1. Das betriebliche Rechnungswesen
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- Fabian Hartmann
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1 1. Das betriebliche Rechnungswesen 1.1. Der Inhalt des betrieblichen Rechnungswesens Das betriebliche Rechnungswesen beinhaltet alle Verfahren, mit denen die quantifizierbaren betrieblichen Vorgänge und die Beziehungen des Unternehmens zur Außenwelt zahlenmäßig erfasst, den gesetzlichen Bestimmungen und betriebsinternen Anforderungen entsprechend geordnet und dokumentiert werden. Das Rechnungswesen umfasst daher alle wertmäßigen und mengenmäßigen Informationen über das betriebliche Geschehen. Die Gliederung des Rechnungswesens kann wie folgt erfolgen: BETRIEBLICHES RECHNUNGSWESEN Finanzrechnung Betriebsrechnung Sonderrechnungen Buchhaltung Kostenrechnung Planungsrechnung Gewinn- und Verlustrechnung Leistungsrechnung betriebsw. Statistik Bilanz Wirtschaftlichkeitsrechnungen Rentabilitätsrechnungen Bestands- Erfolgs- Betriebs- Kalkulation Sonderbilanzen rechnung rechnung rechnung etc. Hauptbestandteil des betrieblichen Rechnungswesens sind die Betriebsrechnung und die Finanzrechnung, welche noch durch Sonderrechnungen ergänzt werden. Die Finanzrechnung ist eine Unternehmensrechnung mit pagatorischem Charakter und mündet im offiziellen Jahresabschluss, der für Zwecke der Gewinnfeststellung und -verteilung, der Steuerbemessung, der Information der Unternehmensführung und als Grundlage für Unternehmenskontrollen und Dispositionen benötigt wird. In der Betriebsrechnung, die eine interne Rechnung mit kalkulatorischem Charakter darstellt, wird hingegen eine Erfassung und Erklärung der betrieblichen Vorgänge versucht. Die Betriebsrechnung zerfällt in die Kostenrechnung, die die Kosten erfasst und bestimmten Bezugsgrößen zurechnet, und in die (kurzfristige) Erfolgsrechnung (Betriebsergebnisrechnung), die Kosten und Leistungen gegenüberstellt und den Betriebserfolg ermittelt. In der Finanzrechnung werden die Aufwendungen und Erträge (= externer Wertestrom, externe Verrechnung) dokumentiert und kontrolliert, während die Kosten und Leistungen (= interner Wertestrom, interne Verrechnung) der Betriebsrechnung zugrunde liegen. Diese beiden verschiedenen Rechnungsarten, deren Unterschiedlichkeit sich in der Art der Bewertung (Bewertungsunterschiede), im Umfang der zulässigen Wertansätze (Umfangsunterschiede) und in der Zurechnung der Werte zu den einzelnen Abrechnungsperioden (Periodenverschiedenheiten) manifestiert, stehen trotz dieser Trennlinien ursächlich im Zusammenhang, da die Kostenrechnung direkt aus der Finanzrechnung abgeleitet wird. Die Aufwendungen der Finanzbuchhaltung müssen in Kosten umgewandelt werden. Diese Notwendigkeit verlangt einen entsprechenden organisatorischen Zusammenhang zwischen Finanzbuchhaltung und Betriebsbuchhaltung Die Aufgaben des betrieblichen Rechnungswesens Die Aufgaben des betrieblichen Rechnungswesens bestehen vor allem in der Dokumentation des betrieblichen Geschehens sowie in der Bereitstellung von Informationen zur zielgerichteten Steuerung des Unternehmens und seiner Überwachung. Bertl/Deutsch/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch 7, LexisNexis 1
