertation was to illustrate the correlation between aphasia and short term memory, the main point of interest being whether and how language impairment is related to short term memory with respect to lesion localization and severity. 2.2 Methods Two groups of participants were enrolled, one consisting of 50 aphasic patients and a control group of 51 non-aphasic patients. The aphasics were tested using the German KAP test ( Kurze Aphasie-Prüfung, Short Examination for Aphasia). Both groups were additionally tested for short term memory including non-verbal memory, in particular visuospatial and memory for faces. The test for short term memory consisted of 6 modules. Each one was divided into forward and backward spans, the backward tests examining working memory. 2.3 Results The memory test results correlated highly with the overall score of the KAP. Aphasics and non-aphasics differed significantly in their verbal and nonverbal memory abilities, the differences on verbal memory being most marked. All test modules confirmed a significant difference within short term memory for aphasics and non-aphasics. No significant memory differences were found between controls and patients with residual aphasia. Within memory spans the intramodal results from digit span forward and backward were correlated higher than the results from intermodal testing. Similar trends were detected with forward and backwards tasks or block and face spans. Memory disturbances could be shown for all aphasics including Broca-aphasics with the exception of residual aphasia. Patients with aphasia showed high

9 4 correlations between verbal short term memory and several subtests of the KAP. But there were also significant correlations between aphasia and nonverbal memory. In addition, aphasic patients with lesions in the left hemisphere exhibited stronger visual memory impairments than non-aphasic patients with lesions in the right hemisphere. 2.4 Conclusions Patients who suffer lesions within the cerebral language areas also exhibit some short term memory loss, particularly, but not exclusively in the verbal domain. The study yielded strong evidence in favor of a connection between language functions and short term verbal as well as non-verbal memory. If the aphasia improved, then the short term memory improved, too. Patients with residual aphasia the mildest variant - do not seem to have an impairment of short term memory any more. A sensory topical network may be assumed to connect the short term and working memories. This network maintains connections to different sensory modalities which mutually affect each other and are exchanging data dynamically. It seems that a more differentiated model is necessary for describing the interrelationship between the short term memory and executive functions. More severe impairments of nonverbal memory may be expected if the language-associated regions of the left (dominant) hemisphere are injured as compared to the right hemisphere. In addition, our study confirmed that these impairments cause greater disturbances in the working than in the short time memory.

10 5 3 Einleitung Zu den spannenden Gebieten der Neuropsychologie zählt die Aufdeckung der Zusammenhänge menschlicher Gehirnleistungen, insbesondere die Wechselwirkungen zwischen Sprache und Denken. Was liegt näher, als die Veränderungen, wie sie sich bei Aphasikern darstellen, genauer zu untersuchen, um Aufschlüsse über die Vernetzung kognitiver Leistungen zu gewinnen? Im Rahmen der vorliegenden Studie soll insbesondere der Frage nach den Zusammenhängen zwischen Aphasie und Kurzzeitgedächtnis nachgegangen werden. Zu diesem Zweck wurden sprachliche Teilleistungen bei Aphasikern und Teilleistungen des Kurzzeitgedächtnisses untersucht und mit statistischen Methoden analysiert. Dass es sich um keine einfache Materie handelt, rührt daher, dass ein großer Teil menschlicher Gehirnleistungen noch nicht bis ins Detail verstanden ist. Klare und eindeutige Interpretationen von Untersuchungen gestalten sich oft schwierig. Letztendlich existieren Theorieansätze verschiedener Disziplinen nebeneinander, eine befriedigende Synthese ist bisher nicht gelungen. Die Studie berührt einen Teilbereich der Aphasiologie, der in Studien bisher wenig Beachtung fand, sodass zu hoffen bleibt, hiermit einen Beitrag zum besseren Verständnis dieser Materie leisten zu können.

11 6 3.1 Das Gedächtnis Die Verarbeitung von Gedächtnisinhalten stellt ein äußerst komplexes Geschehen dar, welches gegenwärtig keineswegs befriedigend verstanden ist. Von den eingehenden Sinneseindrücken bilden das visuelle und das akustische System die wichtigsten. Dass andere Sinnesmodalitäten auch eine Rolle spielen und ein komplexes Verschaltungssystem vorhanden ist, zeigen z. B. die kindliche Entwicklung oder Therapieansätze bei Globalaphasikern, die u. a. den Tastsinn zur Reaktivierung von sprachlichen Inhalten nutzen. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die funktionelle Verknüpfung zwischen verbalem, nonverbalem Kurzzeitgedächtnis mit den Sprachdomänen, die mit dem Langzeitgedächtnis assoziiert werden. Entsprechend dem heutigen Forschungsstand kann man das Gedächtnis unter dem Gesichtspunkt der zeitlichen Speicherung oder nach dem Inhalt gliedern. Naheliegend im Sinne dieser Studie ist eine Gliederung nach zeitlichen Aspekten. Die Gliederung nach inhaltlichen Gesichtspunkten eignet sich eher für neurolinguistische Forschungsansätze. Man unterscheidet heute zwischen zwei qualitativ unterschiedlichen Gedächtnissystemen: dem impliziten und dem expliziten Gedächtnis. Das implizite Gedächtnis, auch nichtdeklarativ genannt, ist für Informationen zuständig, die mit Fähigkeiten verbunden sind, bestimmte Handlungen auszuführen oder Inhalte zu assoziieren. Das explizite, auch deklaratives Gedächtnis genannt, bezieht sich auf Faktenwissen mit episodischen und semantischen Informationen. Hierauf bezieht sich in erster Linie sprachliches Wissen. Die Gedächtnisbildung erfolgt in zeitlichen Stadien über das sensorische Gedächtnis, das Kurzzeitgedächtnis und das Langzeitgedächtnis. Das sensorische oder Ultrakurzzeitgedächtnis verarbeitet eingehende Sinneseindrücke und speichert sie im Zeitraum weniger Sekunden. Die Kapazität des Speichers ist sehr groß, und eingehende Informationen werden fortlaufend überschrieben. Eine Auswahl dieser Informationsfülle wird in das Kurzzeitgedächtnis überführt, das eine begrenzte Kapazität hat. Das Arbeitsgedächtnis, als besonderer Teil des Kurzzeitgedächtnisses, ist für die Bildung und den Abruf des expliziten Gedächtnisses erforderlich. Als dauerhaftes Speichersystem fungiert das Langzeitgedächtnis. Der Prozess der Speicherung (Konsolidierung) wird

12 7 gefördert, indem die Information korrespondierend zirkuliert, also z. B. wiederholt oder geübt wird. Gibt es bereits Assoziationen, also vorhandene Inhalte, die sich mit neuen Inhalten verknüpfen lassen, erleichtert das den Vorgang. So wie das Encodieren, d. h. der Prozess der Überführung von Informationen in das Langzeitgedächtnis, ist auch das Vergessen oder die Extinktion ein aktiver Prozess. Man geht davon aus, dass vorhandene Engramme (Gedächtnisspuren) überschrieben werden, statt abzuklingen, wodurch wichtige Informationen von unwichtigen differenziert werden (vgl. Klinke 2005, S. 813 ff.). Abbildung 1 (aus Klinke 2005, S. 815) Einfluss übt auch die emotionale Bedeutung aus. Endogene Substanzen, wie Hormone, Transmitter u. a., zeigen modulierende Wirkungen auf das Gedächtnis. Das trifft gleichfalls für mit diesem System interagierende Substanzen, z. B. Medikamente oder Drogen, zu. Anhand klinischer Studien konnte man zahlreiche Gedächtnisleistungen lokalisieren, obwohl es in diesem Sinn kein genau abgrenzbares Gedächtniszentrum gibt. Das sensorische Gedächtnis ist für jede Sinnesmodalität spezifisch. Die Sinne sind im Bereich des Kortex lokalisiert, bis auf das olfaktorische System sind alle Sinnessysteme über einen vorgeschalteten thalamischen Kern mit

13 8 dem Kortex verbunden. Wichtig für das Gedächtnis sind in erster Linie das auditive und das visuelle System. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die anderen Sinnesmodalitäten wie z. B. das olfaktorische, gustatorische oder taktile System auch Gedächtnisleistungen vollbringen bzw. interagieren, was in der Forschung jedoch kaum Beachtung findet. Das Arbeitsgedächtnis wird im ventromedialen Anteil des präfrontalen Kortex lokalisiert. Es steht in Verbindung mit sensorischen und assoziativen Regionen im parietalen und temporalen Kortex, die zur modalitätsspezifischen Entwicklung des Arbeitsgedächtnisses beitragen Das Langzeitgedächtnis Das Langzeitgedächtnis, dem man im Prinzip das explizite und implizite Gedächtnis zuordnen kann, ist ein Zusammenspiel kortikaler und subkortikaler Bereiche. In die explizite Gedächtnisbildung sind die Hippokampusformation, der Gyrus parahippocampalis, die Cortices ento- und perirhinalis sowie die Nuclei anteriores und dorsomediales thalami, also Bereiche des Thalamus, involviert. Das implizite Gedächtnis basiert auf separaten Schaltkreisen. Abhängig von der Lernaufgabe werden Bereiche des Neokortex, Cerebellum, Striatum, Amygdala mit den entsprechenden Reflexkreisen aktiviert. Speziell die Amygdala wird mit der emotionalen Komponente von Verhalten und Gedächtnis verbunden. Das explizite Gedächtnis teilt sich in das semantische Gedächtnis, welches das Wissen von Zeichen, Symbolen und Begriffen und das episodische Gedächtnis, welches das Wissen von Ereignissen und persönlichen Erfahrungen beinhaltet.

14 9 Abbildung 2 (aus Klinke 2005, S. 816) Das Kurzzeitgedächtnis Die vorherrschende Lehrmeinung zum Kurzzeitgedächtnis bildet momentan das Dreiebenenmodell, welches von Atkinson und Shiffrin 1968 vorgeschlagen wurde. Zu diesen drei Untersystemen zählt der sensorische Speicher, auch Ultrakurzzeitgedächtnis genannt, der zum Speichern von Reizeindrücken im Millisekundenbereich dient. Das Kurzzeitgedächtnis hat einen Rahmen von rund einer Minute und eine Kapazität von 7+/- 2 Chunks, d. h. sieben Ziffern oder Worte. Das Langzeitgedächtnis steht für Zeiträume von Tagen bis Jahrzehnten. Ergänzt wurde das Modell 1974 von Baddeley, der den Begriff des Arbeitsspeichers (working memory) einführte, in dem Informationen zur Abarbeitung abgelegt werden. Seine Theorie des Mehrkomponentenmodells sagt aus, dass eine zentrale Exekutive kontrolliert und entscheidet, welche Informationen im Langzeitgedächtnis gespeichert werden. Zwei temporäre Speicher sind dafür an die zentrale Exekutive gekoppelt und interagieren mit ihr.

15 10 Abbildung 3 (aus Baddeley 2007, S. 8) Baddeley ergänzte 2000 sein Modell um eine weitere Komponente, den episodischen Puffer, sodass es sich wie folgt darstellt: 1) zentrale Exekutive (central executive) Sowie drei temporäre Speichersysteme: 2) visuell-räumlicher Notizblock (visuospatial sketchpad) 3) phonologische Schleife (phonological loop) 4) episodischer Puffer (episodic buffer) Die zentrale Exekutive bezeichnet er als Aufmerksamkeitskontrolle (attentional controller), den episodischen Puffer als mehr allgemein integriertes Speichersystem (more general integrated storage system) (vgl. Baddeley 2007, S. 13). Die phonologische Schleife ist eine, wenn auch kleine, jedoch umstrittene Komponente und betrifft verbale und akustische Stimuli. Hierbei geht Baddeley von einem phonologischen Speicher (phonological store) und einem artikulatorischen Ausführungsmechanismus (articulatory rehearsal mechanism) aus.