2 Die Finanzrechnung dient vornehmlich der externen Rechnungslegung und damit Dokumentationszwecken, während die Kosten- und Leistungsrechnung, die Kennzahlenrechnung sowie die Planungsrechnung als interne Unternehmensrechnungen Steuerungs- und Überwachungsaufgaben übernehmen Der Zweck des betrieblichen Rechnungswesens Grundsätzlich gibt es zwei Beweggründe zur Installierung eines betrieblichen Rechnungswesens. Der erste Grund ist rechtlicher Natur, da aufgrund unternehmens- und steuerrechtlicher Bestimmungen die Mehrzahl der Unternehmer zur Führung von Aufzeichnungen oder Büchern verpflichtet ist, um den dem Eigentümer des Unternehmens auszahlbaren Gewinn zu bestimmen und um die Grundlage für die Steuerbemessung zu ermitteln. Der zweite Anlass ist wirtschaftlicher Natur und äußert sich in der Notwendigkeit einer rechnerischen Unterlage für die Planungs- und Überwachungsfunktion der unternehmerischen Tätigkeit. Schließlich liegt der Zweck der Buchführung auch in einem zivilrechtlichen Bereich, der sich mit dem steuerrechtlichen überschneidet. Wird die Organisation der Aufbewahrung von Belegen oder Aufzeichnungen vernachlässigt, sodass Unterlagen abhanden kommen oder kommen können, ist nicht nur die steuerliche Anerkennung der diesen Belegen oder Aufzeichnungen zu Grunde liegenden Tatbestände gefährdet, sondern auch im zivilrechtlichen Verfahren im Falle von Streitfällen ein Beweisnotstand gegeben. Dieser könnte z.b. beim Nachweis von Leistungsverpflichtungen, wie Zahlungen, oder bei Diebstählen von Angestellten, die nur bei ordnungsgemäßer Buchführung einwandfrei nachgewiesen werden können, auftreten. Der Wert der Buchführung besteht daher für den Unternehmer in der Information über das Geschehen in seinem Unternehmen und der damit verbundenen Kontrollmöglichkeit. Weiters besteht der Wert der Buchführung darin, dass sie, wenn sie gemäß den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung bzw. des Umsatzsteuergesetzes (als maßgebliche Gesetzesquellen) geführt werden, auch die Vermutung materieller Ordnungsmäßigkeit beinhaltet. Dies bedeutet, dass bei ordnungsgemäßer Führung von Büchern die Beweiskraft für sachliche Unrichtigkeiten bei der Finanzbehörde liegt. Sind Bücher und Aufzeichnungen jedoch formell nicht in Ordnung, trifft die Beweislast den Steuerpflichtigen, der sich bei fehlenden und mangelnden Aufzeichnungen, wie z.b. nicht aufgezeichneten Einnahmen, in einem Beweisnotstand befindet. 2 Bertl/Deutsch/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch 7, LexisNexis
3 2. Die Buchhaltung (Buchführung) 2.1. Die Aufgaben der Buchhaltung Die Buchhaltung hat neben der Dokumentationsfunktion auch die Funktion der Erfolgsfeststellung, der Kontrolle und der Information zu erfüllen. (1) Die Buchhaltung hat alle wertmäßigen Veränderungen des Vermögens und des Kapitals lückenlos aufzuzeichnen. DOKUMENTATIONSFUNKTION Das Vermögen gibt Auskunft darüber, wie die finanziellen Mittel im Unternehmen investiert (verwendet) wurden. Das Vermögen besteht u.a. aus Grundstücken, Gebäuden, Fahrzeugen, Schreibtischen, Waren aller Art, aber auch aus Bargeld, Bankguthaben und Wertpapieren. Das Kapital hingegen zeigt die Finanzierungsquellen, d.h. woher das Geld stammt (aus Bankkrediten, von Lieferanten oder von Eigentümern des Unternehmens). (2) Das Zahlenmaterial der Buchhaltung wird am Ende einer Rechnungsperiode zusammengefasst und ergibt aufbereitet die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung. Damit wird die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens dargestellt. FUNKTION DER ERFOLGSFESTSTELLUNG (3) Die Buchhaltung und der Jahresabschluss (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung) bilden die Grundlage für Sonderrechnungen, die der dienen. KONTROLL- UND DISPOSITIONSFUNKTION (4) Die Finanzrechnung erfüllt aber auch eine Informationsaufgabe, und zwar gegenüber den Eigentümern; der Unternehmensleitung; den Arbeitnehmern; den Gläubigern; den Lieferanten und Kunden; dem Finanzamt; dem Steuerberater, etc. INFORMATIONSFUNKTION Die Buchhaltung dient dabei als Grundlage für die Besteuerung und als Beweismittel vor Gericht. Bertl/Deutsch/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch 7, LexisNexis 3
4 2.2. Grundlegende Begriffe In der Buchhaltung werden Wertbewegungen zahlenmäßig abgebildet, wobei Begriffe verwendet werden, die im Gegensatz zum täglichen Sprachgebrauch exakt zu definieren und voneinander abzugrenzen sind. Dies sind insbesondere die Begriffspaare Einzahlungen Einnahmen Ertrag Leistung Auszahlungen Ausgaben Aufwand Kosten Im Steuerrecht existiert weiters das Begriffspaar Betriebseinnahmen Betriebsausgaben welches sich mit keinem der obigen Begriffspaare voll deckt. Auszahlungen und Einzahlungen Bei Auszahlungen handelt es sich um reine Zahlungsvorgänge in Form von Geldmittelabflüssen aus dem Unternehmen. Einzahlungen sind Geldmitteleingänge, also ebenfalls reine Zahlungsvorgänge. Die Zu- und Abgänge des Geldes können entweder durch die Übergabe von Banknoten und Münzen oder in bargeldloser Form durch die Überweisung von Geldbeträgen von Guthaben bei Kreditinstituten erfolgen. Ausgaben und Einnahmen Ausgaben sind Auszahlungen + Schuldenzunahmen + Forderungsabnahmen. Einnahmen sind Einzahlungen + Forderungszunahmen + Schuldenabnahmen. Aufwendungen und Erträge Unter Aufwand ist der in Geldeinheiten ausgedrückte Vermögenseinsatz einer bestimmten Periode (Abrechnungsperiode) zu verstehen. Der Vermögenseinsatz ist der gesamte Wertverbrauch des Unternehmens, ausgenommen dem privaten Zweck des Unternehmers dienende Wertänderungen. Aufwendungen können, müssen aber nicht in der betreffenden Periode Ausgaben sein. Es können sogar Aufwendungen entstehen, die zu keiner Zeit zu Ausgaben führen. Umgekehrt gilt, dass nicht jede Ausgabe auch Aufwand sein muss; als Beispiel dienen der Ankauf von einem unbebauten Grundstück, das keiner Wertminderung unterliegt und damit keine Aufwendungen in Form von Abschreibungen hervorruft oder die Entnahme von Geldbeträgen durch den Unternehmer (= Vermögensverlagerung und nicht Wertverzehr). Erträge sind sinngemäß die in Geld bewerteten Gegenleistungen für erbrachte Leistungen, d.h. die Erträge sind die einer bestimmten Periode zurechenbaren Einnahmen. Auch hier gilt, dass nicht jeder Ertrag zu einer Einnahme führt und dass nicht jede Einnahme einen Ertrag darstellt. 4 Bertl/Deutsch/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch 7, LexisNexis
5 Kosten und Leistung Die Kosten sind der Werteinsatz zur Leistungserstellung in einer Unternehmung, wobei die Wertkomponente vom Zielsystem der Unternehmung abgeleitet wird. Die Leistung ist die Summe der im betrieblichen Produktionsprozess in Entsprechung des Betriebszweckes erstellten materiellen Güter und Dienstleistungen. Diese sind das bewertete Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit und umfassen sowohl die für den Markt bestimmten als auch die für den Betrieb selbst bestimmten Leistungen. Sonstige wesentliche Begriffe Neben diesen für die Buchhaltung als Rechnung in Werten bedeutsamen Begriffen gibt es noch eine Reihe weiterer fachspezifischer Begriffe, die sich auf das Rechnungswesen beziehen bzw. für dessen Verständnis benötigt werden, weshalb im Folgenden die wichtigsten kurz dargestellt werden: Absatz Der Absatz ist die Menge der in einer Periode verkauften Güter. Anhang Der Anhang ist die für Kapitalgesellschaften verpflichtende verbale Erläuterung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung und Teil des Jahresabschlusses. Beleg Belege sind schriftliche Aufzeichnungen über tatsächliche oder geplante betriebliche Vorgänge, die im Rechnungswesen erfasst werden müssen. Betrieb Die Abgrenzung des Begriffes Betrieb erfolgt in der Betriebswirtschaftslehre sehr uneinheitlich. Meist wird unter Betrieb eine wirtschaftliche Leistungseinheit verstanden, die der Leistungserstellung (z.b. Produktion, Dienstleistung, Tausch) dient. Statt des Begriffes Betrieb wird manchmal auch der Begriff Unternehmung oder Unternehmen verwendet. Bilanz Mit Bilanz wird die wertmäßige Gegenüberstellung des Vermögens auf der sog. Aktivseite und der Schulden und des Kapitals auf der sog. Passivseite in Form eines Kontos verstanden. Die Bilanz ist Teil des Jahresabschlusses. Erfolg Der Erfolg ist die Differenz zwischen Erträgen und Aufwendungen. Ergebnis siehe Erfolg Faktura siehe Rechnung Bertl/Deutsch/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch 7, LexisNexis 5
6 Finanzierung Die Finanzierung besteht in der Versorgung des Unternehmens mit Geldmittel, die für die Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen benötigt werden. Finanzierung kann auch als Mittelaufbringung bezeichnet werden. Firma Die Firma ist der Name des Unternehmens. (Unter diesem Namen betreibt der Unternehmer die Geschäfte, schließt die Verträge, erstellt Rechnungen.) Gewinn Der Gewinn ist der Überhang der Erträge über die Aufwendungen. Gewinn- und Verlustrechnung Unter Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) wird die Gegenüberstellung von Erträgen und Aufwendungen einer Periode (vielfach in Staffelform) verstanden. Die Gewinn- und Verlustrechnung ist Teil des Jahresabschlusses. Inventar Eine Aufstellung des dem Unternehmen gewidmeten Vermögens. Inventur Mengen- und wertmäßige Erfassung des Inventars. Investition Als Investition wird die Verwendung von Geldmitteln zur Beschaffung von Vermögensgütern bezeichnet (z.b. Kauf einer Maschine). Jahresabschluss Der Jahresabschluss ist einmal jährlich vom Kaufmann aufzustellen und besteht aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (bzw. Anhang bei Kapitalgesellschaften). Kapital Das Kapital ist die Summe der Geldmittel und sonstigen Werte, die dem Unternehmen überlassen wurden. Es wird in das Eigenkapital, das dem Unternehmen durch die Eigentümer überlassen wurde, und in das Fremdkapital (= Schulden), das dem Unternehmen von Dritten (Gläubigern) zur Verfügung gestellt wurde, unterschieden. Konto Konten sind zweiseitige Rechenfelder, auf denen der Buchungsstoff (= Inhalt der Geschäftsvorfälle) erfasst wird; die linke Seite wird mit SOLL, die rechte Seite mit HABEN bezeichnet. Rechnung Als Rechnung bezeichnet man jedes Schriftstück, mit dem ein Unternehmen über eine Lieferung oder Leistung abrechnet. 6 Bertl/Deutsch/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch 7, LexisNexis
7 Reinvermögen Das Reinvermögen ist die Differenz zwischen Gesamtvermögen und Schulden (Fremdkapital). Umsatz Der Umsatz ist die mit den Verkaufspreisen bewertete Absatzmenge (= verkaufte Menge x Preis). Unternehmen siehe Betrieb Verlust Der Verlust ist der Mehrbetrag der Aufwendungen über die Erträge. Vermögen Das Vermögen ist die Gesamtheit aller im Eigentum eines Unternehmens stehenden Güter. Das Gesamtvermögen unterteilt man in Anlage- und Umlaufvermögen. Das Anlagevermögen umfasst alle jene Güter, die dem Unternehmen langfristig zur Verfügung stehen (z.b. Grundstücke, Maschinen usw.). Das Umlaufvermögen ist nur zur kurzfristigen Nutzung bestimmt (z.b. Warenvorräte, Geldbestand