16 11 Er trennt sogar zwischen der Speicher- und Ausführungskomponente aufgrund von Ergebnissen neuropsychologischer Forschung und neurologischer bildgebender Verfahren, wobei die Speicherkomponente in der temporo-parietalen Region der linken Hemisphäre und die Ausführungskomponente im Broca-Areal lokalisiert wird (vgl. Baddeley 2007, S. 9 f.). Der visuell-räumliche Skizzenblock dient der Verarbeitung visueller und räumlicher Informationen. Während die phonologische Schleife prinzipiell der linken Hemisphäre zugeordnet werden kann, wird jener der rechten Hemisphäre zugeordnet. Die zentrale Exekutive wurde 1986 von Norman und Shallice eingeführt und von Baddeley übernommen. Sie wurde abgeleitet von dem Konzept der Verhaltenskontrolle, um das paradoxe Verhalten von Patienten zu erklären, bei denen eine bilaterale Schädigung des Frontallappens vorlag. In den 1990er-Jahren nahm Baddeley an, dass die zentrale Exekutive nur eine Überwachungs-, jedoch keine Speicherfunktion innehabe. Die Ergebnisse einer Reihe von Studien führten aber zur Erkenntnis, dass das Arbeitsgedächtnis komplexere Funktionen aufweist, sodass er den episodischen Puffer einführte. Phonologische Schleife und visuell-räumlicher Notizblock, die Informationen nur kurz speichern können und keine speziellen Möglichkeiten zur Interaktion bieten, erklärten allein nicht die Realisierung komplexer Spannenmessungen, die in den Studien geprüft wurden (vgl. Baddeley 2007, S.12 f.). Baddeley geht davon aus, dass das visuelle Gedächtnis in der Lage ist, bis zu vier Objekte speichern zu können (vgl. Baddeley 2007, S. 83). Der episodische Puffer stellt eine Verbindung zwischen den drei Komponenten des Arbeitsspeichers und dem Langzeitgedächtnis dar. Er dient also als ein Verbindungsmechanismus der Perzeptionen, Informationen der einzelnen Komponenten und des Langzeitgedächtnisses, um in eine begrenzte Zahl von Episoden integriert zu werden. Er ist in dem Sinn ein Puffer, der eine Schnittstelle zwischen visuellen, verbalen, perzeptuellen Codes sowie dem semantischen und episodischen Langzeitgedächtnis bietet. Schließlich wird angenommen, dass er dem Bewusstsein zugänglich ist. Im Gegensatz zum episodischen Langzeitgedächtnis ist der Puffer temporär, er bietet jedoch eine Schnittstelle, die auf das Langzeitgedächtnis im Falle des Lernens und des Abrufens von Informationen zugreifen kann. Es wird vermutet, dass er eine Schlüsselrolle als Arbeitsbereich

17 12 für das Bewusstsein spielt (vgl. Baddeley 2007, S. 13). Kasten bespricht eingehend die Theorien Baddeleys und weist darauf hin, dass das Arbeitsgedächtnis für Störungen am anfälligsten und dass das Kurzzeitgedächtnis seltener sowie das Langzeitgedächtnis noch seltener betroffen ist. Bei einem Defizit der phonologischen Schleife ist das Behalten von verbalem Material erschwert, beispielsweise beim Wählen einer Telefonnummer. Ist das visuell-räumliche System betroffen, wirkt sich das negativ auf die Orientierung in einer neuen Umgebung aus. Das Langzeitgedächtnis bzw. Altgedächtnis, welches mit den temporären Speichern in Verbindung steht, setzt sich, wie gesagt, aus explizitem und implizitem Gedächtnis zusammen. Hirngeschädigte Patienten haben, bezogen auf das Langzeitgedächtnis, vorwiegend Leistungsminderungen im expliziten Gedächtnis (vgl. Kasten 2007, S. 146 f.). Schandry unterscheidet wie Baddeley zwischen Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis. Er ordnet beide funktionale Systeme dem präfrontalen Kortex zu (vgl. Schandry 2006, S. 529). Es werden noch weitere Ansätze zum Verständnis des Kurzzeitgedächtnisses verfolgt. Birbaumer und Schmidt gehen z. B. von einem Drei-Ebenen-Modell aus und verwenden Arbeits- und Kurzzeitgedächtnis als Synonyme, bei ihnen besteht das Arbeitsgedächtnis aus einem Arbeitsbereich (workbench) und seinen Inhalten (vgl. Birbaumer, Schmidt 2003, S. 576 f.). Auch Goldenberg spricht nur vom Arbeitsgedächtnis, nimmt Bezug auf ein einflussreiches kognitives Modell, ohne den Urheber zu erwähnen, bezieht sich aber eindeutig auf Baddeleys Theorie (vgl. Goldenberg 2007, S. 21). Goldenberg (2007) geht von der Existenz eines semantischen und eines phonologischen Lexikons aus, welche miteinander verbunden sind. Bei der Steuerung des motorischen Sprechaktes spricht er von drei Ebenen des hierarchischen und modularen Modells des Sprechaktes: Phonologisches Lexikon Übergang Zentrum der motorischen Steuerung

18 13 Er ordnet jeder Ebene bestimmte Formen von Sprach- und Sprechstörungen zu: Ebene Phonologisches Lexikon Übergang Zentrum der motorischen Steuerung Störung Phonematische Paraphasie Sprechapraxie Dysarthrie Tabelle 1 Diese Zuordnung stellt er jedoch infrage und verweist auf eine alternative Theorie, die er wiederum nicht näher bezeichnet, wonach diese Störungen Varianten einer einheitlichen Grundstörung darstellen (vgl. Goldenberg 2007, S. 83). Bezug nehmend auf die menschliche Entwicklungsgeschichte vermutet Aboitiz (vgl. Aboitiz 2006, S. 4) ein weitaus komplexeres System, als es Baddeleys Theorie beschreibt. Im Rahmen der Evolution misst er der phonologischen Schleife beim Erlernen komplexer Äußerungen, die in der Entstehung der Sprache durch Imitieren erworben wurden, einen essenziellen Stellenwert bei. Ein Schaltkreis, der inferiore parietale, intraparietale und inferiore frontale Regionen, inklusive des Broca-Areals, einschloss, differenzierte sich demnach zu einem Anteil des Arbeitsgedächtnisses. Das phonologische Arbeitsgedächtnis ist wichtig für den Spracherwerb. So zeigen Patienten mit Defiziten im Arbeitsgedächtnis auch Einschränkungen im phonologischen Langzeitspracherwerb. Man beobachtet einen Zusammenhang zwischen der Leistungsfähigkeit der phonologischen Schleife und dem Wortschatz bei Kindern. Bereits 1997 ging Aboitiz von einer Speicherkomponente bzw. einem phonologischen Puffer, lokalisiert im Brodmann-Areal 40, und von einer Ausführungskomponente (rehearsal component) im linken Frontallappen aus. Phonologische Prozesse werden zu Beginn in den posterioren Spracharealen ausgeführt, dann in den inferioren parietalen Arealen zwischengespeichert und schließlich in das Broca- Areal weitergeleitet. Man nimmt an, dass die Areale 9 und 46 bei komplexeren Funktionen des Arbeitsgedächtnisses, wie höhergradige syntaktische und semantische Prozesse, und der Sprachplanung beteiligt sind. Des Weiteren kommt er zu dem Schluss, dass die Syntax als eine neuronale Strategie ent-

19 14 standen ist, die dazu dient, einen phonologischen sequenziellen Code des Arbeitsgedächtnisses in einen episodischen, visuell-räumlichen Gedächtniscode zu übersetzen, welcher die Bedeutung der entsprechenden Äußerung repräsentiert (Aboitiz 2006, S. 8 ff.). Defizite im verbalen Subsystems des Arbeitsgedächtnisses, in dem die sprachlichen Informationen kurzfristig gehalten und bearbeitet werden, betreffen das Verstehen sprachlich komplexer Äußerungen, außerdem das Nachsprechen und das Schreiben nach Diktat. Beim Verstehen sprachlich komplexer Einheiten werden alle Wörter eines Satzes oder Textes bis zur vollständigen Verarbeitung der Äußerung gespeichert. Überprüfbar sind diese Leistungen mit folgenden Untertests der Kurzen Aphasieprüfung KAP, die in dieser Studie zur Anwendung kommt: Token-Test, Nachsprechen, Diktatschreiben, auditives Sprachverständnis. Weniger betroffen sind dann freies Schreiben und Sprechen. (Vgl. Wehmeyer 2004, S. 139 ff.). Nun bezieht sich ein Großteil der theoretischen Ansätze lediglich auf einen Teilbereich von Gedächtnisleistungen und ist nicht in der Lage, in befriedigender Weise ihre Komplexität widerzuspiegeln. Ein Versuch, verschiedene Fachgebiete zusammenzuführen, wurde in den letzten Jahrzehnten in Deutschland von der Aachener Arbeitsgruppe um Hartje und Poeck unternommen (Hartje, Poeck 2006). Da auch hier amnestische Störungen getrennt von aphasischen Störungen behandelt werden, liefern sie keine hinreichende Erklärung für die Zusammenhänge zwischen Gedächtnisleistungen und sprachlichen Teilleistungen, die ja zweifelsohne nicht voneinander trennbar sind. So wird bei amnestischen Patienten zum überwiegenden Teil das Behalten sprachlichen Materials überprüft. Völlig ausgespart wird durchgehend die Verknüpfung anderer Sinnesmodalitäten, die über verbale und visuelle Komponenten hinausgehen Die Amnesie Analog zu anderen Störungen wird das Gedächtnis über den Ausfall bestimmter Komponenten definiert, so werden als Amnesie oder amnestisches Syndrom schwere Störungen der Gedächtnisfunktion bezeichnet, die nicht auf andere Funktionsbeeinträchtigungen, wie z. B. eine Aufmerksamkeitsstörung, zurück-

20 15 geführt werden können und die zu gravierenden und meist offenkundigen Beeinträchtigungen im Alltag führen (Hartje, Sturm 2006, S. 248). Die Amnesie äußert sich meist als Kombination anterograder und retrograder Gedächtnisstörungen, wobei Erstere das Unvermögen bezeichnet, neue Gedächtnisinhalte zu erwerben. Bei der retrograden Gedächtnisstörung ist die Fähigkeit, Inhalte in die Erinnerung zurückzurufen, limitiert. Es ist auch möglich, dass nur eine der beiden Komponenten beeinträchtigt ist, wobei die selektiv retrograde Gedächtnisstörung die weitaus seltenere Form ist (vgl. Hartje, Sturm 2006, S. 248). Als anatomische Struktur, die hierbei betroffen ist, wird die beidseitige Schädigung des limbischen Systems angeführt. Abzugrenzen von der Amnesie sind umschriebene Gedächtnisstörungen, die sich als eingeschränkte Lern- und Merkfähigkeit äußern: Sie können sich auf sprachliches oder nichtsprachliches Material beschränken und sind oft nur testpsychologisch nachweisbar. Ursache hierfür sind einseitige Schädigungen des limbischen Systems. Der Versuch, zerebrale Teilleistungen anatomisch streng abzugrenzen, gilt als überholt, allerdings führen Schädigungen bestimmter Regionen zu typischen Symptomen, sodass die Ergebnisse der Lokalisationsforschung beim Verständnis von Verarbeitungs- und Denkvorgängen hilfreich sind. Bei der Analyse von Sprachstörungen, wie sie in der Regel bei Ausfällen des sprachdominanten frontotemporalen Kortex auftreten, ist somit die Vernetzung mit dem limbischen System, als zentralem Ort für das Gedächtnis, von Bedeutung. Praktischen Einfluss übt dieses Wissen aus, wenn es um die Gestaltung von allgemeinen Lern-, aber auch Therapieprozessen bei Pathologien dieser Strukturen geht. Warrington (1984) hat nachweisen können, dass selektive verbale Gedächtnisstörungen mit Schäden der linken Hemisphäre assoziiert sind, während nonverbale Störungen die rechte betreffen. Speziell das Gedächtnis für Gesichter sei dann beeinträchtigt, so stellt sie fest, wenn die rechte Hemisphäre geschädigt ist (vgl. Warrington 1984, S. 1). Demzufolge ist anzunehmen, dass Aphasiepatienten, bei denen Hirnschädigungen in erster Linie linksseitig vorliegen in der vorliegenden Studie war laut Diagnose bei mindestens 80 % (n = 40) der Aphasiepatienten die linke Hemisphäre betroffen, in ihrer nonverbalen Gedächtnisleistung weniger eingeschränkt sein müssten. Ob das tatsächlich der Fall ist, wird sich später zeigen. Eine wichtige Differenzierung muss, da sie bei den Tests eine Rolle spielt,

21 16 unternommen werden. Das betrifft die Verarbeitung von Zahlwörtern, denn das verbale Kurzzeitgedächtnis wird mit Zahlenspannen überprüft und ist vom Nachsprechen von Wörtern Bestandteil des Aphasietests zu unterscheiden. Das hängt mit der Transformierung der Zahlwörter im Gehirn zusammen (vgl. hierzu Hartje, Poeck 2006, S. 457 ff.). Zwei kognitiv-neuropsychologische Modelle wurden für das Verständnis der Zahlenverarbeitung entwickelt: das Modell von McCloskey, Caramazza und Basili (1985) und das Triple-Code- Modell von Dehaene (1992). Ersteres geht, bezogen auf unsere Aufgabenstellungen, davon aus, dass bei Verständnis und Produktion von Zahlwörtern eine lexikalische und syntaktische Verarbeitung vonstattengeht. Zahlwörter werden im Rahmen der lexikalischen Verarbeitung phonologisch und graphemisch verstanden und auch produziert, als Zwischenschritt kommt es zu einer zentralen semantischen Repräsentation. Das zweite Modell geht von drei Arten interner mentaler Repräsentationen für Zahlen aus, wobei diese wechselseitig ineinander überführbar sind, dem visuell-arabischen Code, dem auditivverbalen Code und dem analogen Größencode. Die rechte Hemisphäre, so nimmt man an, ist für arabische Zahlen und Zahlenwörter dominant, die Repräsentation von Quantitäten und zum Teil die visuelle Identifizierung finden hier statt, die visuelle Identifizierung von Wörtern und Einzelziffern, die Wortverarbeitung usw. finden sich in der linken Hemisphäre. Da Wort- und Zahlverarbeitung sich funktionell überschneiden, ist ein starker Zusammenhang zwischen den Tests Nachsprechen und Zahlenspannen zu erwarten.