usw.) Die Rechtsgrundlagen der Buchführung Für die Betriebsrechnung bestehen keine gesetzlichen Vorschriften. Bei der Finanzrechnung (Buchhaltung) jedoch ist der Inhalt gesetzlich vorgeschrieben sowie die Form gesetzlich geregelt. Bestimmungen über die Aufzeichnungs- und Buchführungspflicht sind vor allem im Unternehmensgesetzbuch ( UGB/ Rechnungslegungsgesetz ) und in der Bundesabgabenordnung ( BAO) enthalten Die Rechnungslegungspflicht Im Zuge der Reformierung des österreichischen Handelsrechts durch das Handelsrechts- Änderungsgesetz (HaRÄG; BGBl I 120/2005) im Jahr 2005, kam es unter anderem zu einer umfassenden Novellierung der Rechnungslegungspflicht, die in einem neuen 189 UGB ihre gesetzliche Verankerung fand. Das HaRÄG trat mit in Kraft (zu beachten sind aber die Übergangsbestimmungen gem. 907 Abs 16 und Abs 17 UGB). Durch das Rechnungslegungs-Änderungsgesetz (RÄG; BGBl I 2009/140) wurden die in 189 festgesetzten Schwellenwerte erhöht. Gem 189 UGB ist das dritte Buch über die Rechnungslegung anzuwenden auf: Kapitalgesellschaften sowie unternehmerisch tätige Personengesellschaften ohne natürliche Person als unbeschränkt haftenden Gesellschafter (Abs 1 Z 1) und Bertl/Deutsch/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch 7, LexisNexis 7
8 alle anderen Unternehmer (mit Ausnahme von Abs 4), die mehr als Umsatzerlöse pro Jahr erzielen (Abs 1 Z 2). Kapitalgesellschaften unterliegen daher nach wie vor, unabhängig von Größe und Tätigkeit, immer der Rechnungslegungspflicht. Auch Personengesellschaften ohne natürliche Person als unbeschränkt haftenden Gesellschafter sind, sofern eine unternehmerische Tätigkeit ausgeführt wird, rechnungslegungspflichtig. Bei diesen sogenannten verdeckten Kapitalgesellschaften kommt vor allem der GmbH & Co KG eine besondere praktische Bedeutung zu. Für alle anderen Unternehmen, also Einzelunternehmer wie auch Personengesellschaften (mit natürlichen Personen als unbeschränkt haftende Gesellschafter) stellt die Rechnungslegungspflicht auf das Überschreiten eines festgelegten Schwellenwerts für die Umsatzerlöse gem 232 Abs 1 UGB ab. Die Grenze bezieht sich dabei auf den Umsatz pro einzelnen einheitlichen Betrieb. Sind die Umsatzerlöse an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren (Regelgeschäftsjahr von zwölf Monaten) größer , tritt grundsätzlich die Rechnungslegungspflicht ein. Die Rechnungslegungspflicht tritt jedoch nicht sofort sondern erst ab dem der zweimaligen Überschreitung zweitfolgenden Geschäftsjahr ein. Werden also beispielsweise sowohl im Jahr X0 wie auch im Jahr X1 Umsatzerlöse über erzielt, tritt die Rechnungslegungspflicht ab dem Jahr X3 ein. Eine Ausnahme von dieser generellen Regelung stellt das sogenannte qualifizierte Überschreiten des Schwellenwertes (um mindestens dh ab ) dar. In diesem Fall tritt die Rechnungslegungspflicht bereits ab dem der einmaligen Überschreitung folgenden Geschäftsjahr ein, da davon ausgegangen werden kann, dass es in der Regel auch im Folgejahr zumindest zu einem Überschreiten der Grenze von kommen wird. Kommt es beispielsweise im Jahr X0 zu Umsatzerlösen von mehr als , tritt die Rechnungslegungspflicht bereits ab dem Jahr X1 ein. Die qualifizierte Schwelle wurde insbesondere im Hinblick auf die Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit mit einem sehr großen Betrieb und einem unter diesen Umständen nicht zu rechtfertigenden Eintritt der Rechnungslegungspflicht erst im vierten Jahr der Geschäftstätigkeit eingeführt. Darüber hinaus kommt es zu Besonderheiten im Zusammenhang mit Unternehmensübergängen. Wird