22 Aphasie und Aphasiologie Aphasie Der Begriff Aphasie ist von dem Griechischen αφασία abgeleitet und bedeutet wörtlich ohne Sprache, er bezeichnet im engeren Sinne Störungen im Bereich der vier sprachlichen Modalitäten: Sprachproduktion, Sprachverständnis, Lesen und Schreiben, verursacht durch neurologische Erkrankungen nach Abschluss des Spracherwerbs. Diese Störungen sind in ihrer Zusammensetzung und in ihrem Ausmaß variabel, und man spricht hierbei von einer multimodalen Störung, die alle linguistischen Ebenen betreffen kann: Phonologie, Morphologie, Semantik, Syntax und Pragmatik. Da der komplette Sprachverlust in vielen Fällen nicht eintritt, wie der Begriff selbst vermuten ließe, wäre die Bezeichnung Dysphasie passender, Aphasie hat sich jedoch als Begriff etabliert. Die von Pierre Paul Broca ( ), einem der Pioniere der Aphasiologie, eingeführte Bezeichnung Aphemie konnte sich hingegen nicht durchsetzen. Die mit der Sprache assoziierten Strukturen sind in erster Linie der Hör- und Sprechapparat und auch der Sehapparat, z. B. beim Lesen. Akustische Reize werden als Schalleindrücke über das Ohr in neuronale Reize umgewandelt und im Gehirn als Höreindruck verarbeitet. Die Hörbahn verläuft zwischen Cochlea und Kortex über fünf bzw. sechs Neurone. Der primäre auditorische Kortex liegt in der Heschl-Windung. Diesem nachgeordnet sind die sekundären auditorischen Areale und Assoziationskortizes. Die an der Sprache beteiligten Regionen wie Broca- und Wernicke-Areal und der Gyrus angularis erhalten auch Eingänge von den primären und sekundären Cortices. Läsionen im Bereich der sprachverarbeitenden Areale und Strukturen führen zu Ausfällen bzw. zu den aphasischen Syndromen.

23 Aphasiologie Die Anfänge bildete die klinische Aphasiologie, wobei die Fragen nach der hirnanatomischen Lokalisation sprachlicher Funktionen und die physiologischen Grundlagen sprachlicher Prozesse im Mittelpunkt standen, mit denen die Namen Paul Broca und Carl Wernicke ( ) untrennbar verbunden sind. Unter Hinzuziehung psychologischer und linguistischer Kenntnisse widmeten sich auch zunehmend Vertreter anderer Fachbereiche dieser Thematik; bereits Sigmund Freud ( ) beschäftigte sich mit Aphasien (vgl. Freud 1992), und Roman Jakobson ( ) war einer der ersten Linguisten, die Sprachstörungen nutzten, um Rückschlüsse auf die Sprachorganisation ziehen zu können. So kam es zur Herausbildung verschiedener Disziplinen, die sich wie folgt charakterisieren lassen: Die Neurolinguistik erforscht die Beziehung zwischen Sprache und relevanten Anteilen des Nervensystems, die die Grundlage für die Sprache bzw. Sprachverarbeitung bildet. Hierfür wird das Sprachverhalten von Menschen mit und ohne Hirnläsionen analysiert. Die Patholinguistik beschäftigt sich mit allen Störungen der Sprache und des Sprechens, auch mit nichtorganisch bedingten Fehlleistungen, wie z. B. Versprechern. Bei der klinischen Linguistik steht die anwendungsbezogene Komponente in Diagnose und Therapie im Vordergrund (vgl. Blanken 1991). Blanken (geb. 1954) unterteilt die Neurolinguistik noch in Schwerpunktbereiche wie die bereits genannte und für die Anfänge wichtige Lokalisationsforschung, die heute durch die modernen bildgebenden Verfahren einen wichtigen Forschungsbereich darstellt. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die klinisch-diagnostische Einteilung der Patienten mithilfe entsprechender Test- und Prüfverfahren, wie z. B. dem Aachener Aphasietest (AAT) oder der Kurzen Aphasieprüfung (KAP). Die Aachener Schule um Walter Huber (geb. 1945) und Klaus Poeck ( ) ist die in Deutschland bekannteste, mit dem Verdienst, die Aphasiologie auf internationalem Niveau standardisiert zu haben. Von Christoph Lang (geb. 1950) wurde in Anlehnung an die Aachener Schule die besonders für die Schnelldiagnostik geeignete KAP in Erlangen entwickelt. Beim dritten Schwerpunkt geht es um die linguistische Beschreibung der Symptome neurogener Sprachstörungen und ihre Einordnung in Modelle normaler

24 19 Sprachverarbeitung. Ausgehend von der Aachener Schule, wurde der Versuch unternommen, verschiedene Disziplinen der Neurologie, Neurophysiologie, Psychologie und Linguistik im Rahmen der Neuropsychologie zusammenzuführen, um die Zentrierung auf einzelne Syndrome zu verlassen (vgl. Hartje, Poeck 2006) Häufigkeit und Ursachen von Aphasien Eine Aphasie entsteht durch eine Hirnschädigung. In der Regel ist die linke Großhirnhälfte betroffen, da bei fast allen Rechtshändern und bei der Mehrzahl der Linkshänder dort die Sprachdomänen lokalisiert sind. Die Schädigung kann durch kortikale und auch durch subkortikale Schädigungen hervorgerufen werden. Dazu zählen der Thalamus, die Basalganglien, die Capsula interna sowie die weiße Markschicht. Mit einer Häufigkeit von 80 % sind Schlaganfälle die Ursache von Aphasien, gefolgt von Schädelhirntrauma mit 10 % und Hirntumoren mit 7 %. Mit jeweils 1 % sind Hirnatrophie, entzündliche Erkrankungen des ZNS und Hypoxie verantwortlich für eine Aphasie. Beim Schlaganfall überwiegt mit 80 % der ischämische Infarkt gegenüber 20 % der Fälle mit hämorrhagischem Insult (vgl. Wehmeyer 2004, S. 10). Die Zahl jener, die jedes Jahr neu an einer Aphasie erkranken, also die Inzidenzrate, liegt bei 25 bis 50, die Prävalenzrate bei 50 bis 110 pro Einwohner. Jede dritte bis vierte Aphasie zeigt eine spontane Zurückbildung der Aphasie in der Akutphase. Hierbei hat die globale Aphasie die schlechteste Prognose, gefolgt von der Wernicke-Aphasie, dann der Broca-Aphasie und schließlich der amnestischen Aphasie, bei der nach sieben Monaten bei 66 % der Betroffenen keine oder kaum noch Leistungsminderungen zu verzeichnen sind. Vor allem im ersten Monat postonset finden die spontanen Rückbildungen statt, nach einem Jahr kann nicht mehr damit gerechnet werden, und spätestens ab diesem Zeitpunkt ist eine Aphasie als chronisch zu bezeichnen (vgl. Wehmeyer 2004, S. 39). Die Inzidenzrate wird aller Voraussicht nach noch zunehmen, schließlich ist das Alter ein nicht beeinflussbarer Risikofaktor für Schlaganfälle und durch den demografischen Wandel ist das Durchschnittsalter der Bevölkerung im Steigen begriffen.

25 Einteilung der Aphasien Die Einteilung der Aphasien erfolgt nach verschiedenen Gesichtspunkten, wie der Dauer, der Flüssigkeit der Sprachproduktion bzw. nach Syndromen. Bei Ersterem unterscheidet man akute, postakute und chronische Aphasien. Von akuter Aphasie spricht man in den ersten vier bis sechs Wochen nach aufgetretener Gehirnschädigung, dann von postakuter und nach zwölf Monaten von einer chronischen Aphasie. In der Phase der akuten Aphasie wird das Syndrom in der Regel nicht bestimmt, da die Symptomatik in diesem Stadium noch starken Veränderungen unterworfen ist (vgl. Biniek 1993). Diese werden u. a. durch die Ödemausprägung und deren Rückbildung hervorgerufen. Die Symptomatik stabilisiert sich nach einem Monat (vgl. Wehmeyer 2004, S. 39). Trotzdem ist eine Syndromanalyse m. E. auch in der akuten Phase sinnvoll, da wichtige sprachliche Teilleistungen überprüft werden, um möglichst frühzeitig mit einer gezielten Therapie beginnen zu können. Unterteilt man die Aphasien nach der Flüssigkeit der Sprachproduktion, so unterscheidet man zwischen flüssiger (fluent) und nichtflüssiger (non fluent) Aphasie. Diese Einteilung hat sich in der Akutphase bewährt und findet ihre Anwendung insbesondere auf der Stroke Unit. Hierbei wird eine eingeschränkte Zahl quantifizierbarer Parameter, wie Satzlänge, Sprechgeschwindigkeit und Prosodie, überprüft. Die nichtflüssige Aphasie ist durch Sprachanstrengung und verlangsamte Sprachproduktion mit vielen Unterbrechungen gekennzeichnet, bei der die durchschnittliche Phrasenlänge unter fünf Wörtern liegt. Die Gruppe dieser Patienten setzt sich aus Broca-, Globalaphasikern und aus einem kleinen Teil amnestischer Aphasiker zusammen. Patienten mit Wernicke-, amnestischer und Leitungsaphasie sind der Gruppe mit flüssiger Sprachproduktion zuzurechnen. Linguistische Eigenheiten der differenzierteren Aphasieformen werden durch diese Einteilung nicht erfasst (vgl. Hartje, Poeck 2006, S. 149). Eine weitere Unterteilung ist die in Syndrome und Sonderformen. Die folgende Einteilung nach Poeck hat sich durch die weite Verbreitung des Aachener Aphasie-Tests in Deutschland durchgesetzt und findet bevorzugt nach der akuten Phase der Aphasie Anwendung. Grundlage für die Einteilung der Aphasien bildet das Wernicke-Lichtheim-

26 21 Schema, wobei angenommen wird, dass die Störungen durch Unterbrechung bestimmter Bahnen zustande kommen. Abbildung 4 Das Wernicke-Lichtheim-Schema (vgl. Wehmeyer 2004, S. 62 ff.) Man definiert vier Standardsyndrome, wobei jedem ein Leitsymptom zugeordnet ist Die globale Aphasie Bei diesem Syndrom handelt es sich um die schwerste Form der Sprachstörung mit stark beeinträchtigter Sprachproduktion und stark eingeschränktem Sprachverständnis. Das Leitsymptom sind Sprachautomatismen oder sogenannte recurring utterances und Stereotypien. Der Sprechfluss ist stark eingeschränkt, das Syndrom ist oft mit Sprechapraxie bzw. Dysarthrie assoziiert. Die Patienten