der Schwellenwert in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht überschritten tritt der Entfall der Rechnungslegungspflicht in der Regel im unmittelbar darauf folgenden Geschäftsjahr ein. Vom Anwendungsbereich der Rechnungslegungsvorschriften ausgenommen sind gem 189 Abs 4 UGB: Angehörige der freien Berufe, die ihren Beruf als Einzelunternehmer oder im Rahmen einer offenen Personengesellschaft oder Kommanditgesellschaft ausüben, Land- und Forstwirte, die ihren Beruf als Einzelunternehmer oder im Rahmen einer offenen Personengesellschaft oder Kommanditgesellschaft ausüben und Unternehmer, die ausschließlich außerbetriebliche Einkünfte erzielen, die gem. 2 Abs 4 EStG durch den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt werden. Angehörige der freien Berufe sowie Land- und Forstwirte und Unternehmer, die ausschließlich außerbetriebliche Einkünfte erzielen, die gem. 2 Abs 4 EStG durch den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt werden, sind daher, sofern ihr Unternehmen nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft bzw einer verdeckten Kapitalgesellschaft geführt wird, von der Rechnungslegungspflicht ausgenommen. Ein Überschreiten des Schwellenwertes ist, ebenso wie eine etwaige freiwillige Firmenbucheintragung irrelevant. Darüber hinaus sind auch die so genannten Überschussrechner von der Rechnungslegungspflicht ausgenommen. 8 Bertl/Deutsch/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch 7, LexisNexis
9 Aus steuerrechtlicher Sicht ( 124 BAO) hat derjenige, der nach Unternehmensrecht oder anderen gesetzlichen Bestimmungen zur Führung von Büchern verpflichtet ist, diese Verpflichtung auch im Interesse der Abgabenerhebung zu erfüllen. Darüber hinaus müssen auch jene Unternehmer Bücher führen, die die in 125 BAO festgelegten Grenzen überschreiten. Hierbei ist anzumerken, dass die Reform der unternehmensrechtlichen Rechnungslegungspflicht auch zu einer Anpassung der steuerlichen Bestimmungen führte, die durch das StruktAnpG 2006 (BGBl. 2006/100) umgesetzt wurden. Demnach betragen die Grenzen in der BAO: Buchführungspflicht gem. 125 BAO Betriebsart wirtschaftlicher Land- und forstwirtschaftliche Kriterium Geschäftsbetrieb ( 31) Betriebe Umsatz mehr als mehr als Einheitswert mehr als Exkurs: Rückblick auf die Rechtslage vor dem HaRÄG bzw StruktAnpG 2006: Vor der Reform des Handelsrechts war die Buchführungspflicht an den Vollkaufmannsbegriff geknüpft. 189 Abs 1 HGB verpflichtete jeden Kaufmann Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ersichtlich zu machen. Kaufmann war derjenige, der ein Handelsgewerbe nach 1 HGB betrieb, das die Grenzen des Handwerkes oder Kleingewerbes überschritt. Diese Kaufleute, die so genannten IST-Kaufleute, waren mit Beginn ihres Handelsgewerbes buchführungspflichtig, unabhängig von der Eintragung in das Firmenbuch. Weiters waren alle diejenigen Unternehmer ab der Eintragung in das Firmenbuch buchführungspflichtig, die ein Handelsgewerbe betrieben, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderte. Diese Unternehmer, die so genannten SOLL-Kaufleute, mussten in das Firmenbuch eingetragen werden und einen Gewerbebetrieb betreiben. Schließlich bestimmte das Handelsrecht ( 6 HGB), dass die Kaufmannseigenschaft und somit auch die Buchführungspflicht, auch auf alle Handelsgesellschaften (Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft) anzuwenden war (FORM-Kaufleute). Aus steuerrechtlicher Sicht ( 124 BAO) hatte derjenige, der nach Handelsrecht oder anderen gesetzlichen Bestimmungen zur Führung von Büchern