27 22 zeigen eine erhebliche Sprach- und Sprechanstrengung verbunden mit meist schlechter Artikulation und Prosodie. Die Kommunikation ist sehr schwer bis schwer gestört. Abgesehen von Automatismen und Stereotypien finden sich Neologismen. Wörter werden ohne systematische syntaktische Verknüpfung aneinandergereiht. Global-Aphasiker neigen zum Perseverieren, ihre Äußerungen werden häufig wiederholt Die Wernicke-Aphasie Richtungweisend sind hier Paragrammatismus, Paraphasien und Jargon. Hierbei gibt es zwei Patientengruppen, bei denen zum einen eher die semantische oder zum anderen die phonologische Komponente betroffen ist. Es werden semantische Paraphasien, wobei Wörter der Standardsprache in ihrer Bedeutung fehlerhaft verwendet werden, oder Neologismen produziert, bei starker Ausprägung ein semantischer Jargon. Bei diesem Jargon werden bei flüssiger Sprachproduktion Wörter und Redefloskeln sinnlos aneinandergereiht. Im anderen Fall sind es phonematische Paraphasien, wobei Wörter lautlich verändert werden, oder Neologismen, die im Vordergrund stehen analog zum Vorgenannten, bis zu einem phonematischen Jargon. Hierbei werden phonematisch veränderte Wörter und phonematische Neologismen aneinandergereiht. Der Sprechfluss ist unauffällig oder sogar überschießend (Logorrhoe). Die Kommunikation ist beim Jargon schwer gestört, ansonsten schwer bis mittelgradig. Die Grammatik ist durch Satzteilverdoppelungen und Verschränkungen gekennzeichnet, es werden falsche Funktionswörter und Flexionsformen benutzt, was als Paragrammatismus bezeichnet wird Die Broca-Aphasie Das Leitsymptom der Broca-Aphasie ist der Agrammatismus mit Einschränkungen der Wort- und Satzbildung. Die Syntax ist vereinfacht, auffällig ist das Fehlen von Funktionswörtern und Flexionsformen. Ein Broca-Aphasiker hat große Schwierigkeiten, grammatische Relationen zu differenzieren, z. B. Subjekt-Objekt, Nebensatz-Hauptsatz.

28 23 Das Verständnis ist nur gering gestört, aber auf spezifische Weise beeinträchtigt: Schwierigkeiten treten z. B. beim Verständnis spezieller Passiv- oder Relativsätze auf (vgl. van der Meulen 2004, S. 6). Phonologisch zeigen sich reichlich phonematische Paraphasien. Der Sprechfluss ist eingeschränkt, oft besteht eine Sprechapraxie bzw. eine Dysarthrie, die sich in undeutlicher oder unsicherer Artikulation äußern, zudem ist die Prosodie stark gestört. Die Kommunikation ist aufgrund der expressiven Sprachstörung schwer bis mittelgradig beeinträchtigt Die amnestische Aphasie Im Vordergrund steht hier die Wortfindungsstörung. Sie tritt zwar bei allen Aphasieformen auf, doch dominiert sie hier das Syndrom, bei sonst grammatikalisch korrekter Sprachproduktion. Der Sprechfluss ist unauffällig, es kommt jedoch häufig zu Suchverhalten und Satzabbrüchen. Die Kommunikation ist mittelgradig bis leicht gestört. Die Syntax ist überwiegend intakt, die Schwierigkeiten der Wortfindung führen zu semantischen Paraphasien mit geringer bedeutungsmäßiger Abweichung vom Zielwort. Phonematische Paraphasien sind eher selten. Man unterscheidet weiterhin vier Sonderformen Die Leitungsaphasie Bei dieser Form der Aphasie ist das Nachsprechen herausragend schwer gestört. Der Patient besitzt ein gutes Sprachverständnis und eine flüssige Sprachproduktion. Typisch sind viele phonematische Paraphasien mit Conduite d approche (stufenweise Annäherung an das Zielwort). Beim Nachsprechen kommt es zu phonematischen Entstellungen, in schweren Fällen misslingt die Wiedergabe vollständig. Die verbale Merkspanne ist niedrig. In der vorliegenden Studie wurde bei keinem Patienten eine Leitungsaphasie diagnostiziert.

29 Die transkortikal-motorische Aphasie Im Gegensatz zur Leitungsaphasie ist hierbei eine herausragend gute Nachsprechleistung zu verzeichnen, welche als gemeinsames Merkmal mit der transkortikal-sensorischen Aphasie auftritt. Die Sprachproduktion ist gering, das Sprachverständnis gut, im Gegensatz zur Broca-Aphasie ist kein Agrammatismus vorhanden. Die Patienten sprechen spontan nicht oder kaum, das Nachsprechen gelingt sofort. Die Artikulation ist relativ gut und die Syntax intakt Die transkortikal-sensorische Aphasie Neben herausragend guten Nachsprechleistungen ist die Sprachproduktion recht flüssig. Charakteristisch sind viele semantische Paraphasien. Das Sprachverständnis ist schlecht, typisch sind außerdem Echolalien und starke Wortfindungsstörungen. Das Störungsbild ähnelt dem der Wernicke-Aphasie. Das Nachsprechen von Wörtern und komplexen Sätzen gelingt ohne volles Sinnverständnis Die transkortikal-gemischte Aphasie Auch hier ist das Nachsprechen herausragend gut erhalten bei geringer, nichtflüssiger Sprachproduktion. Das Sprachverständnis ist schlecht, es finden sich Echolalien, Stereotypien und Sprachautomatismen Die Restaphasie Eine Restaphasie äußert sich durch das geringe Vorhandensein sprachlicher Fehler oder Unsicherheiten, die recht uncharakteristisch auftreten. Fallen die sprachlichen Anforderungen an den Patienten höher aus, kann die sprachliche Ausdrucksfähigkeit eingeschränkt sein, die mit Wortfindungsstörungen einhergehen. Komplexe sprachliche Sachverhalte werden nicht vollständig erfasst. Das Lesetempo kann reduziert sein und bei der Rechtschreibung kann es vereinzelt zu Fehlern kommen.

30 4 Literaturbesprechung und Forschungsstand 25 Über den Zusammenhang zwischen Kurzzeitgedächtnis und Sprachdomänen des Gehirns gibt es noch recht wenige Daten, was auch ein Anlass für die vorliegende Studie war, obwohl seit Jahrzehnten ein Interesse für diese Thematik besteht. Wie muss man sich ein Zusammenwirken vorstellen und wie arbeiten verbales und nonverbales Kurzzeitgedächtnis gemeinsam mit den Spracharealen? Wie beeinflussen sich die Systeme gegenseitig? In der Regel beschäftigen sich entsprechende Studien mit Störungen der Sprachareale, wie sie sich z. B. bei Aphasikern manifestieren. Lang (1987) untersuchte in seiner Habilitationsschrift Spätfolgen nach Aphasien durch Infarkte im Versorgungsgebiet der Arteria cerebri media u. a. auch den Zusammenhang zwischen Merkfähigkeitsstörungen und Infarktlokalisation. Bei Broca-Aphasikern wurden keine Merkfähigkeitsstörungen nachgewiesen, allerdings war die Gruppe mit drei Patienten recht klein. Die übrigen Aphasietypen zeigten Merkfähigkeitsstörungen zwischen 45,5 und 50 %, dagegen Patienten ohne Aphasie nur 37,8 % (vgl. Lang 1987, S. 94 ff.). Eine Differenzierung zwischen verbalem und nonverbalem Gedächtnis wurde hier nicht vorgenommen. Gerwig (1991) untersuchte in seiner Studie Störungen nonverbaler kognitiver Leistungen bei aphasischen Patienten die Auswirkung bei Aphasie auf die Intelligenz, das Gedächtnis und auf das Konzentrations- und Reaktionsvermögen als Beispiele nonverbaler Wahrnehmungs- und Denkleistungen. Die Datenanalyse von insgesamt 249 Patienten ergab keine einheitlichen Beziehungen zwischen den Aphasie-Syndromen und den nonverbalen kognitiven Störungen der Patienten (Gerwig 1991, S. 141). Aphasiker mit großen linkshirnigen Infarkten und globaler Aphasie und Patienten mit Wernicke-Aphasie waren jedoch tendenziell stärker beeinträchtigt als die übrigen Aphasiegruppen. Er stellte zudem fest, dass sich in allen Gruppen Patienten mit deutlichen nonverbalen Intelligenzstörungen fanden (vgl. Gerwig 1991, S. 141 f.). In der vorliegenden Studie sollen nonverbale Leistungen noch genauer betrachtet werden. Läsionen im Bereich des limbischen Systems bzw. im Bereich der sprachdominanten Hemisphäre veranlassten auch die japanische Forschergruppe um

31 26 Maeshima et al. (1997) zur Annahme, dass es Verbindungen zwischen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und der Aphasie gibt. Im Falle von Läsionen des temporalen bzw. parietalen Lobus zeigten sich auch Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses. Anhand von Patientenbeispielen vermuten sie bei Schädigungen der linken Hemisphäre, dass dann ebenfalls das verbale und das nonverbale Kurzzeitgedächtnis mit beeinträchtigt sei. Einen starken Bezug zur vorliegenden Untersuchung weist die aktuelle Studie von Seniów et al. (2009) auf, welche sich mit der Beziehung zwischen nichtlinguistischen kognitiven Störungen und der Sprachrehabilitation bei Aphasiepatienten beschäftigt. Die Frage war, ob Aphasiepatienten nach einem Schlaganfall auch Schäden des visuell-räumlichen Arbeitsgedächtnisses und des abstrakten Denkens zeigen und ob diese Störungen einen Einfluss auf die Sprachrehabilitation ausüben. Die Patienten waren in ihren nichtlinguistischen kognitiven Leistungen beeinträchtigt, allerdings heterogen. Das visuell-räumliche Arbeitsgedächtnis korrespondierte mit Benennungs- und Verständnisleistungen. Kein Zusammenhang konnte zwischen Therapieergebnissen und abstrakten Denkleistungen nachgewiesen werden. Andere Untersuchungen konzentrieren sich auf das verbale Gedächtnis und nehmen eine funktionelle Unterscheidung in semantisches und phonematisches Gedächtnis vor. Goldenberg vermutet auf Grundlage seiner bereits besprochenen theoretischen Vorüberlegungen, dass eine Beeinträchtigung der Phonematik oder der Artikulation die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses vermindere, da das sprachliche Arbeitsgedächtnis die phonematische Form der Wörter speichere und sich zum Festhalten und Auffrischen seiner Inhalte der inneren Artikulation bediene. Selbst eine geringfügige Störung der phonematischen und artikulatorischen Kompetenz reduziere die Kapazität, was sich in verminderter Wort- und Ziffernspanne zeige, obwohl deren Nachsprechen unauffällig sein kann (vgl. Goldenberg 2007, S. 83 f.) Martin und Ayala (2004) kamen bei ihrer Untersuchung von Aphasikern zu dem Ergebnis, dass die Merkspanne für Zahlen signifikant größer als für Wörter ist. Sie untersuchten auch den Zusammenhang zwischen den Fähigkeiten der lexikalisch-semantischen und phonologischen Verarbeitung und der Leistung in der verbalen (Zahlen- und Wortspanne) und nonverbalen Merkspanne. Man

32 27 fand Verbindungsmuster zwischen der verbalen Merkspanne und lexikalischen Fähigkeiten. Die Leistungen bei den Wiederholaufgaben (z. B. Nachsprechen), bei auditorischem Input und phonologischem Output korrelierten mit den Messungen zu phonologischen, aber nicht mit denen der lexikalischsemantischen Fähigkeiten. Die Wiederholspanne korrelierte bei den lexikalischsemantischen Messungen nur bei der Versuchsgruppe mit verhältnismäßig stark geschädigten lexikalisch-semantischen Fähigkeiten. Zusätzlich korrelierte die nonverbale Merkspanne mit den phonologischen Fähigkeiten. In einer neueren Studie kommen Martin und Allen (2008) zu dem Ergebnis, dass es spezielle Speicher für die Verarbeitung phonologischer und semantischer Informationen im Kurzzeitgedächtnis gibt. Ihre Untersuchungen an Aphasiepatienten haben gezeigt, dass Schädigungen an diesen separierbaren Puffern spezifische Auswirkungen auf das Sprachverständnis und die Sprachproduktion bewirken. So gehen sie von einer gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Sprachsystem und Gedächtnis aus. Bei Studien an Aphasiepatienten mit geschädigtem Kurzzeitgedächtnis zeigte sich, dass Defizite beim Behalten semantischer Inhalte durch eine Störung des Inhibitionskontrollprozesses der Exekutive verursacht sein könnte, der spezifisch für verbale Repräsentationen ist. Im Gegensatz dazu kann eine Schädigung des phonologischen Kurzzeitgedächtnisses durch eine übermäßig schnelle Funktionseinbuße desselben bedingt sein. Bei Defiziten des semantischen Kurzzeitgedächtnisses wird angenommen, dass das Inhibitionsdefizit Probleme bei der Unterdrückung irrelevanter verbaler Repräsentationen zur Folge hat, sodass es zu übermäßigen Interferenzen kommt. Umgekehrt sind diese übermäßigen Interferenzen mit Defiziten des semantischen Kurzzeitgedächtnisses assoziiert, was Auswirkungen auf die Wort- und Satzverarbeitung hat. Dieses, so wird angenommen, könnte die Ursache der reduzierten Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses sein. Eine weitere Studie von Wong und Low (2008) an zwei chinesischen Aphasiepatienten unterstützt die These der phonologischen und semantischen Komponente im Kurzzeitgedächtnis. Sie führten zwei Tests mit den Patienten durch. Während beim ersten Test das phonologische Verarbeitungsvermögen gut erhalten war, zeigten sie leichte semantische Verarbeitungsdefizite. Die Tests zum Kurzzeitgedächtnis wiesen jedoch ein Abweichen in doppelter Hinsicht auf.

33 28 Der zweite Test zeigte, dass der Patient mit dem besser erhaltenen Kurzzeitgedächtnis bekannte Wörter und Nichtwörter besser wiederholen konnte als ihre unbekannten Gegenteile, während dieser Effekt bei dem Patienten mit dem schwerer betroffenen semantischen Kurzzeitgedächtnis ausblieb. Sie stellten fest, dass sich die Fehlertypen von denen vorangegangener Studien unterschieden. In einer anderen Studie haben sich Martin und He (2004) mit dem semantischen Kurzzeitgedächtnis und seiner Auswirkung auf die Satzverarbeitung beschäftigt. In vorhergehenden Untersuchungen wurde bereits beobachtet, dass Aphasiepatienten mit beeinträchtigtem Kurzzeitgedächtnis Schwierigkeiten beim Verstehen und der Produktion von Sätzen aufwiesen, und zwar bei solchen, die das gleichzeitige Merken von verschiedenen individuellen Wortbedeutungen erforderten. Ihre Studie bestätigt, dass es eine deutliche Dissoziation zwischen dem erhaltenen semantischen Wissensbestand und einem geschädigten semantischen Kurzzeitgedächtnis gibt. Anhand eines betroffenen Patienten wird gezeigt, dass die Leistungen bei auf Sätze bezogenen Verständnisaufgaben, welche das Behalten von einzelnen Wortbedeutungen erforderten, während verschiedene Wörter zwischengeschaltet wurden, schlecht ausfielen. Im Gegensatz dazu hatten zwischengeschaltete Wörter keinen Einfluss auf die Verarbeitung grammatikalischer Beziehungen. Die Testperson sah sich bei der Produktion von Adjektiv-Substantiv-Phrasen mit Problemen konfrontiert, obwohl sie imstande war, die einzelnen Adjektive oder Substantive zu äußern. Aufgrund dieser Forschungsergebnisse wird die Behauptung gestützt, dass es eine semantische Behaltenskapazität gibt, die am Verständnis und an der Erzeugung von Inhalten beteiligt ist, welche separat vom semantischen Wissen vorhanden ist. Jefferies et al. (2008) vergleichen direkt den seriellen Wiederabruf bei semantischer Demenz und bei transkortikaler sensorischer Aphasie, womit die Auswirkungen bei Schädigung der Semantik auf das verbale Kurzzeitgedächtnis erklärt werden sollen. Da vorausgehende Forschungen zu diesem Thema zu unterschiedlichen Erklärungsansätzen geführt hatten, versuchte man hiermit, die entstandenen Ungereimtheiten zu klären. Der semantischen Demenz liegt eine Atrophie des anterioren Temporallappens zugrunde und führt zu einem Abbau des semantischen Wissens, was besonders weniger gebräuchliche oder

34 29 bildhafte Begriffe betrifft. Patienten mit semantischer Demenz und transkortikalsensorischer Aphasie waren in der semantischen Verarbeitung eingeschränkt, verfügten aber über eine gute Phonologie. Beide Patientengruppen differenzierten Laute bei phonologischer Ähnlichkeit, waren aber in Bezug auf die Lexikalität beim unmittelbaren Wiederholen von Wortfolgen eingeschränkt. Bei der transkortikal-sensorischen Aphasie ist der präfrontale Kortex und/oder die temporoparietale Verbindung der linken Hemisphäre geschädigt, wobei die Patienten in der Ausführungskontrolle der semantischen Verarbeitung limitiert sind. Während die Demenzgruppe häufiger Fehler durch Phonemwechsel aufwies, fiel bei der Aphasiegruppe auf, dass die Wörter öfter in der falschen Reihenfolge wiederholt wurden. Hoffmann et al. (2009) stellten fest, dass Patienten mit geschädigtem semantischem Kurzzeitgedächtnis Schwierigkeiten haben, sich semantische Inhalte mit kurzer Verzögerung zu merken, aber bei anderen semantischen Aufgabenstellungen nicht eingeschränkt sind. Dieses Forschungsergebnis lässt die Autoren vermuten, dass es einen speziellen Puffer für semantische Informationen gibt, wobei diese These auch von Martin und Allen (2008) vertreten wird, die noch von einem zusätzlichen phonologischen Puffer ausgehen. Andererseits könnte man auch annehmen, dass dieses Phänomen von einer leichten Schädigung der allgemeinen semantischen Verarbeitung herrührt. Janse (2007) führte zwei Studien durch, um einerseits festzustellen, ob Zeitdruck die lexikale Verarbeitung so beeinflusst, dass er einer Aphasie ähnliche Auswirkungen auf gesunde Patienten hat. Andererseits wollte man die Effekte der Begriffsüberschneidung und der Begriffswiederholung bei Aphasiepatienten unterschiedlichen Typs vergleichen. Während sich unter Zeitdruck kein Einfluss auf eine eventuelle lexikalische Deaktivierung nachweisen ließ, zeigte sich bei den Aphasiepatienten eine unmittelbare Inhibition koaktivierter Prozesse. Die Autorin schließt aus beiden Forschungsergebnissen, dass es sich bei der Deaktivierung um einen schnell ablaufenden Prozess handelt. Wiederholungseffekte scheinen nur bei längeren Begriffen bei Aphasiepatienten aufzutreten. Ein gemeinsam zugrunde liegendes Defizit vermutet sie aufgrund der schlechten Leistung in den Tests zum verbalen Kurzzeitgedächtnis. Diese stehen im Zusammenhang mit den lexikalischen

35 30 Leistungen bei Überschneidungs- (Overlap) und Wiederholungsaufgaben. Folgende Studie widmet sich dem Verlauf der Aphasie und dem Anteil eingeschränkter kognitiver Leistungen. Leśniak, Bak et al. (2008) untersuchten an 200 Patienten die Häufigkeit kognitiver Schäden und kamen zu dem Ergebnis, dass 78 % der Patienten in der postakuten Phase Schäden in einer oder mehreren kognitiven Leistungen davontrugen, wovon zu 48,5 % die Aufmerksamkeit, zu 27 % die Sprache, zu 24,5 % das Kurzzeitgedächtnis und zu 18,5 % exekutive Funktionen betroffen waren. Nach einem Jahr war die Aufmerksamkeitsstörung das häufigste Symptom. Exekutive Dysfunktion, Aphasie und Langzeitgedächtnisstörung hatten im Gegensatz zur postakuten Phase signifikant abgenommen. Insgesamt sind die Studien in ihrer Zielstellung recht heterogen. Gerade frühere Studien konzentrierten sich mehr auf die Lokalisationsforschung, bei einer weiteren Gruppe stehen verbale und nonverbale Leistungen im Mittelpunkt. In diese Gruppe reiht sich auch diese Studie ein. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Studien, die die funktionelle Komponente betonen und speziell die sprachliche Verarbeitung im Fokus ihrer Aufmerksamkeit haben.

36 31 5 Material und Methode 5.1 Verfahren der Datenerhebung Im Rahmen der Studie unterzogen sich insgesamt 101 Personen der neurologischen Stationen der Universitätsklinik Erlangen, des Südklinikums Nürnberg, des Klinikums St. Marien Amberg und der Neurologischen Klinik der Sozialstiftung Bamberg den psychometrischen Tests. Die Grundlage bildeten eine Aphasiegruppe und eine Vergleichsgruppe. Mit der Aphasiegruppe wurde die Kurze Aphasieprüfung (KAP) durchgeführt, um die Aphasie zu klassifizieren, und ein Gedächtnistest, der aus sechs Modulen besteht. Bei der Vergleichsgruppe kam nur der Gedächtnistest zur Anwendung. Die Aphasiepatienten wurden in der Regel nach der Erstdiagnostik durch die Stationsärzte ausgewählt und durchschnittlich sechs Tage nach Auftreten von aphasischen Symptomen getestet, was heißt, dass die Patienten auf der Grundlage einer akuten Aphasie untersucht wurden. Der Stichprobenzeitraum lag zwischen dem und dem Beschreibung der Patientengruppe Bei der Auswahl der Patienten bestand das wichtigste Kriterium darin, dass die Aphasie durch möglichst wenige Begleiterscheinungen oder Erkrankungen überlagert wird, wie Demenz, Visuseinschränkung, Dysarthrie oder Ähnliches. Der größte Teil der Aphasiepatienten und der Vergleichsgruppe rekrutierte sich auf der Stroke Unit, folglich in der überwiegenden Zahl nach einem Schlaganfall. Alle Teilnehmer waren auf einer neurologischen Station Patienten, also Aphasiegruppe und Vergleichsgruppe. 50 Patienten bildeten die Aphasiegruppe und 51 die Vergleichsgruppe.

37 Alters- und Geschlechterverteilung Übersicht zur Alters- und Geschlechterverteilung Gesamt Aphasiegruppe Vergleichsgruppe Fallzahlen Jüngster Patient Ältester Patient Durchschnittliches Alter 67,03 67,74 66,33 Standardabweichung 14,038 15,833 12,144 Spannweite Weiblich Männlich Tabelle 2 Prozentual gesehen sind in der Aphasiegruppe 54 % männliche und 46 % weibliche Teilnehmer, in der Vergleichsgruppe 56,9 % männliche und 43,1 % weibliche Teilnehmer vertreten. Es ergibt sich die Frage, ob das Geschlecht einen Einfluss auf die hier zu untersuchenden Faktoren ausübt. Moser beschreibt in seiner Studie geschlechtsspezifische Unterschiede, was die Charakteristika der Hirnläsionen bei den Aphasiehaupttypen angeht. Die Lokalisation der Schädigung selbst zeigte keine gravierenden Unterschiede zwischen den Geschlechtern, in der Ausdehnung der Läsionen wichen weibliche und männliche Probanden jedoch voneinander ab (Moser 2000, S. 31 f.). Um sicher festzustellen, ob das Geschlecht ausschlaggebend ist, wurden die Korrelationen bestimmt. Weder bei der Aphasikergruppe noch bei der Gruppe der Nichtaphasiker konnte eine Korrelation zwischen Gesamtgedächtnisleistung und Geschlecht festgestellt werden. Daher scheint die geschlechtliche Zusammensetzung der Versuchsgruppen keine Rolle zu spielen, sodass auf weitere Tests oder Anpassungen verzichtet werden konnte. Im WMS-R-Gedächtnistest unterschieden sich Männer und Frauen im Rahmen der statistischen Eigenschaften ebenfalls in ihren Gedächtnisleistungen

38 33 inklusive der Untertests nicht signifikant voneinander (vgl. Wechsler 2000, S. 60). Ein Zusammenhang zwischen Geschlechtszugehörigkeit und dem Vorliegen einer Aphasie oder dem Aphasietyp ließ sich in der Studie Langs ebenfalls nicht sichern (vgl. Lang 1987, S. 66). Einfluss auf die Testergebnisse üben jedoch Alter und Schulbildung aus. Für Gedächtnisleistungen konnte ein signifikanter Alterseffekt nachgewiesen werden (vgl. Wechsler 2000, S. 61), daher war für die Beurteilung der Vergleichbarkeit der beiden Patientengruppen ein Test bezüglich des Alters notwendig, um die altersmäßige Homogenität beider Versuchsgruppen sicherzustellen. Da lediglich die Gruppe der Nichtaphasiker eine Normalverteilung aufweist und somit beide Gruppen verschiedene Verteilungen zeigen, wurde auf den Median-Test zurückgegriffen und die Prüfgröße anhand einer Kreuztabelle ermittelt. Median-Test Empirischer Median = 69,0 n Nichtaphasiker Aphasiker Summe Tabelle 3 Der Wert der Prüfgröße beträgt Χ 2 = 0,482 und liegt somit innerhalb [0, Χ 2 1-α] mit Χ 2 1;0,95 = 3,841. Die Irrtumswahrscheinlichkeit beträgt p = 0,454. Somit kann die Nullhypothese H 0 angenommen werden, was heißt, dass sich die Gruppen nicht signifikant voneinander unterscheiden.