verpflichtet ist, diese Verpflichtung auch im Interesse der Abgabenerhebung zu erfüllen. Darüber hinaus mussten auch jene Unternehmer Bücher führen, die die in 125 BAO festgelegten Grenzen überschritten. Die Grenzen betrugen dabei: Buchführungspflicht gem. 125 BAO Betriebsart Gewerbebetriebe Land- und forstwirtschaftliche Kriterium Betriebe Umsatz mehr als *) mehr als Einheitswert mehr als *) für Lebensmitteleinzelhandel und Gemischtwarenhandel Bertl/Deutsch/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch 7, LexisNexis 9
10 Wurde die Umsatzgrenze in zwei unmittelbar aufeinander folgenden Wirtschaftsjahren überschritten, so trat ab 1.1. des Folgejahres Buchführungspflicht ein. Eine bescheidmäßige Feststellung des Überschreitens der Umsatzgrenze war nicht für den Eintritt der Buchführungspflicht erforderlich. Angehörige freier Berufe, wie Ärzte, Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder, Journalisten usw. waren davon nicht betroffen. Allerdings konnten Unternehmer, die die Grenzen des 125 BAO nicht überschritten, ebenso wie die freiberuflich Tätigen freiwillig Bücher führen. Wurde die Einheitswertgrenze bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben aufgrund des Einheitswertbescheides überschritten, trat Buchführungspflicht mit dem Beginn des zweitfolgenden Kalenderjahres ein Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Damit ein Unternehmer den Vorschriften des Unternehmensrechtes bei seiner Aufzeichnungspflicht bzw. Rechnungslegungspflicht entspricht, ist als Buchungssystem die doppelte Buchführung anzuwenden, deren gesetzliche Rahmenbedingung im Wesentlichen das Rechnungslegungsgesetz ist. Weiters wird in 190 UGB auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) verwiesen. Gemäß der einschlägigen Rechtsprechung ist die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nach jenen Kriterien zu beurteilen, die dem allgemeinen Bewusstsein der anständigen und ordentlichen Kaufmannschaft entspringen. In der Praxis gründen sich die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung auf gesetzliche Bestimmungen und die diesbezüglichen Rechtsprechungen, auf die zum Gewohnheitsrecht gewordene allgemein anerkannte Übung der kaufmännischen Praxis und auf Gutachten der Kammer der Wirtschaftstreuhänder und der Vertreter der Unternehmer. Eine Buchführung ist grundsätzlich dann als ordnungsgemäß anzusehen, wenn alle gesetzlichen und sonstigen Vorschriften beachtet worden sind und alle Geschäftsvorfälle vollständig wahr klar ordentlich und leicht nachprüfbar erfasst sind. Formelle Ordnungskriterien Die Buchführung ist in einer lebenden Sprache und in deren Schriftzeichen zu führen. Es dürfen keine leeren Zwischenräume an Stellen gelassen werden, die der Regel nach zu beschreiben sind. Es darf nicht radiert werden. Gemachte Eintragungen dürfen nicht unkenntlich gemacht werden. Die Eintragungen sollen der Zeitfolge nach geordnet, vollständig, richtig und zeitgerecht vorgenommen werden. Kasseneinnahmen und -ausgaben sollen mindestens täglich aufgezeichnet werden. Die Bezeichnung der Konten und Bücher soll erkennen lassen, welche Geschäftsvorgänge auf den betreffenden Konten verbucht werden. Konten, die den Verkehr mit Geschäftsfreunden verzeichnen, sollen Namen und Anschrift der Geschäftsfreunde aufweisen. Soweit Bücher gebunden werden, sollen sie Blatt für Blatt oder Seite für Seite fortlaufend nummeriert werden. 10 Bertl/Deutsch/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch 7, LexisNexis
11 Bertl/Deutsch/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch 7, LexisNexis 11