39 34 Abbildung Schulbildung Laut Lang verfügen Aphasiker häufiger über ein einfaches Sprachniveau, niedriges Bildungsniveau und eine kürzere Ausbildungsdauer (vgl. Lang 1987, S. 66). Die Schulbildung zeigte auch in der Standardisierungsstichprobe für den WMS-R-Gedächtnistest einen signifikanten Einfluss auf die Gedächtnisleistung (vgl. Wechsler 2000, S. 61). In der vorliegenden Studie wurde als nonparametrische Korrelation der Spearman-Koeffizient bestimmt, welcher zeigt, dass bei den Nichtaphasikern die Gesamtgedächtnisleistung ebenfalls mit der Schulbildung korreliert (r s = 0,485**). Bei der Aphasiegruppe spielt die Schulbildung in dieser Hinsicht keine Rolle. Bezüglich der Schulbildung ergab sich folgende Verteilung:

40 35 Schulbildung/Aphasiker Abschluss Häufigkeit Prozent (%) Kumulativer Prozentwert (%) Keinen 1 2,0 2,0 Volksschule 8 Jahre 32 64,0 66,0 Hauptschule 9 Jahre 7 14,0 80,0 Realschule 6 12,0 92,0 Fachabitur 1 2,0 94,0 Abitur 3 6,0 100,0 Gesamt ,0 Tabelle 4 Schulbildung/Nichtaphasiker Abschluss Häufigkeit Prozent (%) Kumulativer Prozentwert (%) Keinen 0 0,0 0,0 Volksschule 8 Jahre 25 49,0 49,0 Hauptschule 9 Jahre 10 19,6 68,6 Realschule 8 15,7 84,3 Fachabitur 1 2,0 86,3 Abitur 7 13,7 100,0 Gesamt ,0 Tabelle 5 Der Chi-Quadrat-Test ergab keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen hinsichtlich der Schulbildung (Χ 2 = 4,189, df = 5, p = 0,5225). Der Kontingenzkoeffizient als Assoziationsmaß für den Chi-Quadrat-Test beträgt CC = 0,200. Da die Voraussetzungen für den Chi-Quadrat-Test bei einigen Feldern nicht erfüllt wurden, wurde zusätzlich der exakte Test nach Fisher (P = 4,385; p = 0,503) durchgeführt. Beide Werte sind größer als α = 0,05, daher kann die Nullhypothese H 0 beibehalten werden.

41 Aphasietypen Bei der Aphasiegruppe war die globale Aphasie das häufigste Syndrom. Im Allgemeinen stellt sie initial das häufigste Syndrom dar (vgl. Lang 1987, S. 101). Das zweithäufigste Syndrom ist die amnestische Aphasie, gefolgt von der Restaphasie, dann Broca- und Wernicke-Aphasie. Syndrom Häufigkeit Prozent (%) Globale Aphasie 18 36,0 Amnestische Aphasie 12 24,0 Broca-Aphasie 6 12,0 Wernicke-Aphasie 4 8,0 Restaphasie 8 16,0 Transkortikalsensorische Aphasie 2 4,0 Total ,0 Tabelle 6

42 Diagnosen Die häufigste Ursache bildet der Media- bzw. Mediateilinfarkt mit 64 %. Allein der ischämische Infarkt ist bei 74 % Ursache der Aphasie, inklusive TIA liegt er sogar bei 8 %. Hämorrhagische Ereignisse waren bei 14 %, Tumoren bei 4 % und Enzephalitis bei 2 % Ursache der Erkrankung. Diagnose Häufigkeit Prozent % Infarkt (gesamt) Media-/Mediateilinfarkt Posterior-/Posteriorteilinfarkt Beides Hirnstamminfarkt Lakunärer Infarkt TIA 3 6 Blutungen (gesamt) ICB Stammganglienblutung Enzephalitis 1 2 Tumoren 2 4 Gesamt Tabelle 7

43 Läsionsorte Die Läsionsorte wurden, sofern sie eruierbar waren, den Krankenakten entnommen. Hierbei ergab sich folgende Verteilung: Läsionsort Aphasiker Nichtaphasiker Häufigkeit Prozent (%) Häufigkeit Prozent (%) Keine Hemisphäre 0 0, ,5 Linke Hemisphäre 43 86, ,3 Rechte Hemisphäre 3 6, ,2 Beide Hemisphären 4 8,0 0 0,0 Gesamt , ,0 Bei den Aphasikern überwog mit 86,0 % die Läsion der linken Hemisphäre, während bei den Nichtaphasikern die rechte Hemisphäre bei 39,2 % der Patienten geschädigt war. Bei 23,5 % der Nichtaphasiker war keine Schädigung der Hemisphären (mehr) feststellbar, wozu auch Patienten zählen, deren Hirnstamm oder Kleinhirn betroffen war. Drei Aphasiker wiesen eine Läsion der rechten Hemisphäre auf. Bei einem Patienten lag Linkshändigkeit vor. In den beiden anderen Fällen ist von einer gekreuzten Aphasie auszugehen, die vorliegt, wenn bei Rechtshändern Läsionen der rechten Hemisphäre zu aphasischen Sprachstörungen führen. Abbildung 6

44 Untersuchungsverfahren Kurze Aphasieprüfung Für die neuropsychologischen Tests wurde die Kurze Aphasieprüfung (KAP) ausgewählt, welche eine hohe Objektivität (Inter-Rater-Reliabilität), Reliabilität und Validität aufweist und trotzdem in angemessener Zeitdauer am Krankenbett durchgeführt werden kann. Die Objektivität eines Tests ist dann als hoch einzuschätzen, wenn das Testergebnis verschiedener Untersucher kaum voneinander abweicht. Der Mittelwert aller Korrelationskoeffizienten wird mit angegeben und ist somit als hoch einzuschätzen (vgl. Lang 1999, S. 23). Die Reliabilität (Test-Retest-Reliabilität) bezeichnet die Verlässlichkeit eines Tests. Sie gibt an, wie genau ein Merkmal erfasst wird, ob die Ergebnisse wiederholbar sind und ist somit ein Maß für die formale Exaktheit der Merkmalserfassung. Für die Wiederholungszuverlässigkeit werden ebenfalls sehr hohe Werte (Mittelwert der Korrelationskoeffizienten 0,9302) angegeben. Betrachtet man die externe Validität, unter der man die Generalisierbarkeit oder die Verallgemeinerungsfähigkeit von Studienergebnissen versteht, so wurde die Übereinstimmungsrate zwischen dem klinischen Urteil eines Untersuchers im Rahmen einer klinischen Untersuchung ohne Aphasietestung und die von einem zweiten Untersucher nur mit der KAP gewonnenen Ergebnisse bestimmt. Die Validitätsprüfung gelangte zu einer Übereinstimmung bei acht Klassifikationsmöglichkeiten in 79 %, bei den vier aphasischen Haupttypen zeigte sich eine Übereinstimmung von 97 %. Die Kriteriumsvalidität wurde im Vergleich der KAP mit dem Aachener Aphasietest (AAT) ermittelt und korreliert ebenfalls mit hohen Werten (vgl. Lang 1999, S. 24 f.) Die KAP erfasst in elf Untertests verschiedene Sprachmodalitäten, die an den Aachener Aphasietest angelehnt sind, Bei der Wahl des Testverfahrens haben in erster Linie die Durchführbarkeit am Krankenbett und die zeitliche Komponente die Hauptrolle gespielt, zusätzlich mussten mit den Patienten die Tests zum Kurzzeitgedächtnis durchgeführt werden. Damit das Konzentrationsvermögen der Patienten das Ergebnis nicht zu stark

45 40 beeinträchtigt, wurde die Reihenfolge der Tests variabel gestaltet und nach dem Zufallsprinzip (Münzwurf) festgelegt. Um die Durchführbarkeit zu verbessern, wurde die KAP, im Speziellen das Arbeitsblatt, im Rahmen der Testphase leicht modifiziert. Die Vorlagen für den Untertest 6 (Abschreiben), Untertest 8 (Lautlesen) und Untertest 11 (Lesesinnverständnis) wurden den Patienten stark vergrößert dargeboten (siehe Anlage), sodass sie von den Patienten mit meist altersbedingten Visusminderungen problemlos gelesen werden konnten. Außerdem wurden die Untertests nach den Vorgaben der Testbeschreibung durchgeführt und ausgewertet Tests zur Erfassung kognitiver Teilfunktionen Zur Beurteilung des Kurzzeitgedächtnisses untersucht man üblicherweise die Kapazität mithilfe von Merkspannenprüfungen. Hierbei geht es in erster Linie um die Differenzierung verbaler und nonverbaler Leistungen. Zu diesem Zweck wurden die unmittelbare akustische bzw. die verbale Gedächtnisspanne (Zahlennachsprechen), die räumlich-visuelle und die visuelle Gedächtnisspanne überprüft. Hierfür wurde aus den gängigen Testverfahren ein praktikabler Kurztest mit sechs Untertests zusammengestellt bzw. entwickelt, denn die Testung am Krankenbett mit oft stark beeinträchtigten Patienten machte einige Modifikationen notwendig. Nach einer Testphase kam das Modul gemeinsam mit der KAP zum Einsatz. Um die zentrale Exekutive des Arbeitsgedächtnisses mit seiner koordinierenden Funktion zu überprüfen, wurden die Tests jeweils in einer Rückwärtsvariante durchgeführt. Der Test zur verbalen Merkspanne entspricht bis auf eine Modifikation dem Untertest Zahlenspannen des WMS-R-Gedächtnistests. Aufgrund der oft eingeschränkten Leistungsfähigkeit eines Teils der Patienten, insbesondere der Aphasiepatienten, wurde dem Untertest Zahlenspannen vorwärts eine Zweierzahlenfolge hinzugefügt, die es erlaubt, auch stärkere Einschränkungen zu erfassen. So besteht dieses Modul nicht aus sechs, sondern aus sieben Aufgaben. Die Zahlenspannen rückwärts konnten ohne Änderung übernommen werden. Die Zahlen wurden entsprechend der Testanleitung im Einsekundenabstand dargeboten und gemäß den Abbruchkriterien durchgeführt.