12 Werden Bücher oder Aufzeichnungen in loser Blattform geführt, so sollen diese Blätter in einem laufend geführten Verzeichnis (Kontenregister) festgehalten werden. Die Verwendung von Datenträgern (elektronische Datenverarbeitung) ist erlaubt, wenn die inhaltsgleiche, vollständige und geordnete Wiedergabe aller Geschäftsvorfälle und die Einhaltung von Datensicherungs- und Datenschutzmaßnahmen jederzeit gewährleistet ist. Bücher und Aufzeichnungen sind ebenso wie die Belege und sonstigen Unterlagen sieben Jahre hindurch aufzubewahren. Materielle Ordnungskriterien Die Grundsätze materieller Ordnungsmäßigkeit der Buchführung beinhalten folgende Verbote und Gebote. Das Verbot der Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen, die nicht stattgefunden haben. Das Verbot der unrichtigen Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen. Das Gebot, alle stattgefundenen Geschäftsvorfälle aufzuzeichnen. Das Gebot der vollständigen körperlichen Erfassung aller Vermögensgegenstände bei der Inventur. Das Gebot der richtigen, d.h. dem Gesetz entsprechenden Bewertung. Verstößt ein Unternehmer gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, können damit verschiedene Folgen verbunden sein. Die Steuerbehörde kann dem Steuerpflichtigen die Anerkennung von Steuerbegünstigungen, wie z.b. Investitionsbegünstigungen, verweigern. Weiters ist die Finanzbehörde bei nicht ordnungsgemäßer Durchführung legitimiert, die Aussagekraft der Buchführung zu verwerfen und ebenso die darin ermittelte Bemessungsgrundlage für die Steuerberechnung (Gewinn). Die Bemessungsgrundlage kann in weiterer Folge daher geschätzt werden. Die Aberkennung der Beweiskraft für die Aufzeichnungen bzw. Bücher ist auch im zivilrechtlichen Verfahren (z.b. bei Erbauseinandersetzungen oder Schadenersatzansprüchen) im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Buchführung geschmälert bzw. nicht gegeben. Schließlich kann die nicht ordnungsgemäße Buchführung auch Geldstrafen nach sich ziehen Der Jahresabschluss Die doppelte Buchhaltung mündet am Ende des Wirtschaftsjahres in die Bilanz bzw. in die Gewinn- und Verlustrechnung. Die Bilanz ist die Gegenüberstellung der zum Bilanzstichtag vorhandenen Vermögensund Kapitalteile, die nach bestimmten vom Bilanzerstellungszweck abhängigen Gliederungs- und Bewertungsgesichtspunkten ermittelt werden. Die Aktivseite der Bilanz gibt eine Übersicht über die Art und die Werte der zum Bilanzstichtag vorhandenen Vermögensgegenstände. Neben den einzelnen Posten des Anlage- und Umlaufvermögens sind auf der Aktivseite auch Korrekturposten zur Passivseite und Posten zur periodengerechten Zuordnung von Vermögensänderungen auszuweisen. Auf der Aktivseite ist zu ersehen, welche Vermögensgegenstände zum Bilanzstichtag vorhanden sind (Mittelverwendung). Die Passivseite (Kapitalseite) der Bilanz zeigt die Mittelherkunft, die ersichtlich macht, welche in Geld ausgedrückten Mittelbeträge dem Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden und in welcher rechtlichen Form dies geschah. Erfolgte die Mittelzufuhr von rechtlich am Unternehmen beteiligten Personen in der Absicht, es dem Unternehmen als 12 Bertl/Deutsch/Hirschler, Buchhaltungs- und Bilanzierungshandbuch 7, LexisNexis
Rechnungswesen. Rechnungswesen
Rechnungswesen Rechnungswesen Petra Grabowski Steuerberaterin & Diplom-Betriebswirtin (FH) Hagdornstr. 8, 40721 Hilden Tel.: (0 21 03) 911 331 Fax: (0 21 03) 911 332 www.petra-grabowski.de steuerberatung@petra-grabowski.de
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