46 41 Wenn z. B. der Proband keine der Folgen eines Durchgangs richtig zu wiederholen vermochte, wurde mit dem nachfolgenden Testdurchgang fortgefahren. Der Untertest Blockspannen ist ebenfalls dem WMS-R-Gedächtnistest entnommen und arbeitet mit einem Blockspannenbrett, auf dem acht Würfel angebracht sind, die auf der Untersucherseite mit Zahlen versehen sind. Anhand einer Tabelle mit Zahlenfolgen zunehmender Länge zeigt der Untersucher dem Patienten die Blöcke im Einsekundenabstand. Die Aufgabe des Patienten besteht nun darin, die Blockfolge im unmittelbaren Anschluss nachzuzeigen. Der Test überprüft die Spanne der visuell-räumlichen Leistung. Nach den Blockspannen vorwärts werden die Blockspannen rückwärts mit jeweils zwei anwachsenden Folgen geprüft. Analog zur Zahlen- und Blockspanne wurde ein Test zur Gesichterspanne entwickelt, der es ermöglicht, ohne den räumlichen Bezug des Blockspannen- Untertests das visuelle, nonverbale Gedächtnis zu überprüfen. Die Gesichter wurden Warringtons Recognition Memory Test entnommen, wobei darauf geachtet wurde, verbalisierbare Merkmalsunterschiede zu vermeiden, wie z. B. Brillenträger versus Nichtbrillenträger. Um die Durchführbarkeit zu erleichtern, wurden die Bilder in festen Reihenfolgen hergestellt, um Unterschiede beim Testablauf weitestgehend auszuschließen. Unbekannte Gesichter im Testverfahren werden als am besten geeignetes Mittel erachtet, um das nonverbale Gedächtnis zu überprüfen, welches der rechten Hemisphäre zugeordnet wird (vgl. Warrington 1984, S. 1). 5.4 Statistische Datenanalyse Die Studie wurde als Fall-Kontroll-Studie konzipiert. Die Werte der Teilleistungen der Aphasieprüfung und des Gedächtnistests wurden in Form von metrischen Variablen erfasst. Als quantitative Merkmale stellen sich die erfassten Werte diskret dar. Das Skalenniveau ist für die Ergebnisse der Aphasie- und der Gedächtnistests ordinal. Die Daten wurden auf ihre Voraussetzungen für die statistischen Tests untersucht, z. B. ob eine Normalverteilung vorliegt. Es wurden Kurtosis (Wölbung) und Schiefe als Formmaße zur Beurteilung der Verteilungsform ermittelt und

47 42 der Test auf Normalverteilung nach Kolmogorov-Smirnov durchgeführt. Aufgrund der unterschiedlichen Verteilungsformen der zu vergleichenden unabhängigen Stichproben wurde der Median-Test als nichtparametrisches Verfahren gewählt, um zu überprüfen, ob signifikante Unterschiede für die Merkspannen zwischen den Aphasikern und den Nichtaphasikern vorliegen. Die Nullhypothese lautete hierbei, dass sich die beiden Stichproben nicht signifikant voneinander unterscheiden: H 0 : 1 = 2 Aus den Daten der jeweiligen Gruppen wurde der gemeinsame empirische Median gebildet und die Häufigkeiten konnten anhand von Vierfeldertafeln ermittelt werden. Die Prüfgröße errechnete sich aus der Formel: Χ 2 = Formel 1 Lag der Wert außerhalb [0,Χ 2 1;1-α], wurde die Nullhypothese abgelehnt. Bei ähnlicher Verteilung der unverbundenen Stichproben kam wahlweise der U-Test von Mann und Whitney zur Anwendung, der die Mediane der beiden Stichproben miteinander vergleicht. Das traf auf die Signifikanzprüfungen bezüglich der Aphasie-Hauptsyndrome zu. Für die Korrelationen zwischen dem Aphasiegrad, ausgedrückt als Rohwertsumme der KAP, und Teilleistungen des Kurzeitgedächtnisses sowie für die Korrelationen der Merkspannentests untereinander wurde Spearmans Rangkorrelationskoeffizient als nichtparametrisches Verfahren gewählt. Parametrische Testverfahren setzen normalverteilte Grundgesamtheiten voraus. Das war bei den ermittelten Werten mehrheitlich nicht der Fall, sodass auf nichtparametrische Verfahren zurückgegriffen wurde. Die statistische Auswertung erfolgte mit SPSS Statistics 17.0 für Windows.

48 43 6 Ergebnisse 6.1 Das Kurzzeitgedächtnis Gesamtgedächtnisleistung Die Gesamtgedächtnisleistung wurde durch Addition der Teilleistungen erfasst. Für die Kontrollgruppe ergab sich das Bild einer weitestgehenden Normalverteilung. Die Schiefe (g 1 ) als Formmaß weicht mit g 1 = 0,081 nur geringfügig von 0 ab, ebenso die Kurtosis (g 2 ) mit g 2 = -0,364, sodass die Gedächtnisleistung als Merkmal annähernd symmetrisch und eingipfelig verteilt ist. Der Test auf Normalverteilung nach Kolmogorov-Smirnov (t = 0,069, df = 51, p = 0,200*) war positiv. Lediglich für die Gesamtgedächtnisleistung der Nichtaphasiker ist eine Normalverteilung vorauszusetzen. Abbildung 7

49 44 Die Gruppe der Aphasiker zeigte hingegen eine rechtsschiefe Verteilung (g 1 = 0,994>0, g 2 = 0,260). Der Test auf Normalverteilung fiel negativ aus. Abbildung 8 Für die Rohwertsumme Gedächtnis ergaben sich folgende Werte: Nichtaphasiker Aphasiker N Mittelwert 32, 10 11, 28 Median 32, 00 7, 50 Standardabweichung 9, , 247 Varianz 97, , 491 Schiefe 0, 081 0, 994 Spannweite Minimum 10 0 Maximum Tabelle 8

50 45 Die Unterschiede der Gesamtgedächtnisleistung bei Aphasikern und Nichtaphasikern lassen sich eindrucksvoll anhand von Boxplots visualisieren. Abbildung 9

51 Teilleistung: Zahlenspannen Abbildung 10 Die Kurve der Nichtaphasiker Zahlenspannen vorwärts (g 1 = -1,360 < 0, g 2 = 8,447 > 0) ist von der Verteilung her schmaler und steilgipfliger, als man sie bei einer Normalverteilung erwarten würde. Abbildung 11

52 47 Die Aphasiker zeigen ebenfalls keine Normalverteilung (g 1 = 0,744, g 2 = -0,716). Die Verteilungen der beiden Gruppen unterscheiden sich deutlich sichtbar. Der Test nach Kolmogorov-Smirnov (KS) fiel negativ aus. Abbildung 12 Median-Test: Zahlenspannen vorwärts Empirischer Median = 7,0 n Nichtaphasiker Aphasiker Summe Tabelle 9 Die Prüfgröße beträgt Χ 2 = 47,466 (>Χ 2 1;0,95 = 3,841) und p = 0,000, daher ist der Unterschied zwischen beiden Gruppen signifikant.

53 48 Abbildung 13 Abbildung 14 Die Nichtaphasiker (g 1 = -0,531; g 2 = 0,877; KS = neg.) unterscheiden sich in der Verteilung von den Aphasikern (g 1 = 1,438; g 2 = 1,192; KS = neg.).

54 49 Abbildung 15 Median-Test: Zahlenspannen rückwärts Empirischer Median = 3,0 n Nichtaphasiker Aphasiker Summe Tabelle 10 Die Prüfgröße beträgt Χ 2 = 50,442 (>Χ 2 1;0,95 = 3,841) und p = 0,000, daher ist hier ebenfalls der Unterschied zwischen beiden Gruppen signifikant.

55 Teilleistung: Blockspannen Abbildung 16 Abbildung 17 Beide Versuchsgruppen weisen auch hier unterschiedliche Verteilungen auf ( Blockspannen vorwärts der Nichtaphasiker:g 1 = 0,170; g 2 = 1,338; KS = neg.; Blockspannen vorwärts der Aphasiker: g 1 = 0,734; g 2 = -0,271; KS = neg.).

56 51 Abbildung 18 Median-Test: Blockspannen vorwärts Empirischer Median = 5,0 n Nichtaphasiker Aphasiker Summe Tabelle 11 Die Prüfgröße beträgt Χ 2 = 18,396 (>Χ 2 1;0,95 = 3,841) und p = 0,000. Der Unterschied zwischen Nichtaphasikern und Aphasikern ist auch hier als signifikant einzustufen.

57 52 Abbildung 19 Abbildung 20 Während die Nichtaphasiker eine der Normalverteilung annähernde Kurve zeigen, handelt es sich bei den Aphasikern um eine rechtsschiefe Verteilung, sodass der Median-Test das sinnvolle Testverfahren darstellt ( Blockspannen rückwärts der Nichtaphasiker: g 1 = -0,043; g 2 = -0,329; KS = neg.; Blockspannen rückwärts der Aphasiker: g 1 = 1,097; g 2 = 0,078; KS = neg.).

58 53 Abbildung 21 Median-Test: Blockspannen rückwärts Empirischer Median = 4,0 n Nichtaphasiker Aphasiker Summe Tabelle 12 Die Prüfgröße beträgt Χ 2 = 25,768 (>Χ 2 1;0,95 = 3,841) und p = 0,000. Auch hier manifestiert sich ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Stichproben.

59 Teilleistung: Gesichterspannen Abbildung 22 Abbildung 23 Bei den Untertests zu den Gesichterspannen sind ebenfalls ungleiche Verteilungen zu beobachten, visualisiert an den Histogrammen ( Gesichterspannen vorwärts der Nichtaphasiker: g 1 = -0,008; g 2 = -1,263; KS = neg.; Gesichterspannen vorwärts der Aphasiker: g 1 = 1,657; g 2 = 1,840; KS = neg.).

60 55 Abbildung 24 Median-Test: Gesichterspannen vorwärts Empirischer Median = 1,0 n Nichtaphasiker Aphasiker Summe Tabelle 13 Die Prüfgröße beträgt Χ 2 = 23,824 (>Χ 2 1;0,95 = 3,841) und p = 0,000. An den Boxplots wird der Unterschied deutlich, der sich auch statistisch als signifikant darstellt.

61 56 Abbildung 25 Abbildung 26 Aufgrund der auch hier vorliegenden Verteilungsunterschiede wurde wiederum auf den Median-Test zurückgegriffen ( Gesichterspannen rückwärts der Nichtaphasiker: g 1 = 0,268; g 2 = -1,101; KS = neg.; Gesichterspannen rückwärts der Aphasiker: g 1 = 1,713; g 2 = 1,813; KS = neg.).

62 57 Abbildung 27 Median-Test: Gesichterspannen rückwärts Empirischer Median = 1,0 n Nichtaphasiker Aphasiker Summe Tabelle 14 Die Prüfgröße beträgt Χ 2 = 23,957 (>Χ 2 1;0,95 = 3,841) und p = 0,000. Somit stellt sich auch für den Untertest Gesichterspannen rückwärts zwischen beiden Testgruppen ein signifikanter Unterschied dar.

63 58 Betrachtet man den Zusammenhang zwischen Gesamtgedächtnisleistung und Gesamtleistung in der Aphasieprüfung, kann man für die Aphasikergruppe eine hoch signifikante Korrelation feststellen (Spearmans Rho r s = 0,852**). Die Regressionsanalyse ergibt eine steigende Gerade, sodass von einem gleichsinnigen Zusammenhang ausgegangen werden kann. Lineare Regression: Aphasiker Abbildung 28 Die Gruppe der Restaphasiker unterscheidet sich nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Der U-Test von Mann und Whitney zeigte, dass die Prüfgröße U = 145,00, mit Z = -1,308 (der Betrag des Z-Wertes ist kleiner als die kritische Größe 1,96 für α = 0,05) und p = 0,191 außerhalb des kritischen Bereiches liegt und die Nullhypothese H 0 beibehalten werden kann. Visualisiert man die Streuung der Teilleistungen anhand der Regressionsgeraden, ist erkennbar, dass die verbalen Leistungen einen stärkeren Zusammenhang aufweisen und geringere Abweichungen von der Regressionsgeraden zeigen als die nonverbalen.

64 59 Abbildung 29 Abbildung 30

65 60 Abbildung 31 Abbildung 32

66 61 Abbildung 33 Abbildung 34

67 Die Korrelationen zwischen den Merkspannen Eine Aphasie übt einen entscheidenden Einfluss darauf aus, inwieweit die Teilleistungen des Kurzzeitgedächtnisses miteinander korrespondieren. Insgesamt ist dieser Effekt für die Nichtaphasiker geringer ausgeprägt. Nichtaphasiker Spearman-Rho ZS vw ZS rw BS vw BS rw GS vw GS rw ZS vw Korrelationskoeffizient 1,000 0,415** 0,396** 0,396** 0,317* 0,394** Sig. (zweiseitig) 0,002 0,004 0,004 0,024 0,004 ZS rw Korrelationskoeffizient 0,415** 1,000 0,472** 0,543** 0,477** 0,513** Sig. (zweiseitig) 0,002 0,000 0,000 0,000 0,000 BS vw Korrelationskoeffizient 0,396** 0,472** 1,000 0,600** 0,675** 0,676** Sig. (zweiseitig) 0,004 0,000 0,000 0,000 0,000 BS rw Korrelationskoeffizient 0,396** 0,543** 0,600** 1,000 0,614** 0,538** Sig. (zweiseitig) 0,004 0,000 0,000 0,000 0,000 GS vw Korrelationskoeffizient 0,317* 0,477** 0,675** 0,614** 1,000 0,839** Sig. (zweiseitig) 0,024 0,000 0,000 0,000 0,000 GS rw Korrelationskoeffizient 0,394** 0,513** 0,676** 0,538** 0,839** 1,000 Sig. (zweiseitig) 0,004 0,000 0,000 0,000 0,000 ** Die Korrelation ist auf dem 0,01-Niveau signifikant (zweiseitig). * Die Korrelation ist auf dem 0,05-Niveau signifikant (zweiseitig). Tabelle 15 (RWS KAP = Rohwertsumme KAP, ZS vw = Zahlenspannen vorwärts, ZS rw = Zahlenspannen rückwärts, BS vw = Blockspannen vorwärts, GS vw = Gesichterspannen vorwärts, GS rw = Gesichterspannen rückwärts) Die Untertests korrelieren bei den Nichtaphasikern untereinander, aber in geringerem Maße als bei den Aphasikern. Wie bei den Aphasikern lässt sich für die Nichtaphasiker zeigen, dass die Korrelation innerhalb der Merkspannenbereiche Zahlen-, Block- und Gesichterspannen zwischen der Vorwärts- und Rückwärtsvariante deutlicher ausgeprägt ist als zwischen den gleichsinnigen Varianten der Merkspannenbereiche.

68 63 Aphasiker Spearman-Rho RWS KAP ZS vw ZS rw BS vw BS rw GS vw GS rw RWS KAP Korrelationskoeffizient 1,000 0,858 ** 0,784 ** 0,615 ** 0,682 ** 0,587 ** 0,620 ** Sig. (zweiseitig). 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 ZS vw Korrelationskoeffizient 0,858 ** 1,000 0,713 ** 0,446 ** 0,452 ** 0,416 ** 0,443 ** Sig. (zweiseitig) 0,000. 0,000 0,001 0,001 0,003 0,001 ZS rw Korrelationskoeffizient 0,784 ** 0,713 ** 1,000 0,545 ** 0,639 ** 0,558 ** 0,572 ** Sig. (zweiseitig) 0,000 0,000. 0,000 0,000 0,000 0,000 BS vw Korrelationskoeffizient 0,615 ** 0,446 ** 0,545 ** 1,000 0,844 ** 0,703 ** 0,584 ** Sig. (zweiseitig) 0,000 0,001 0,000. 0,000 0,000 0,000 BS rw Korrelationskoeffizient 0,682 ** 0,452 ** 0,639 ** 0,844 ** 1,000 0,772 ** 0,699 ** Sig. (zweiseitig) 0,000 0,001 0,000 0,000. 0,000 0,000 GS vw Korrelationskoeffizient 0,587 ** 0,416 ** 0,558 ** 0,703 ** 0,772 ** 1,000 0,705 ** Sig. (zweiseitig) 0,000 0,003 0,000 0,000 0,000. 0,000 GS rw Korrelationskoeffizient 0,620 ** 0,443 ** 0,572 ** 0,584 ** 0,699 ** 0,705 ** 1,000 Sig. (zweiseitig) 0,000 0,001 0,000 0,000 0,000 0,000. ** Die Korrelation ist auf dem 0,01-Niveau signifikant (zweiseitig). Tabelle 16 (RWS KAP = Rohwertsumme KAP, ZS vw = Zahlenspannen vorwärts, ZS rw = Zahlenspannen rückwärts, BS vw = Blockspannen vorwärts, GS vw = Gesichterspannen vorwärts, GS rw = Gesichterspannen rückwärts) Im Falle einer Aphasie korrelieren am stärksten die Zahlenspannen mit dem Ausprägungsgrad der Aphasie, gefolgt von den Blockspannen und mit leichtem Abstand die Gesichterspannen. Mit Ausnahme der Zahlenspannen korrelieren die Rückwärtsvarianten stärker mit der Rohwertsumme der KAP. Bei der Betrachtung der Korrelationen zwischen den Untertests ist feststellbar, dass dieselben höher innerhalb eines Merkspannenbereichs ausfallen. So ist die Korrelation zwischen Zahlenspannen vorwärts und Zahlenspannen rückwärts höher als zwischen den anderen Untertests. Ebenso verhält es sich mit den Block- und Gesichterspannen der Aphasiker.

69 64 Nun interessiert noch die Frage, ob sich die Korrelationen der Aphasiker im Vergleich zu den Korrelationen der Nichtaphasiker signifikant voneinander unterscheiden. Ein signifikanter Unterschied lässt sich nur für folgende Korrelationen feststellen: ZS vw/ BS vw/ BS rw/ BS rw/ GS vw/ ZS rw BS rw GS vw GS rw GS rw z-wert 2,27 2,72 1,56 1,33-1,71 Signifikanzniveau p 0,011 0,003 0,06 0,09 0,044 Tabelle 17 (ZS vw = Zahlenspannen vorwärts, ZS rw = Zahlenspannen rückwärts, BS vw = Blockspannen vorwärts, GS vw = Gesichterspannen vorwärts, GS rw = Gesichterspannen rückwärts)

70 Die Aphasiesyndrome Untersucht man die Gesamtleistungen des Kurzzeitgedächtnisses in Bezug auf die einzelnen Aphasiesyndrome, ergibt sich folgendes Bild: Abbildung 35 Die Gruppe mit der geringsten Abweichung von der Vergleichsgruppe stellen die Patienten mit einer Restaphasie dar. Die am stärksten betroffene Gruppe sind die Global-Aphasiker. Die restlichen Aphasiesyndrome zeigen eine ähnliche Beeinträchtigung der Gedächtnisleistungen des Kurzzeitgedächtnisses.

71 Zahlenspannen Beim Untertest Zahlenspannen vorwärts erbrachten die Restaphasiker die besten Leistungen, im mittleren Bereich lagen die Patienten mit amnestischer und Broca-Aphasie. Die größten Einschränkungen im Hinblick auf die Hauptsyndrome wiesen die Global- und Wernicke-Aphasiker auf. Die zwei Patienten mit transkortikal-sensorischer Aphasie erbrachten bei den Zahlenspannen vorwärts gute Ergebnisse. In den weiteren Untertests zeigten sie jedoch Defizite, insbesondere bei den Merkspannen rückwärts. Abbildung 36 Die Restaphasiker unterscheiden sich im Untertest Zahlenspannen vorwärts nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Beide Gruppen zeigten eine linksschiefe Verteilung mit positiver Kurtosis (Nichtaphasiker: g 1 = -1,360, g 2 = 8,447; Restaphasiker: g 1 = -1,680, g 2 = 3,483), außerdem lagen unterschiedlich große Stichproben vor, sodass der U-Test von Mann und Whitney herangezogen werden konnte (U = 145,50; Z = -1,330; p = 0,183), welcher keinen signifikanten Unterschied feststellte.

72 67 Abbildung 37 Für die Gruppe der Restaphasiker lässt sich auch bezüglich des Arbeitsgedächtnisses kein signifikanter Unterschied zur Kontrollgruppe (U = 140,50; Z = -1,438; p = 0,151) feststellen.

73 Blockspannen Abbildung 38 Die Gruppe der Restaphasiker unterscheidet sich auch in diesem Test nicht signifikant von den Nichtaphasikern (U = 197,00; Z = -0,157; p = 0,875). Abbildung 39 Für den Test Blockspannen rückwärts ergibt sich kein signifikanter Unterschied zwischen der Gruppe der Restaphasiker und der der Nichtaphasiker (U = 161,00; Z = -0,965; p = 0,335).

74 Gesichterspannen Abbildung 40 Die Restaphasiker unterscheiden sich nicht signifikant von den Nichtaphasikern (U = 156,00; Z = -1,073; p = 0,283). Abbildung 41 Für den Untertest Gesichterspannen rückwärts lässt sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Restaphasikern und den Nichtaphasikern feststellen (U = 162,50; Z = -0,931; p = 0,352).

75 Die Hauptsyndrome Die Patienten mit globaler Aphasie unterschieden sich in allen sechs Untertests signifikant von der Vergleichsgruppe (IZI > 1,96; p < 0,05): Globale Aphasie Zahlen- Zahlen- Block- Block- Gesichter- Gesichter- spannen spannen spannen spannen spannen spannen vorwärts rückwärts vorwärts rückwärts vorwärts rückwärts Mann- Whitney-U 9,500 8,000 34,500 9,500 62,000 95,500 Z -5,967-6,004-5,539-5,922-5,182-4,753 Asymptotische Signifikanz (zweiseitig) 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 Tabelle 18 Der Unterschied ist für diese Patientengruppe als hoch signifikant anzusehen. Die Teilleistungen aller Untertests sind nahezu gleichermaßen betroffen. Amnestische Aphasie Zahlen- Zahlen- Block- Block- Gesichter- Gesichter- spannen spannen spannen spannen spannen spannen vorwärts rückwärts vorwärts rückwärts vorwärts rückwärts Mann- Whitney-U 14,000 35, , , , ,500 Z -5,195-4,810-1,982-2,642-3,362-2,627 Asymptotische Signifikanz (zweiseitig) 0,000 0,000 0,047 0,008 0,001 0,009 Tabelle 19 Die Patienten mit amnestischer Aphasie zeigten ebenfalls in allen Untertests einen signifikanten Unterschied zur Gruppe der Nichtaphasiker. Lediglich bei dem Test Blockspannen vorwärts ist das Ergebnis recht knapp. Die visuellräumliche Komponente scheint beim amnestischen Syndrom am geringsten betroffen zu sein.

76 71 Broca-Aphasie Zahlen- Zahlen- Block- Block- Gesichter- Gesichter- spannen spannen spannen spannen spannen spannen vorwärts rückwärts vorwärts rückwärts vorwärts rückwärts Mann- Whitney-U 55,000 39,500 28,500 36,000 61,500 76,500 Z -2,608-3,020-3,273-3,073-2,402-2,021 Asymptotische Signifikanz (zweiseitig) Exakte Signifikanz [2*(einseitig Sig.)] 0,009 0,003 0,001 0,002 0,016 0,043 0,009 a 0,002 a 0,000 a 0,001 a 0,014 a 0,045 a a. Nicht für Bindungen korrigiert. Tabelle 20 Die Ergebnisse des U-Tests nach Mann und Whitney weisen in allen Untertests signifikante Unterschiede zu den Ergebnissen der Vergleichsgruppe auf. Am geringsten sind die Unterschiede für die zwei Untertests zu den Gesichterspannen auszumachen.

77 72 Wernicke-Aphasie Zahlen- Zahlen- Block- Block- Gesichter- Gesichter- spannen spannen spannen spannen spannen spannen vorwärts rückwärts vorwärts rückwärts vorwärts rückwärts Mann- Whitney-U 2,000 2,000 52,500 29,500 67,000 36,500 Z -3,322-3,314-1,626-2,376-1,145-2,156 Asymptotische Signifikanz (zweiseitig) Exakte Signifikanz [2*(einseitig Sig.)] 0,001 0,001 0,104 0,018 0,252 0,031 0,000 a 0,000 a 0,111 a 0,014 a 0,275 a 0,030 a a. Nicht für Bindungen korrigiert. Tabelle 21 Bei den Wernicke-Aphasikern ergeben die Blockspannen vorwärts und die Gesichterspannen vorwärts keinen signifikanten Unterschied zur Vergleichsgruppe. Bei den anderen Untertests lagen die ermittelten Werte im kritischen Bereich, sodass in diesen Fällen ein signifikanter Unterschied besteht.

78 Teilleistungen: KAP Abbildung 42 Für die Teilleistungen der KAP ergibt sich obiges Bild für die einzelnen Syndrome. Hervorstechend sind die sehr guten Leistungen bei den Restaphasikern im Gegensatz zu den Patienten mit der globalen Aphasie. Deutliche Einschränkungen zeigen auch die Wernicke-Aphasiker. Das Sprachverständnis ist bei Teilnehmern mit der amnestischen und Broca-Aphasie recht gut erhalten, bei der globalen und Wernicke-Aphasie auffallend eingeschränkt.

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